Veranstaltung: | Landesausschuss Mai 2023 |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 5 Verschiedenes |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landesausschuss |
Beschlossen am: | 10.05.2023 |
Antragshistorie: | Version 2 |
Sicherer Hafen Berlin: Zugangswege ermöglichen, Asylrecht bewahren
Beschlusstext
Bündnis 90/Die Grünen Berlin lehnen die Pläne der Bundesregierung ab, sogenannte
verpflichtende Grenzverfahren unter haftähnlichen Bedingungen für Asylsuchende
einzuführen, im Rahmen des EU-Asyl- und Migrationspakts die Rechte
schutzsuchender Menschen massiv einzuschränken und anderen EU-Staaten wie Ungarn
zusätzliche Möglichkeiten für Asylrechtsaushöhlung zu ermöglichen.
Berlin hat im vergangenen Jahr zehntausende Geflüchtete aus der Ukraine sowie
aus anderen Konflikt- und Krisenregionen willkommen geheißen, aufgenommen und
versorgt. Das war eine große humanitäre Leistung sowohl der Zivilgesellschaft
wie auch der Berliner Verwaltung. Um die Aufgabe der Unterbringung und
Versorgung schutzsuchender Menschen umfassend erfüllen zu können, benötigen die
Länder weitere finanzielle Unterstützung des Bundes. Doch anstatt ihrer
humanitären Pflichten angesichts vor Krieg und Verfolgung fliehender Menschen
gerecht zu werden und die Länder ausreichend finanziell zu unterstützen,
verhandelt die Bundesregierung auf EU-Ebene in Richtung einer massiveren
Einschränkung des Asylrechts als bei dem sogenannten Asylkompromiss 1993, denn
EU-Verordnungen müssen auch in Deutschland unmittelbar angewendet werden.
Die aktuell auf EU-Ebene diskutierte Asylverfahrens-Verordnung sieht
Grenzverfahren unter Haftbedingungen vor. Dabei geht es nicht um
rechtsstaatliche Asylverfahren, sondern im Kern um Schnellverfahren und
Zulässigkeitsprüfungen unter Anwendung der Fiktion der Nicht-Einreise, bei der
zahlreiche Schutzsuchende ohne inhaltliche Prüfung der Asylgründe zügig wieder
abgeschoben werden können. Das führt weder zu mehr Humanität noch zu mehr
Ordnung, sondern zu weiterer Gewalt an den EU-Außengrenzen. Auch Berlin wäre bei
bestimmten Personengruppen direkt betroffen, da die Grenzverfahren für alle
Schutzsuchenden aus Ländern mit einer Anerkennungsquote von unter 15%
verpflichtend werden. Dies würde auch Asylsuchende in Berlin betreffen, die in
Haftlagern untergebracht werden müssten. Aus dem Ankunftszentrum in
Reinickendorf würde so zum Beispiel ein Haftzentrum. Außerdem würden viele
mühsam erarbeitete Verbesserungen bei den Asylverfahren von der
Asylverfahrensverordnung überschrieben werden.
Wir lehnen die Verhandlungsposition der Bundesregierung entschieden ab und
fordern die Bundesregierung auf, ihre Position zu ändern und gemeinsam eine
Position auf Grundlage des Koalitionsvertrags in Brüssel zu vertreten.
Nachverhandlungen sind dringend erforderlich, denn gemeinsam mit der geplanten
Ausweitung Sicherer Dritt- und Herkunftsstaaten und der Verschärfung der Dublin-
Regelungen - zum Beispiel mit einer Überstellungsfrist von 3 Jahren - würde die
Prioritätensetzung der Bundesregierung eine weitestgehende Aushöhlung des Rechts
auf Asyl sowie der Genfer Flüchtlingskonvention ergeben. Damit wären auch die
Möglichkeiten Berlins Asylsuchende menschenwürdig unterzubringen und faire,
rechtsstaatlich und menschenrechtlich einwandfreie Verfahren zu ermöglichen,
ernsthaft gefährdet.
Wir fordern die Bundesregierung deshalb mit Nachdruck auf, ihre
Verhandlungsposition zu ändern und sich für Verbesserungen des Asylsystems
einzusetzen. Die Rechte Geflüchteter müssen gewahrt bleiben. Es liegen einige
Verordnungen auf dem Tisch, beispielsweise die Aufnahmerichtlinie oder
Qualifikationsrichtlinie, die das Asylsystem verbessern könnten. Doch der Plan,
im Rahmen des Justiz- und Innenrates der EU am 8./9. Juni 2023 oder des EU-Rates
am 29./30. Juni 2023 die Asylverfahrensverordnung oder weitere
Asylrechtsverschärfungen zu beschließen, muss auf eine Ablehnung Deutschlands
treffen. Bislang gibt es keine öffentliche Folgenabschätzung, kaum Diskussion in
der Öffentlichkeit zu den umfassenden Plänen der 7 Verordnungen und keine
Simulation darüber, wie die Asylverfahrensverordnung in der Praxis wirken würde.