Veranstaltung: | LDK23-1 |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 3 Wahlprogramm zur Wahlwiederholung |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landesdelegiertenkonferenz |
Beschlossen am: | 21.01.2023 |
Eingereicht: | 21.01.2023, 15:11 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Kapitel 2: Zusammenhalt sichern – niemand bleibt zurück
Beschlusstext
Berlin funktioniert nur zusammen. In Zeiten von sich gegenseitig überlappenden Krisen und
extremen Unsicherheiten dürfen wir Menschen nicht gegeneinander ausspielen und niemanden
zurücklassen. Die Folgen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine verdeutlichen unsere
Abhängigkeit von fossiler Energie und sorgen für eine extreme Inflation mit massiven
Preissteigerungen. In den letzten Jahren hat die Corona-Pandemie bereits viele Menschen an
den Rand der wirtschaftlichen Existenz gebracht und Armut weit in die Gesellschaft getragen.
Viele Berliner*innen müssen nun noch kürzertreten und zu viele wissen nicht, wie sie über
den Monat kommen sollen. Armut war bereits vor der Inflation eine große Herausforderung in
Berlin und hat sich in den letzten Monaten massiv verschärft. Kinderarmut, Altersarmut und
Energiearmut sorgen für Schlangen bei den Tafeln. Auch die Situation obdachloser Menschen
hat sich verschärft. Von Armut betroffen sein, macht krank und verhindert gleichberechtigte
Teilhabe in der Gesellschaft. Gerade Alleinerziehende, Schwarze Menschen, People of Color,
Kinder, ältere Menschen, prekär Beschäftigte, Soloselbstständige, Erwerbssuchende, Menschen
mit Behinderung und geflüchtete Menschen sind von Armut, Verdrängung und Ausgrenzung
betroffen.
Die Wohnungsnot in Berlin verschärft die Situation von Armut betroffener Menschen. Auch
soziale Träger verlieren bezahlbare Räumlichkeiten. Wir kämpfen für ein Berlin, das
niemanden zurücklässt, in dem von Armut Betroffene Hilfe bekommen, um diese zu überwinden,
in dem alle sicher und bezahlbar wohnen, sich gesund ernähren, gleichberechtigt teilhaben
und ihren Platz in der Gesellschaft finden können. Der Kampf gegen Armut hat für uns höchste
Priorität.
Wohnen ist keine Ware – Gemeinwohlverpflichtung für Wohnraum durchsetzen!
Die Grundstückspreise und Mieten sind in den vergangenen 15 Jahren nach oben geschnellt,
auch weil in einer Situation der Wohnungsknappheit und fehlender alternativer
Anlagemöglichkeiten hemmungslos mit dem spekuliert wird, was für Menschen das Zuhause ist.
Wohnen ist keine Ware, darum kämpfen wir für einen Wohnungsmarkt nach Wiener Vorbild, bei
dem mindestens 50 Prozent des Wohnraums gemeinwohlorientiert ausgerichtet werden. Dafür
wollen wir ein breites Bündnis schließen – von den landeseigenen Wohnungsunternehmen über
gemeinwohlorientierte Genossenschaften, Stiftungen und Hausprojekte bis zu
Privatvermietenden, die sich wie die öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften auf das
Gemeinwohl und somit dauerhaft auf leistbare Mieten für alle Schichten verpflichten.
Geschäftsmodelle, die auf schnelle, überhöhte Renditen setzen oder mit Wohnraum spekulieren,
lehnen wir ab. Die Bau-, Mieten- und Wohnungspolitik haben wir seit 2016 vom Kopf auf die
Füße gestellt – sowohl in der Landesregierung als auch in den Bezirken, in denen wir
Verantwortung tragen. Wir haben den sozialen Wohnungsbau vorangetrieben, das Vorkaufsrecht
genutzt, eine Genossenschaftsförderung erkämpft und den Mietendeckel eingeführt. Jetzt
nachdem klar ist, dass wir auf Landesebene nicht die Zuständigkeit für einen Mietendeckel
haben, werden wir alles tun, um dennoch die Berliner Mieter*innen zu schützen: Wir bauen
Berlin weiter gemeinwohlorientiert und nachhaltig um. Wir erwerben die Stadt Stück für Stück
zurück, um die Gemeinwohlorientierung zum zentralen Merkmal des Berliner Mietenmarktes zu
machen. Wir bauen ein Miet- und Wohnungskataster auf, um mehr Transparenz auf den
Wohnungsmarkt zu erreichen. Doch jetzt ist auch klar: Die Bundesregierung und der Bundestag
stehen nun in der Pflicht, den Ländern und Kommunen Möglichkeiten an die Hand zu geben, die
Mieten selbst zu regulieren und auch zu deckeln und das Vorkaufsrecht wieder nutzen zu
können. Zudem wollen wir bei den Landeseigenen Wohnungsunternehmen den Mietendeckel
gesetzlich verankern.
Ein Berlin, in dem Armut und Ausgrenzung der Vergangenheit angehören
Seit 2016 haben wir auch bei der Bekämpfung von Armut wichtige Schritte geschafft. Das
kostenlose ÖPNV-Ticket für Schüler*innen, die beitragsfreie Kita, ein gesundes kostenloses
Essen mit hohem Bioanteil in den Grundschulen, all das sorgt dafür, dass Kinder aus
Familien, die weniger Geld haben, gleichberechtigter am Leben teilhaben können. Wir haben
den Landesmindestlohn auf 13 Euro angehoben und Mindesthonorare für Künstler*innen und
Freischaffende eingezogen. Auch auf Bundesebene konnten wir eine deutliche Anhebung des
Mindestlohnes erreichen. Wir haben Tariftreue bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen
garantiert und die Gehälter gerade der Beamt*innen angehoben, die kleinere Einkommen haben.
Sei das bei der Polizei, bei der Feuerwehr oder in der Verwaltung.
In der Bundesregierung tragen wir Verantwortung, dass Deutschland gut durch diese Krise
kommt. Um die Energiepreise bezahlbar zu halten haben wir eine Gas- und Strompreisbremse
eingeführt - und wir adressieren Menschen in schwierigen Lagen ganz gezielt. Mit der
Wohngeldreform weiten wir den Kreis der Berechtigten massiv aus, die Kindergelderhöhung auf
250 Euro für jedes Kind hilft vor allem Familien mit weniger Geld. Mit dem Bürgergeld haben
wir große Verbesserungen für Menschen in der Grundsicherung erreicht und den Regelsatz um
gut 50 Euro pro Monat angehoben. Und für Haushalte, Unternehmen oder Einrichtungen, die
besonders hart von den hohen Energiepreisen betroffen sind, haben wir Härtefall-Regelungen
geschaffen. So helfen wir zum Beispiel gezielt Mieter*innen sowie sozialen oder kulturellen
Einrichtungen.
Um die Berliner*innen in dieser schweren Zeit nicht allein zu lassen, haben wir auf
Landesebene ein Entlastungspaket im Umfang von 3 Milliarden Euro auf den Weg gebracht. Damit
unterstützen wir den Ausbau erneuerbarer Energien, entlasten mit dem 9-Euro Sozialticket
sowie dem 29 Euro Ticket die Berliner*innen und leisten damit gleichzeitig einen Beitrag für
die Verkehrswende und für mehr Klimaschutz. Ebenso haben wir im Umfang von 30 Millionen Euro
einen Härtefallfonds gegen Energieschulden aufgelegt, um betroffene Berliner*innen bei ihren
Strom-, Gas- und Heizkosten zu unterstützen. Den Härtefallfond und günstige Mobilität wollen
wir dauerhaft zur Bekämpfung von Armut etablieren. Und wir unterstützen kleine und
mittelständische Unternehmen bei der Transformation. Das erhält Arbeitsplätze und sichert
das Einkommen vieler Berliner*innen.
Mit dem Kündigungsmoratorium für die 350.000 Wohnungen von landeseigenen
Wohnungsbaugesellschaften sowie den Wohnungen des Studierendenwerks Berlin bieten wir
Mieter*innen bis Ende 2023 einen zusätzlichen Schutz. Wir unterstützen die sozialen Träger
und Vereine unserer Stadt bei den steigenden Energiekosten mit 130 Millionen Euro und wir
haben ein Landesprogramm zur Energieberatung mit unserer Bürgermeisterin Bettina Jarasch
aufgelegt. Damit stärken wir die Energieberatungen sowie die Energieschuldnerberatungen in
Berlin.
Wir haben dafür gesorgt, dass für Menschen, die Sozialleistungen beziehen, die Kosten der
Unterkunft verlässlich übernommen werden und Obdachlosigkeit so vermieden wird. Und wir
haben damit begonnen, das Dickicht an Sozialleistungen zu ordnen, damit Menschen Leistungen,
die ihnen zustehen, auch tatsächlich erhalten – gerade in den Bezirken sind wir an dieser
Stelle Vorreiter. Der Weg zu einem Berlin, in dem Armut und Ausgrenzung der Vergangenheit
angehören, ist aber noch weit. Wir setzen uns seit Jahren dafür ein, Familien- und
Sozialleistungen auf Bundesebene endlich neu zu sortieren, um das bestehende Chaos zu
beenden. Solange das nicht passiert ist, werden wir weiter in Berlin und in den Bezirken für
Überblick sorgen. Dazu wollen wir mit einem berlinweiten Sozialmanagement die besten Wege
der Umsetzung aus allen Bezirken in alle anderen Bezirke bringen und mit starken Netzwerken
vor Ort im sozialen Umfeld Unterstützung leisten. Wir gehen den Kampf gegen Armut
ganzheitlich an. Denn gute frühkindliche Bildung, gute Kitas und Schulen, bezahlbarer
Wohnraum, gute Arbeit, ein durchlässiges Bildungssystem, der Kampf gegen Ausgrenzung und
Diskriminierung, all das ist entscheidend, um Armut wirklich zu bekämpfen. Initiativen in
all diesen Bereichen werden wir aktiv unterstützen.
Gute Gesundheitsversorgung und Pflege ist Daseinsvorsorge
Für Gesundheit ist nicht alleine die Gesundheitspolitik verantwortlich, sondern jeder
einzelne Politikbereich hat Einfluss auf die Gesundheit, das Wohlbefinden und die
Lebensqualität der Berliner*innen, sei es bei Fragen der Mobilität bzw. der Verkehrswende,
bei der Ernährungswende, in der Wirtschafts- und Arbeitspolitik, im Bildungsbereich, in der
Gesundheitsforschung, in der Sozialpolitik, beim Klimaschutz oder in der Stadtentwicklung.
Dabei ist die gesundheitliche Chancengleichheit, unabhängig vom Geldbeutel, unser Ziel.
Gesundheit bedeutet für uns körperliches, psychisches und soziales Wohlbefinden mit Teilhabe
und Selbstbestimmung. Die Corona-Pandemie hat schonungslos die Lücken des Gesundheitssystems
aufgezeigt: Statt in gute Vorsorge zu investieren, wurde der Öffentliche Gesundheitsdienst
(ÖGD) über Jahrzehnte kaputtgespart und Pandemiepläne sind in Schubladen verstaubt. Für uns
gehören gute Gesundheitsstrukturen zur Daseinsvorsorge und dürfen nicht der
Profitmaximierung dienen. Deswegen haben wir den ÖGD in den letzten Jahren besser
ausgestattet und wir wollen diesen Weg in den nächsten Jahren weitergehen. Wir wollen den
ÖGD attraktiver machen und für mehr Berufsgruppen öffnen sowie ihn befähigen, integrierte,
im Kiez vernetzte Versorgungsangebote zu entwickeln. Wir haben die Investitionspauschale für
die Berliner Krankenhäuser erhöht, zusätzliches Geld für Digitalisierung zur Verfügung
gestellt und wollen bei der Krankenhausplanung einen besonderen Fokus auf hohe Qualität und
bedarfsgerechte Strukturen legen. Die Vielfalt der Krankenhausversorgung in Berlin ist und
bleibt ein bündnisgrünes Anliegen. Wir wollen allen Berliner*innen bestmögliche Versorgung
bieten und setzen uns nachhaltig auch für eine gerechtere Verteilung der Angebote in den
Bezirken ein – insbesondere auch bei den niedergelassenen Fachärzt*innen. Neben einer
besseren Verteilung wollen wir eine besser vernetzte und aufeinander abgestimmte
Angebotsvielfalt erreichen; dazu müssen wir das Gemeinsame Landesgremium (§ 90 a SGB V)
stärken und erweitern.
Für uns ist klar: Gesundheit wird nicht primär von der Gesundheitspolitik gemacht, sondern
jeder einzelne Politikbereich hat Einfluss auf die Gesundheit, das Wohlbefinden und die
Lebensqualität der Berliner*innen, sei es bei der Ernährungswende, der Verkehrswende, im
Bildungsbereich, in der Gesundheitsforschung, in der Sozialpolitik oder in der
Stadtentwicklung. Dabei ist die gesundheitliche Chancengleichheit unser Ziel. Wir wollen
erreichen, dass alle Berliner*innen, unabhängig vom Geldbeutel, die gleichen
gesundheitsfördernden Lebensbedingungen haben. Gesundheit bedeutet für uns körperliches,
psychisches und soziales Wohlbefinden mit Teilhabe und Selbstbestimmung.
Zu guter Gesundheitsversorgung gehört gute Pflege im Krankenhaus, in der ambulanten Pflege,
in stationären Einrichtungen sowie zuhause. Es darf nicht sein, dass Pflegekräfte unter
schlechten Bedingungen für viel zu viele Patient*innen Verantwortung übernehmen müssen.
Darum haben wir gemeinsam mit dem Berliner Bündnis für Pflege in den vergangenen Jahren
intensiv an Verbesserungen gearbeitet. Wir unterstützen die Ziele des Volksentscheids
„Gesunde Krankenhäuser“ und möchten in den kommenden Jahren mit verbindlichen
Personalschlüsseln die Arbeitsbedingungen substantiell verbessern. Diese Personalschlüssel
sollen an dem ermittelten Behandlungsbedarf orientiert sein und in allen Settings und
Fachbereichen gelten. Wir wollen eine Vielzahl von Pflege- und Wohnformen im Alter fördern,
um Menschen, solange es geht, ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Dafür möchten wir
parallel zu ambulanten Facharztpraxen auch ambulante pflegerische Angebote mehr
unterstützen. Um pflegende Angehörige besser zu unterstützen, setzen wir uns auf Bundesebene
für die Einführung eines Familienpflegegeldes, ähnlich dem Elterngeld, ein. Im Bund
unterstützen wir außerdem eine umfassende Reform der Pflegeversicherung. Wir halten an dem
Konzept der grünen Bürger*innenversicherung fest, um langfristig mehr Gerechtigkeit und
Solidarität in der Versorgung herzustellen.
Wir haben in Berlin bereits erfolgreich die Beihilferegelungen für Beamt*innen verändert, so
dass ihr Weg in die gesetzliche Krankenversicherung erleichtert wird. Das wollen wir
bundesweit umsetzen.
Barrieren abbauen, Teilhabe ermöglichen
Berlin wird zur barrierefreien Stadt. Damit ermöglichen wir es behinderten und älteren
Menschen sowie Familien mit kleinen Kindern, die Stadt in ihrer ganzen Vielfalt zu nutzen
und mitzugestalten. Da ältere Menschen noch lange fit sind und aktiver Teil der Gesellschaft
bleiben wollen, wird die Zahl der Menschen, die auf eine Stadt ohne Hindernisse angewiesen
sind, immer größer. Das gilt in U- und S-Bahnhöfen genauso wie in Verwaltungsgebäuden.
Deswegen machen wir uns stark für die Absenkung von Bordsteinkanten, längere
Ampelschaltungen, eine barrierefreie Darstellung von Websites oder die Übersetzung von
Veranstaltungen in Gebärdensprache. Wir wollen, dass alle Kinder, ob mit oder ohne
Behinderung, gleichberechtigt in der Schule teilhaben und alle Erwachsenen die Chance
bekommen, Teil des ersten Arbeitsmarktes zu werden.
