Veranstaltung: | Digitaler Landesausschuss am 16.12.2020 |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 2 Anträge |
Antragsteller*in: | Alexander Kräß (KV Berlin-Steglitz/Zehlendorf) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 20.11.2020, 12:17 |
R-14-V-14: Grenzenlos Queer: Solidarität mit LGBTQI* in Polen
Antragstext
Nur wenige hundert Kilometer von Berlin entfernt, mitten in der Europäischen Union, werden
die Menschenrechte von Lesben, Schwulen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen sowie
anderen Queers (LGBTIQ*) mit Füßen getreten. Ihre Situation hat sich unter der aktuellen
Regierung massiv verschlechtert: Neben Angriffen auf CSDs und andere Pride-Veranstaltungen
gibt es vor allem eine große politische und rechtliche Diskriminierung und Ausgrenzung von
LGBTIQ* im öffentlichen Leben.
Konservative Gruppierungen versuchen mit aller Kraft, die Errungenschaften der polnischen
LGBTQI*-Community zurückzudrängen. Nachdem der Bürgermeister von Warschau 2019 eine queer-
freundliche Resolution unterzeichnet hat, um einer Richtlinie der
Weltgesundheitsorganisation zu folgen, gab es eine massive Gegenbewegung von
queerfeindlichen Politiker*innen in vielen Teilen des Landes. Diese Bewegung gipfelte darin,
dass sich zahlreiche Städte, Kreise und Woiwodschaften als sogenannte “LGBT+-freie Zone”
bezeichnen und einer vermeintlichen ”LGBT+-Ideologie” entgegenwirken wollen.
Die betroffenen Gebiete behaupteten eine Frühsexualisierung von Kindern und Jugendlichen
durch die Verbreitung dieser ”Ideologie”. Mit dieser Begründung werden Ansprechpersonen für
junge queere Menschen aus Schulen verbannt und allgemeine Aufklärung und Hilfsangebote als
“Botschafter*innen der LGBT Ideologie” bekämpft. Teilweise wird auch die Nichteinstellung
queerer Lehrer*innen an Schulen gefordert.
Diese klar diskriminierenden Resolutionen werden von der nationalen Regierung Polens
unterstützt. Nicht zuletzt auch der Präsidentschaftswahlkampf war von erschütternden
Hetzkampagnen der regierenden PiS-Partei gegen LGBTIQ* geprägt.
Zwar wurden einige “LGBT+-freie Zonen” bereits von Verwaltungsgerichten für rechtswidrig
erklärt, jedoch ändert das in den konkreten Fällen zu wenig an der allgemeinen Situation von
LGBTQI* in Polen. Um diese nachhaltig zu verbessern, braucht es solidarisches Engagement,
Unterstützung für die Queer-Community vor Ort und Druck auf politische
Entscheidungsträger*innen.
Für eine queere Berliner Außenpolitik
Während die polnischen Partnerstädte Berlins kein Teil der “LGBT+-freien Zonen” sind, so
gibt es doch in den Partnerstädten der Bezirke einen Fall. Eine polnische Partnergemeinde
Steglitz-Zehlendorfs, Poniatowa, hat sich im letzten Jahr zu einer solchen Zone erklärt.
Als GRÜNE BERLIN begrüßen wir es, dass das Bezirksamt sich parteiübergreifend einstimmig
gegen diesen Beschluss gestellt und Gegenmaßnahmen gefordert hat. Wir unterstützen die
gemeinsame Erklärung des Lesben- und Schwulenverbands Berlin-Brandenburg (LSVD) zusammen mit
der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Berlin (DPG), die wir als einen wichtigen Schritt sehen,
um auch in Polen Aufmerksamkeit dafür zu schaffen, dass es eine breite, parteiübergreifende
Mehrheit in den deutschen Partnerstädten sich gegen diese Resolution stellt.[1] Wir begrüßen
ebenfalls die Resolutionen des Europaparlaments, welches sich gegen die queerfeindlichen
Erklärungen gestellt hat und unterstützen auch die Entscheidung der Europäischen Kommission,
den entsprechenden polnischen Gemeinden keine Fondsmittel mehr zu genehmigen.[2]
Doch leider reichen solche Erklärungen allein nicht aus. Gerade die Tatsache, dass die
polnische Regierung den betroffenen Gemeinden zugesichert hat, die verwehrten europäischen
Fondsmittel zu ersetzen, zeigt, dass wir es bei einfachen Erklärungen nicht belassen können.
Queere Menschen in Polen brauchen unsere Unterstützung – sowohl politisch, als auch
praktisch.
Solidarität nicht nur sagen, sondern auch leben!
Als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN BERLIN verurteilen wir die queerfeindlichen Erklärungen und
Maßnahmen aufs schärfste. Wir solidarisieren uns mit queeren Pol*innen und setzen uns dafür
ein, die Community im Land zu unterstützen.
