Veranstaltung: | LDK am 30. November 2024 |
---|---|
Tagesordnungspunkt: | TOP 9 Verschiedenes |
Antragsteller*in: | Vito Dabisch (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 25.10.2024, 21:20 |
V-16: Demokratiebildung an Schulen stärken – Eine mündige Gesellschaft braucht politische Bildung
Antragstext
Ziel muss die Heranbildung von Persönlichkeiten sein, welche fähig sind, der Ideologie
des Nationalsozialismus und allen anderen zur Gewaltherrschaft strebenden politischen
Lehren entschieden entgegenzutreten sowie das staatliche und gesellschaftliche Leben
auf der Grundlage der Demokratie, des Friedens, der Freiheit, der Menschenwürde, der
Gleichstellung der Geschlechter und im Einklang mit Natur und Umwelt zu gestalten. (§
1 Auftrag der Schule)
Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs waren unsere demokratischen Strukturen noch nie so
stark von demokratiefeindlichen Kräften bedroht wie heute. Es ist daher besonders in dieser
Situation essenziell, dass Politik die Rahmenbedingungen schafft, damit das Ziel unserer
Schule auch erreicht wird. Für eine starke Demokratiebildung in Berlin brauchen wir deshalb
folgende fünf Bausteine:
Träger der Demokratiebildung begleiten Schüler*innenvertretungen, bringen Demokratiebildung
in den Klassenraum, fördern die Selbstwirksamkeit von Schüler*innen und unterstützen Schulen
fachlich bei Themen wie Diskriminierung, Antisemitismus oder Rassismus. So können auch an
Schulen notwendige Dialog-Räume für sensible Themen wie den Krieg in der Ukraine oder den
Israel-Palästina-Konflikt geschaffen werden. Gerade nach dem 7. Oktober 2023 ist diese
professionelle Begleitung von Schulen wichtiger denn je. Trotzdem werden Träger der
Demokratiebildung aktuell nur als Zuwendungsempfänger*innen im Berliner Haushalt geführt und
sind daher alle zwei Jahre von Kürzung oder kompletter Streichung bedroht.
Wir müssen deshalb endlich mit einer institutionellen Förderung die Verstetigung der
Förderung von Demokratiebildungsträgern erreichen. Demokratiebildung ist kein Projekt von
zwei Jahren, sondern braucht langfristig angelegte Strukturen, Beziehungsaufbau und
Supervision. Für die Daueraufgabe Demokratiebildung braucht es auch Dauermittel. Die
Gesamtstrategie der Bildungsverwaltung für politische Bildung an Berliner Schulen bietet
eine gute fachliche Grundlage und stellt wichtige Instrumente zusammen. Allerdings ist für
ihre Umsetzung kein Geld vorgesehen. Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Lage an
Berliner Schulen und in außerschulischen Begegnungsorten reicht die derzeitige Finanzierung
für eine qualitativ nachhaltige Arbeit in der ganzen Stadt nicht aus. Dafür brauchen wir
auch auf Landesebene endlich ein Demokratiefördergesetz.
Demokratiebildung gehört fest in den Rahmenlehrplänen verankert, um Jugendlichen die
kritische Auseinandersetzung mit Machtungleichgewichten und diskriminierenden Strukturen zu
ermöglichen. Dazu gehört die Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte und die
Überprüfung von Lehrinhalten auf diskriminierende Stereotype und Marginalisierungen. Themen
wie Antidiskriminierung, (De-)Kolonisierung, Rassismus und Antisemitismus müssen
fächerübergreifend und verpflichtend in den Unterricht integriert werden. Schüler*innen
sollen frühzeitig für soziale Ungleichheiten und damit verbundene Privilegien
sensibilisieren werden. Ziel ist es, diskriminierende Stereotype und eurozentrische
Geschichtsnarrative aufzubrechen und das Wissen unterdrückter Gruppen in den Bildungsalltag
zu integrieren.
Antidiskriminierung und Demokratie sind jedoch nicht allein Unterrichtsgegenstände, sondern
müssen in den Schulen gelebt werden. Für eine gelingende Demokratiebildung brauchen wir
daher dringend eine diskriminierungskritische Professionalisierung von Lehrkräften durch
entsprechende Aus-, Fort- und Weiterbildungsangebote im Rahmen des neuen Berliner
Landesinstituts. Wir wollen Lehrkräfte befähigen, auf Hassbotschaften und diskriminierendes
Verhalten im Unterricht angemessen zu reagieren. Hierzu sind niedrigschwellige
Fortbildungsangebote auch im Bereich der Medienkompetenz und die Bereitstellung von
diskriminierungskritischen Lehrmaterialien unerlässlich.