Unser Ziel ist eine inklusive Gesellschaft. Dafür werden wir immer wieder Wege für Menschen
zur Teilhabe öffnen, gehen entschieden gegen Verdrängung vor, bekämpfen Armut, sorgen dafür,
dass alle Zugang zu bester Grundversorgung haben, und bauen Hürden im Alltag ab. Deshalb
wird die Politik für eine inklusive Stadtgesellschaft noch stärker als bisher unter
Beteiligung der Expert*innen in eigener Sache gestaltet. Dazu stärken wir die Rollen von
Landesbeirat und Landesbeauftragter für behinderte Menschen sowie der bei den
Senatsverwaltungen bestehenden Arbeitsgruppen. Darüber hinaus beziehen wir Organisationen
behinderter Menschen und Angehörigenvereine stärker in die Politik ein und unterstützen das
Berliner Behindertenparlament.
2.1 Bauen, Mieten, Wohnen: klimagerecht und sozial
Wir haben 2016 den Politikwechsel in Berlins Bau-, Mieten- und Wohnungspolitik eingeläutet,
um der astronomischen Steigerung von Miet- und Grundstückspreisen Einhalt zu gebieten. Unser
Ziel war und ist, den Berliner Wohnungsmarkt gemeinwohlorientiert umzubauen, indem wir den
Anteil von Wohnungen in der Hand nicht renditeorientierter Akteur*innen weiterhin konsequent
erhöhen. Mit unserem „Masterplan 50 Prozent Gemeinwohl“ wollen wir mindestens 50 Prozent
aller Wohnungen in Berlin in gemeinwohlorientierte Hand bringen. Die Verpflichtung auf das
Gemeinwohl gilt für alle Akteur*innen auf dem Wohnungsmarkt. Fördern wollen wir aber
insbesondere diejenigen, die Wohnraum der Spekulation entziehen, bezahlbare Wohnungen für
alle gesellschaftlichen Schichten bereitstellen und bei Mietgestaltung und Belegung soziale
Kriterien anwenden. Dazu zählen die landeseigenen Wohnungsunternehmen, gemeinwohlorientierte
Genossenschaften, Träger sozialer Einrichtungen, Stiftungen und Hausprojekte sowie
Privatvermietende, die sich wie die öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften auf das
Gemeinwohl und somit dauerhaft auf leistbare Mieten für alle Schichten verpflichten. Wir
schließen dabei auch Bündnisse mit den Menschen, die ihr Wohnschicksal in die eigenen Hände
nehmen, wenn sie sich sozialen und ökologischen Kriterien verpflichtet fühlen. Dafür
brauchen wir auch weiterhin einen breiten Maßnahmenmix. Wir setzen uns auch auf Bundesebene
für die Einführung der Neuen Wohnungsgemeinnützigkeit (NWG) ein, um dauerhaft bezahlbaren
Wohnraum zu schaffen – und nicht nur für 20 oder 30 Jahre wie bisher. Dazu ist es auch
nötig, die Berliner Finanzierung von Sozialbindungen beim Wohnen deutlich aufzustocken. In
den vergangenen Jahren haben wir den Neubau bedarfsgerechter gefördert und stärker auf das
Gemeinwohl ausgerichtet. Es war richtig, gleichzeitig zu versuchen mit dem Mietendeckel Ruhe
in den überhitzten Markt des Mietwohnungsbestandes zu bringen und Mietpreise zu
stabilisieren. Damit haben wir versucht, politisch Einfluss auf die Entwicklung der Mieten
zu nehmen, dafür haben wir juristisches Neuland betreten. Nachdem dieser Versuch gescheitert
ist, werden wir nicht aufgeben, sondern weiter alles tun, um Wucher zu stoppen, trotz
teilweise heftigen Gegenwindes. In den kommenden Jahren streiten wir weiter für einen
gemeinwohlorientierten und sozialen Wohnungsmarkt für Berlin. Dazu gehört für uns auch die
Verbindung mit dem Klimaschutz: Berlins Gebäude stoßen 40 Prozent des CO2 in der Stadt aus,
also sind energetische Modernisierung und die Bauwende eine zentrale Zukunftsaufgabe, um
Berlin auf den 1,5-Grad-Pfad zu bringen. Wir verbinden soziale Gerechtigkeit und
Klimaschutz.
Das neue Berlin bauen – gemeinwohlorientiert und nachhaltig, sozial und ökologisch
Unser Ziel sind Kieze, in denen neben Wohnen auch Gewerbe, Kultur und Erholung Platz haben.
Zudem arbeiten wir für eine bunte Mischung von Eigentümer*innen – von Genossenschaften über
landeseigene Wohnungsunternehmen bis zu Baugruppen und auch kleinen privaten
Eigentümer*innen. Klar ist: Berlin braucht mehr niedrigpreisige Wohnungen. Bei fortdauernd
hohem Bevölkerungszuwachs streben wir den Bau von jährlich 20.000 überwiegend
sozialverträglichen Wohnungen an. Wir wollen vielfältige und lebendige Quartiere, gut
erschlossen für nachhaltige Mobilität, mit guten Schulen und Kitas, Handel und Gewerbe,
Spiel, Erholung und viel Grün. Das Bauen muss endlich klimaneutral werden. Neubauten im
Hochpreissegment sollen vermieden werden, weil das weite Teile der Bevölkerung ausschließt.
Wir setzen dabei auf intelligente Nachverdichtung und Geschosswohnungen statt auf
Eigenheimsiedlungen. Zur Förderung des gemeinwohlorientierten Neubaus wollen wir einen
dauerhaften Fonds auflegen, der Gelder bereitstellt und in den Rückzahlungen aus Darlehen
direkt zurückfließen. Damit wird eine dauerhafte Finanzierung von Förderung des sozialen
Wohnungsbaus ermöglicht. Wir wollen die Förderung pro Wohnung erhöhen und so ausgestalten,
dass eine besonders hohe Förderung in dauerhaft sozialgebundene und möglichst CO2-neutral
errichtete Wohnungen fließt. Gemeinschaftliche und sozial integrative Wohnformen wollen wir
ebenso fördern.
Wir wollen den großen Mangel an Sozialwohnungen zügig abbauen und dafür alle notwendigen
Maßnahmen ergreifen. Ein wichtiger Schlüssel dafür sind die landeseigenen Flächen und
landeseigene Wohnungsunternehmen. Dazu wollen wir über die bisherigen Quoten für den Anteil
geförderter Wohnungen dort, wo es an preiswertem Wohnraum mangelt, deutlich hinausgehen.
Zusätzlich erhöhen wir das zweite Fördersegment – für eine soziale Mischung in den
Quartieren. Die Genossenschaftsförderung – für Neubauten wie Bestandsankauf – wollen wir
deutlich erhöhen. Wir sorgen für faire Förderkonditionen und öffnen die Förderung auch für
Projekte wie das Mietshäuser-Syndikat. Linke Freiräume und queer-feministische Hausprojekte
sind wichtige Schutzräume und emanzipatorische Orte, die wir erhalten wollen. Doch immer
mehr sind sie von Verdrängung bedroht. Wir stellen uns diesem Trend entgegen und werden
Lösungen suchen, damit sie bleiben können. Ist eine Räumung nicht zu verhindern, ist es die
Aufgabe des Landes Berlin, geeignete alternative Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen.
Außerdem wollen wir die Förderung so ausbauen oder Bürgschaften anbieten, damit auch
Haushalte in Transferbezug Genossenschaftsanteile zeichnen können.
Auch für den Klimaschutz ist es höchste Zeit, die Bauwende einzuläuten. Deshalb muss das,
was wir heute bauen, klimafreundlich sein. Wir setzen uns deshalb für KfW-40-Standard beim
Neubau und KfW-55-Standard im Bestand ein, damit Gebäude Energie möglichst effizient nutzen.
Wir wollen klimafreundliche Neubauten und Modernisierung mit ökologischen Dämm- und
Baustoffen, wie Hanf, Stroh, Holz, Lehm, Ziegel oder Baumaterial-Recycling. Schon heute
entsteht das größte Holzhochhaus Europas in Berlin. Diesen Weg müssen wir konsequent
weitergehen und wegkommen von Beton und Stahl. Denn diese Baustoffe sind klimaschädlich und
verbrauchen viel zu viele Ressourcen. Sie sollen nur noch dort zum Einsatz kommen, wo wir
wirklich darauf angewiesen sind. Die Forschung an Recyclingbeton wollen wir ausbauen. Bei
energetischen Modernisierungen setzen wir uns auf Bundesebene dafür ein, die
Modernisierungsumlage in ihrer jetzigen Form abzuschaffen und durch ein neues, faires System
zu ersetzen. Die Kosten müssen im Vorfeld transparent sein und wenn der Umbau bezahlt ist,
muss auch die Umlage enden. Die Kosten für die energetische Modernisierung wollen wir
zwischen Vermieter*innen, Mieter*innen und dem Staat in einem Drittelmodell fair verteilen.
Dabei dürfen nur noch energetisch sinnvolle und der Barrierefreiheit dienende Maßnahmen
umgelegt werden, die insgesamt zu höchstmöglicher Effizienz führen müssen. Durch eine
energetische Sanierung schützen Vermieter*innen die Bausubstanz ihrer Immobilien und
profitieren vom Werterhalt. Unser Ziel ist es, dass die höhere Kaltmiete durch
Energiekosteneinsparung aufgewogen wird, so dass die Warmmiete nicht steigt.
Einkommensschwache Mieter*innen werden zudem besonders berücksichtigt. Die öffentliche Hand
leistet mit der Übernahme eines weiteren Drittels einen wichtigen Beitrag, um Berlin auf den
1,5-Grad-Pfad zu bringen, und baut so die finanzielle Unterstützung zur energetischen
Sanierung erheblich aus. Gerade im Bausektor wollen wir die Kreislaufwirtschaft umsetzen und
modulares Bauen sowie flexible Grundrisse fördern.
Wir wollen Eigentümer*innen bei der Erstellung von Konzepten und Fahrplänen für eine
mieter*innen- und klimafreundliche, energetische Modernisierung ihrer Häuser neben der
Förderung auch eine intensive Unterstützung und Begleitung durch die Bauinformationszentren
des Landes Berlin anbieten. Um die energetische Modernisierung auch unabhängig von
begrenzten Handlungs- und Finanzierungsspielräumen einzelner Eigentümer*innen
voranzubringen, setzen wir sowohl auf Einspar-Contracting als auch auf energetische Block-
und Quartierskonzepte. Klimaschutz gibt es nicht umsonst, daher wird der Staat – und damit
auch Berlin – hierfür, auch im Sinne des oben beschriebenen Drittelmodells und einer
sozialen Abfederung, deutlich mehr Mittel zur Verfügung stellen müssen. (Zu Fragen der
Stadtentwicklung und des ökologischen Bauens vgl. das Kapitel 2.3.)
Um möglichst viele Baugrundstücke für gemeinwohlorientiertes Wohnen zu gewinnen, wollen wir
aktiv ankaufen und Mittel wie Vorkaufsrechtssatzungen, Baugebote und Entwicklungsmaßnahmen
nutzen. Um unsere gemeinwohlorientierten Ziele zu erreichen, wollen wir auch das Berliner
Modell der kooperativen Baulandentwicklung so weiterentwickeln, dass auf privaten Flächen
mindestens 50 Prozent der Wohnungen für Haushalte mit niedrigem und mittlerem Einkommen
gebaut werden und dauerhaft sozialgebunden sind. Wir wollen auch alle weiteren Möglichkeiten
nutzen, um Baurecht an die dauerhafte Gemeinwohlbindung eines möglichst hohen Anteils des
Neubaus zu knüpfen. Auf Bundesebene setzen wir uns für die Einführung der Neuen
Wohngemeinnützigkeit (NWG) ein. So können wir auch in Berlin dauerhaft gebundene bezahlbare
Wohnungen schaffen.
Den Wohnungsmarkt besser regulieren – bezahlbare Mieten sichern
Mit dem Mietendeckel, dem Milieuschutz, der Verschärfung des Zweckentfremdungsverbotes und
der Reform des Wohnungsaufsichtsgesetzes sind wir in Berlin wichtige Schritte gegangen, um
Wohnen bezahlbar zu halten. Entscheidend ist nun, die Bezirke noch besser in die Lage zu
versetzen, die Gesetze auch effektiv umzusetzen. Dafür wollen wir die Wohnungsaufsicht
schlagkräftig machen und endlich mit der Bauaufsicht verbinden. Abrisse von Wohnraum sollten
konsequent untersagt, spekulativer Leerstand soll durch das Instrument der Treuhänder*in und
durch Beschlagnahmung abgestellt und wieder Wohnzwecken zugeführt werden. Darüber hinaus
prüfen wir die Schaffung eines Landesamtes für Wohnungswesen, um die Verwaltung bei der
Erfüllung ihrer Aufgaben wirksam zu unterstützen. Um mehr Transparenz auf dem
Immobilienmarkt zu schaffen und um die Vollzugsdefizite beim Wohnraumschutz zu beseitigen,
bauen wir ein Berliner Miet- und Wohnungskataster auf. Damit werden alle Miethöhen, die
Ausstattung und energetische Qualität der Wohnungen sowie die Eigentumsverhältnisse digital
erfasst und transparent gemacht. Durch dieses Instrument können wir, auch nach dem Scheitern
des jetzigen Mietendeckels, Fehlentwicklungen auf dem Wohnungsmarkt schneller feststellen
und den Schutz der Mieter*innen besser sichern. Wir fühlen uns dem Grundsatz verpflichtet,
dass Mieter*innen grundsätzlich nicht mehr als 30 Prozent ihres Nettoeinkommens für ihre
Miete ausgeben sollten. Dafür bedarf es aber endlich mutiger Reformen auf Bundesebene.
Sollten diese nicht kommen, werden wir auch im Anschluss an den aktuellen Mietendeckel alle
Maßnahmen ergreifen, um den Mietenanstieg in der Stadt auch zukünftig zu begrenzen. Wir
werden alle Möglichkeiten der Landeskompetenz für das Wohnungswesen nutzen, um eine soziale
Wohnraumversorgung zu gewährleisten. Ziel ist, in Berlin dauerhaft bezahlbare Mieten zu
sichern und ebenfalls sicherzustellen, dass Gewerbemieten und Immobilienkaufpreise nicht
durch die Decke gehen. Auf Landesebene werden wir in der nächsten Wahlperiode versuchen,
einen Gewerbemietendeckel zu entwickeln.
Die landeseigenen Wohnungsunternehmen sind zentral für die soziale Wohnraumversorgung in
Berlin und stehen besonders in der Pflicht, ausreichend Sozialwohnungen und bezahlbaren
Wohnraum für breite Schichten zur Verfügung zu stellen. Darum entwickeln wir das
Wohnraumversorgungsgesetz und die Kooperationsvereinbarung mit den landeseigenen
Wohnungsunternehmen weiter zu einem Wohnungsgemeinwohlgesetz. Die AöR „Wohnraumversorgung
Berlin“, die aus dem Berliner Mietenvolksentscheid hervorgegangen ist, wollen wir in die
Lage versetzen, die Vermietungspraxis stärker zu kontrollieren und eine Ombudsstelle als
unabhängige Mieter*innen-Beschwerdestelle einzurichten. Auch die Mieterräte sowie
Mieterbeiräte und selbstverwalteten Hausprojekte sollen in ihren Rechten gestärkt werden.
Wir sind der Überzeugung, dass landeseigene Wohnungsunternehmen als Anstalt öffentlichen
Rechts organisiert sein sollen. Beim landeseigenen Berlinovo-Konzern fordern wir eine
tiefgreifende Strukturreform, damit dessen Wohnungen wie die der landeseigenen
Wohnungsunternehmen bewirtschaftet und vermietet werden. Um Diskriminierungen auf dem
Wohnungsmarkt zu verhindern, wollen wir die Landeseigenen Wohnungsunternehmen in die Pflicht
nehmen und Mitarbeiter*innen schulen. Um die Mieter*innen in der Wahrnehmung ihrer Rechte zu
unterstützen, haben wir in jedem Bezirk kostenfreie Mieter*innenberatungsstellen
eingerichtet bzw. ausgebaut. Das wollen wir fortsetzen. Um mieten- und stadtpolitische
Initiativen zu unterstützen und um der Mieter*innenbewegung größeres Gehör in der
Landespolitik zu verschaffen, haben wir die Gründung des „Initiativenforums Stadtpolitik“
mit vorangetrieben, das wir ausbauen wollen.
