Leitantrag: | Berliner Sonne – die Energie der Zukunft |
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Antragsteller*in: | Stefan Taschner (KV Lichtenberg) |
Status: | Geprüft |
Eingereicht: | 29.03.2019, 09:36 |
L-02-149-2: Berliner Sonne – die Energie der Zukunft
Antragstext
Nach Zeile 149 einfügen:
Zudem wollen wir eine Clearingstelle schaffen, die Mieter*innen bei der Einschätzung hilft ob eine angekündigte energetische Sanierung auch tatsächlich Energie einspart und sie im Streitfall auch juristisch berät.
Berliner Sonne – die Energie der Zukunft
Der Klimawandel – so geht es nicht weiter
Die Folgen des Klimawandels mit all seinen Facetten spüren wir auch in Berlin: Der letzte
Sommer war einer der heißesten Sommer, die wir je hatten mit einer Dürreperiode, die
Menschen, Tieren und Pflanzen in der Stadt zu schaffen gemacht hat. Dazwischen haben wir
zunehmend mit Starkregenereignissen zu kämpfen, die unsere Abwassersysteme immer wieder vor
neuen Herausforderungen stellen. Trotzdem gehören Winter mit strengem Frost noch lange nicht
der Vergangenheit an. Wir müssen uns darauf einstellen, dass wir solche Extremwetterlagen
immer häufiger erleben werden. Spätestens jetzt muss allen klar sein: Wir müssen dringend
umsteuern, wenn wir noch eine Chance haben wollen, den Klimawandel zu bremsen. Dafür müssen
wir radikal umdenken.
Berlin spielt dabei als urbanes Zentrum eine besondere Rolle: Hier wird mehr Energie
verbraucht als produziert. Das müssen, das können – und das wollen wir ändern! Denn in den
Städten liegt der Schlüssel für den Klimaschutz.
Raus aus der Kohle – rein in die Erneuerbaren!
Die Empfehlung der Kohlekommission, bis 2038 aus der Kohleenergie auszusteigen, halten wir
angesichts der Klimakatastrophe für viel zu unambitioniert und fahrlässig. Wir wissen, dass
wir schneller sehr viel mehr CO2 einsparen müssen. Die Bundesregierung muss hier
nachbessern. Wir sind es den kommenden Generationen schuldig, alles in unserer Macht
Stehende zu tun, um diesen Planeten zu schützen. Wir freuen uns sehr, dass mit Fridays for
Future eine breite und junge Bewegung entstanden ist, die mit Nachdruck deutlich macht, dass
die Politik nicht nur an die jetzigen Wähler*innen denken darf, sondern eine Verantwortung
für zukünftige Generationen und globale Gerechtigkeit trägt. Wir stehen an ihrer Seite und
unterstützen die Schüler*innen bei ihrem Streik für das Klima.
Seit Bündnis 90/Die Grünen in Berlin mitregieren, konnten wir schon eine Menge in Sachen
Klimaschutz und Energiewende bewegen. Als erstes Bundesland haben wir bereits 2017 den
Kohleausstieg gesetzlich verankert. Im gleichen Jahr wurde das letzte Braunkohlekraftwerk
stillgelegt. Wir sparen so jährlich rund 600.000 Tonnen CO2 ein. Und schon nächstes Jahr
geht mit Reuter C das nächste Kohlekraftwerk vom Netz. Ersetzt wird dies durch Europas
größte Power-to-Heat Anlage, die mit Erneuerbaren Energien betrieben wird. So soll es stetig
weiter gehen, bis spätestens 2030 das letzte Kraftwerk abgeschaltet wird. Diese mutigen aber
machbaren Schritte erwarten wir auch von der Bundesregierung.
Gleichzeitig hat der Ausbau der Erneuerbaren Energien für uns höchste Priorität. Als
Stadtstaat hat Berlin dabei andere Voraussetzungen als ein Flächenland – wir wollen vor
allem die Potenziale endlich nutzen und legen ein besonderes Augenmerk auf den Ausbau der
Solarenergie. 2017 war Berlin Spitzenreiterin beim Ausbau der Solarenergie bezogen auf die
Fläche – nicht zuletzt dank der Berliner Stadtwerke, die wir vom Bonsai-Stadtwerk zu einem
ernstzunehmenden Player im Energiesektor weiterentwickelt haben. Damit machen wir uns
unabhängig von Vattenfall und Co. Denn Energie ist in unseren Augen keine Ware, mit der man
einen möglichst hohen Gewinn erzielen darf, sondern gehört zur Daseinsvorsorge. Wir wollen,
dass alle Menschen sich Ökostrom leisten können. Wer in Berlin kommunal Ökostrom beziehen
will, wechselt zu den Stadtwerken. Dabei setzen die Berliner Stadtwerke auch auf sogenannten
„Mieterstrom“ und machen Berlin somit deutschlandweit zur Spitzenreiterin dieses Modells der
Energiewende. Gemeinsam mit den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften haben sie die
Mieterstromplattform gegründet, um noch mehr Projekte umzusetzen. Mit einer dieser
Wohnungsbaugesellschaften entsteht gerade Europas größte Mieterstromanlage. So können auch
die Mieter*innen von der preiswerten Öko-Energie auf dem „eigenen“ Dach profitieren. Leider
hat die Bundesregierung erneut die Rahmenbedingungen für Mieterstromprojekte verschlechtert.
