Veranstaltung: | LDK am 22. November 2025 |
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Tagesordnungspunkt: | 11. Verschiedenes |
Antragsteller*in: | Paul Benter (KV Berlin-Mitte) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 17.10.2025, 20:42 |
V-9: Wenn’s dir nicht gefällt, mach neu - juristische Ausbildung endlich zukunftsfest machen
Antragstext
Für uns als Bündnis 90/Die Grünen Berlin ist klar: Eine Reform der juristischen Ausbildung
ist längst überfällig. Kai Wegner und Felor Badenberg setzen lieber auf Konzepte aus dem 19.
Jahrhundert, als sich ernsthaft mit dem Reformbedarf zu beschäftigen, der seit Jahren von
Studierenden, Lehrenden und Universitäten deutlich gemacht wird. Jüngst hat die CDU-
Justizsenatorin wieder einmal klargestellt, dass sie keine Probleme in der Ausbildung sieht.
Aber: Wenn die CDU lieber den Federkiel romantisiert und die Realität ignoriert, setzen wir
uns umso energischer dafür ein, die juristische Ausbildung endlich ins 21. Jahrhundert zu
bringen. Für einen gerechteren und zukunftsfähigen Ausbildungsweg. Für die Zukunft der
Justiz und der Rechtspflege allgemein.
Wir fordern die Senatsverwaltung für Justiz daher auf, die Augen vor den berechtigten
studentischen und universitären Anliegen nicht länger zu verschließen, den Reformbedarf
endlich anzuerkennen und sich in der Justizminister*innenkonferenz und dem entsprechenden
Koordinierungsausschuss für eine ernsthafte und ergebnisorientierte Debatte über
Lösungsmöglichkeiten der vielfältigen Probleme einzusetzen.
Handlungsfähigkeit der Justiz erhalten: Reformen erarbeiten und
umsetzen
Berlin kann und sollte an der Spitze der Reformbemühungen stehen und zeigen, wie eine
moderne, zukunftsfähige juristische Ausbildung aussehen kann. Wir setzen uns deshalb dafür
ein, dass in den ersten Schritten hin zu einer Reform verschiedene Maßnahmen zur
Verbesserung der juristischen Ausbildung in Berlin erarbeitet werden. Dafür muss der Senat
alle relevanten Akteur*innen an einen Tisch holen und gemeinsam ein zukunftsfähiges Konzept
erarbeiten, indem die verschiedenen Interessen von Justiz, Praxis, Universitäten und
Studierenden in angemessenen Ausgleich gebracht werden.
Zu diesen Maßnahmen gehören etwa die Reduktion des Pflichtfachstoffes, die Wiedereinführung
des Abschichtens, eine weniger repressive Hilfsmittelverordnung für die Staatsprüfungen,
diversere und paritätische Besetzung von Prüfungskommissionen und verdeckte Zweitkorrekturen
in den Staatsprüfungen, die Ausweitung der digitalen Prüfungen auf die erste Staatsprüfung,
die Einführung von anwenderfreundlichen, elektronischen Hilfsmitteln sowie die weitere
Digitalisierung des Studiums.
Eine gerechtere Ausbildung schaffen
Darüber hinaus sind eine Stärkung und eine auskömmliche Finanzierung universitärer
Repetitorien notwendig, sodass kostenfreie Alternativen zu den traditionellen, aber extrem
kostspieligen Repetitorien zur Verfügung stehen. Gute Noten dürfen keine Frage des
Geldbeutels sein! Im Referendariat müssen die Unterhaltsbeihilfe erhöht und die
Zuverdienstgrenze abgeschafft sowie kostenlose Klausurenkurse angeboten werden, damit der
Zugang endlich für alle gleich wird. Die Justiz muss darüber hinaus mit ausreichend Mitteln
zur Ausbildung von zusätzlichen Referendar*innen ausgestattet werden. Personalmangel macht
auch vor der Justiz nicht Halt. Wer hier jetzt die Augen verschließt, riskiert die
Handlungsfähigkeit des Staates in diesem Bereich in schon wenigen Jahren.