Bei den ca. 90.000 Wohnungen des „alten“ sozialen Wohnungsbaus senken wir die künstlich
überhöhten Kostenmieten, indem wir diese um fiktive Kosten „Entschuldungsgewinne“ sowie
sonstige dubiose Extra-Renditen bereinigen. Hierfür unverzichtbar ist auch eine wirksame
Kontrolle bei der Mietberechnung.
Eigentum verpflichtet. Wir wollen mit einer Machbarkeitsstudie prüfen, ob neue finanzielle
Instrumente – wie beispielsweise die Weiterentwicklung der Grundsteuer in Richtung einer
Bodenwertsteuer mit Bezugnahme auf Bodennutzung und Flächenversiegelung – die Erreichung
unserer bodenpolitischen Ziele unterstützen können. Dabei setzen wir uns auf Bundesebene
weiterhin für ein Verbot der Abwälzung von Grundsteuern auf Mieter*innen ein.
Die Grunderwerbsteuer wollen wir progressiv ausgestalten: Wenn Wohnungskonzerne große
Immobilienbestände aufkaufen, soll eine höhere Grunderwerbsteuer fällig werden, als wenn
Privatpersonen ein Wohneigentum erwerben. Wir wollen das Steuerschlupfloch Share-Deals, mit
dem die Grunderwerbsteuer umgangen wird, schließen.
Das Recht auf Umwandlung von bestehenden Mietshäusern in einzelne Eigentumswohnungen ist ein
wesentlicher Treiber der Immobilienspekulation. Hinzu kommen Eigenbedarfskündigungen, gegen
die sich betroffene Mieter*innen kaum wehren können. Wir wollen, dass der Bund den Ländern
durch die Änderung des Baugesetzbuches ermöglicht, die Umwandlung von Miet- in
Eigentumswohnungen stadtweit und konsequent zu unterbinden und die Bildung von Wohneigentum
im Geschosswohnungsbau auf Neubauinvestitionen zu begrenzen. Zudem werden wir weitere
landespolitische Maßnahmen zum Schutz vor Eigenbedarfskündigungen prüfen.
Die Stadt zurückerwerben
Wir haben in den Bezirken schlummernde Instrumente der Gesetzgebung wiederbelebt: Durch das
Vorkaufsrecht verpflichten wir in den Milieuschutzgebieten potentielle Käufer*innen mit
Abwendungsvereinbarungen dazu, soziale Bindungen für mindestens 20 Jahre einzugehen, oder
veranlassen den Aufkauf der fraglichen Wohngebäude durch landeseigene Wohnungsunternehmen
oder Genossenschaften. Seit 2016 haben wir die Zahl der Milieuschutzgebiete mehr als
verdoppelt. Diesen Weg wollen wir weitergehen. Auch den gezielten Ankauf bzw. die
Rekommunalisierung von Sozialwohnungen treiben wir weiter voran. Mit Genossenschaften,
Stiftungen oder Projekten wie dem Mietshäuser-Syndikat werden wir eine
Kooperationsvereinbarung schließen. Hierzu prüfen wir eine Ankaufagentur, die gezielte An-
und Vorkäufe strategisch koordiniert und alle relevanten Akteure vernetzt. Um die
Gewerbevielfalt und den kleinteiligen Einzelhandel in den Kiezen zu erhalten und zu fördern,
eröffnen wir landeseigene Gewerbehöfe und planen weitere. Wir drängen außerdem auf
Bundesebene darauf, einen rechtlich bindenden Gewerbemietspiegel und einen wirksamen
Kündigungsschutz einzuführen. Den Milieuschutz wollen wir auch für Gewerbemieter*innen
einführen, um lokales und kleinteiliges Gewerbe zu erhalten. Die landeseigenen
Wohnungsunternehmen sollen Gewerberäume kostengünstig anbieten, um vor Ort den
Gewerbetreibenden Räume anzubieten, die darauf besonders angewiesen sind.
Wir nehmen das Votum bei der Abstimmung über den Volksentscheid „Deutsche Wohnen & und Co.
enteignen“ sehr ernst und arbeiten weiter an der Umsetzung. 59,1 Prozent der Berliner
Wähler*innen haben den Volksentscheid unterstützt. Dem im Grundgesetz festgeschriebenen
Leitsatz „Eigentum verpflichtet“ muss auch im Bereich Wohnen und Boden Geltung verschafft
werden. Für uns bleibt zentral, dass die Mieter*innen geschützt, Spekulationen Einhalt
geboten und der gemeinwohlorientierte Wohnungsbestand erhöht wird.
Die rot-grün-rote Koalition hat im Frühjahr 2022 eine Expert*innenkommission eingesetzt, die
innerhalb eines Jahres das „Ob“, aber vor allem auch das „Wie“ eines Gesetzes prüfen und
Vorschläge erarbeiten soll. Wir erwarten von der Kommission, dass sie Eckpunkte eines
Gesetzes vorlegt, die einen verfassungsrechtlich sicheren Weg aufzeigen, aber auch, dass sie
finanzrechtliche und immobilienwirtschaftliche Fragen klärt. Wir wünschen uns zudem, dass
sie hinsichtlich der Durchsetzung der Sozialpflichtigkeit neben quantitativen auch
qualitative Kriterien prüft. Da der Artikel 15 im Grundgesetz noch nie praktisch angewandt
wurde, ist es umso wichtiger, eine verfassungskonforme Ausgestaltung des Gesetzes zeitnah zu
erarbeiten.
Wir wollen, dass der Staat wieder auf Augenhöhe mit Wohnungsunternehmen verhandeln und
agieren kann. Wir würden uns wünschen, dass die Umstände uns nicht zwingen, die
Vergesellschaftung als letztes Mittel anzuwenden, um den verfassungsmäßigen Auftrag erfüllen
zu können. Wenn Wohnungsunternehmen sich jedoch weigern ihrer sozialen Verantwortung
nachzukommen, wird die öffentliche Hand, durch den erfolgreichen Volksentscheid gestützt,
die angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt durch die Vergesellschaftung entschärfen.
Das Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen hat bisher zu keiner nachhaltigen
Entlastung auf dem Wohnungsmarkt geführt.
Aktive, transparente und faire Bodenpolitik
Doch es geht uns nicht nur um die Häuser: Wir wollen auch einen transparenten Umgang mit
öffentlichen Liegenschaften und eine aktive Bodenpolitik. Dazu werden wir ein transparentes
Flächenmanagement mithilfe eines öffentlichen Liegenschaftskatasters einführen. Seinen Boden
soll Berlin behalten, Bodenvermögen konsequent vermehren und eine Erbbaurechtsstrategie
implementieren, die zügige Konzeptverfahren zu sozialverträglichen Konditionen ermöglicht.
Landeseigene Grundstücke werden nicht mehr privatisiert. Das wollen wir in einem
Bodensicherungsgesetz festschreiben. Wir wollen eine Koordinierungsstelle im Sinne einer
„Taskforce“ einrichten, die für bedrohte soziokulturelle Projekte und Nutzungen Lösungen
finden soll. Außerdem wollen wir den zivilgesellschaftlich organisierten Runden Tisch
Liegenschaftspolitik in seinen Kompetenzen weiter stärken.
Die strategische Ankaufspolitik, die mit der grünen Regierungsbeteiligung begonnen hat,
wollen wir fortsetzen. Diese Politik soll mithilfe der neu gegründeten Landesgesellschaft
„Berliner Bodenfonds“ ausgeweitet werden. Zur Baulandmobilisierung in den im
Stadtentwicklungsplan Wohnen (StEP Wohnen) vorgesehenen Quartiersschwerpunkten soll Berlin
möglichst viele Grundstücke erwerben. Dafür sollen auch Vorkaufsrechte und das Instrument
der Entwicklungsmaßnahme aktiv eingesetzt werden. Darüber hinaus wollen wir die Gründung
einer genossenschaftlichen Ankaufagentur unterstützen und die bürger*innenschaftliche und
gemeinnützige Stadtbodenstiftung nach dem Vorbild von Community Land Trusts stärken. Ein
zentrales Problem beim Ankauf von Grundstücken und bei der Ausübung des Vorkaufsrechts sind
die explodierten Bodenpreise, aus denen sich der Verkehrswert einer Immobilie berechnet.
Hier werden wir im Bundesrat für eine Neuregelung im Bundesbaugesetzbuch kämpfen. Wir
wollen, dass der nachhaltige Ertrag herangezogen wird, um den Wert einer Immobilie zu
bestimmen, und nicht die höchstmögliche Verwertung. Wir wollen alles tun, um Zwangsräumungen
zu verhindern und ihre Zahl in Berlin drastisch zu senken. Die landeseigenen
Wohnungsunternehmen gehen hier meist mit gutem Beispiel voran und sind verpflichtet,
adäquaten Ersatzwohnraum anzubieten. Dieses Ziel verfolgen wir auch für den freien
Wohnungsmarkt und setzen uns auf der Bundesebene für eine entsprechende Regelung ein. Mit
dem Härtefallfond haben wir dafür gesorgt, dass niemand unverschuldet von Strom- und
Gassperren betroffen wird und es zu keinen kalten Zwangsräumungen in Berlin kommen wird.
Eventuelle Lücken des Bundes, die Gas- oder Strompreisdeckel lassen, werden wir in Berlin
schließen.
2.2 Armut bekämpfen, Sicherheit geben und Perspektiven schaffen
Fast jede*r fünfte Berliner*in ist armutsgefährdet. Die aktuelle Inflation und die
Energiekrise verschärfen diese Situation. Besonders betroffen sind Frauen, ältere Menschen,
Alleinerziehende, Familien mit vielen Kindern, migrantisierte Menschen, Eingewanderte und
Geflüchtete, Kinder und Jugendliche, erwerbslose Menschen, oder Menschen mit geringen
Einkommen. Wir wollen allen von Armut bedrohten Menschen soziale Sicherheit garantieren und
ihnen eine Perspektive geben.
Vor allem braucht es weiterhin schnelle und möglichst unbürokratische Hilfen. Seit Beginn
des Krieges gegen die Ukraine setzen wir uns für zielgenaue und gerechte Entlastungen ein
und intensivieren sie in diesem Winter. Schon jetzt konnten Bündnisgrüne in Verantwortung
dafür sorgen, dass spezifische Hilfen für Familien, Studierende und Rentner*innen geleistet,
sowie Strom- und Gaspreise gedämpft werden, Heizkostenzuschüsse fließen, das Wohngeld steigt
und das neue Bürgergeld kommt. In Berlin verstärken wir durch den letzten Nachtragshaushalt
die Wirkung der Bundeshilfen für alle Berliner*innen, die Wirtschaft der Stadt und unsere
gemeinsame Infrastruktur mit dem 29 und 9 Euro Ticket, einem Mietenstopp bei den
landeseigenen Wohnungsunternehmen, sowie erweiterten Wirtschafts- und Energiehilfen.
Gemeinsam mit unserer Bundespartei werden wir darauf hinwirken, dass die Entlastungen noch
deutlich stärker als bisher vor allem bei denen ankommen, die sie am dringendsten benötigen.
Das heißt für uns: Garantiesicherungen in allen Lebenslagen, eine Kindergrundsicherung, eine
Garantierente und ein soziales Bürgergeld. Wir folgen auch den Empfehlungen des
Jahresberichts der Wirtschaftsweisen und setzen uns dafür ein, dass wirtschaftlich starke
Schultern mehr Verantwortung tragen müssen.
Bei der Umsetzung der bisherigen Vorgaben haben wir in Berlin bereitsneue Weichen gestellt.
Die Übernahme von Kosten der Unterkunft für SGB II und XII Bezieher*innen haben wir an die
steigenden Mieten und Energiekosten angepasst. Zehntausende Mieter*innen können so wieder
ohne Angst vor Obdachlosigkeit leben.
Und um Menschen in Arbeit vor Armut zu schützen, haben wir den Landesmindestlohn auf 13 Euro
angehoben und Mindesthonorare für Künstler*innen und Freischaffende festgelegt. In all
diesen Feldern werden wir unseren Weg konsequent weitergehen.
Unsere Antwort auf Putins Angriff auf die Ukraine und die Demokratie lautet: Mehr
Solidarität. Unsere Solidarität ist dabei krisenfest und unverbrüchlich. Allen Versuchen,
unterschiedliche von Armut betroffene Gruppen gegeneinander auszuspielen, erteilen wir eine
klare Absage.
Energiearmut nachhaltig bekämpfen
Jährlich bekommen 191.000 Berliner*innen eine Sperrandrohung für nicht bezahlte Strom- oder
Gasrechnungen. 14.000 Berliner*innen wurde im letzten Jahr die Energiezufuhr für den
Haushalt unterbrochen. Durch die steigenden Energiepreise droht sich diese Zahl weiter zu
erhöhen. Gleichsam betroffen sind auch soziale Träger, die ebenfalls unter den hohen
Energiekosten leiden. Auf der Bundesebene sorgen wir mit der Strom- und Gaspreisbremse für
spürbare Entlastungen, in Berlin schaffen wir mit dem Härtefallfonds sowie den Ausbau
frühzeitiger präventiver Hilfen Instrumente, um Energiearmut zu verhindern. Wir wollen eine
behördliche Genehmigungspflicht für Energiesperren einführen und setzen uns hierzu auf
Bundesebene dafür ein. Außerdem sollen bei Personen, bei denen eine Energiesperre zu einem
erheblichen sozialen Härtefall führen würde, nicht mehr vollzogen werden dürfen. Ebenso
setzen wir uns auf der Bundesebene dafür ein, dass Energieversorger für soziale
Organisationen eigene Energietarife einrichten müssen. Schließlich wollen wir das
Landesprogramm „Stromsparcheck“ mittelfristig in ein eigenes Landesprogramm überführen und
die Energiesparhelfer*innen fest anstellen und hierzu ein eigenes Berufsbild entwickeln.
Energieeinsparungen bleiben das beste Mittel gleichzeitig Geld zu sparen und die Umwelt zu
schützen. , Die Berliner*innen wollen wir durch gute Beratungsangebote dabei bestmöglich
unterstützen.
Familien- und Kinderarmut bekämpfen
Wer Kinderarmut bekämpfen will, muss Familienarmut überwinden. Dabei geht es uns nicht nur
um die etwa 180.000 Kinder in Berlin, deren Eltern auf Transferleistungen angewiesen sind.
Wir kümmern uns um alle Kinder, die sozial, finanziell oder durch strukturelle
Diskriminierung benachteiligt sind.
Seit wir 2016 Verantwortung übernommen haben, ist viel passiert. Von kostenfreier Kita- und
Hortbetreuung, dem kostenfreien Schulessen in der Grundschule oder dem kostenfreien ÖPNV-
Ticket für Schüler*innen profitieren insbesondere von Armut betroffene und bedrohte
Familien. Um diesen Familien nachhaltig zu helfen, arbeitet unsere Bundesfamilienministerin
Lisa Paus an weiteren Entlastungen auf Bundesebene. Die ungerechte Dreiklassenförderung von
Freibeträgen, Kindergeld und Kinderregelsatz wollen wir mit einer Kindergrundsicherung
völlig neu und gerecht gestalten.
Doch auch in Berlin setzen wir vor Ort an: Um Familien und Kinder in allen Lebenslagen zu
erreichen, brauchen wir ein Netzwerk gegen Kinderarmut. Mit der Arbeit der „Landeskommission
zur Prävention von Kinder- und Familienarmut“, der Landesarmutskonferenz, des
Familienbeirates oder dem Zusammenschluss der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege
(LIGA) sind Grundlagen erarbeitet worden. Jetzt geht es an die Umsetzung. Wir wollen einen
zentralen Informationsatlas mit allen Einrichtungen erstellen, von den Tafeln über die
Familienzentren bis zu Jugendfreizeiteinrichtungen. Das Netzwerk soll so leistungsstark
werden, dass der erste Schritt der Beratung auch der letzte ist, da ein abgestimmtes
Verfahren zur Unterstützung folgt. Prävention statt nachträgliches Ausbügeln ist das Ziel.