- Im Fall der Städtepartnerschaft mit Poniatowa sehen wir die Notwendigkeit, ein klares
Zeichen an queerfeindliche polnische Gemeinden zu senden, dass queeren Menschen vor
Ort auch tatsächlich hilft. Die bisherige Resolution des Bezirksamts war ein guter
Schritt dorthin. Da diese jedoch auf keine Reaktion gestoßen ist, brauchen wir weitere
Maßnahmen. Die überparteiliche Resolution der BVV ist hierfür wichtig - mit ihr muss
die Resolution Poniatowas scharf verurteilt und eine schnellstmögliche Rücknahme
gefordert werden. Nachdem die Partnerschaft lange Zeit still war, ist hiermit jedoch
nicht gesichtert, dass dies in Poniatowa wahrgenommen wird. Gerade deshalb muss der
Bezirk weitere Maßnahmen ergreifen, um mit der polnischen Partnerstadt in direkten
Kontakt zu kommen, Gehör zu finden und queere Rechte anzusprechen. Für den Fall, dass
diese Maßnahmen nicht erfolgreich sind, muss sich der Bezirk eine klare Frist setzen,
nach der die Partnerschaft auf politischer Ebene ausgesetzt wird. Je nach der weiteren
Entwicklung vor Ort sind dann weitere Schritte im Austausch mit polnischen Queer-
Organisationen vorzunehmen.
- Unabhängig davon wollen wir in der Partnerschaft zwischen Steglitz-Zehlendorf und
Poniatowa, sowie bei den anderen polnischen Partnerstädten den
zivilgesellschaftlichen, kulturellen, schulischen und wissenschaftlichen Austausch mit
der polnischen Queer-Community verstärken. Denn in keinem Fall darf eine Aussetzung
oder Aufkündigung der Partnerschaft dazu führen, die queeren Pol*innen vor Ort allein
zu lassen. Um sowohl Austauschprogramme als auch den Kontakt mit queeren
Aktivist*innen und zivilgesellschaftliche Projekte zu queeren Themen zu ermöglichen
setzen wir uns als GRÜNE in den Bezirken und auf Landesebene dafür ein, dass
bezirkliche Strukturen hierfür geschaffen und Landesmittel für derartige
Austauschprojekte zur Verfügung gestellt werden – beispielsweise für Schulen, Museen,
Theater oder zivilgesellschaftliche Initiativen. Bis die aktuelle Pandemie-Lage
persönliche Begegnungen wieder zulässt, kann der Austausch bereits digital beginnen.
- Wir fordern, dass queere Themen insgesamt zu einem zentralen Bestandteil der
Partnerschaft mit polnischen Städten werden. Die Bezirksämter und der Berliner Senat
müssen diese Themen ansprechen und auch bei Besuchen vor Ort die Solidarität mit
lokalen Aktivist*innen deutlich machen. Insbesondere mit polnischen Städten und
Gemeinden, die sich besonders für den Schutz und die Menschenrechte queerer Personen
einsetzen, sollen Senat und Bezirksämter stärker in Dialog treten. Sie können sich
dabei gegenseitig unterstützen und von den gegenseitigen Erfahrungen lernen. Denn auch
in Berlin sind queer-feindliche Übergriffe leider noch an der Tagesordnung.
- Die Grundrechte queerer Menschen sind eines von vielen Themen, über die derzeit in
Polen heftig gestritten wird. Die aktuellen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen
zum Recht auf Abtreibung und körperliche Selbstbestimmung zeigen, dass es auch in
konservativen Kreisen keine geschlossene Weltanschauung gibt. Konservative
Hardliner*innen mögen zwar die Regierung dominieren, jedoch nicht die Bevölkerung.
Gerade deshalb brauchen wir mehr Zusammenarbeit statt weniger Zusammenarbeit. Wo
Partnerschaften auf Basis unserer gemeinsamen europäischen Werte bestehen, müssen wir
diese intensivieren, Austausch fördern und weiter ins Gespräch kommen. Wir fordern
deshalb den Ausbau von schulischen, kulturellen und zivilgesellschaftlichen
Kooperationen mit Institutionen polnischen Partnerstädten. Dabei muss auch immer die
Geschichte von LGBTQI* in beiden Ländern mit im Fokus liegt. Auch bei Klassenfahrten
oder Schulaustauschprogrammen sollen queere Themen angesprochen und behandelt werden.
Gerade im Dialog mit jungen Menschen können Vorurteile abgebaut und ein allgemeines
Verständnis und eine allgemeine Akzeptanz von LGBTQI* geschaffen werden.
Wir müssen ein klares Zeichen an unsere Partnerstädte senden, aber gleichzeitig auch bei uns
konsequent bleiben. Nur so können wir eine bunte, vielfältige Gesellschaft schaffen, bei der
alle Menschen ungeachtet von Geschlecht, Identität, sexueller Orientierung und Herkunft
teilhaben und mitgestalten können.
[1] https://berlin.lsvd.de/neuigkeiten/gemeinsame-stellungnahme-der-deutsch- polnischen-
gesellschaft-berlin-und-des-lesben-und-schwulenverbandes- berlin-brandenburg/
Begründung
Erfolgt mündlich.