Das Land Berlin hat deshalb eine Bundesratsinitiative zur Anpassung des Mieterstromgesetzes
eingebracht, denn dieses wichtige Instrument für die Energiewende in Städten muss vielmehr
befördert anstatt ausgebremst werden. Die Bundesregierung hingegen hat mit ihrem
Energiesammelgesetz wieder einmal bewiesen, dass ihr Vision und Weitblick beim Ausbau der
Erneuerbaren vollständig fehlen. Alle wichtigen Entscheidungen, wie zum Beispiel die
langfristige Sicherung der Ausbaupfade für Solar- und Windenergie, wurden vertagt. So
gefährdet die Bundesregierung den Ausbau des Ökostroms massiv!
Mit dem Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm (BEK 2030) haben wir einen ambitionierten
Plan vorgelegt, um Berlin zur klimaneutralen Stadt zu entwickeln. Ein Schwerpunkt liegt für
uns in Berlin auf dem Ausbau der Solarenergie. Berlin hat ein Photovoltaikpotential von 4
Gigawatt – genug um 25% Prozent der hier verbrauchten Energie quer über alle Sektoren
(Strom, Wärme und Verkehr) bereitzustellen. Mit modernen und intelligenten Lösungen wie zum
Beispiel gebäudeintegrierter Photovoltaik sind bis zu 12 Gigawatt machbar. Intelligent
gekoppelt mit anderen erneuerbaren Quellen wie Geothermie und Windenergie aus der näheren
Umgebung haben wir genug Potenzial, um den Großteil der hier verbrauchten Energie auch hier
zu erzeugen.
Unser Ziel ist es, möglichst viel von diesem Potenzial möglichst schnell zu nutzen. Ein
wichtiger Baustein hierfür ist der Masterplan Solar City, mit dem noch im ersten Halbjahr
2019 kurz-, mittel- und langfristige Ziele zum Ausbau der solaren Energieversorgung in
Berlin konkretisiert und die Umsetzung geeigneter Maßnahmen geplant werden sollen, um den
Solarausbau deutlich zu beschleunigen und das Potential möglichst zügig voll auszuschöpfen.
Wir wollen den Ausbau der Erneuerbaren auf das vom Pariser Klimaziel vorgegebene Tempo
beschleunigen. Anlagen fallen aber nicht vom Himmel. Damit sich in Berlin überhaupt ein Netz
aus Handwerksbetrieben, Unternehmen und anderen Umsetzer*innen bilden kann, braucht es
Planungssicherheit – und einen gleichermaßen ambitionierten und machbaren Ausbaupfad.
Die große Koalition auf Bundesebene behindert an vielen Stellen den Ausbau der Photovoltaik.
Wir können aber nicht auf andere politische Mehrheiten im Bund warten. Wir müssen jetzt
handeln. Deshalb werden wir alles politisch Mögliche tun, um den oben skizzierten Ausbau
auch umzusetzen. Das umfasst den Abbau bürokratischer Hemmnisse, eine einheitliche Planung –
und vieles mehr. Grundsätzlich muss gelten: Vorfahrt für saubere Energie. Zudem sollte
Berlin seine Spielräume maximal ausnutzen. Wir schlagen dazu die Einrichtung einer „Solar
Task Force“ als Koordinierungsstelle zur Umsetzung vor.