Starke Netzwerke brauchen starke Akteur*innen. Darum haben wir in den vergangenen Jahren
begonnen, gute Projekte auf Landesebene finanziell abzusichern. Die Stadtteilmütter sind
raus aus der unsicheren Projektförderung und sind mit festen Stellen in den Bezirken
gesichert. Gleiches gilt für die Babylots*innen, die Familien schon um die Geburt eines
Kindes betreuen. Es ist gelungen, die Arbeit der Babylots*innen auf alle Geburtsstationen in
Berlin auszuweiten und die psychosoziale Unterstützung zu verstärken. Diesen Weg wollen wir
fortsetzen.
Familien in schwierigen Situationen wie Alleinerziehende und einkommensschwächere Familien
brauchen besondere Unterstützung. Darum haben wir uns in den vergangenen
Haushaltsverhandlungen für ein „Flexibudget“ für die Bezirke eingesetzt. Dies wollen wir
nach der Wahl in allen Bezirken umsetzen. Die Sozialarbeiter*innen vor Ort sollen die
Möglichkeit bekommen, unkompliziert eine Familientherapie oder Jugendsozialarbeit zu
finanzieren, gerade dann, wenn Familien und Kinder zwischen den Paragraphen verloren zu
gehen drohen. Prävention stärken wir darüber hinaus, indem wir in den Familienbüros, die wir
etablieren wollen, nicht nur Leistungen der Ämter einfacher zugänglich machen, sondern die
Familienbüros auch mit Sozialarbeiter*innen ausstatten, die Eltern schnell und
unbürokratisch beraten können.
In einem Modellprojekt haben wir in den vergangenen Jahren im Bezirk Mitte eine besonders
intensive Betreuung von „Familien-Bedarfsgemeinschaften“, in denen kein Elternteil arbeitet,
getestet. Durch die Betreuung in einem eigenen Team ist es gelungen, mehr als 200 Personen
in Arbeit zu bringen. Ein Erfolg, den wir fortsetzen und auch in anderen Bezirken
wiederholen wollen.
Daneben wollen wir die soziale Teilhabe der von Armut betroffenen Berliner Familien
verbessern. Dazu werden wir den Kreis der Berlinpass-Berechtigten ausweiten. Den Familien
stehen mit dem Berlinpass zahlreiche Vergünstigungen bei über 360 Einrichtungen zur
Verfügung. Jedoch ist die Suche nach gewünschten Angeboten zu unübersichtlich, erfordert das
Recherchieren auf vielen Webseiten und kostet je nach Einrichtung unterschiedlich viel Geld.
Um hier einen besseren Überblick für Berlinpass-Inhaber*innen zu schaffen wollen wir eine
digitale Lösung einrichten, die aktuelle Angebote auflistet, sodass gezielt und
benutzerfreundlich nach Einrichtungen für unterschiedliche Bedarfe gesucht werden kann.
Außerdem wollen wir weitere Vergünstigungen für armutsbetroffene Familien und schlagen
analog zum kostenlosen Museumssonntag kostenfreie Tage für weitere Angebote vor.
Auch Altersarmut muss mit zielgenauen Angeboten verringert werden. Wir wollen
niedrigschwellige Beratungsangebote ausbauen, damit mehr Senior*innen die ihnen zustehenden
Sozialleistungen ohne Scham und Stigmatisierung in Anspruch nehmen. Dazu wollen wir die
Sozialberatung in den Stadtteilzentren und in den Senior*innenfreizeitstätten weiter
ausbauen sowie das Programm „Berliner Hausbesuche“ verstetigen und auf alle Berliner Bezirke
ausweiten.
Die steigenden Pflegekosten treiben zusätzlich viele Berliner*innen in Altersarmut. Seit
September 2022 müssen Menschen, die ambulant pflegebedürftig sind, einen höheren Eigenanteil
bezahlen. Der höhere Eigenanteil in der ambulanten Pflege ist von älteren Menschen mit
geringem Alterseinkommen kaum noch zu bezahlen, sodass diese bzw. ihre Angehörigen in die
Armut durch die Pflegekosten rutschen. Leistungen der Pflegeversicherung müssen dynamisiert
werden; abhängig von der Dauer der Pflege setzen wir uns auf Bundesebene für einen sinkenden
Eigenanteil sowie ein Pflegegeld für pflegende Angehörige ein.
Die Zahl überschuldeter Berliner*innen wird angesichts der Inflation wieder ansteigen. Wir
setzen uns für einen Ausbau der bezirklichen Schuldnerberatungen ein. Um Überschuldung
nachhaltig zu verringern, braucht es mehr Prävention. Hierzu wollen wir gemeinsam mit der
Landesarbeitsgemeinschaft der Schuldnerberatungen geeignete Angebote etablieren.
Das Dickicht der Sozialbürokratie lichten – Hilfe auf Augenhöhe organisieren
Ein zentraler Hebel im Kampf gegen Armut ist, das Dickicht der Sozialleistungen so zu
ordnen, dass Menschen nicht länger im Unterholz der Sozialbürokratie verloren gehen. Es
liegt an der Politik, Sozialämtern, Jobcentern und Gesundheitsämtern und den dort
Beschäftigten die Werkzeuge und Arbeitsbedingungen an die Hand zu geben, Betroffenen
passgenau zu helfen. Maßnahmen der Arbeitsmarktintegration, psychosoziale Betreuung,
Schuldner- und Suchtberatung oder Kinder- und Familienbetreuung sollen überall Hand in Hand
gehen, innovative Ansätze aus einzelnen Jobcentern sollen auf alle anderen übertragen
werden. Auch Altersarmut braucht Beachtung und zielgenaue Angebote. Die Rädchen müssen vor
Ort ineinandergreifen. Damit Menschen genau die Unterstützung bekommen, die sie benötigen.
Dafür müssen die besten Modelle aus allen Bezirken zusammengetragen und Vorbild für die
ganze Stadt werden. In den Berliner Jobcentern wird sehr kreativ an Lösungen für jeden
Einzelfall gearbeitet. In Lichtenberg werden Menschen zusätzlich psychologisch betreut. In
Mitte war ein Projekt zur Betreuung von „Familien-Bedarfsgemeinschaften“ erfolgreich. In
Neukölln haben wir ein Präventionsteam aufgebaut, um Obdachlosigkeit zu vermeiden und Wege
aus der Krise zu zeigen.
Orientierung am Sozialraum der Menschen
Die Arbeit der Ämter und der sozialen Träger wollen wir um die Bedürfnisse von Menschen in
ihrem Lebensumfeld organisieren – nicht entlang bürokratischer und finanzieller Logiken.
Denn niedrigschwellige und umfassende Unterstützung und Mitbestimmung dort, wo man lebt,
baut Hürden für alle Berliner*innen ab. In diesem Sinne bedeutet Sozialraumorientierung das
konsequente Umsteuern auf Prävention. Jugendhilfe funktioniert dort besonders gut, wo
sozialraumorientiert und damit präventiv gearbeitet wird. Andernorts explodieren die
Fallkosten. Die Strukturen für unbegleitete minderjährige Geflüchtete wollen wir weiter
ausbauen und auch bei geringeren Zugangszahlen halten. Diese jungen Menschen brauchen gute
stationäre Angebote der Kinder- und Jugendhilfe, möglichst ehrenamtliche Vormünder,
schulische und berufliche Perspektiven von Anfang an und eine adäquate psychosoziale
Versorgung, damit sie hier ankommen können. Wir werden uns für eine Verbesserung der
Personalsituation in der stationären Kinder- und Jugendhilfe einsetzen, um den dort
betreuten Kindern und Jugendlichen einen guten Start ins Leben zu ermöglichen.Über das
Familienfördergesetz wollen wir Kiez-Teams aufbauen, die bei Meldungen Familien,
Senior*innen und Einzelpersonen aufsuchen und Unterstützung leisten. Dabei sollen „Frühe
Hilfen“, die Stadtteilmütter, Jugendeinrichtungen, Schulen, Sportvereine, die Jobcenter oder
die Schuldnerberatung eng miteinander kooperieren. Die sogenannten „67er-Hilfen“ in der
Sozialhilfe, also Leistungen zur Überwindung von sozialen Schwierigkeiten, wollen wir in den
Bezirken einheitlich anwenden.
Wir wollen in den bestehenden lebensweltlich orientierten Räumen für alle Bereiche
datenbasiert genau die Angebote schaffen, die benötigt werden, um die Sozialeinrichtungen,
die Ämter und deren Angebote zu vernetzen und passgenau aufzustellen. Dazu wollen wir die
Fachstruktur der Sozialraumorientierung in den Bezirken vereinheitlichen und mit einer
Lenkung auf Senatsebene flankieren. Die Qualitätssicherung soll systematisiert und in ganz
Berlin strukturiert werden, um Flexibilität und hohe Qualität zu verbinden.
Armuts- und Sozialberichterstattung neu ordnen
Grundlage einer ressortübergreifenden Strategie muss eine integrierte Armuts-, Sozial- und
Gesundheitsberichterstattung sein. In Berlin gibt es ein umfassendes Berichtswesen zu einer
Vielzahl relevanter Themen: die Gesundheits- und Sozialberichterstattung, die
Umweltgerechtigkeitskarte, den Umweltatlas, Lärmkarten, die Obdachlosenzählung und vieles
mehr. Wir wollen den Wildwuchs an Analysen und Berichten systematisieren und zusammenführen.
So können wir noch besser als bisher gegenseitige Abhängigkeiten identifizieren und in die
politische Steuerung einfließen lassen. Das gilt auch für die Erfassung der Lage von
Obdachlosen. Die bundesweit erste systematische Obdachlosenzählung im Februar 2020 war ein
wichtiger Schritt. Wir setzen uns für ihre Fortsetzung ein, um Angebote noch gezielter
ausbauen zu können. Dafür wollen wir stark mit Betroffenen-Organisationen und Trägern
zusammenarbeiten.
Wohnungs- und Obdachlosigkeit bis zum Jahre 2030 überwinden
Es ist in der Regel ein Bündel an Problemlagen, das in die Obdachlosigkeit führt und genauso
erfordert es ein Bündel an Maßnahmen, das aus der Obdachlosigkeit heraus führt. Um die
nötige Ruhe zu haben, das Bündel aufzuschnüren und zu lösen, braucht es einen geschützten
Raum, ein Dach über dem Kopf. Wir machen uns das Ziel des Europäischen Parlaments zu eigen,
die Obdachlosigkeit bis 2030 zu beenden. Ein zentraler Baustein auf diesem Weg ist für uns
der „Housing First“ Ansatz. Obdachlose Menschen werden direkt in Wohnungen mit dauerhaftem
Mietvertrag vermittelt und auf ihrem weiteren Weg begleitet. Dieser Ansatz stellt einen
Paradigmenwechsel zum bisherigen paternalistischen Betreuungsangebot dar. Das sehr
erfolgreiche Modellprojekt haben wir weiter ausgebaut und wollen es nun verstetigen.
Gleichzeitig wollen wir die wichtigen Unterstützungsangebote nach §67 SGB XII mit den
Erfahrungen des Housing First weiterentwickeln, in ihren Leistungstypen flexibilisieren und
in den Bezirken vereinheitlichen. Wir machen uns auch stark für die Sicherung und Schaffung
neuer Krisenhäuser. Sozialen Trägern und kleinen gemeinwohlorientierten Projekten, die für
die spezifischen Gruppen selbst bauen wollen, soll es möglich sein, Bürgschaften auch über
die Stadt zu erhalten. Vorbild ist das sogenannte Generalmietermodell der Degewo mit
sozialen Trägern in Mitte, das wir landesweit durch alle landeseigenen Wohnungsunternehmen
etablieren wollen. Wir setzen uns für ausreichend Wohnungen bei landeseigenen
Wohnungsunternehmen ein, werden sie deutlich ausbauen und wollen auch private
Eigentümer*innen in die Pflicht nehmen, Housing-First-Plätze durch mehr Wohnungen im
geschützten Marktsegment zur Verfügung zu stellen. Dabei stehen besonders verletzliche
Gruppen wie Frauen, LGBTIQ*, Sexarbeiter*innen, Menschen mit erschwertem Zugang zu eigenem
Wohnraum, Alleinerziehende, Minderjährige oder Menschen mit Behinderung im Mittelpunkt.
Besonders kompliziert ist die Unterstützung von Menschen, wenn sie keine Ansprüche auf
Sozialleistungen haben. Auf Bundesebene setzen wir uns dafür ein, Leistungsausschlüsse für
Unionsbürger*innen abzuschaffen. In Berlin werden wir auch Angebote für Menschen vorhalten,
die keinen oder einen ungeklärten Sozialleistungsanspruch haben.
Die letzte Haltelinie sind Notunterkünfte. Die Zahl der Plätze konnten wir in den
vergangenen Jahren deutlich ausbauen. Künftig wollen wir, dass mindestens 600 Plätze
ganzjährig zur Verfügung stehen. Daneben brauchen wir eine neue Unterkunft für wohnungslose
Familien, da die Zahl obdachloser Familien in Berlin zunimmt. In der kalten Jahreszeit
sollen im Rahmen der Kältehilfe deutlich über 1.000 ganztägige Plätze vorgehalten werden,
von denen ein Anteil für besonders schutzbedürftige Menschen reserviert wird. Die Sicherheit
in den Unterkünften muss gewährleistet sein. Mit der Schaffung barrierefreier Notunterkünfte
reagieren wir auf die große Zahl obdachloser Menschen mit Mobilitätseinschränkungen und
haben hierzu ein neues Modellprojekt für rollstuhlfahrende Obdachlose im Haushalt verankert.
Wir setzen uns dafür ein, dass alle Plätze stets Beratungsangeboten vorhalten: Jede
Übernachtung in einer Notunterkunft soll eine Chance auf einen Weg aus der Obdachlosigkeit
bieten und neue Möglichkeiten aufzeigen. Außerdem sollen weitere Angebote geschaffen werden,
die es Sucht- als auch psychisch Erkrankten ermöglichen, diese Angebote auch anzunehmen. Wir
wollen keine gewaltsame Räumungen von Obdachlosencamps und ermöglichen mit dem Konzept „Safe
Places“ auch in Berlin Schutzräume. Wir setzen uns dafür ein, dass das Fahren ohne
Fahrschein keine Straftat mehr darstellt und Bußgelder somit nicht zu Ersatzstrafen führen
können. Obdachlose Menschen verbringen einen großen Teil ihrer Zeit im öffentlichen Raum.
Wir wollen, dass sie dort im Winter wie auch im Sommer Schutz finden und beispielsweise
durch Trinkwasserbrunnen mit kostenlosem Wasser versorgt werden. Dazu wollen wir das
Modellprojekt “Hitzeschutz für Obdachlose“ aus Tempelhof-Schöneberg auf die ganze Stadt
ausweiten im Rahmen der Weiterentwicklung der Kältehilfe.
Ein neues Landesamt für Unterbringung
Menschen brauchen ein Dach über dem Kopf und eine Perspektive auf ein eigenständiges Leben –
egal ob Menschen geflüchtet sind, seit langem auf der Straße leben oder gerade die Wohnung
verloren haben. Bisher sind die Bezirke für die Unterbringung von obdachlosen Menschen
zuständig, das Land Berlin für die Unterbringung von Geflüchteten – konkret das Landesamt
für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF), dass hier große Expertise aufgebaut hat. Die letzten
Monate haben wir uns erneut hart vor Augen geführt, wie wichtig eine gut organisierte
Unterbringung zur Vermeidung von Obdachlosigkeit ist. Unser Dank gilt daher auch allen
Mitarbeiter*innen des LAF. Diese Einsatzbereitschaft und Kompetenz wollen wir für alle
Menschen in Berlin nutzen. Darum werden wir das LAF zu einem neuen „Landesamt für
Unterbringung“ weiterentwickeln. In diesem Zuge setzen wir uns für eine schnelle, dezentrale
Unterbringung geflüchteter Menschen ein und wirken auf Bundesebene darauf hin, dass
geflüchtete Menschen nicht mehr gezwungen werden in Erstaufnahmeeinrichtungen zu wohnen.
Zudem werden wir prüfen, wie geflüchteten Menschen unbürokratisch ein
Wohnberechtigungsschein ausgestellt werden kann. Mit der geplanten Gesamtstädtischen
Steuerung der Unterbringung (GStU) schaffen wir auch für die Unterbringung nach dem
Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG) einheitliche Standards und stellen damit
die Qualität von Unterbringung und Beratung sicher.
