Veranstaltung: | Frauen*Vollversammlung 2022 |
---|---|
Tagesordnungspunkt: | TOP 6 Verschiedenes |
Antragsteller*in: | LAG Feminismus (dort beschlossen am: 26.08.2022) |
Status: | Zurückgezogen |
Eingereicht: | 20.09.2022, 16:40 |
Antragshistorie: | Version 1 |
V-01NEU: Kostenfreie Menstruationsprodukte in öffentlichen Einrichtungen
Antragstext
Die Frauen*Vollversammlung/Frauen*Konferenz möge beschließen:
In allen öffentlichen Einrichtungen, einschließlich und insbesondere in Schulen,
sollen Menstruationsprodukte kostenfrei jedem menstruierenden Menschen zur
Verfügung stehen. Dies erleichtert den Zugang auch für arme Menschen und hilft
neu menstruierenden Kindern und Jugendlichen, mit der neuen Situation umgehen zu
können. So wird Gleichberechtigung und soziale Gerechtigkeit gegenüber nicht
menstruierenden Menschen hergestellt und die Scham über das Menstruieren selbst
abgebaut.
Wir fordern den Senat und das Abgeordnetenhaus auf dafür zu sorgen, dass das
Land Berlin kostenfreie Menstruationsprodukte in allen öffentlichen
Einrichtungen zur Verfügung stellt. Dabei fordern wir insbesondere, dass
Menstruationsprodukte auf wirklich ALLEN Toiletten im öffentlichen Raum zur
Verfügung gestellt werden, da besonders für sich nicht als weiblich
identifizierende und nicht als weiblich gelesene Menschen der Zugang sonst sehr
erschwert wird.
Die Hälfte der Bevölkerung menstruiert, es ist ein natürlicher Vorgang, der
dennoch vor allem in den ersten Jahren überraschend und körperlich anstrengend
sein kann. Hinzukommt, dass der Zugang zu hygienischen Produkten von sozialen
Faktoren abhängt. Feminismus ist in der Bevölkerung angekommen – es ist Zeit,
mit Stigmata aufzuräumen.
Wie kompliziert es ist, Zugang zu einem Produkt zu erhalten, ist eine Frage der
Gleichberechtigung, da Menschen ohne Menstruation sich diesen Fragen im Alltag
nicht stellen müssen. Trotz der Senkung der Mehrwertsteuer sind
Menstruationsprodukte teuer, teils mit schädlichen Chemikalien versetzt und das
Stigma der Scham um die Besorgung bleibt ein ausgrenzender Faktor.
Es gibt keinen validen Grund, warum Toilettenpapier bezahlt wird,
Menstruationsprodukte allerdings nicht zur Verfügung stehen. Die Menstruation
ist ebenso ein natürlicher Prozess des Körpers, den sich der Mensch nicht
aussuchen kann und sofort Abhilfe schaffen muss. Dadurch, dass Produkte nicht
einfach zur Verfügung stehen, wird die Menstruation zu einer Anomalie in der
Öffentlichkeit stigmatisiert. Insbesondere obdachlose Menschen und Personen, die
von Hartz IV leben, können durch diesen schlechten Zugang zusätzlich leiden,
wenn sie menstruieren.
Vor allem in Schulen ist die Menstruation nach wie vor ein von Scham und
sozialer Ungerechtigkeit geprägtes Thema. Die Menstruation wird so zu einem
Umstand, der im Schulalltag ein Hindernis darstellen kann. Schüler*innen
befinden sich zum Großteil des Tages in der Schule, sodass es schwierig werden
kann, falls das Geld nicht reicht, Zugang zu neuen Produkten zu erhalten. So
müssen menstruierende Menschen planen, sich gegenseitig eher heimlich helfen.
Dies kann im Weiteren auch starken Einfluss auf die Bildung/Ausbildung haben, da
menstruierende Menschen während der Periode dem Unterricht oder anderen
Veranstaltungen fernbleiben könnten.
Weiter sind unnötige gesundheitliche Risiken möglich, wenn der Wechsel
hinausgezögert wird. Dies stellt aus hygienischer und medizinischer Sicht einen
politisch untragbaren Zustand dar. Das Risiko sogar tödlicher Infektionen einmal
im Monat aus finanziellen Gründen einzugehen, sollte keine Option sein müssen.
Die kostenfreie Zurverfügungstellung hilft gegen diese frühe Ausgrenzung und
Stigmatisierung.
Menstruationsprodukte in öffentlichen Einrichtungen kostenlos zur Verfügung zu
stellen wäre eine Leistung des Staates als medizinische, hygienische
Notwendigkeit, welche ca. 50% der Bevölkerung den Alltag erleichtert. Sie ist
deshalb im Sinne der Daseinsvorsorge, des Sozialstaatsprinzips und des Rechtes
auf gleichberechtigte Teilhabe. Das Land Berlin kommt so seiner Vorbildfunktion
im Sinne der Gleichberechtigung und Anerkennung dieser Notwendigkeit nach.
Indem biologisch gut abbaubare Tampons und Binden zur Verfügung gestellt werden,
ist der hygienischen Notwendigkeit abgeholfen, aber auch der Umweltschutz im
Sinne besserer Recyclingmöglichkeiten wird gefördert.
Dieser Antrag wird unterstützt von Fatoş Topaç.