Und weil für uns Energiewende immer auch Bürger*innen-Energiewende heißt, freuen wir uns,
dass die Deutsche Gesellschaft für Solarenergie mit der Unterstützung der Senatsverwaltung
für Wirtschaft, Energie und Betriebe ein Beratungszentrum für Solarenergie in Berlin
aufbaut. Hier sollen sich alle Bürger*innen über die Möglichkeiten von Solarenergie
informieren können. Das Solarzentrum wird aber auch aktiv auf die Menschen und Unternehmen
in der Stadt zugehen, um sie für die Solarenergie zu gewinnen. Dabei spielen für uns
einzelne Bürger*innen genauso eine Rolle wie Baugruppen, Genossenschaften oder
Investor*innen. Aber auch Wirtschaft, Handel und Gewerbe wollen wir gezielt ansprechen, zum
Beispiel mit integrierten Energie- und Klimaschutzkonzepten in Gewerbegebieten – denn nur
gemeinsam kann die Energiewende in Berlin gelingen. Gleichzeitig sind wir uns der
Vorbildwirkung der öffentlichen Hand bewusst und werden hier verstärkt auf Solarenergie
setzen.
Nicht zuletzt wollen wir die Forschung zu Erneuerbaren an Universitäten und einschlägigen
Instituten noch stärker fördern.
Wir gestalten deshalb die Energiewende zusammen mit Initiativen, Interessenverbänden und der
Stadtgesellschaft. Egal ob bei der Machbarkeitsstudie zum Kohleausstieg, dem Klimaschutzrat,
der von außen den BEK Prozess begleitet, oder dem Wirtschaftsdialog Energie, eins ist klar:
Um die Energiewende in Berlin erfolgreich umsetzen, brauchen wir alle Akteur*innen mit an
Bord.
Stromwende ist noch keine Energiewende
Wenn Berlin komplett mit Strom aus erneuerbaren Energien versorgt würde, wäre das schon ein
großer Schritt. Wir wollen aber noch mehr! Denn gerade die urbane Energiewende gelingt nur
quer über alle Sektoren.
So bedeutet eine komplette Energiewende auch die Wende im Bereich der Wärmeversorgung. Mit
der Machbarkeitsstudie zum Kohleausstieg prüfen wir, wie schnell Kohle auch als Wärmequelle
im Fernwärmenetz ersetzt werden kann. Dabei wollen wir den größtmöglichen Anteil an
Erneuerbaren haben. Das ist eine große Herausforderung – doch wir stellen uns ihr! Auch
jenseits des Fernwärmenetzes wollen wir auf erneuerbare Wärme setzen. Entsprechend der
Maßnahme im BEK sollen integrierte Quartierskonzepte für Bestand und Neubau initiiert,
entwickelt und umgesetzt werden.
Bei der Sektorenkopplung kommt uns die Sondersituation Berlins zugute; sie stellt sich
wesentlich einfacher dar als im ländlichen Raum. Gebäude, Stadtentwicklung, Wirtschaft,
Verkehr und private Haushalte mit ihren diversen Energiebedarfen denken wir zusammen. Wir
wollen mit einem schlauen Mix erneuerbarer Energien die verschiedenen Bedarfe für Strom,
Wärme und Verkehr decken. Solar spielt dabei die wichtigste Rolle, aber auch die Entwicklung
der Windenergie dürfen wir nicht aus den Augen verlieren, denn neue Kleinwindräder bieten
auch für Städte das Potenzial, Energie aus Wind zu gewinnen. Deshalb setzen wir uns – wie im
Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm vorgesehen – für eine Potenzialstudie für
Windenergie ein. Genauso wichtig sind aber auch die Entwicklung der Geothermie sowie die
Nutzung von Abwärme und der in Berlin anfallenden Biomasse – auch hier müssen wir Potenziale
besser ausschöpfen.
Neue technische Möglichkeiten, die zum Beispiel Smart Homes bieten, wollen wir dabei
mitdenken. Denn nur wenn wir auch den Verbrauch der Energie gezielt und effizient steuern –
also zum Beispiel die Waschmaschine laufen oder Batterien laden lassen, wenn sonst kaum
Energie benötigt wird – kann die Energiewende gelingen. Dass dabei der Datenschutz
gewährleistet sein muss, ist für uns Bündnisgrüne eine Selbstverständlichkeit.
Was ist zu tun?
In Berlin wollen wir konkret dafür sorgen, dass Solarenergie auf jedes Dach – und sobald
möglich, auch an jede Fassade – kommt. Bei Neubauten wollen wir das gesetzlich verbindlich
regeln und für Bestandsbauten soll dies im Rahmen von z.B. Umbauten oder Sanierungen als
nicht-umlagepflichtige Maßnahme vorgeschrieben werden. Hierfür wollen wir im Zuge der
Novellierung der Berliner Bauordnung oder des im Koalitionsvertrag vereinbarten
Wärmegesetzes erste Schritte gehen.
Egal ob Kalifornien oder Tübingen: Solar wird zum Standard. Dies muss bei der Bauplanung
bereits mitgedacht werden – zum Beispiel bei Gebäudeausrichtung und Statik. Das schließt
eine Dach- oder Fassadenbegrünung nicht aus – wir begrüßen es, wenn beides kombiniert wird.