2.3 Gesundheit ganzheitlich denken
Gesundheitsversorgung ist öffentliche Daseinsvorsorge – hiervon sind wir seit jeher
überzeugt. Während der Corona-Pandemie ist die Bedeutung dieses Grundsatzes mit besonderer
Wucht zu Tage getreten. Dabei heißt Vorsorge zu treffen oftmals auch in gute Strukturen zu
investieren, in der Hoffnung, dass sie nie gebraucht werden. Gesundheitsversorgung darf
dabei nicht der Profitmaximierung untergeordnet werden, sondern muss sich am Wohl der
Menschen orientieren. Dabei geht es uns nicht nur um die Abwesenheit von Krankheit oder um
individuelles Gesundheitsverhalten. Es geht auch um gesunde Lebensbedingungen, um
körperliches, psychisches und soziales Wohlbefinden, Selbstbestimmung und Teilhabe.
Wir haben viel für eine gute Versorgung für die Berliner*innen getan. Gerade in der Corona-
Pandemie war dies eine Herausforderung. Die konsequente Umsetzung von Maßnahmen zum
Infektionsschutz – wie das Gebot zum Maskentragen und die zeitweise Einschränkung des
öffentlichen Lebens – war für die akute Bekämpfung der Pandemie erforderlich und hat
wichtige Erkenntnisse für eine womöglich nächste epidemische Lage geliefert. Zugleich kommt
es gerade in einer solchen Ausnahmesituation auch auf die Bereitstellung einer ausreichend
verfügbaren und qualitativ hochwertigen Gesundheitsinfrastruktur an. Wir haben daher
Kapazitäten aufgestockt, Personal in den Gesundheitsämtern aufgebaut und als Notfallreserve
ein Corona-Behandlungszentrum geschaffen. Die Arbeit für gute Gesundheitsversorgung haben
wir aber weit vor der Pandemie begonnen. Die Investitionen in die Krankenhäuser haben wir
auf den Bundesschnitt angehoben und werden unseren Beitrag sukzessive weiter erhöhen.
Außerdem haben wir dafür gesorgt, dass Babylots*innen auf allen Geburtsstationen der
Berliner Krankenhäuser Eltern beraten und begleiten. Wir haben dafür gesorgt, dass das Essen
im Krankenhaus besser und gesünder wird. Wir haben Stationsküchen finanziert und setzen auf
regionale, saisonale und nachhaltige Ernährung im Krankenhaus – am Bett und in der Kantine.
Die Qualität des Essens in den Krankenhäusern sollte mehr Beachtung finden und eine
individuelle Ernährungsberatung bei Bedarf als nachhaltiges Instrument ergänzend etabliert
werden. Hierfür werden wir gezielt mit der Kantine Zukunft zusammenarbeiten und als weiteres
Ziel wollen wir auch in der ambulanten und stationären Pflege die Essensversorgung
verbessern. Wir haben erreicht, dass alle Berliner*innen Zugang zur gesundheitlichen
Versorgung erhalten. Wir unterstützen Menschen ohne Krankenversicherung dabei, sich zu
versichern. Durch unseren Einsatz können sich endlich auch Menschen ohne gültigen
Aufenthaltstitel mit einem anonymen Krankenschein behandeln lassen. Damit ist Berlin das
einzige Bundesland, in dem der Zugang zur hausärztlichen Versorgung so umfassend möglich
ist. Wir haben die Finanzierung der Clearing-Stelle durch das Land Berlin gesichert und den
Fonds, der die Behandlung von nicht versicherten Menschen ermöglicht, ausbauen. Der neue und
bislang einzigartige Checkpoint BLN am Hermannplatz bietet unter einem Dach niedrigschwellig
Beratung, Prävention (unter anderem HIV-PrEP), Tests und Behandlung rund um die sexuelle
Gesundheit, insbesondere zu HIV/Aids. Wir kämpfen für ein inklusives Gesundheitssystem, das
allen Menschen barriere- und diskriminierungsfrei zugänglich ist. Insbesondere vulnerable
Gruppen, darunter Menschen mit Behinderung oder trans Menschen, müssen einen besseren Zugang
zur umfassenden und bedarfsgerechten gesundheitlichen Versorgung bekommen.
Den Öffentlichen Gesundheitsdienst und das Gesundheitssystem krisenfest machen
Trotz dieser wichtigen Schritte bleibt vieles zu tun. Ein zentraler Baustein ist der
Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD), in den über Jahrzehnte zu wenig investiert wurde. In
der Corona-Pandemie wurde allen deutlich, dass sich Sparen an dieser Stelle rächt. Den Pakt
zur Stärkung des ÖGD werden wir nutzen und die Mittel dafür einsetzen, Personal und
Ausstattung zu verbessern. So werden wir Schritte in Richtung Mustergesundheitsamt gehen.
Wir werden die Berufsgruppe der Pflege bei Entscheidungen mehr einbeziehen und auch in
Krisenstäben mit an den Tisch holen. Wir brauchen einen starken ÖGD und wollen ihn darum mit
den nötigen Kompetenzen und Ressourcen ausstatten, um eine lokale, sozialraumorientierte
Vernetzung voranzutreiben. Wir wollen alle Berufsgruppen, die im ÖGD arbeiten, attraktiver
machen und setzen uns deshalb unter anderem dafür ein, dass Famulaturen im Medizinstudium
sowie das Praktische Jahr auch in den Gesundheitsämtern absolviert werden können. Der ÖGD
soll die Kompetenz erhalten, integrierte Versorgungsangebote zu entwickeln und sich stärker
forschungsorientiert auszurichten. Dabei fördern wir systematisch eine interdisziplinäre
Herangehensweise, bei der auch Berufsgruppen wie Gesundheitswissenschaftler*innen/Public-
Health-Absolvent*innen, Epidemiolog*innen oder Pflegewissenschaftler*innen in den ÖGD
einbezogen werden. Mit neuer Soft- und Hardware befähigen wir den ÖGD, die vielfältigen
Aufgaben zu erledigen. Um vor Ort erfolgreich aktiv sein zu können, wollen wir erreichen,
dass der ÖGD die Vielfalt unserer Gesellschaft widerspiegelt und im Rahmen seiner
Aufgabenwahrnehmung verstärkt diversitätssensible Konzepte und professionelle Sprachmittlung
anwendet. Auch das Gesundheitssystem wird seine Verantwortung in der Klimakrise übernehmen.
Die landeseigenen Krankenhäuser haben bereits Schritte zur Verringerung des Verbrauchs an
Energie und anderen Ressourcen unternommen, brauchen aber unsere weitere Unterstützung, um
ihren ökologischen Fußabdruck rascher zu verkleinern. Neben baulichen Veränderungen geht es
hier unter anderem auch um fossilfreie Wärme- und Kältesysteme, Gebäude-Wärme-Sanierung,
aber auch klimaschädliche Verbrauchsmaterialien wie bestimmte Narkosegase oder
klimaschädliche Treibgase in Inhalationsaerosolen.
Die Corona-Pandemie hat uns die Gefahr von Infektionskrankheiten nochmal vor Augen geführt.
Wir wollen deshalb den Berliner Pandemieplan überarbeiten, mehr Vorsorge treffen und durch
verbesserte Erinnerungssysteme die Impfquoten bei bekannten Infektionskrankheiten erhöhen.
Gesundheits- und Pflegeberufe attraktiver machen und in die Infrastruktur investieren
Therapeut*innen und Ärzt*innen, Pflegepersonal, Psycholog*innen, die Mitarbeiter*innen im
Öffentlichen Gesundheitsdienst, Apotheker*innen, PTA oder PKA – es gibt viele Berufsgruppen,
die für gute gesundheitliche Versorgung wichtig sind. Viele davon sind Mangelberufe und ihre
Ausbildung muss unterstützt und gefördert werden. Wir wollen die noch nicht organisierten
Gesundheits- und Pflegeberufe bei ihren jeweiligen Professionalisierungsprozessen
unterstützen, wenn möglich und gewollt auch in Berufskammern. Damit auch zukünftig genügend
Nachwuchs in diesen Berufen zur Verfügung steht, werden wir die Arbeitsbedingungen
verbessern, zum Beispiel mit festen Personalschlüsseln und einer Senkung der Arbeitsstunden.
Auch hier stehen wir für eine 35-Stunden-Woche ein. Auch die Ausbildung muss attraktiver
werden, etwa indem wir ermöglichen, alle Ausbildungs- und Studiengänge auch in Teilzeit zu
absolvieren. Auch im Gesundheitswesen kommt es immer wieder zu diskriminierenden Vorfällen
und sexualisierten Übergriffen. Deswegen wollen wir Anlaufstellen für betroffene
Patient*innen und Personal ausbauen und medizinische Einrichtungen dabei unterstützen,
verbindliche Strategien gegen strukturelle Diskriminierungen, Sexismus und für eine
diversitätssensible Gesundheitsversorgung zu entwickeln.
Trotz deutlicher Anhebung der Investitionen in die Berliner Krankenhäuser bleibt hoher
Investitionsbedarf. Wir werden die Investitionen weiter anheben, nicht nur, um den Status
quo zu halten und eine Verlagerung auf die Betriebskosten zu vermeiden, sondern auch, um
Zukunftsprojekte wie die Digitalisierung der Gesundheitsversorgung voranzubringen.
Finanziellen Druck zur Ausgründung von Tochterfirmen ohne Tarifbindung gilt es zu vermeiden.
Bei der Krankenhausplanung legen wir einen Fokus auf Versorgungsqualität und aufeinander
abgestimmte Strukturen, auch sektorenübergreifend. Nicht zuletzt in der Notfallversorgung
fördern wir eine enge Zusammenarbeit von Rettungsdienst, kassenärztlichem
Bereitschaftsdienst und Notaufnahmen der Krankenhäuser.
Integrierte Gesundheitszentren vor Ort schaffen
In unserem aktuellen Gesundheitssystem gibt es für alles Spezialist*innen – aber viel zu
selten werden die verschiedenen Bedingungen und die unterschiedlichen Fachdisziplinen
zusammengebracht und gleichzeitig die unterschiedlichen Lebenswelten der Menschen und ihre
spezifischen Bedürfnisse berücksichtigt. Das Gesundheitskollektiv (GeKo) im Rollbergkiez
macht es anders: Hier arbeiten verschiedene Berufsgruppen zusammen und treten gemeinsam mit
den Menschen im Kiez für die Gestaltung gesundheitsförderlicher Lebenswelten ein.
Behandlungen erfolgen disziplinübergreifend und auf Augenhöhe mit den Behandelten. Die
Bedürfnisse der Anwohner*innen im Kiez werden einbezogen, gleichzeitig unterliegt das
Projekt regelmäßiger Evaluation. Wir wollen nach dem Vorbild des GeKo mehr integrierte,
lokale, interprofessionelle und mehrsprachige Gesundheitszentren schaffen.
Gesundheit in allen Politikbereichen mitdenken – Prävention ein Leben lang
Gesundheit wird von vielen Faktoren beeinflusst, neben der physischen und der psychischen
Verfassung spielen auch die Wohnbedingungen, die Bildungschancen und die soziale Lage eine
wesentliche Rolle. Gesundheit ganzheitlich zu denken heißt, Gesundheitspolitik in allen
Politikfeldern zu verankern. Wir folgen dem „Health in All Policies“-Ansatz der WHO, denn
Gesundheit entsteht weder im Krankenhaus noch in der Arztpraxis, sondern im Alltag – dort,
wo Menschen leben, arbeiten, zur Kita oder zur Schule gehen und wo sie ihre Freizeit
verbringen. Daher ist Klimaschutz auch Gesundheitsschutz – denn Luftverschmutzung und Lärm
machen krank. Mit der Verkehrswende schützen wir die Gesundheit derer, die bisher an lauten
und stickigen Straßen leben müssen. Durch sichere Fuß- und Radwege lässt sich körperliche
Bewegung gut in den Alltag integrieren. Mehr Grünflächen im öffentlichen Raum erleichtern
sportliche Aktivitäten im Kiez. Der einfachere Zugang zu regionalen Bio-Lebensmitteln stellt
eine Grundlage für eine gesunde Ernährung und somit für den Klimaschutz dar. Wir wollen
daher künftig Gesetzesvorhaben in allen Politikbereichen auch auf ihre Auswirkungen auf die
Gesundheit prüfen. Gesundheit ist eine wichtige Ressource, die gepflegt werden möchte. Aus
diesem Grund sehen wir die Förderung von Gesundheit und die Prävention von Erkrankungen in
Berlin als wichtige Bausteine einer nachhaltigen Gesundheitspolitik für alle Bürger*innen,
egal in welcher Lebensphase oder welchem Lebensalter. Die Möglichkeiten, die das
Präventionsgesetz bietet, sollen sich auch am Sozialraum unter Mitsprache der Expert*innen
vor Ort – im Kiez, in den Bezirken und dem Land – orientieren und dort wo notwendig durch
weitere Maßnahmen flankiert werden.
HIV/Aids besiegen
Berlin hat das Ziel der Vereinten Nationen übernommen, bis 2030 die Zahl der HIV-
Neuinfektionen auf null zu senken. Mit der Einführung der PrEP und den Erfolgen in der
Gesundheitsversorgung in den letzten Jahren konnten wir wichtige Schritte gehen. Unser Ziel
für die kommenden Jahre lautet „95-95-95-0“:
Mindestens 95 Prozent der HIV-Infizierten sollen von ihrer Infektion wissen, mindestens 95
Prozent davon Zugang zur Behandlung haben und mindestens 95 Prozent der Behandelten „unter
der Nachweisgrenze“ sein und 0 Prozent sollen aufgrund ihrer Infektion Diskriminierung
erfahren. Um das zu erreichen, wollen wir die Beratungs- und Versorgungsstrukturen weiter
verstärken, die bestehenden Präventionsangebote und -kampagnen zielgruppenorientiert
ausbauen, allen Berliner*innen unabhängig vom Geldbeutel Zugang zu Tests und Versorgung
ermöglichen und Aufklärungskampagnen durchführen.
Gut versorgt von Anfang an – wir unterstützen Hebammen und Familienplanung für alle
Zur Gesundheit gehört auch, Anfang und Ende des Lebens gut zu begleiten. Hebammen und
Geburtshelfer*innen begleiten den Weg ins Leben und sind für viele Menschen sowohl während
der Schwangerschaft als auch während und nach der Geburt wichtige Bezugspersonen. Dass
Schwangere in Berlin kaum noch eine Hebamme finden, die sie im Wochenbett betreuen kann, ist
ein unhaltbarer Zustand. Wir wollen aber allen weiterhin eine selbstbestimmte und sichere
Geburt ermöglichen. Am Runden Tisch Geburtshilfe haben wir deshalb vereinbart, die
Ausbildungskapazitäten für Hebammen zu erhöhen, es auch in ein Studium an der Charité und
der Evangelischen Hochschule zu überführen, Hebammen mit Service-Parkausweisen im Alltag zu
unterstützen undmit einer digitalen Plattform die Suche nach Hebammen zu erleichtern.
Zusätzlich haben wir in Berlins Kreißsäle investiert und wir wollen die Arbeitsbedingungen
für Hebammen verbessern, indem wir mehr Hebammen in die Kreißsäle bringen. Auf Bundesebene
setzen wir uns dafür ein, dass die Vergütungen angehoben und Versicherungsbeiträge
übernommen werden und es dazu auch verbindliche Personalschlüssel in den Krankenhäusern
gibt.
Damit alle, die sich ein Kind wünschen, die bestmögliche Unterstützung bekommen, wollen wir
die Reproduktionsmedizin ausbauen und uns dafür einsetzen, dass sie allen – egal, ob sie
alleinstehend oder verpartnert sind – von der Krankenkasse finanziert wird. Dies sollte um
entsprechende Beratungsangebote insbesondere für Regenbogenfamilien erweitert werden.
Zur Familienplanung gehört aber auch, sich frei gegen ein Kind entscheiden zu können. Der
kostenfreie Zugang zu Verhütungsmitteln, insbesondere für Jugendliche und Heranwachsende,
soll daher durch das Land Berlin ausgebaut werden, beispielsweise in Form von freien
Ausgaben bei Beratungsstellen und Gesundheitsämtern. Beratung im Fall von
Schwangerschaftskonflikten muss niedrigschwellig und mehrsprachig zugänglich sein.