Begründung
Mit dieser wichtigen Maßnahme können das Land Berlin und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zeigen, wie man die Bedürfnisse menstruierender Menschen mitdenkt.
Es ist für das Land Berlin nicht mit hohen Kosten verbunden, Menstruationsprodukte zur Verfügung zu stellen. Es kann in großen Chargen eingekauft werden, was dem einzelnen menstruierenden Menschen nicht möglich ist.
Düsseldorf will nach einer Testphase, die positiv verlief, auch in weiterführenden Schulen kostenlose Menstruationsprodukte bereitstellen. In der Testphase hatte die Bereitstellung pro Schule lediglich 180 Euro gekostet (https://www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/kostenlose-menstruationsartikel-in-schulen-duesseldorf-100.html). Für die Bereitstellung an allen 62 weiterführenden Schulen wird lediglich mit maximal 16.500 Euro jährlich gerechnet (https://www1.wdr.de/nachrichten/menstruation-produkte-kostenlos-100.html).
In Schottland ist am 15.08. dieses Jahres der kostenlose Zugang zu Menstruationsprodukten gesetzlich festgeschrieben worden. Seit 2017 hat Schottland bereits knapp 32 Millionen Euro investiert, um an öffentlichen Orten Tampons und Binden anzubieten. (Quelle: https://www.morgenpost.de/politik/ausland/article236160753/Tampons-fuer-alle-Schottisches-Gesetz-gegen-Periodenarmut.html) Zweck dieser Maßnahmen ist der Periodenarmut und der ausgrenzenden Wirkung für menstruierenden Menschen entgegenzuwirken. Das sollte das Land Berlin aufgreifen.
Nach Erhebungen von Plan International und WASH United in einer repräsentativen Umfrage (Quelle: https://www.plan.de/menstruation-im-fokus.html) von jeweils 1.000 Frauen und Männern in Deutschland zwischen 16 und 45 Jahren ist es in der Bundesrepublik für jede vierte menstruierende Person finanziell schwierig, ausreichend Menstruationsprodukte zu besorgen. Hierbei gaben sogar 12 % der Befragten an, den Wechsel von Tampons, Binden oder Slipeinlagen bewusst hinauszuzögern.
Nach derselben Befragung gaben 97 % aller befragten Mädchen und Frauen Blutflecken auf der Kleidung als „Worst Case“-Szenario an. Sichtbar „durchzubluten“ ist stark mit Scham behaftet. 33 % der Befragten fühlen sich während der Periode „unrein“. 35 % möchten sich nicht mehr für ihre Periode schämen müssen. Es ist deshalb zeigt gegen dieses Stigma vorzugehen.
Die Periode sollte enttabuisiert werden, finden 62 % der Teilnehmerinnen. 80 % der Mädchen und Frauen wünschen sich kostenlose Tampons und Binden in öffentlichen Gebäuden. 80 % finden zudem, die Politik sollte sich dem Thema „Periodenarmut“ annehmen.
Es gibt in einigen Bezirken bereits Pilotprojekte hierzu. Es wird verwiesen auf die Schriftliche Anfrage Drucksache Nr. 18/28115 von der Abgeordneten Fadime Topas und dem Abgeordneten Stefan Ziller. Danach gab es im Juni 2021 in Tempelhof-Schöneberg, Pankow und Mitte Beschlussempfehlungen der Bezirksverordnetenversammlungen. In Reinickendorf und Charlottenburg-Wilmersdorf gab es Projekte, die entweder Spenden sammelten oder vom Bezirk geförderte Projekte, die Menstruationsprodukte ausgeben.
Der Bezirk Lichtenberg hat seit März 2022 zwölf Spender bzw. Tamponautomaten mit kostenlosen Menstruationsartikeln aufgestellt. Ziel der Initiative von Bürger*innen und Vertreter*innen aus sozialen Einrichtungen in Lichtenberg ist die bezirksweite Zurverfügungstellung kostenfreier Menstruationsprodukte in öffentlichen Einrichtungen.
Bisher scheint es im Land Berlin allerdings keine zusammenhängende Finanzierung über einen gemeinsamen Titel zu geben. Es werden bezirksbezogen einzeln Projekte gefördert. Vergleichsweise sind allerdings auch die Kosten für Toilettenpapier unbekannt (Drucksache Nr. 18/28115, Frage 17).
Als feministische Partei können Bündnis 90/Die Grünen so der Periodenarmut in Berlin entgegentreten. Von Periodenarmut betroffen sind vor allem obdachlose Menschen und Personen, die von Hartz IV leben. Für letztere stehen pro Monat lediglich 17,14 Euro für alle Hygieneartikel zur Verfügung; davon müssen Shampoo, Deo, Duschgel, Zahnpasta und Toilettenpapier, für menstruierende Menschen eben auch Menstruationsprodukte und ggf. notwendige Schmerzmittel während der Periode gekauft werden. Dies kostet monatlich ca. 15 Euro, es bleiben menstruierenden Menschen also lediglich 2,14 Euro für die restlichen Produkte.
Solange in Berlin die Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung von Bündnis 90/DIE GRÜNEN gestellt wird, kann dieser Antrag schnell umgesetzt werden und die Partei ihre feministische, soziale Ausrichtung effektiv zeigen. Es ist überfällig, dass menstruierende Menschen gleichberechtigte Teilhabe über kostenfreie Menstruationsprodukte erhalten.
Unterstützer*innen
- Irina Herb (KV Berlin-Neukölln)