Um die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen von Solarenergie auf Landesebene zu verbessern,
wollen wir Förderinstrumente prüfen, etwa zinsgünstige Darlehen oder Zuschüsse für
Solaranlangen und -speicher sowie die ergänzende Förderung von Mieterstrom.
Gleichzeitig müssen wir an den Gebäudebestand ran. Nur wenn wir die bestehenden Gebäude in
Berlin nach und nach mit Solaranlagen ausstatten, können wir den Energiebedarf decken. Dabei
ist uns wichtig, dass eine Solar-Pflicht weder bei Neubau noch bei Nachrüstungen im Bestand
zu einer Belastung für Mieter*innen führt. Ökologie und Gerechtigkeit müssen wir auch
weiterhin zusammen denken und werden es nicht zulassen, dass Klimaschutz und Mieterschutz
gegeneinander ausgespielt werden. Wir wollen die energetische Sanierung voranbringen und
gleichzeitig den Mieterschutz stärken – es darf nicht passieren, dass Menschen sich aufgrund
einer energetischen Sanierung ihre Wohnung nicht mehr leisten können! Ein Klimawohngeld wie
im Bericht der Enquetekommission „Neue Energie für Berlin“ empfohlen, kann hier ein
geeignetes Modell sein.
Zudem wollen wir eine Clearingstelle schaffen, die Mieter*innen bei der Einschätzung hilft ob eine angekündigte energetische Sanierung auch tatsächlich Energie einspart und sie im Streitfall auch juristisch berät.
Insbesondere bei den landeseigenen Gebäuden wollen wir voran gehen. Anders als die
Bundesregierung, die mit dem Gebäudeenergiegesetz ausgerechnet die öffentliche Hand vom KfW-
Standard ausnimmt, sind wir uns der Vorbildfunktion der Gebäude in öffentlicher Hand
bewusst. Wir müssen aber auch anerkennen, dass die öffentliche Hand ihrer Vorbildfunktion
noch nicht gerecht wird. Für Bezirke, landeseigene Unternehmen und die Verwaltung insgesamt
ist der Solarausbau weiterhin noch keine Selbstverständlichkeit – das wollen wir ändern! Das
Schulneubau- und Sanierungsprogramm ist eines der größten Bauvorhaben des Landes Berlin. Wir
wollen, dass Solaranlagen dabei zur Pflicht werden und keine neugebaute Schule ohne
Solaranlage errichtet wird. Das schützt nicht nur das Klima, sondern kann bei entsprechender
Einbettung in den Unterricht oder außerunterrichtliche Aktivitäten einen wichtigen Beitrag
zur Umweltbildung leisten. Damit wird der Klimaschutzgedanke bereits in der Schule
transportiert. Auf allen neuen und sanierten Schulen wollen wir - sofern keine intensive
Dachbegrünung oder soziale Nutzung geplant wird - eine Kombination aus Solar und extensiver
Begrünung.
Aber auch über neue und außergewöhnliche Ideen wollen wir nachdenken. Ein Solar-Radweg wie
in Erftstadt bei Köln könnte auch in Berlin Sinn machen.
Doch um die Energiewende zum Erfolg zu führen, müssen wir nicht nur in Berlin, sondern auch
auf Bundesebene ansetzen: Die gesetzlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen müssen
endlich so angepasst werden, dass sie die Energiewende nicht mehr behindern, sondern
befördern. Dazu müssen auch die entsprechenden Förderinstrumente wie zum Beispiel im Bereich
der energetischen Gebäudesanierung gestärkt und CO2 entsprechend der Belastung, die es für
das Klima darstellt, bepreist werden. Wir streiten für ein gerechtes und effizientes System
der Abgaben und Umlagen im Energiebereich, wobei die Reformen grundsätzlich so ausgestaltet
werden sollten, dass die Verbraucher*innen in ihrer Gesamtheit nicht höher belastet werden
und die soziale Verträglichkeit gewahrt wird.
Dank Bündnisgrün tut sich endlich was
In Sachen Energiewende und Klimaschutz hat Berlin zu lange geschlafen und auch die
Bundesregierung hat bei weitem nicht ausreichend Anstrengungen unternommen, um die
Klimaziele einzuhalten. Mit Bündnis 90/Die Grünen in der Regierung ändert sich das; zuerst
in Berlin, aber dank Bundesratsinitiativen und Druck auf die Regierung hoffentlich auch bald
deutschlandweit. Nicht alles lässt sich von heute auf morgen realisieren, aber die wichtigen
Weichen haben wir in den vergangenen zwei Jahren bereits gestellt und werden die nächsten
Jahre weiter ehrgeizig daran arbeiten, Berlin zur klimaneutralen Stadt zu machen.