Ein zentrales Ziel der Berliner Schule ist, Persönlichkeiten herauszubilden, die in der Lage
sind, dem Nationalsozialismus entgegenzutreten. Trotzdem wissen wir viel zu wenig darüber,
ob unsere Schulen dieses Ziel überhaupt erreichen. Deshalb werden wir Ressourcen zur
Verfügung stellen, damit zukünftig nicht nur die mathematischen und sprachlichen Kompetenzen
der Berliner Schüler*innen, sondern auch ihre Demokratiekompetenzen regelmäßig erhoben
werden. So können auch diese Bildungsziele untersucht und mittels Unterstützung durch die
Schulaufsicht adressiert werden. Klar ist dabei aber auch: Demokratie ist nicht nur ein
Bildungsthema, sondern muss auch in der Schule praktiziert werden. Wir brauchen daher nicht
nur Informationen über Demokratiekompetenzen, sondern auch ein Monitoring über den Status
quo von Demokratie und Beteiligungsstrukturen an Schule: Wo gibt es Klassenräte, wie gut
funktioniert Schüler*innenvertretung, erfolgt Feedback zwischen Schüler*innen und
Pädagog*innen in beide Richtungen und wie ist das Schulklima? Auf dieser Datengrundlage
müssen wir dann über die Schulaufsichten Unterstützung an die Schulen bringen, die sie
besonders benötigen.
Essenziell für Demokratie ist ein respektvolles Miteinander auf Augenhöhe und echte
Mitbestimmungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche. Wenn Kinder frühzeitig erfahren,
dass ihre Stimme zählt, sind sie weniger empfänglich für autokratische Strukturen. Deshalb
brauchen wir Mitbestimmung nicht erst ab 16 oder 18: Mit dem Klassenrat, der
Schüler*innenvertretung und dem Schüler*innenhaushalt haben wir gute Strukturen, die aber an
zu vielen Schulen entweder noch gar nicht etabliert sind oder stärker unterstützt werden
müssen. Gerade an vielen Grundschulen wird Beteiligung bisher noch nicht groß geschrieben,
auch schulgesetzlich braucht die SV hier mehr Rückhalt. Als Grüne fordern wir einen
Schüler*innenhaushalt, ein Klima der Beteiligung und eine gute Begleitung durch entfristete
Fachkräfte an jeder Schule.
Auf bezirklicher Ebene braucht es Standards für die pädagogische Begleitung und fachliche
Ausstattung der Bezirksschüler*innenausschüsse, in die künftig auch Grundschüler*innen
einbezogen sein sollen. Auch für den Unterricht selbst gilt: Lernende müssen stärker in die
Entscheidungen über ihre Bildungsinhalte einbezogen werden. Auch außerhalb von Schule
brauchen Jugendliche und Kinder Beteiligungsmöglichkeiten. Deshalb unterstützen wir die
Initiativen in vielen Bezirken, Interessensvertretungen von Kindern und Jugendlichen
aufzubauen und werden sie finanziell unterstützen. Außerschulisches ehrenamtliches
Engagement von jungen Menschen wollen wir stärken und durch Anerkennung, Freistellung und
unterrichtliche Anbindung besser mit Schule vereinbaren.
Unzählige Schüler*innen, Lehrkräfte und Eltern verlassen sich auf die guten Materialien der
Landeszentrale für politische Bildung, besuchen ihre Veranstaltungen oder profitieren von
Ihrer Expertise im Bereich der Demokratiebildung. Trotzdem will die CDU-geführte
Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie die rechtlich verankerte Unabhängigkeit der
Landeszentrale für politische Bildung nun durch eine politisch besetzte Stabsstelle massiv
beschneiden. So soll die Stabsstelle der Landeszentrale inhaltliche Vorgaben für ihre Arbeit
machen, die veröffentlichten Materialien der Landeszentrale kontrollieren und sämtliche
Förderung von zivilgesellschaftlichen Organisationen kontrollieren. Diese politische
Einflussnahme steht im starken Spannungsverhältnis mit der im Erwachsenenbildungsgesetz
festgeschriebenen Überparteilichkeit der Landeszentrale und stellt auch die fachlichen
Grundlagen der politischen Bildung, wie sie nach dem Nationalsozialismus über Jahrzehnte
demokratischer Konsens waren, in Frage. Als Grüne stehen wir klar an der Seite einer
unabhängigen Landeszentrale für politische Bildung und werden sie weiter stärken. Dafür war
der von uns mit auf den Weg gebrachte zweite Standort der Landeszentrale ein erster Schritt,
um die Öffnung in die Stadtgesellschaft zu stärken und weitere Themenscherpunkte zu
ermöglichen. Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Einrichtung einer Koordinierungsstelle
außerschulische politische Bildung und Schule sowie der Ausbau aufsuchender politischer
Bildungsangebote.