Informationen, wo Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden, müssen vom Land Berlin auf
verschiedenen Plattformen leicht erreichbar und verständlich zur Verfügung gestellt werden.
Die medizinische Versorgung zum Abbruch von unerwünschten Schwangerschaften ist zukünftig
gefährdet. Sie muss zumindest von den landeseigenen Kliniken personell und strukturell
gewährleistet werden. Das sogenannte Werbeverbot im Paragraphen 219 a StGB haben wir auf
Bundesebene bereits abgeschafft. Nun kämpfen wir auf Bundesebene weiter für die
Legalisierung von und Kostenübernahme für Schwangerschaftsabbrüche und die Abschaffung des
Paragraphen 218 StGB, damit Ärzt*innen ohne Restriktionen über die verschiedenen Methoden
des Abbruchs informieren können und diese Teil der medizinischen Ausbildung und
Kassenleistung werden. Wir wollen, dass in Berlin mehr Forschung zu
Schwangerschaftsabbrüchen stattfindet. Bereits in der Schule müssen Jugendliche über diese
Thematik aufgeklärt werden.
Selbstbestimmt und würdevoll bis zum Schluss
Auch das Sterben gehört zu einem ganzheitlichen Blick auf die Gesundheitsversorgung: Wir
wollen, dass Menschen selbstbestimmt und gut versorgt ihre letzte Lebensphase verbringen
können. Doch insbesondere in dieser Lebensphase sind Menschen oft kaum oder gar nicht mehr
in der Lage, für ihre eigenen Bedürfnisse einzustehen. Umso wichtiger ist, dass vor dem
Auftreten von schweren Erkrankungen eine gute Aufklärung über Vorsorgevollmachten und
Patientenverfügungen stattfindet. Sind diese Dokumente nicht vorhanden, sind die Angehörigen
von schwer Erkrankten häufig nicht in der Lage, entsprechend dem mutmaßlichen Willen der
Betroffenen Aussagen zu Behandlungswünschen zu treffen. Gültige Vorsorgevollmachten und
Patientenverfügungen stellen sicher, dass die Wünsche von Betroffenen, insbesondere am
Lebensende, geachtet werden. Sie erleichtern außerdem dem medizinischen Personal die Arbeit.
Deshalb wollen wir die Aufklärungsstrukturen dafür ausbauen. Darüber hinaus wollen wir eine
Beratungsstelle für Palliativmedizin einrichten, die über die Möglichkeiten der Versorgung
im Hospiz oder zuhause transparent informiert. Palliativmedizin ist aufgrund
reformbedürftiger Anreize aus gesundheitsökonomischer Sicht oft unattraktiver als die
medizinische Behandlung durch Operationen und intensivmedizinische Maßnahmen, die von den
Betroffenen häufig als quälend empfunden werden. Umso wichtiger ist es, Ärzt*innen so aus-
und weiterzubilden, dass für sie die Wünsche der Behandelten im Fokus stehen und
lebensverlängernde Maßnahmen nicht um jeden Preis durchgeführt werden.
Mit seinem Grundsatz-Urteil vom 26. Februar 2020 hat das Bundesverfassungsgericht
klargestellt, dass auch beim Suizid in jeder Lebenslage eines Menschen die Selbstbestimmung
umfassend gilt. Der damalige Paragraph 217 StGB, der die Beihilfe kriminalisierte, wurde
deshalb für nichtig erklärt. Nun gilt: Menschen, die eine Entscheidung über das eigene
Lebensende treffen möchten, haben also einen Anspruch auf qualifizierte Aufklärung und
Beratung, auch zu lebensorientierten Alternativen zum Suizid. Wir wollen in Berlin ein
entsprechendes Modellprojekt mit ergebnisoffenen und einfühlsamen Gesprächsangeboten auf den
Weg bringen.
Förderung psychischer Gesundheit und gute wohnortnahe Versorgungsangebote
Unser Gesundheitsverständnis umfasst ausdrücklich auch das psychische Wohlbefinden. Durch
unsere Politik wollen wir die Lebensbedingungen in Berlin so gestalten, dass sie einen
positiven Einfluss auf die psychische Gesundheit ausüben und die Resilienz stärken. Darüber
hinaus wollen wir – unter anderem im Rahmen des Präventionsgesetzes – konkrete Angebote
schaffen und ausbauen, die dabei helfen, mit psychischen Belastungen umzugehen und Krisen
besser zu bewältigen.
Von der Gesundheitsförderung und Prävention über die Beratung bis hin zur Behandlung und
Rehabilitation setzen wir auf sozialraumorientierte und wohnortnahe, miteinander vernetzte
Angebote. Dabei fördern wir die Partizipation durch den Trialog und Peer-Ansätze sowie den
Abbau von Zwang. Auch hochstrukturierte Bereiche der psychiatrischen Versorgung wie zum
Beispiel das Krankenhaus des Maßregelvollzugs wollen wir als integralen und wichtigen
Bestandteil des psychiatrischen Versorgungsnetzwerks weiterentwickeln. In der Versorgung
gilt für uns die Maxime: ambulant vor teilstationär vor stationär. Unser Plan ist,
innovative Finanzierungs- und Steuerungsmodelle sowie neue Angebotsformen zu fördern. In den
Sozialpsychiatrischen und Kinder- und Jugendpsychiatrischen Diensten wollen wir mehr
aufsuchende Beratungs-, Begleitungs- und Vernetzungsangebote für schwer psychisch
beeinträchtigte Menschen mit und ohne Obdach anbieten. Dafür braucht es auch mehr personelle
Ressourcen. Wir haben darüber hinaus das Angebot an psychosozialer Unterstützung für
Geflüchtete bedarfsgerecht und mehrsprachig ausgebaut sowohl in den Geflüchteten-
Unterkünften als auch bei den aufsuchenden psychosozialen Fachkräften als Teil der Angebote
des Psychiatrieentwicklungsprogramms. Das Psychiatrieentwicklungsprogramm wollen wir endlich
weiterentwickeln und einen datengestützten Landespsychiatrieplan etablieren.
Ein neues „Landesprogramm Psychische Gesundheit“ soll die vielfältigen Angebote zur
Förderung psychischer Gesundheit, zur psychosozialen und psychiatrischen Unterstützung und
Versorgung sowie ein neues Berliner Suchtkonzept unter einem Dach vereinen. Unter diesem
Dach werden Prävention, Intervention und Nachsorge bei sexualisierter Gewalt regelhafter
Bestandteil der psychosozialen Gesundheitsversorgung und eine konsequente Anschlussfähigkeit
an bereits bestehende Netzwerke in Berlin ist sichergestellt.
3.4 Selbstbestimmt im Alter. Wir machen die Pflege stark
Wir Berliner*innen leben immer länger. Wir wollen, dass Menschen egal welchen Alters
selbstbestimmt und in Würde ihr eigenes Leben gestalten können, gleich woher sie kommen, wie
dick ihr Portemonnaie ist oder wie pflegebedürftig sie sind. Dafür wollen wir die richtigen
Rahmenbedingungen schaffen. Ältere, auch an Demenz erkrankte Menschen sollen weiter ihre
Fähigkeiten einbringen und ihr Umfeld mitgestalten, auch die Hilfs- und
Unterstützungsangebote oder den barrierefreien Umbau ihrer Wohnung und der Einrichtungen im
Kiez. Und wer Pflege benötigt, soll sie in bester Qualität erhalten. Dafür setzen wir uns
ein, auf Landes- wie Bundesebene und im Schulterschluss mit Pflegebedürftigen,
Pflegefachkräften und pflegenden Angehörigen.
Im Kiez verortet
Wir wollen die Lebensbedingungen Älterer in Berlin so gestalten, dass sie so lange wie
möglich in ihren eigenen vier Wänden leben und am gesellschaftlichen Leben im Kiez teilhaben
können. Wir denken sozialräumlich und haben in den letzten Jahren die Pflegestützpunkte
ausgebaut und mit mehr Ressourcen ausgestattet, um das zu ermöglichen. Darüber hinaus
fördern wir die Gesundheit im Alter und ermöglichen mit inklusiven,
generationenübergreifenden Projekten Begegnungen, bei denen wir Menschen über die eigene
Community hinaus zusammenbringen.
Einsamkeit vorbeugen
Immer mehr ältere Menschen leiden unter Einsamkeit. Dies trifft sehr häufig Pflegebedürftige
und Kranke, aber auch Menschen, die in ihrem bisherigen Leben von Ausgrenzung und
Diskriminierung betroffen waren. Menschen mit mobilitätsbedingten Einschränkungen und
ausgeprägten Sinnesbehinderungen können oft ohne Unterstützung nicht mehr die eigene Wohnung
verlassen. Sehr oft fehlen ihnen anregende zwischenmenschliche Kontakte. Die
Kontaktlosigkeit geht mit dem Verlust mentaler Fähigkeiten, eingeschränkten
Sprachkompetenzen und schlechterer körperlicher Gesundheit einher. Präventiv können hier
Angebote sozialer Aktivitäten wirken. Mit der Förderung von Hilfs- und Kontaktangeboten, wie
dem „Silbernetz gegen Einsamkeit im Alter“ und freiwilligen Besuchsdiensten wollen wir der
Einsamkeit im Alter entgegenwirken. Hierfür haben wir auch präventive Hausbesuche
eingeführt. Auch die Kompetenz zur Nutzung von digitalen Medien trägt dazu bei, den Kontakt
zu anderen aufrechtzuerhalten und auszubauen. Wer die Vielfalt der Nutzung der digitalen
Angebote kennen lernen will, benötigt Unterstützung durch vertrauensvolle Stellen und es
muss die Zuversicht vermittelt werden, auftretende Probleme nach und nach eigenständig lösen
zu können. Wir brauchen eine Bildungsoffensive zur digitalen Teilhabe, die auch
Altersgruppen jenseits des 75. Lebensjahres einschließt. Deshalb fordern wir kostenlose
WLAN-Anschlüsse in Pflegeheimen, Pflege-Wohngemeinschaften und Freizeiteinrichtungen für
ältere Menschen. Dort sollen auch Tablets und Smartphones als Leihgeräte zur Verfügung
stehen.
Vielfalt der Pflege- und Wohnformen
Wir streben eine breite Mischung zielgruppengerechter, diversitäts- und
diskriminierungssensibler Pflege- und Wohnformen an und wollen alternative Wohn- und
Pflegeformen ausbauen. Perspektivisch sollen große Heimeinrichtungen abgelöst werden, wir
fördern kleine, an Quartiere angebundene und vernetzte Versorgungseinrichtungen. Sie bieten
quartiersnahe, sozialintegrative und inklusive Beratung, Pflege und Betreuung älterer
Menschen. Um eine gute Qualität sicherstellen und kontrollieren zu können, haben wir das
Wohnteilhabegesetz überarbeitet. Wir streben weiter das Ziel an, dass die Heimaufsicht
personell angemessen und qualifiziert besetzt ist. Wir wollen die Bewohnerbeiräte von
Pflegeheimen und Pflege-Wohngemeinschaften stärken und ihnen kostenlose Fortbildungen
anbieten. Besonders wichtig war uns dabei die Anbindung von Einrichtung und
Wohngemeinschaften an den jeweiligen Sozialraum. Wir werden die vorhandenen
Beschwerdestrukturen optimieren und die Einrichtung einer Beschwerdestelle im Bereich Pflege
prüfen.
Mit einem Kompetenzzentrum Pflegewohnformen wollen wir Menschen mit erhöhtem Pflegebedarf
beraten. Die Mitarbeiter*innen des Zentrums sollen auch Pflegeheime beraten, die ihr Angebot
in Richtung Quartier öffnen wollen. Darüber hinaus werden wir altersgerechtes und
barrierefreies Wohnen ausbauen, der Bedarf wächst stetig. Auch Pflegeeinrichtungen und
gerade Pflegewohngemeinschaften sind von Verdrängung bedroht. Wir brauchen in allen Kiezen
Pflegeeinrichtungen.
Gerade weil der Bedarf an Pflegeunterstützung wächst, werden wir eine
Stadtentwicklungsplanung für Pflege und Senior*innen anstoßen, die vorhandene Strukturen und
weitere Bedarfe aufschlüsselt und absichert. Da in den Bezirken ein großes Wissen über die
Bedarfe und Besonderheiten der einzelnen Kieze herrscht, sollen sie eng eingebunden werden.
Die Bezirke erhalten den Auftrag, gemeinsam mit den Netzwerken vor Ort regelmäßig eine
kontinuierliche Planung zur Weiterentwicklung von Versorgungsangeboten und der lokalen
Pflegeinfrastruktur vorzulegen. Die abgestimmte Bedarfsplanung ist Grundlage für die
Landesförderung zur Weiterentwicklung der Infrastruktur für ein selbstbestimmtes Altern. Für
uns ist klar, dass Pflege die vielfältigen Lebensentwürfe und -realitäten der Berliner*innen
abbilden muss. Wir setzen uns für diversitäts- und geschlechtersensible Pflege ein. Gerade
in einer Einwanderungsgesellschaft gilt es, Diversity-Kompetenzen auszubauen, bei
Einstellungen auf Diversität zu achten und im Ausland erworbene Ausbildungsabschlüsse in
Pflege- und Gesundheitsberufen leichter anzuerkennen. Mit den Pflegestützpunkten der
interkulturellen Öffnung und der LSBTIQ*-sensiblen Beratung sind wir erste Schritte gegangen
– diesen Weg wollen wir weitergehen. Hierzu leisten die Interkulturellen Brückenbauer*innen
in der Pflege einen wesentlichen Beitrag, den es auszubauen und um die diversitätskritische
Hospiz- und Palliativversorgung in Berlin auszuweiten gilt.
Gute Pflege braucht gute Arbeitsbedingungen
Gute Pflege steht und fällt mit den Mitarbeiter*innen. In der Haus- und Familienpflege sowie
bei Berufen der Altenpflege sind das zu über 80 Prozent Frauen. Pflegekräfte sind
systemrelevant, das spiegelt sich aber bisher nicht ausreichend auf dem Gehaltszettel und in
den Arbeitsbedingungen wider. Das wollen wir ändern. Mit dem Berliner Bündnis für Pflege
wurden in den letzten Jahren bereits Handlungsfelder identifiziert, um Fachkräfte in der
Pflege zu halten. Jetzt kommt es auf die Umsetzung an, denn wir sind als Gesellschaft auf
gute Pflege angewiesen. Ein wichtiger Schritt ist eine gerechte, auskömmliche Bezahlung, die
im Job selbstverständlich sein muss und schon in der Ausbildung, wie bei Pflegepraktika,
Famulaturen, bei Praktika im Pflegestudium und für Ärzt*innen im praktischen Jahr erfolgen
muss. Wir wollen auch die Akademisierung der Pflege- und Therapieberufe voranbringen und
mehr Studienangebote im Bereich der Gesundheitsberufe schaffen. Eine Pflegekammer, wenn sie
mehrheitlich von den Berliner Pflegenden gewünscht wird, unterstützen wir.
Wir wollen verbindliche Personalschlüssel statt Personaluntergrenzen, Mobilitätsangebote,
gerade für Nachtschichten und Beschwerdestellen, um Verstöße gegen den Arbeitsschutz zu
melden. Wir unterstützen die Selbstverwaltung der Pflegekräfte. Eine Pflegekammer kann dafür
einen Beitrag leisten, wenn sie mehrheitlich von den Berliner Pflegenden unterstützt wird.
Wir fordern mehr Plätze für Teilzeitausbildungen und berufsbegleitende Ausbildungen. Auch
die Ausbildung zur Pflegeassistenz muss vergütet werden. Die Ausbildung zur Pflegeassistenz
wollen wir auf Bundesebene regeln und bis dahin schon in Berlin besser, generalistisch und
über einen längeren Zeitraum ausbilden. Die Ausbildung zur Pflegeassistenz ist bereits
gestartet. Im Ausland erworbene Ausbildungsabschlüsse von Pflege- und Gesundheitsberufen, ob
innerhalb oder außerhalb der EU erworben, sollen leichter anerkannt werden. Auch in der
ambulanten Versorgung müssen die Arbeitsbedingungen verbessert werden, damit zu pflegende
Menschen möglichst lange in ihrer eigenen Wohnung bleiben können. Viele ausgebildete Kräfte
arbeiten nicht mehr in ihrem Beruf – mithilfe von besseren Arbeitsbedingungen und einer
besseren Entlohnung von Beschäftigten in der ambulanten Pflege wollen wir sie
zurückgewinnen. Die bereits erfolgte Umsetzung der Tarifbindung ist hierfür ein wichtiger
Schritt.