Nach Zeile 149 einfügen:
Zudem wollen wir eine Clearingstelle schaffen, die Mieter*innen bei der Einschätzung hilft ob eine angekündigte energetische Sanierung auch tatsächlich Energie einspart und sie im Streitfall auch juristisch berät.
Berliner Sonne – die Energie der Zukunft
Der Klimawandel – so geht es nicht weiter
Die Folgen des Klimawandels mit all seinen Facetten spüren wir auch in Berlin: Der letzte
Sommer war einer der heißesten Sommer, die wir je hatten mit einer Dürreperiode, die
Menschen, Tieren und Pflanzen in der Stadt zu schaffen gemacht hat. Dazwischen haben wir
zunehmend mit Starkregenereignissen zu kämpfen, die unsere Abwassersysteme immer wieder vor
neuen Herausforderungen stellen. Trotzdem gehören Winter mit strengem Frost noch lange nicht
der Vergangenheit an. Wir müssen uns darauf einstellen, dass wir solche Extremwetterlagen
immer häufiger erleben werden. Spätestens jetzt muss allen klar sein: Wir müssen dringend
umsteuern, wenn wir noch eine Chance haben wollen, den Klimawandel zu bremsen. Dafür müssen
wir radikal umdenken.
Berlin spielt dabei als urbanes Zentrum eine besondere Rolle: Hier wird mehr Energie
verbraucht als produziert. Das müssen, das können – und das wollen wir ändern! Denn in den
Städten liegt der Schlüssel für den Klimaschutz.
Raus aus der Kohle – rein in die Erneuerbaren!
Die Empfehlung der Kohlekommission, bis 2038 aus der Kohleenergie auszusteigen, halten wir
angesichts der Klimakatastrophe für viel zu unambitioniert und fahrlässig. Wir wissen, dass
wir schneller sehr viel mehr CO2 einsparen müssen. Die Bundesregierung muss hier
nachbessern. Wir sind es den kommenden Generationen schuldig, alles in unserer Macht
Stehende zu tun, um diesen Planeten zu schützen. Wir freuen uns sehr, dass mit Fridays for
Future eine breite und junge Bewegung entstanden ist, die mit Nachdruck deutlich macht, dass
die Politik nicht nur an die jetzigen Wähler*innen denken darf, sondern eine Verantwortung
für zukünftige Generationen und globale Gerechtigkeit trägt. Wir stehen an ihrer Seite und
unterstützen die Schüler*innen bei ihrem Streik für das Klima.
Seit Bündnis 90/Die Grünen in Berlin mitregieren, konnten wir schon eine Menge in Sachen
Klimaschutz und Energiewende bewegen. Als erstes Bundesland haben wir bereits 2017 den
Kohleausstieg gesetzlich verankert. Im gleichen Jahr wurde das letzte Braunkohlekraftwerk
stillgelegt. Wir sparen so jährlich rund 600.000 Tonnen CO2 ein. Und schon nächstes Jahr
geht mit Reuter C das nächste Kohlekraftwerk vom Netz. Ersetzt wird dies durch Europas
größte Power-to-Heat Anlage, die mit Erneuerbaren Energien betrieben wird. So soll es stetig
weiter gehen, bis spätestens 2030 das letzte Kraftwerk abgeschaltet wird. Diese mutigen aber
machbaren Schritte erwarten wir auch von der Bundesregierung.
Gleichzeitig hat der Ausbau der Erneuerbaren Energien für uns höchste Priorität. Als
Stadtstaat hat Berlin dabei andere Voraussetzungen als ein Flächenland – wir wollen vor
allem die Potenziale endlich nutzen und legen ein besonderes Augenmerk auf den Ausbau der
Solarenergie. 2017 war Berlin Spitzenreiterin beim Ausbau der Solarenergie bezogen auf die
Fläche – nicht zuletzt dank der Berliner Stadtwerke, die wir vom Bonsai-Stadtwerk zu einem
ernstzunehmenden Player im Energiesektor weiterentwickelt haben. Damit machen wir uns
unabhängig von Vattenfall und Co. Denn Energie ist in unseren Augen keine Ware, mit der man
einen möglichst hohen Gewinn erzielen darf, sondern gehört zur Daseinsvorsorge. Wir wollen,
dass alle Menschen sich Ökostrom leisten können. Wer in Berlin kommunal Ökostrom beziehen
will, wechselt zu den Stadtwerken. Dabei setzen die Berliner Stadtwerke auch auf sogenannten
„Mieterstrom“ und machen Berlin somit deutschlandweit zur Spitzenreiterin dieses Modells der
Energiewende. Gemeinsam mit den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften haben sie die
Mieterstromplattform gegründet, um noch mehr Projekte umzusetzen. Mit einer dieser
Wohnungsbaugesellschaften entsteht gerade Europas größte Mieterstromanlage. So können auch
die Mieter*innen von der preiswerten Öko-Energie auf dem „eigenen“ Dach profitieren. Leider
hat die Bundesregierung erneut die Rahmenbedingungen für Mieterstromprojekte verschlechtert.
