Veranstaltung: | LDK am 30. November 2024 |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 9 Verschiedenes |
Antragsteller*in: | LAG Digitales und Netzpolitik (dort beschlossen am: 17.10.2024) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 24.10.2024, 20:54 |
V-12: Wohngeld – Antragsstau beheben JETZT
Antragstext
Menschen, die Wohngeld beantragen, müssen im Durchschnitt 15 Wochen auf eine Entscheidung
warten1 und in der Zwischenzeit gibt es regelmäßig keinen Vorschuss auf das Wohngeld.2
Dreiviertel der Anträge erfolgen nicht digital3 und fehlende Nachweise verzögern die
Bearbeitung.4 Um diskriminerungsfrei zu bleiben, soll weiterhin die Möglichkeit bestehen
bleiben, analog einzureichen.
Menschen, die einen Antrag auf Wohngeld stellen, sind oftmals in einer finanziell prekären
Lage. Es darf daher nicht sein, dass Anträge im Durchschnitt vier Monate brauchen bis diese
bearbeitet werden, ohne dass in der Regel Sofort- oder Vorauszahlungen getätigt werden
(Stand 2023). Niemandem ist geholfen, wenn Verwaltungsvorgänge kostspielig, bürokratisch und
langsam sind. Das gilt für alle Verwaltungsverfahren, und insbesondere für das
Wohngeldantragsverfahren. Geringverdienende werden mit ihren Sorgen monatelang im Regen
stehen gelassen. Dies erschüttert das Vertrauen der Menschen in die Handlungsfähigkeit des
Staates. Darüber hinaus verschwendet ein ineffizienter Verwaltungsvorgang das Steuergeld der
Menschen. Gleichzeitig steigt damit das Risiko für Wohnungslosigkeit.
Die durchschnittliche Bearbeitungszeit für einen Wohngeldantrag betrug in Berlin im Mai 2024
im Durchschnitt (!) 15 Wochen, also knapp vier Monate. Noch am schnellsten war im
Durchschnitt Reinickendorf mit acht Wochen, also zwei Monaten; am langsamsten war Fhain-
Xberg mit 23 Wochen, also fast sechs Monaten.5Im Zeitraum Juni 2023 – Mai 2024 wurden nur
etwa 27 % (30.005) aller Wohngeldanträge (111.640) digital gestellt; etwa 73 % (81.635)
wurden nicht-digital gestellt.6
Hintergrund ist u.a., dass durch das Wohngeld Plus der Kreis der Wohngeldberechtigten zum
Stichtag 1. Januar 2023 stark ausgeweitet wurde.7 Der Antragsstau wird dadurch verstärkt,
dass der “Online-Antrag” nur bis zum Abschicken “online” ist. Anschließend wird er
ausgedruckt und manuell bearbeitet. Dabei hat der Antrag für Wohngeld für Mieter:innen
(Mietzuschuss) in Berlin 11 Seiten – plus Anhänge. Dazu kommt: Laut Senat verlangsamt das
Einholen fehlender angehängter Dokumente die Bearbeitungsdauer.8
Ein vollständig digitalisierter Wohngeldantrag hilft durch die schnellere Bearbeitung nicht
nur den leistungsberechtigten Personen, sondern entlastet auch Verwaltungsmitarbeitende in
erheblichem Maße, die sich dann wichtigeren und anspruchsvolleren Aufgaben widmen können,
als der manuellen Übertragung von Daten aus einem System in ein anderes.
Stand 09/24 ist in Berlin keine Nachnutzung der Einer-für-Alle (“EfA”) OZG-Leistung Wohngeld
aus Schleswig-Holstein geplant.9 Stand 06/24 gibt es derzeit zwei Medienbrüche beim Berliner
Wohngeldantrag:10 Erstens gibt es bei Online-Anträgen regelmäßig eine papierbasierte Akte,
es werden also alle online eingereichten Unterlagen ausgedruckt; das soll sich in 2025 mit
Anbindung E-Akte ändern. Zweitens gibt es keinen digitalen Rückkanal/Kommunikationsweg zur
antragsstellenden Person; wann sich das ändern soll, ist nicht terminiert.
1https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/19/SchrAnfr/S19-19303.pdf, Antwort
auf Frage 6.
2https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/19/SchrAnfr/S19-15412.pdf, Antwort
auf Frage 7.
3https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/19/SchrAnfr/S19-19303.pdf, Antwort
auf Frage 8.
4https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/19/SchrAnfr/S19-15412.pdf, Antwort
auf Frage 5.
5https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/19/SchrAnfr/S19-19303.pdf, Antwort
auf Frage 6.
6https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/19/SchrAnfr/S19-19303.pdf, Antwort
auf Frage 8.
8https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/19/SchrAnfr/S19-15412.pdf, Antwort
auf Frage 5.
Begründung
Die vergangenen Jahre haben viele Menschen in Deutschland finanziell stark belastet. Die hohe Inflation, insbesondere die steigenden Energie- und Lebensmittelpreise, treffen vor allem einkommensschwache Haushalte hart. Hinzu kommen die hohen Mieten, insbesondere in Berlin. Vor diesem Hintergrund ist die Wohngeldreform, die seit dem 01.01.2023 eine Erweiterung des berechtigten Personenkreises umfasst, ein wichtiger und richtiger Schritt. Wohngeld ist eine zentrale staatliche Unterstützung, die Menschen mit niedrigen Einkommen oberhalb der Grundsicherung dabei hilft, ihre Wohnkosten zu tragen.
Doch damit diese Unterstützung auch wirklich zeitnah ankommt, muss der Staat sicherstellen, dass die Wohngeldanträge zügig bearbeitet werden. Lange Bearbeitungszeiten sind für die Betroffenen, die sich oft in prekären finanziellen Verhältnissen befinden, eine enorme Belastung. Hier spielt die Digitalisierung eine entscheidende Rolle: Ein vollständig digitalisierter und medienbruchfreier Antragsprozess kann ineffiziente Abläufe abbauen und die Bearbeitungszeiten deutlich verkürzen.
Der Fachkräftemangel betrifft auch den öffentlichen Sektor. Es ist zeitaufwendig und schwierig, zusätzliches Personal für die gestiegene Zahl an Wohngeldanträgen zu finden. Ohne eine konsequente Digitalisierung der Verwaltungsprozesse gefährdet der Staat seine Handlungsfähigkeit und riskiert das Vertrauen der Bürger*innen. Die gesetzlichen Grundlagen für die Digitalisierung der Verwaltung, wie das Onlinezugangs- und das Registermodernisierungsgesetz, bieten den Rahmen, den der Bund und die Länder konsequent nutzen sollten.
Ein Beispiel für die sinnvolle Nutzung von Digitalisierungsprozessen ist die EfA-Anwendung („Einer für Alle“) für Wohngeld, die vom Land Schleswig-Holstein entwickelt wurde. Leider ist eine Nachnutzung dieser Anwendung im Land Berlin bislang nicht vorgesehen. Wir fordern, dass Berlin die Möglichkeit der Nachnutzung nach dem EfA-Prinzip konsequent prüft und die bereits vorhandene Lösung in Betracht zieht, um einen medienbruchfreien Prozess zu etablieren. Denn am Ende ist klar, dass ein Onlineformular, welches an einen Drucker angeschlossen ist, keine erfolgversprechende Digitalisierungsstrategie ist.