Pflegende Angehörige besserstellen
Pflegende Angehörige bilden eine der tragenden Säulen der häuslichen Pflege. Rund 200.000
Berliner*innen betreuen und versorgen ihre pflegebedürftigen Angehörigen. Wir wollen sie
stärker ins Versorgungsnetz einbinden und ihre Leistungen besser würdigen. So haben wir ihr
Recht auf Mitsprache ausgebaut. Diesen Weg werden wir weiter gehen und sie besser
informieren und entlasten. Das Kompetenzzentrum Pflegeunterstützung zur Entlastung von
pflegenden Angehörigen und anderen Bezugspersonen soll ausgebaut und verstetigt werden.
Besonders Kinder und Jugendliche als pflegende Angehörige müssen dabei in Zukunft noch mehr
bedacht werden. Das Kompetenzzentrum Pflegeunterstützung wird durch einen Beirat bestehend
aus Selbstvertretungsgruppen Pflegender Angehöriger und den Kontaktstellen
„PflegeEngagement“ beraten. Als Berliner Landesregierung haben wir bereits eine
Bundesratsinitiative zur Einführung eines Familienpflegegeldes gestartet, eine
Lohnersatzleistung ähnlich dem Elterngeld. Hier werden wir weiter Druck machen.
2.5 Inklusives Berlin – Teilhabe für Menschen mit Behinderung
Menschen mit Lernschwierigkeiten oder Beeinträchtigung werden von der Gesellschaft
eingeschränkt, weil sie nicht als Norm gelten. Diesen Einschränkungen wollen wir
entgegenwirken und die Berliner Stadtgesellschaft inklusiver gestalten. Wir wollen eine
Gesellschaft, in der alle Menschen mit und ohne körperliche, psychische oder kognitive
Behinderungen gleichberechtigt und selbstbestimmt teilhaben, ohne auf Barrieren zu stoßen.
In Berlin leben rund 350.000 Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50, das
ist fast jede zehnte Person. Unsere Vorstellung einer inklusiven Gesellschaft ist aber für
noch viel mehr Menschen wichtig. Aufzüge an Bahnhöfen nutzen auch Eltern mit Kinderwagen,
auf barrierefreies Wohnen sind im Alter fast alle angewiesen. Für ganz Berlin ist es
zentral, dass wir Barrieren einreißen, wo immer sie noch stehen.
Seit dem 1. Januar 2020 ist das neue Bundesteilhabegesetz (BTHG) voll in Kraft. Wir
Bündnisgrüne mahnen auf Bundesebene tiefgreifende Nachbesserungen an. Gleichzeitig arbeiten
wir in Berlin an der Umsetzung, um das Beste herauszuholen. In allen Bezirken wird am Aufbau
sogenannter „Häuser der Teilhabe“ gearbeitet. Dort sollen Menschen mit Behinderung künftig
Beratung, Unterstützung und Begleitung rund um das Thema Eingliederungshilfe finden. Für den
Aufbau der Häuser und die fachliche Koordination werden jedem Bezirk seit 2020 zusätzlich
zwei Stellen von Seiten des Landes zur Verfügung gestellt. Auch beim barrierefreien Umbau
der Stadt haben wir wichtige Schritte gemacht, zum Beispiel bei Bus und Bahn. Unser
Mobilitätsgesetz schreibt den Anspruch auf barrierefreie Mobilität fest und wir investieren
jedes Jahr Millionen, um dem Ziel der Barrierefreiheit näher zu kommen. Die Einführung des
barrierefreien Rufbusses Muva ist hier ein wichtiger Schritt.
„Häuser der Teilhabe“ ermöglichen umfassende Beratung
In den kommenden Jahren geht es um die konkrete Umsetzung vor Ort – diese wollen wir gezielt
vorantreiben. Wir wollen in den „Häusern der Teilhabe“ multiprofessionelle Teams
zusammenbringen, um die Beratung so umfassend wie möglich zu gestalten. Den Rahmen für
einheitlich hohe Standards der Umsetzung sollen Zielvereinbarungen bilden, die wir zwischen
Land und Bezirken entwickeln und stetig weiterentwickeln wollen. Etikettenschwindel, also
ein neues Label und die Fortführung der bisherigen Praxis der Sozialhilfe, werden wir nicht
zulassen. Bei der Umsetzung werden wir darauf achten, dass die Bedarfsermittlung, wie durch
das „Teilhabeinstrument Berlin“ (TIB) vorgesehen, neben Gesundheitsaspekten auch den
Lebenskontext von Menschen berücksichtigt. Dabei stellen wir sicher, dass in allen „Häusern
der Teilhabe“ und auch in den Schulpsychologischen und Inklusionspädagogischen Beratungs-
und Unterstützungszentren (SIBUZ) aller Bezirke eine Beratung zu allen Rechtekreisen
erfolgen kann sowie alle erforderlichen Anträge an einem Ort zur Verfügung stehen.
Für Inklusion in allen Lebensbereichen
Der Arbeitsmarkt in Berlin muss inklusiver werden. Dabei gilt für uns die Prämisse:
Inklusion hat Vorrang. Daher wollen wir die sogenannten Werkstätten so weiterentwickeln,
dass sie nicht zur Endstation werden, sondern der Befähigung zur Arbeit auf dem ersten
Arbeitsmarkt dienen. Perspektivisch sollen Werkstätten überflüssig werden. Unternehmen mit
mehr als 20 Arbeitsplätzen sind gesetzlich verpflichtet, wenigstens auf 5 Prozent der
Arbeitsplätze Menschen mit Schwerbehinderung zu beschäftigen. Noch immer zahlen aber zu
viele Arbeitgeber*innen lieber die entsprechende Ausgleichsabgabe. Um das zu ändern, werden
wir Betriebe mit einer hohen Zahl von Mitarbeiter*innen mit Behinderung stärker fördern und
Aufträge der öffentlichen Hand vermehrt an diese, mindestens aber an „Inklusionsbetriebe“
vergeben.
Wir streben eine Erhöhung der Anzahl der sozialversicherungspflichtigen Jobs für Menschen
mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen an. Wir unterstützen und fördern solche
Projekte, die es Menschen mit Behinderungen ermöglichen, auf dem ersten Arbeitsmarkt eine
Zukunftsperspektive zu finden.
Auch Bus und Bahn müssen in Berlin barrierefrei werden. Den Umbau aller Bahnhöfe und
Haltestellen im Verkehrsverbund mit einem barrierefreien Zugang werden wir schnellstmöglich
abschließen. Gleichzeitig setzen wir uns dafür ein, die Anzahl der barrierefreien Taxis im
öffentlichen Raum deutlich zu erhöhen, um echte Mobilität für alle zu verwirklichen. Bei der
Konzessionsvergabe für private Anbieter von Mobilitätsdienstleistungen machen wir Inklusion
immer mehr zu einer Bedingung.
Barrierefreier Wohnraum ist nicht nur für Menschen mit Behinderung, sondern auch für ältere
Menschen wichtig. Unser Ziel für 2035 ist, dass 15 Prozent des gesamten Wohnraumes
barrierefrei zugänglich und nutzbar sind. Um hier zügig voranzukommen, wollen wir die
Umsetzung der Berliner Bauordnung konsequent prüfen, um sicherzustellen, dass die Vorgaben
zum barrierefreien Wohnen eingehalten werden. Beim Neubau wollen wir entsprechende Quoten
zur Steigerung der Anzahl barrierefreier Wohnungen einziehen.
Unser Ziel ist inklusive Bildung in einer inklusiven Gesellschaft – in Schule, Berufsschule
und Hochschule. Beides bedingt sich gegenseitig. Ein gegliedertes Schulsystem erschwert
dieses Ziel. Nach und nach wollen wir unsere Schulen so befähigen, dass alle Kinder
gemeinsam an Regelschulen lernen. Die Mitarbeiter*innen der Förderschulen brauchen wir an
den Regelschulen zur individuellen Betreuung der Kinder mit Behinderung weiterhin. Des
Weiteren setzen wir uns dafür ein, dass das Konzept der Schulgesundheitspflege umgesetzt
wird, um so die Gesundheit der Kinder zu verbessern.
Zur barrierefreien Sanierung von Nachbarschaftszentren und anderen sozialen Begegnungsräumen
werden wir ein Landesförderprogramm auflegen und mit den Sportvereinen Berlins werden wir
weiter daran arbeiten, auch die Vereine für Menschen mit Behinderung zu öffnen. In der
queeren Community sind wir mit einem Fördertopf für Barrierefreiheit vorangegangen. Diesen
werden wir fortsetzen, um auch für LSBTIQ* mit Beeinträchtigungen die Teilhabe an queerer
Infrastruktur zu sichern. In Zusammenarbeit mit der Clubkommission wollen wir zudem gezielt
eine barrierefreie Clubkultur in Berlin fördern.
Ein großer Teil des Lebens spielt sich online ab. Mit der gesetzlichen Umsetzung der EU-
Richtlinie zu barrierefreien Online-Angeboten öffentlicher Stellen hat Berlin einen
wichtigen Schritt getan. Das gilt zuallererst für die Seiten der Senatsverwaltungen und
Bezirksämter. Bei der Neukonzeption von www.berlin.de muss die digitale Barrierefreiheit
schon in der Planung umfassend mitgedacht werden.
Inklusion erfordert ein Umdenken von vielen. Aber es lohnt sich – am Ende ist eine inklusive
Gesellschaft eine bessere Gesellschaft für alle.
2.6 Drogenpolitik – Prävention, Aufklärung, Unterstützung und Selbstbestimmtheit
Drogen sind Teil der Gesellschaft und der Substanzgebrauch ist weit verbreitet. Die Debatte
zum Umgang damit wird jedoch irrational geführt und ist von Verbotsdogmen und Tabus geprägt.
Wir Bündnisgrüne stehen für eine Neuausrichtung: Wir wollen einen vernünftigen,
evidenzbasierten Ansatz, der sich an Fakten orientiert, Menschen durch Prävention und
Aufklärung schützt und damit Verbraucherschutz überhaupt erst möglich macht, Abhängigen
unkompliziert Hilfe zukommen lässt und die Selbstbestimmung aller respektiert.
Drogen nach Gefährdungspotential unterscheiden
Die tödlichste Droge in Deutschland ist Tabak. 127.000 Menschen sterben jährlich an den
Folgen des Rauchens. Diesen Tatsachen müssen wir besonders Rechnung tragen, indem wir uns
das Ziel setzen, den Konsum von Tabak und verwandten Produkten zu reduzieren, und wollen
deshalb das Senatsprogramm „Berlin qualmfrei“ weiterentwickeln. Am gefährlichsten für
Unbeteiligte ist Alkohol und Millionen Menschen in Deutschland sind medikamentenabhängig.
Tatsächlich ist die Unterscheidung zwischen legalen Suchtmitteln auf der einen und illegalen
Drogen auf der anderen Seite nicht sinnvoll, wurde fachlich willkürlich getroffen und beruht
bis heute auf zum Teil rassistischen Motiven. Wir Bündnisgrüne stehen für eine
Drogenpolitik, die auf Fakten statt auf ideologischen Debatten basiert. Sie ist vom Leitbild
geprägt, gesundheitliche Schäden zu mindern und die Konsument*innen zu befähigen, aufgeklärt
und selbstbestimmt zu konsumieren, ohne dabei Dritte zu gefährden. Statt willkürlicher
Kriterien wäre eine Regulierung nach tatsächlichem Gefährdungs- und Suchtpotential ein
wichtiger Schritt – hier ist die Bundespolitik in Verantwortung. Einen großen Unterschied
macht, wie Drogen konsumiert werden: moderat, selbstbestimmt und aufgeklärt oder riskant und
in kriminalisierten, ungeschützten Räumen. Politik muss sich an diesen Erkenntnissen
orientieren. Ideologische Debatten lehnen wir ab.
In Berlin schon viel erreicht – was fehlt, sind andere Regelungen auf Bundesebene
In den vergangenen Jahren haben wir Schritte in die richtige Richtung gemacht. Wir haben ein
Werbeverbot für Tabak und Alkohol immerhin auf kommunalen Werbeflächen erreicht. Mit einem
Pilotprojekt zum Drug-Checking in Clubs haben wir einen Weg eingeschlagen, der Menschen vor
gefährlichen, gepanschten Drogen schützt, Drogenkonsumräume wurden in den Bezirken geplant
und geschaffen. Dort sind neben risikoarmem Konsum vor allem Aufklärung, Beratung und
Unterstützung möglich. Die „Null-Toleranz-Zonen“ für den Besitz von Cannabis haben wir
abgeschafft, da sie kein Problem gelöst und den Handel nur in Hauseingänge und auf
Spielplätze verlagert haben. Was fehlt, sind grundlegende Reformen auf Bundesebene.
Gemeinsam mit der grünen Fraktion im Deutschen Bundestag wurde mit unserem
„Cannabiskontrollgesetz“ ein sehr konkreter Weg zur regulierten Abgabe entwickelt, den wir
auch weiter vorantreiben werden, sowie die Forschung auf dem Gebiet der psychoaktiven
Substanzen.
Aufklärung und Prävention ausbauen
In Berlin werden wir weiterhin an unserer Linie einer evidenzbasierten Drogenpolitik
festhalten. Dazu werden wir Aufklärungs- und Präventionsmaßnahmen ausbauen. Der Jugend- und
Gesundheitsschutz sowie die Aufklärung von Verbraucher*innen und damit der Verbraucherschutz
haben dabei für uns höchste Priorität. Für Jugendliche und junge Erwachsene fördern wir
präventive Angebote durch verbindliche Kooperationsstrukturen von Schule, Jugend- und
Suchthilfe. Dabei nehmen wir nicht nur substanzbezogene Abhängigkeiten in den Blick, sondern
werden auch Programme der Prävention vor nicht substanzgebundenen Süchten, beispielsweise
von Glücksspiel- oder Computerspielen, weiter ausbauen. Die Werbung für Tabak und Alkohol
wollen wir in einem nächsten Schritt auf allen Werbeflächen in Berlin verbieten. Den
Nichtraucherschutz wollen wir konsequent umsetzen, Kellner*innen und Barkeeper*innen
schützen wir damit und halten das gesellschaftliche Leben auch für Menschen mit
Vorerkrankungen offen. Für bestimmte Raucherkneipen wollen wir Lizenzen vergeben, um hier
mehr Klarheit für Betreiber*innen und Gäste zu schaffen.
Wir nehmen die Sorgen und Ängste der Menschen rund um Drogenhotspots ernst und werden mit
voller Kraft für eine Verbesserung kämpfen. Solange keine kontrollierte Abgabe diese
Hotspots komplett verschwinden lässt, werden wir mit Programmen zur sicheren
Spritzenentsorgung, mit häufigen Reinigungszyklen in Parks und auf Spielplätzen sowie mit
gezielten Kontrollen die Situation vor Ort verbessern. Denn Spritzen und Drogen haben auf
Spielplätzen nichts verloren. Bei der Lösung dieser Probleme beziehen wir die Betroffenen im
Sinne partizipativer Handlungsansätze aktiv mit ein.