Das Land Berlin hat deshalb eine Bundesratsinitiative zur Anpassung des Mieterstromgesetzes
eingebracht, denn dieses wichtige Instrument für die Energiewende in Städten muss vielmehr
befördert anstatt ausgebremst werden. Die Bundesregierung hingegen hat mit ihrem
Energiesammelgesetz wieder einmal bewiesen, dass ihr Vision und Weitblick beim Ausbau der
Erneuerbaren vollständig fehlen. Alle wichtigen Entscheidungen, wie zum Beispiel die
langfristige Sicherung der Ausbaupfade für Solar- und Windenergie, wurden vertagt. So
gefährdet die Bundesregierung den Ausbau des Ökostroms massiv!
Mit dem Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm (BEK 2030) haben wir einen ambitionierten
Plan vorgelegt, um Berlin zur klimaneutralen Stadt zu entwickeln. Ein Schwerpunkt liegt für
uns in Berlin auf dem Ausbau der Solarenergie. Berlin hat ein Photovoltaikpotential von 4
Gigawatt – genug um 25% Prozent der hier verbrauchten Energie quer über alle Sektoren
(Strom, Wärme und Verkehr) bereitzustellen. Mit modernen und intelligenten Lösungen wie zum
Beispiel gebäudeintegrierter Photovoltaik sind bis zu 12 Gigawatt machbar. Intelligent
gekoppelt mit anderen erneuerbaren Quellen wie Geothermie und Windenergie aus der näheren
Umgebung haben wir genug Potenzial, um den Großteil der hier verbrauchten Energie auch hier
zu erzeugen.
Unser Ziel ist es, möglichst viel von diesem Potenzial möglichst schnell zu nutzen. Ein
wichtiger Baustein hierfür ist der Masterplan Solar City, mit dem noch im ersten Halbjahr
2019 kurz-, mittel- und langfristige Ziele zum Ausbau der solaren Energieversorgung in
Berlin konkretisiert und die Umsetzung geeigneter Maßnahmen geplant werden sollen, um den
Solarausbau deutlich zu beschleunigen und das Potential möglichst zügig voll auszuschöpfen.
Wir wollen den Ausbau der Erneuerbaren auf das vom Pariser Klimaziel vorgegebene Tempo
beschleunigen. Anlagen fallen aber nicht vom Himmel. Damit sich in Berlin überhaupt ein Netz
aus Handwerksbetrieben, Unternehmen und anderen Umsetzer*innen bilden kann, braucht es
Planungssicherheit – und einen gleichermaßen ambitionierten und machbaren Ausbaupfad.
Die große Koalition auf Bundesebene behindert an vielen Stellen den Ausbau der Photovoltaik.
Wir können aber nicht auf andere politische Mehrheiten im Bund warten. Wir müssen jetzt
handeln. Deshalb werden wir alles politisch Mögliche tun, um den oben skizzierten Ausbau
auch umzusetzen. Das umfasst den Abbau bürokratischer Hemmnisse, eine einheitliche Planung –
und vieles mehr. Grundsätzlich muss gelten: Vorfahrt für saubere Energie. Zudem sollte
Berlin seine Spielräume maximal ausnutzen. Wir schlagen dazu die Einrichtung einer „Solar
Task Force“ als Koordinierungsstelle zur Umsetzung vor.
Und weil für uns Energiewende immer auch Bürger*innen-Energiewende heißt, freuen wir uns,
dass die Deutsche Gesellschaft für Solarenergie mit der Unterstützung der Senatsverwaltung
für Wirtschaft, Energie und Betriebe ein Beratungszentrum für Solarenergie in Berlin
aufbaut. Hier sollen sich alle Bürger*innen über die Möglichkeiten von Solarenergie
informieren können. Das Solarzentrum wird aber auch aktiv auf die Menschen und Unternehmen
in der Stadt zugehen, um sie für die Solarenergie zu gewinnen. Dabei spielen für uns
einzelne Bürger*innen genauso eine Rolle wie Baugruppen, Genossenschaften oder
Investor*innen. Aber auch Wirtschaft, Handel und Gewerbe wollen wir gezielt ansprechen, zum
Beispiel mit integrierten Energie- und Klimaschutzkonzepten in Gewerbegebieten – denn nur
gemeinsam kann die Energiewende in Berlin gelingen. Gleichzeitig sind wir uns der
Vorbildwirkung der öffentlichen Hand bewusst und werden hier verstärkt auf Solarenergie
setzen.