Außerdem muss endlich auch in der Ausbildung abgebildet werden, dass Vielfalt kein
Selbstzweck ist, sondern zu einer gerechteren Justiz führt. Bei allen Reformmaßnahmen muss
deshalb die Förderung von Inklusion und Diversität in der juristischen Ausbildung, sowohl in
der Lehre und bei den Studierenden, als auch bei den Prüfer*innen in den Examina, im Fokus
stehen. Auch die interdisziplinäre Lehre und die Förderung des Erlernens von kritischer
Analyse und Reflexion des Rechts müssen verstärkt werden und dürfen nicht aus finanziellen
oder ideologischen Gründen zusammengestrichen werden.
Begründung
Die Struktur der juristischen Ausbildung wurde seit den 1870er Jahren nicht mehr fundamental verändert. Dieses Alter zeigt sich heute. Die entsprechende Kritik der Studierenden, Fakultäten, von Referendar*innen sowie auch aus der Praxis muss endlich die Beachtung finden, die sie verdient. Probleme wie der enorme psychische Druck und die sich mangelnde Digitalisierung zum einen, aber auch Themen wie fehlende Inklusion und Diversität zum anderen müssen endlich angegangen werden.
Die Staatsanwaltschaft stößt zudem bereits jetzt an die Belastungsgrenze. In den kommenden zehn Jahren werden knapp 40 % aller Richter*innen in Berlin in den Ruhestand gehen. Wir steuern also auf ein umfassendes Nachwuchsproblem in der Justiz zu. Sollte diese Lücke nicht geschlossen werden, steuert der Rechtsstaat auf gewaltige Probleme zu, während der Druck bereits heute zu hoch ist. Die juristische Ausbildung ist derweil aktuell nicht attraktiv genug, um die bestehenden und zunehmenden Probleme lösen zu können.
Für Studierende ist ein großer Teil des Problems die enorme psychische Belastung der Ausbildung. Neben diesem Problem, das alle betrifft, ist auch die Finanzierbarkeit des Ausbildungswegs ein großes Gerechtigkeits- bzw. Repräsentationsproblem. Die aktuelle Ausgestaltung der Ausbildung benachteiligt weniger privilegierte Studierende systematisch und führt nicht nur zu weniger talentierten Jurist*innen, die die Ausbildung abschließen, sondern auch zu mangelnder Repräsentation in der Justiz.
Eine Reform der juristischen Ausbildung, von Studienbeginn bis zur zweiten Staatsprüfung, ist also nicht nur notwendig, um eine gerechtere Justiz Wirklichkeit werden zu lassen, sondern auch um die Funktionsfähigkeit unseres Rechtsstaates zu sichern.
Trotz der beschriebenen Probleme und obwohl die Rufe nach Reformen immer lauter werden, sieht die Justizsenatorin - und Berlin als gemeinsam mit NRW zuständiges Land in der Justizminister*innenkonferenz im letzten Bericht zu diesem Thema - bisher keinen Reformbedarf bei der Ausbildung von Jurist*innen in Berlin. Es ist deshalb auch an uns, den Druck zu erhöhen. Denn ein funktionsfähiger Rechtsstaat ist ein elementarer Bestandteil der Demokratie. In jedem Land, aber eben auch in Berlin.
Unterstützer*innen
- Liliana Marie Dornheckter (KV Berlin-Steglitz/Zehlendorf)
- Benjamin Budt (KV Berlin-Pankow)
- Daniel Eliasson (KV Berlin-Steglitz/Zehlendorf)
- Susanne Zissel (KV Berlin-Spandau)
- Karl-Heinz Hage (KV Berlin-Steglitz/Zehlendorf)
- Nicolas Völcker Ortega (KV Berlin-Tempelhof/Schöneberg)
- Jonas Prade (KV Berlin-Reinickendorf)
- Kolja Vöhringer (KV Berlin-Pankow)
- Andrea Siebert (KV Berlin-Pankow)
- Petra Vandrey (KV Berlin-Charlottenburg/Wilmersdorf)
- Felix Leander Droop (KV Berlin-Tempelhof/Schöneberg)
- Michael Servatius (KV Berlin-Mitte)
- Jonathan Franz (KV Berlin-Pankow)
- Marei Zylka (KV Berlin-Reinickendorf)