Veranstaltung: | Frauen*Vollversammlung 2023 |
---|---|
Tagesordnungspunkt: | TOP 6 Verschiedenes |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Vivian Schmitt |
Eingereicht: | 31.08.2023, 00:19 |
Wechseljahre - Förderung der Lebensqualität und Teilhabe von Frauen
Beschlusstext
Wir wollen dem Thema Wechseljahre Sichtbarkeit geben und somit einen Beitrag zu
einer sozialeren und geschlechtergerechteren Gesellschaft leisten. Wir wollen,
dass alle in Berlin lebenden Frauen, unabhängig von ihrer Herkunft und dem
sozialen Status die Möglichkeit haben, ihre Lebensqualität zu erhalten bzw. zu
erhöhen und selbstbestimmt zu leben. Wir wollen die Teilhabe dieser Frauen
stärken!
In dieser natürlichen Phase im Leben jeder Frau - denn Wechseljahre sind keine
Krankheit - hat jede Frau und haben auch wir als Gesellschaft, die Möglichkeit,
die Basis für ein weiteres Leben mit geringeren körperlichen und psychischen
Beschwerden zu legen. Wir stehen für ein gesellschaftliches Klima der
Wertschätzung der Kompetenzen und der Lebenserfahrung von Frauen.
Unsere konkreten Forderungen:
- Neben der regelmäßigen Gesundheitsberichterstattung zu frauenspezifischen
Themen die Förderung unabhängiger Forschung, um z.B. Zusammenhänge
zwischen Lebensstil, sozialen Faktoren und Wechseljahresbeschwerden noch
besser zu verstehen
- Bereitstellung gut zugänglicher und umfassender Informationen in allen
relevanten Sprachen um bessere Kenntnisse über die Wechseljahre und den
Auswirkungen von Änderungen im Lebensstil (z.B. Ernährung, Bewegung,
Stressmanagement) auf die Beschwerden zu erwerben und um Kenntnisse über
mögliche Ansprechpartner*innen und Angebote zu erhalten
- niedrigschwellige Beratungsangebote vor Ort, auch über eine Stärkung von
integrierten, berufsfeldübergreifenden Versorgungsmodellen, um den Zugang
zu Gesundheitsversorung gerecht und diskriminierungsfrei zu gestalten,
Anbindung z.B. an Kontakt- und Beratungsstellen, Gesundheitszentren,
Nachbarschaftszentren, Schwangerschaftsberatungstellen o.ä.
- Schaffung digitaler Angebote, z.B. durch Gesundheits-Apps oder Online-
Programmen
- Schaffung von betrieblichen Strukturen, die Frauen in den Wechseljahren
unterstützen, z.B. durch das Angebot flexibler Arbeitszeiten
- Übernahme der Kosten durch die Krankenkassen, z.B. für pflanzliche
Medikamente und bioidentische Hormone
- Stärkung des Themas in allen Gesundheitsberufen, wie in der
Plegeausbildung, im Medizinstudium und in der Facharztausbildung
- Sensibilisierung für einen respektvollen Umgang mit den Bedürfnissen und
Bedarfen von Frauen
- Enttabuisierung des Themas und Stärkung der Selbstkompetenzen von Frauen
Begründung
Laut WHO erleben die meisten Frauen die Wechseljahre im Alter zwischen 45 und 55 Jahren. Dies sind für Deutschland über 5 Millionen Frauen. Hinzu kommt, dass Wechseljahresbeschwerden auch bereits einige Jahre vor der letzten Blutung einsetzen können und dass Frauen ein Drittel bis die Hälfte ihres Lebens nach der letzten Periode verbringen und diese Zeit gesund und aktiv genießen möchten. Deshalb wird die Prävention vor Alterserkrankungen immer wichtiger.
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung gibt an, dass etwa zwei Drittel aller Frauen in den Wechseljahren mit Beschwerden zu tun haben. Hinzu kommt, dass Frauen sich häufig alleine und verzweifelt fühlen und die oft mit den hormonellen Schwankungen einhergehenden Beschwerden, die ihren Alltag stark belasten, nicht zuordnen können. Manche dieser Beschwerden können so schwer sein, dass sie Krankheitswert erhalten, so dass die Lebensqualität und die Funktionsfähigkeit im Alltag zum Teil stark beeinträchtigt werden.
Die internationalen Menopause Gesellschaften sprechen von 34 typischen Beschwerden, die oft mit den hormonellen Veränderungen dieser Lebensphase einhergehen. Hitzewallungen, Einschlaf- bzw. Durchschlafproblemen, Gelenkschmerzen zählen zu den häufigsten Beschwerden. Psychisch gibt es auch viele Veränderungen: das Risiko für depressive Zustände ist bei Frauen in den Wechseljahren 2,5-mal höher als vorher, 2 von 3 Alzheimer-Patienten sind Frauen und dieses erhöhte Risiko ist mit den Wechseljahren eng verbunden. Die typischen Wechseljahresbeschwerden führen nicht nur privat zu Einschränkungen, sondern auch beruflich: Wie Fawcett Society (London, UK) in ihrer Studie "Menopause and the Workplace" von April 2022 herausfand, kündigt etwa 10% der Frauen ihren Job, ca. 25 % lehnen eine ihnen angebotene Beförderung ab, einige schaffen es nicht bis zum Renteneintrittsalter.
Beschwerden könnten u.a. durch eine angemessene medizinische Betreuung gelindert werden. Allerdings werden die unterschiedlichen Phasen der Wechseljahre im Medizinstudium kaum thematisiert. Wechseljahresbeschwerden scheinen in vielen Fällen in Form von sichtbaren Symptomen kodiert zu werden und sind daher selten sichtbar. So erhalten Frauen z.B. Schmerzmittel, Antidepressiva oder eine Physiotherapie statt Information bzw. eine ganzheitliche Behandlung der Wechseljahresbeschwerden und deren Ursachen.
Eine suboptimale medizinische Behandlung und die daraus resultierende verminderte Leistungsfähigkeit der Frauen verursachen sehr hohe Kosten für die Gesellschaft. Laut Deutschlandfunk liegen die Kosten auf globaler Ebene in Milliardenhöhe: "Weltweit werden 2025 schätzungsweise eine Milliarde Frauen in der Menopause sein. Und ihre Behandlung wird die Gesundheitssysteme etwa 600 Milliarden Dollar pro Jahr kosten. Dazu kommt noch die verminderte Leistungsfähigkeit. Die Kosten dafür werden auf 150 Milliarden Dollar pro Jahr geschätzt."