Nicht zuletzt wollen wir die Forschung zu Erneuerbaren an Universitäten und einschlägigen
Instituten noch stärker fördern.
Wir gestalten deshalb die Energiewende zusammen mit Initiativen, Interessenverbänden und der
Stadtgesellschaft. Egal ob bei der Machbarkeitsstudie zum Kohleausstieg, dem Klimaschutzrat,
der von außen den BEK Prozess begleitet, oder dem Wirtschaftsdialog Energie, eins ist klar:
Um die Energiewende in Berlin erfolgreich umsetzen, brauchen wir alle Akteur*innen mit an
Bord.
Stromwende ist noch keine Energiewende
Wenn Berlin komplett mit Strom aus erneuerbaren Energien versorgt würde, wäre das schon ein
großer Schritt. Wir wollen aber noch mehr! Denn gerade die urbane Energiewende gelingt nur
quer über alle Sektoren.
So bedeutet eine komplette Energiewende auch die Wende im Bereich der Wärmeversorgung. Mit
der Machbarkeitsstudie zum Kohleausstieg prüfen wir, wie schnell Kohle auch als Wärmequelle
im Fernwärmenetz ersetzt werden kann. Dabei wollen wir den größtmöglichen Anteil an
Erneuerbaren haben. Das ist eine große Herausforderung – doch wir stellen uns ihr! Auch
jenseits des Fernwärmenetzes wollen wir auf erneuerbare Wärme setzen. Entsprechend der
Maßnahme im BEK sollen integrierte Quartierskonzepte für Bestand und Neubau initiiert,
entwickelt und umgesetzt werden.
Bei der Sektorenkopplung kommt uns die Sondersituation Berlins zugute; sie stellt sich
wesentlich einfacher dar als im ländlichen Raum. Gebäude, Stadtentwicklung, Wirtschaft,
Verkehr und private Haushalte mit ihren diversen Energiebedarfen denken wir zusammen. Wir
wollen mit einem schlauen Mix erneuerbarer Energien die verschiedenen Bedarfe für Strom,
Wärme und Verkehr decken. Solar spielt dabei die wichtigste Rolle, aber auch die Entwicklung
der Windenergie dürfen wir nicht aus den Augen verlieren, denn neue Kleinwindräder bieten
auch für Städte das Potenzial, Energie aus Wind zu gewinnen. Deshalb setzen wir uns – wie im
Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm vorgesehen – für eine Potenzialstudie für
Windenergie ein. Genauso wichtig sind aber auch die Entwicklung der Geothermie sowie die
Nutzung von Abwärme und der in Berlin anfallenden Biomasse – auch hier müssen wir Potenziale
besser ausschöpfen.
Neue technische Möglichkeiten, die zum Beispiel Smart Homes bieten, wollen wir dabei
mitdenken. Denn nur wenn wir auch den Verbrauch der Energie gezielt und effizient steuern –
also zum Beispiel die Waschmaschine laufen oder Batterien laden lassen, wenn sonst kaum
Energie benötigt wird – kann die Energiewende gelingen. Dass dabei der Datenschutz
gewährleistet sein muss, ist für uns Bündnisgrüne eine Selbstverständlichkeit.
Was ist zu tun?
In Berlin wollen wir konkret dafür sorgen, dass Solarenergie auf jedes Dach – und sobald
möglich, auch an jede Fassade – kommt. Bei Neubauten wollen wir das gesetzlich verbindlich
regeln und für Bestandsbauten soll dies im Rahmen von z.B. Umbauten oder Sanierungen als
nicht-umlagepflichtige Maßnahme vorgeschrieben werden. Hierfür wollen wir im Zuge der
Novellierung der Berliner Bauordnung oder des im Koalitionsvertrag vereinbarten
Wärmegesetzes erste Schritte gehen.
Egal ob Kalifornien oder Tübingen: Solar wird zum Standard. Dies muss bei der Bauplanung
bereits mitgedacht werden – zum Beispiel bei Gebäudeausrichtung und Statik. Das schließt
eine Dach- oder Fassadenbegrünung nicht aus – wir begrüßen es, wenn beides kombiniert wird.