Beratung und Selbsthilfe stärken
Beratungs- und Selbsthilfeangebote wollen wir ausbauen, genau wie Drogenkonsumräume. Neben
dem Ausbau von Drogenhilfeprogrammen wollen wir auch die bestehenden Strukturen verstetigen
und die Zusammenarbeit in den verschiedenen Bereichen und Ebenen vernetzen. So schützen wir
Konsument*innen am besten. Unser Ziel sind Drogenkonsumräume und Spritzentauschprogramme in
allen Bezirken Berlins. Die Öffnungszeiten von bestehenden Drogenkonsumräumen sollen
ausgeweitet werden und Schutzräume für Frauen, inter, nichtbinäre und trans Personen
geschaffen werden. Mit einer stärkeren aufsuchenden Sozialarbeit wollen wir Menschen
erreichen, die drogenabhängig und dringend auf Unterstützung angewiesen sind, den Weg in die
Beratung aber nicht alleine schaffen. Das Drug-Checking werden wir weiter vorantreiben, so
dass es sich zur anerkannten Normalität in Berlins Nachtleben entwickelt – immer kombiniert
mit Angeboten zur Beratung und Hilfe zum Ausstieg aus dem riskanten Drogenkonsum. Für eine
bessere Erreichbarkeit wollen wir mehr mobile Drug-Checking-Teams auf den Weg bringen. Die
Sucht- und Präventionsarbeit im Strafvollzug soll weiter ausgebaut werden. Zentral ist dabei
für uns, dass saubere Spritzen zur Verfügung stehen, die Möglichkeit der Opioid-Substitution
und die Diamorphintherapie für Betroffene sowie eine nahtlose Anschlussversorgung und
medizinisch-psychologische Betreuung nach der Haftentlassung sichergestellt sind.
Illegalen Markt austrocknen
Um den illegalen Markt auszutrocknen, arbeiten wir in einem nächsten Schritt weiter daran,
Cannabis zu legalisieren. Bis auf der Bundesebene die Reformen zu einer progressiven
Drogenpolitik umgesetzt sind, tun wir auf Landesebene alles, damit Konsumierende nicht
kriminalisiert werden. Die nicht verfolgbare geringe Menge von Cannabis zum Eigenbedarf
wollen wir anheben und auch für andere illegale psychoaktive Substanzen entsprechende
geringe Mengen festlegen, die strafverfolgungsfrei bleiben. Damit entlasten wir Polizei und
Justiz massiv. Frei gewordene Kapazitäten wollen wir soweit möglich für die Bekämpfung der
organisierten Kriminalität einsetzen, die maßgeblich durch den internationalen Drogenhandel
begünstigt wird. Auch den Parks, die durch Dealertätigkeiten geprägt sind, wollen wir wieder
zu mehr Ruhe und Sauberkeit verhelfen und auch die Lebensqualität der Anwohner*innen
verbessern.
Drogenpolitik ist auch Friedenspolitik
Weltweit sorgen der Anbau und Handel von Drogen für Gewalt, Konflikte und Kriege. Anhand
kaum eines anderen Politikfelds sind die weltweiten Auswirkungen und Zusammenhänge mit
unseren politischen Entscheidungen so sichtbar. Um Leid und Tod infolge dieser Konflikte zu
beenden, arbeiten wir daran, dem internationalen Drogenhandel seine finanziellen Wurzeln zu
entziehen. Das gelingt nur durch einen rationalen Ansatz von Entkriminalisierung und
Kontrolle. Es ist Zeit, dass wir diese Fragen bei uns lösen und diese Konflikte nicht auf
dem Rücken von Menschen in anderen Teilen der Welt austragen.
2.7 Berlin bleibt in Bewegung – wir sind die Hauptstadt des Sportes
Sport und Bewegung halten gesund, ermöglichen Gemeinschaft, tragen maßgeblich zum
körperlichen und psychischen Wohlbefinden bei. Sport ist integraler Bestandteil des sozialen
und kulturellen Lebens und ebenso vielfältig. Wir wollen allen Berliner*innen ermöglichen
sich sportlich zu betätigen. Egal in welchem Alter, egal ob organisiert und regelmäßig oder
nur ab und zu, das Sportangebot in Berlin soll alle Bedürfnisse abdecken. Dabei ist unsere
Vision für die Hauptstadt des Sportes, dass Sport und Bewegung selbstverständlich in allen
Bereichen mitgedacht wird: sei es das Laufen im Park, eine Runde Tischtennis im Hof,
Bouldern an der Einkaufscenter-Fassade oder Kicken auf dem Supermarkt-Dach. Dafür denken wir
Sport und Bewegung auch in der Stadtplanung mit. Sport verbindet auch über Grenzen hinweg.
Berlin profitiert von Sportgroßveranstaltungen, wenn sie ökologisch, ökonomisch und sozial
nachhaltig sind und Bürger*innenbeteiligung und Transparenz über Kosten von der Bewerbung
bis zur Durchführung und Nachnutzung sichergestellt werden.
Ehrenamtliche sind das Rückgrat der Vereine
Viele Berliner*innen sind in Sportvereinen ehrenamtlich aktiv. Sie übernehmen vielfältige
gesellschaftliche Aufgaben und sind unverzichtbar. Sie unterstützen das soziale und
sportliche Miteinander im Breiten-, Freizeit- und Leistungssport als Trainer*innen,
Schiedsrichter*innen oder im Vorstand. Fair Play gilt für uns nicht nur auf dem Platz,
sondern auch bei der Bezahlung von Trainer*innen und Übungsleiter*innen. Deswegen haben wir
die Finanzierung der Trainer*innen und Übungsleiter*innen verbessert. Uns ist wichtig, ihre
Leistung anzuerkennen und dafür Sorge zu tragen, dass kostenlose Fortbildungs- und
Seminarangebote, auch im Bereich des Kinderschutzes, zur Verfügung stehen. Dies ist ein
wichtiger Bestandteil, um zu gewährleisten, dass Sportvereine sichere Orte für Kinder und
Jugendliche, frei von jeglichen Formen physischer, psychischer sowie sexualisierter Gewalt,
sind. Deshalb halten wir den Erwerb des Kinderschutzsiegels für Vereine für notwendig.
Institutionalisierten und frei organisierten Sport gleichstellen
Gleichzeitig machen immer mehr Berliner*innen alleine oder in sich frei organisierenden
Gruppen Sport. Wir wollen den institutionalisierten und frei organisierten Sport
gleichstellen und allen Bürger*innen den Zugang zu Sportanlagen ermöglichen. Deswegen werden
wir das Sportfördergesetz und die Sportanlagen-Nutzungsvorschriften so anpassen, dass die
Vergabe von Sportflächen auch an frei organisierte Sportgruppen ermöglicht wird. Auch der
neu gestaltete Olympia-Park in Charlottenburg-Wilmersdorf und der inklusive Friedrich-
Ludwig-Jahn-Sportpark in Pankow sowie der Sport- und Bewegungspark Tegel sollen Vorzeige-
Projekte für das Nebeneinander von institutionalisiertem und frei organisiertem Sport
werden. Hierfür wollen wir den Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark modernisieren und zeigen, wie
an einem historischen Ort in einer Naturlandschaft neben dem ehemaligen Grenzstreifen eine
inklusive Sportstätte für alle Menschen entstehen kann.
Um einen möglichst niedrigschwelligen Zugang zu Sport und Bewegung zu ermöglichen, haben wir
das Programm „Sport im Park“ ins Leben gerufen, das in allen Berliner Bezirken kostenlose
Sportangebote ermöglicht. Egal ob Teamsport, Workout oder Balance, bei mehr als 100
Aktivitäten ist für jede*n was dabei. Dieses erfolgreiche Programm wollen wir auch in den
kommenden Jahren weiterführen. Unabhängig davon, ob es als Medienphänomen oder als Sportart
gesehen wird: E-Sport wird zum Bestandteil des Alltags vieler Berliner*innen. Wir wollen
seine Entwicklung mit Gamer*innen, Eltern und Pädagog*innen gemeinsam gestalten und einen
souveränen Umgang unterstützen. Dabei fördern wir insbesondere ehrenamtliches Engagement,
Diversität und Geschlechtergerechtigkeit im E-Sport und setzen uns für einen nachhaltigen E-
Sport-Standort ein.
Sportanlagen inklusiv und ökologisch
Als wir 2016 Regierungsverantwortung übernommen haben, waren die Sportanlagen in Berlin in
schlechtem Zustand. Mit dem Sportstättensanierungsprogramm haben wir begonnen, Sportstätten
wieder in Schuss zu bringen. Es ist aber auch klar: Bei der Vielzahl an Anlagen wird die
Sanierung ein Marathon, kein Sprint. Für uns ist wichtig, dass die Sanierungen nach hohen
ökologischen Standards mit transparenter Bürger*innenbeteiligung erfolgen müssen. Die
Klimakrise erfordert, dass wir in allen Lebensbereichen Ressourcen schonen. Deswegen haben
wir in den Sportanlagen-Nutzungsvorschriften auch Nachhaltigkeitskriterien verankert.
Berliner Sportanlagen müssen nicht nur ökologisch, sondern auch barrierefrei werden.
Multifunktionale und behindertengerechte Sportstätten versetzen alle Berliner*innen in die
Lage, sich sportlich zu betätigen, und leisten somit einen Beitrag zur Gesellschaft der
Vielen, die allen Menschen, auch in einer älter werdenden Gesellschaft, ein selbstbestimmtes
Leben ermöglicht. Wir fördern inklusive Sportangebote, die allen Menschen offenstehen, egal
welche körperlichen und psychischen Voraussetzungen, welche Herkunft, welches Geschlecht,
welches Alter, welchen sozialen und finanziellen Hintergrund oder welche sexuelle
Orientierung und sexuelle Identität der einzelne Mensch hat. Die Vielfalt aller
Berliner*innen muss sich auch in den Führungspositionen der Vereine und Sportverbände
widerspiegeln.
Berlin wächst und damit auch der Bedarf an Sportstätten. Aus ökologischer Sicht ist es
geboten, vorhandene Sportanlagen besser auszulasten, bevor wir mit Neubauten Flächen
versiegeln. Wenn nicht bereits geschehen, können die Außengelände von beispielsweise Schulen
umfassender genutzt werden, indem sie nach Schulschluss für die Allgemeinheit geöffnet
werden. Wo nötig werden wir auch neue Sportanlagen bauen.
Bäder für die Berliner*innen – Schwimmen ist eine Überlebenstechnik und gut für die
Gesundheit
Jedes Kind in Berlin soll Schwimmen lernen. Wir können nicht hinnehmen, dass immer wieder
Menschen ertrinken, weil sie nicht schwimmen können. Wir wollen deshalb den
Schulschwimmunterricht qualifizieren, indem wir die erfolgreichen „Schulschwimmzentren“ auf
ganz Berlin ausweiten. Zudem wollen wir die Öffnungszeiten der Berliner Bäderbetriebe
verlängern, damit alle Schulklassen die Möglichkeit zum Schwimmunterricht bekommen und sich
die Nutzung der Bäder besser verteilt. Darüber hinaus wollen wir prüfen, ob
Kooperationsverträge mit anderen Schwimmhallen, etwa in Hotels oder Fitnessstudios,
abgeschlossen werden können, um die vorhandenen Kapazitäten besser zu nutzen.
Wir bauen die Berliner Bäderbetriebe zu einem modernen Dienstleistungsunternehmen um, das
sich an den Bedürfnissen der Bürger*innen orientiert. Die Preisstruktur soll transparent
sein und allen Berliner*innen die Nutzung der Schwimmbäder ermöglichen. Wir stellen viel
Geld für die Sanierung der Bäder bereit, aber wie bei den Sportstätten ist auch bei den
Bädern ein langer Atem nötig, bis alle Bäder wieder in Schuss sind. Bei Um- und Neubauten
achten wir darauf, dass sie barrierefrei und ökologisch sind.
Jetzt ganz konkret: bündnisgrüne Projekte für die Zukunft Berlins
1. „Masterplan 50 Prozent Gemeinwohl“ – Wohnen ist keine Ware
Wir sagen Verdrängung und Immobilienspekulation den Kampf an. Schon jetzt nutzen wir
Bündnisgrüne das Vorkaufsrecht wo immer möglich. Mit unserem „Masterplan 50 Prozent
Gemeinwohl“ sollen mindestens 50 Prozent aller Wohnungen in Berlin in gemeinwohlorientierte
Hände kommen. Um das Vorkaufsrecht effektiv nutzen zu können, treffen wir die notwendige
finanzielle Vorsorge für die landeseigenen Wohnungsunternehmen. Mit gemeinwohlorientierten
Genossenschaften, Stiftungen oder Projekten wie dem Mietshäuser-Syndikat werden wir eine
Kooperationsvereinbarung abschließen. Dabei gilt es auch, nötige Flächen in Erdgeschossen
und gewerblichen Gebäuden zu sichern für Gemeinbedarfsflächen, Nachbarschaftstreffs,
Stadtteil- und Familienzentren, Kleingewerbe und Kultur.
2. Förderung, die ankommt – Armut von Familien und Kindern beenden
180.000 Kinder in Berlin leben in Familien, die auf Transferleistungen angewiesen sind. Die
Kinder- und Familienförderung des Bundes ist ein Chaos – die einzelnen Leistungen sind so
unübersichtlich, dass sie nicht bei den Familien und Kindern vor Ort ankommen. Solange das
Chaos an Familienleistungen auf Bundesebene nicht sortiert ist, lösen wir es in Berlin auf
und schaffen „Familienservicebüros“ in allen Bezirken. Nicht Eltern sollen für Kindergeld,
Elterngeld oder Wohnberechtigungsschein immer wieder Unterlagen einreichen müssen. Ein*e
Sachbearbeiter*in soll für jede Familie alle notwendigen Unterlagen bereitstellen und
verarbeiten. Auch unterschiedliche Leistungen aus Jugendamt und Sozialamt sollen
zusammenfließen: ein Ort, alle Leistungen.
3. Ein neues Landesamt für Unterbringung – jeder Mensch braucht ein Zuhause
Menschen brauchen ein Dach über dem Kopf und eine Perspektive auf ein eigenständiges Leben –
egal ob Menschen geflüchtet sind, seit langem auf der Straße leben oder gerade die Wohnung
verloren haben. Bisher sind die Bezirke für die Unterbringung von obdachlosen Menschen
zuständig, das Land Berlin für die Unterbringung von Geflüchteten – konkret das Landesamt
für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF), das hier große Expertise aufgebaut hat. Diese
Kompetenzen wollen wir für alle Menschen in Berlin nutzen. Darum werden wir das LAF zu einem
neuen „Landesamt für Unterbringung“ weiterentwickeln. In diesem Zuge setzen wir uns für eine
schnelle, dezentrale Unterbringung geflüchteter Menschen ein und wirken auf Bundesebene
darauf hin, dass geflüchtete Menschen nicht mehr gezwungen werden, in
Erstaufnahmeeinrichtungen zu wohnen.
4. Pflege ist systemrelevant – Arbeitsbedingungen verbessern
Pflege ist systemrelevant, wir alle sind in Krankheitszeiten und im Alter darauf angewiesen.
Das muss sich auch in den Arbeitsbedingungen widerspiegeln. Körperlich anstrengende Arbeit,
Schichtsystem, Personalknappheit und geringe Bezahlung haben dazu geführt, dass viele
ausgebildete Pflegekräfte diesem Beruf den Rücken gekehrt haben. Wir wollen ausgestiegene
Fachkräfte in den Beruf zurückholen. Und wir wollen die Arbeitsbedingungen so verbessern,
dass auch eine Vollzeittätigkeit attraktiv wird – hin zu mehr Flexibilität und Mitsprache
bei den Dienstzeiten und einer deutlich besseren Vergütung ungünstiger Arbeitszeiten. Auch
in vielen Care-Berufen schrecken schon die Ausbildungsbedingungen ab. Auch hier wollen wir
faire Bedingungen für Auszubildende und Studierende in diesen Berufen schaffen – dazu zählt
eine angemessene Bezahlung bereits in der Ausbildung, angefangen bei den Ärzt*innen im
Praktikum bis hin zu den Pflegekräften.
5. Bezirkliche Gesundheitsämter aufwerten – bessere Personalausstattung
Den Pakt zur Stärkung für den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) nutzen wir und setzen uns
für mehr Personal und bessere Ausstattung ein. Dies flankieren wir mit einer
Qualifizierungsoffensive und der Etablierung systematischer und berufsbegleitender
Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten. Mit bezahlter Freistellung und Kostenübernahmen
wollen wir die Public-Health-Expertise im ÖGD weiter ausbauen. Dazu gehören die
Weiterbildung zu Fachärzt*innen für den ÖGD genauso wie Abschlüsse in Public Health,
Epidemiologie oder Health Professions Education. Dazu streben wir Kooperationen mit den
Berliner Hochschulen an.