Veranstaltung: | LDK23-1 |
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Tagesordnungspunkt: | Dringlichkeitsanträge |
Antragsteller*in: | Katharina Weske (KV Berlin-Reinickendorf) |
Status: | Sonstiger Status |
Verfahrensvorschlag: | Nichtbefassung da Dringlichkeit nicht gegeben |
Eingereicht: | 17.01.2023, 21:19 |
D1: Waldnotstand erfordert dringendes Eingreifen
Antragstext
Die Berliner Wälder machen 20 % unserer Landesfläche aus. Sie kühlen unsere sich ständig
aufheizende Millionenstadt, versorgen uns mit Frischluft sowie mit Wasser und bieten uns
wichtige Erholungsräume. Sie absorbieren C02 und bieten Lebensräume für Pflanzen, Tiere und
Pilze.
Der Zustand der Berliner Wälder hat sich in der vergangenen 5-jährigen Dürreperiode
kontinuierlich verschlechtert und erfordert von uns eine schnelle Anpassung der Wald- und
Forstpolitik: der Waldzustandsbericht (Nov. 22) weist aus, dass nur noch 4 Prozent der
Berliner Waldbäume gesund sind. Für 56 Prozent der geprüften Bäume wurde eine Warnstufe
ausgerufen. Ursachen dafür sind die extremen Hitzeperioden und ausbleibende Niederschläge.
Besonders der Kronenzustand der Kiefern hat sich drastisch verschlechtert, Eichen und Buchen
zeigen ebenfalls starke Kronenverlichtungen. Die Extremhitze hat die Zerstörung des
schützenden Dachs der Wälder befördert, sodass sich das Waldinnenklima aufheizt. Dadurch
sind neben den Bäumen auch die übrigen Lebensgemeinschaften im Wald gefährdet, also die
gesamte Biodiversität. Die vergangenen Dürrejahre haben die Waldböden ausgetrocknet. Der
Wasserhaushalt, den die Bäume halten und für das gesamte Ökosystem produzieren, ist
eingebrochen und die Grundwasserspiegel sinken. Der Wald und seine Böden sind zusammen mit
den Mooren unsere wichtigsten Helfer im Kampf gegen den Klimawandel, sie sind
Kohlenstoffspeicher. Genauso wichtig ist aber ihre Funktion als Wasserspeicher. Um dies zu
erhalten, ist ein möglichst geschlossenes, Feuchtigkeit speicherndes und die
Sonneneinstrahlung abwehrendes Kronendach nötig.
Politische Schritte:
- Wir setzen uns dafür ein, daß der „Waldumbau“ mittels höherer Holzentnahme v.a. aus
Kieferbeständen einem Monitoring unterworfen wird. Ausgelichtete Wälder laufen Gefahr,
„heiß geschlagen“ zu werden mit der Folge von Waldbränden wie in Brandenburg. „Der
zügige Umbau der naturfernen Kiefernforsten sollte verlangsamt werden“ (Dr. Lutz
Fähser, Begründer des Lübecker Stadtwald; L.F. hat die „Naturland“-Zertifizierung der
Berliner Forsten initiiert). Die Zielsetzung, die Berliner Wälder zu resilienten
Laubmischwäldern zu entwickeln, halten wir weiter für den richtigen Weg, die Eingriffe
müssen aber schonend erfolgen und zeitlich über Dekaden gestreckt.
- Förster*innen und Forstwissenschaft sind durch den Klimawandel und extreme
Sonneneinstrahlung mit ganz neuen Phänomenen konfrontiert z.B. dem Verlust der
Schutzschichten auf Blättern. Um die Stressfaktoren für die Wälder zu minimieren, dem
Wald Ruhe zu geben und neue Wege der Wald- und Forstpolitik zu finden, setzen wir uns
sofort für eine erhebliche Reduktion des Holzeinschlags in den Wäldern der Berliner
Forsten ein. Die wirtschaftliche Nutzung des Holzes aus den Forsten, die nach dem
Berliner Waldgesetz ohnehin nachrangig ist, muß wegen der neuen klimatologisch
bedingten Herausforderungen zurückstehen. Wir werden darauf hinwirken, daß die
„Planwirtschaft“ und die Vorgaben der Berliner Forsten für den jährlichen
Holzeinschlag (2022/23: 100.000 Festmeter) gestoppt werden und die Forstwirtschaft den
realen Klimabedingungen sowie den waldökologischen Erfordernissen angepasst wird.
Hierbei müssen Expert*innen der Wald- und Forstwissenschaft sowie der Bodenkunde und
Hydrologie in eine Evaluierung einbezogen werden wie sie andere Städte wie Darmstadt,
Meiningen oder Speyer bereits veranlasst haben. Angestrebt wird eine minimalinvasive
Forstpflege, um viel CO2 und Wasser im Wald zu speichern und den Holzvorrat allmählich
zu steigern. „Durch einzelbaumweise, höchstens gruppenweise Nutzung entstehen
Dauerwaldgesellschaften.“ („Naturland“-Richtlinien ökologische Waldnutzung, die für
Berlin gelten.)
- Soweit noch Holz zur wirtschaftlichen Nutzung eingeschlagen werden kann, drängen wir
darauf, dass die bei den Berliner Forsten gängige Praxis des Verkaufs „auf dem Stock“
an Fremdfirmen – ohne Kontrolle der Holznutzung – beendet wird. Das System des
Outsourcings führt dazu, dass ein Großteil des Holzes einer thermischen Nutzung
zugeführt wird, die klimaschädigend ist. Wir wollen die Kontrolle über die Holznutzung
bereits bei Ausschreibung und Vergabe von Fäll-Aufträgen zurückholen, wobei
Umweltverträglichkeit zum entscheidenden Kriterium wird, so wie es das Berliner
Vergaberecht vorsieht. Die Nachhaltigkeit muß in einer verfolgbaren Lieferkette
offengelegt werden, um die Wälder als Elemente der Daseinsvorsorge (BVerfG 1990)
anzuerkennen. „Nachhaltigkeit“ darf nicht an der Kettensäge enden.
Begründung der Dringlichkeit
Dringlichkeit ist gegeben, weil
- der Waldzustandsbericht vom November 2022 eine massive Verschlechterung verzeichnet.
- die Berliner Forstpraxis und die geplanten Holzernten für 2023 nicht die realen klimabedingten Einschlag-Rückgänge der Jahre 2018-2021 (minus 70-80 %) berücksichtigen und im Gegenteil vorsehen, die Planuntererfüllung der vg. Jahre durch erhöhte Einschläge der kommenden Jahre zu kompensieren (s. Haushaltsplan Berliner Forsten, S. 330).
- der laufende Koalitionsvertrag das Problem der Wälder nicht auf die politische Agenda gehoben hat (Wald kommt mit keinem Wort im Koa-Vertrag vor); der neu zu verhandelnde Koalitionsvertrag muß dies berücksichtigen.
Unterstützer*innen
- Christiane Heider (KV Berlin-Reinickendorf)
- Detlef Urban (KV Berlin-Reinickendorf)
- Martina Apollonia Berretz (KV Berlin-Reinickendorf)
- Sabine Huebner (KV Berlin-Reinickendorf)
- Thomas Rost (KV Berlin-Reinickendorf)