Um die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen von Solarenergie auf Landesebene zu verbessern,
wollen wir Förderinstrumente prüfen, etwa zinsgünstige Darlehen oder Zuschüsse für
Solaranlangen und -speicher sowie die ergänzende Förderung von Mieterstrom.
Gleichzeitig müssen wir an den Gebäudebestand ran. Nur wenn wir die bestehenden Gebäude in
Berlin nach und nach mit Solaranlagen ausstatten, können wir den Energiebedarf decken. Dabei
ist uns wichtig, dass eine Solar-Pflicht weder bei Neubau noch bei Nachrüstungen im Bestand
zu einer Belastung für Mieter*innen führt. Ökologie und Gerechtigkeit müssen wir auch
weiterhin zusammen denken und werden es nicht zulassen, dass Klimaschutz und Mieterschutz
gegeneinander ausgespielt werden. Wir wollen die energetische Sanierung voranbringen und
gleichzeitig den Mieterschutz stärken – es darf nicht passieren, dass Menschen sich aufgrund
einer energetischen Sanierung ihre Wohnung nicht mehr leisten können! Ein Klimawohngeld wie
im Bericht der Enquetekommission „Neue Energie für Berlin“ empfohlen, kann hier ein
geeignetes Modell sein.
Zudem wollen wir eine Clearingstelle schaffen, die Mieter*innen bei der Einschätzung hilft ob eine angekündigte energetische Sanierung auch tatsächlich Energie einspart und sie im Streitfall auch juristisch berät.
Insbesondere bei den landeseigenen Gebäuden wollen wir voran gehen. Anders als die
Bundesregierung, die mit dem Gebäudeenergiegesetz ausgerechnet die öffentliche Hand vom KfW-
Standard ausnimmt, sind wir uns der Vorbildfunktion der Gebäude in öffentlicher Hand
bewusst. Wir müssen aber auch anerkennen, dass die öffentliche Hand ihrer Vorbildfunktion
noch nicht gerecht wird. Für Bezirke, landeseigene Unternehmen und die Verwaltung insgesamt
ist der Solarausbau weiterhin noch keine Selbstverständlichkeit – das wollen wir ändern! Das
Schulneubau- und Sanierungsprogramm ist eines der größten Bauvorhaben des Landes Berlin. Wir
wollen, dass Solaranlagen dabei zur Pflicht werden und keine neugebaute Schule ohne
Solaranlage errichtet wird. Das schützt nicht nur das Klima, sondern kann bei entsprechender
Einbettung in den Unterricht oder außerunterrichtliche Aktivitäten einen wichtigen Beitrag
zur Umweltbildung leisten. Damit wird der Klimaschutzgedanke bereits in der Schule
transportiert. Auf allen neuen und sanierten Schulen wollen wir - sofern keine intensive
Dachbegrünung oder soziale Nutzung geplant wird - eine Kombination aus Solar und extensiver
Begrünung.
Aber auch über neue und außergewöhnliche Ideen wollen wir nachdenken. Ein Solar-Radweg wie
in Erftstadt bei Köln könnte auch in Berlin Sinn machen.
Doch um die Energiewende zum Erfolg zu führen, müssen wir nicht nur in Berlin, sondern auch
auf Bundesebene ansetzen: Die gesetzlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen müssen
endlich so angepasst werden, dass sie die Energiewende nicht mehr behindern, sondern
befördern. Dazu müssen auch die entsprechenden Förderinstrumente wie zum Beispiel im Bereich
der energetischen Gebäudesanierung gestärkt und CO2 entsprechend der Belastung, die es für
das Klima darstellt, bepreist werden. Wir streiten für ein gerechtes und effizientes System
der Abgaben und Umlagen im Energiebereich, wobei die Reformen grundsätzlich so ausgestaltet
werden sollten, dass die Verbraucher*innen in ihrer Gesamtheit nicht höher belastet werden
und die soziale Verträglichkeit gewahrt wird.
Dank Bündnisgrün tut sich endlich was
In Sachen Energiewende und Klimaschutz hat Berlin zu lange geschlafen und auch die
Bundesregierung hat bei weitem nicht ausreichend Anstrengungen unternommen, um die
Klimaziele einzuhalten. Mit Bündnis 90/Die Grünen in der Regierung ändert sich das; zuerst
in Berlin, aber dank Bundesratsinitiativen und Druck auf die Regierung hoffentlich auch bald
deutschlandweit. Nicht alles lässt sich von heute auf morgen realisieren, aber die wichtigen
Weichen haben wir in den vergangenen zwei Jahren bereits gestellt und werden die nächsten
Jahre weiter ehrgeizig daran arbeiten, Berlin zur klimaneutralen Stadt zu machen.