Veranstaltung: | Frauen*Vollversammlung 2020 |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 1 Begrüßung & Formalia |
Antragsteller*in: | Corinna Steinwärder (KV Charlottenburg-Wilmersdorf) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 23.09.2020, 18:19 |
GO-01: GO-Antrag mit Bezug auf V-01
Antragstext
Ich beantrage:
Den Antrag V0-1 zu diskutieren, aber nicht abzustimmen.
Die Wahlkämpfe in 2021 dürfen mit der Unversöhnlichkeit, mit der sich die Mitglieder
bei dem Thema Neutraliätsgesetz gegenüberstehen, nicht belastet werden.
Wir fordern vom Landesvorstand, innerhalb der nächsten 6 Monate geeignete Foren für
die Auseinandersetzung mit dem Thema innerhalb der Frauen und allen bündnisgrünen
Mitgliedern zum Beispiel in Form von Worldcafés, Zukunftskonferenzen und Versammlungen
zu organisieren. Ziel ist es, die grundsätzlich unterschiedlichen Ansichten in der
Partei zur Geltung kommen zu lassen und einen Kompromiss zu finden.
Begründung
Es entspricht unserem politischen Selbstverständnis und unserer Vorstellung von feministischer Solidarität, dass nicht nur einige wenige Frauen im Namen aller grünen Frauen die Entscheidungsmacht für den so weitreichenden Beschluss „Abschaffung des Neutralitätsgesetzes“ an sich ziehen.
Gerade in der Frage der staatlichen Neutralität sind die Grünen gespalten. Dies betrifft auch die gesamte Gesellschaft. Der Riss zieht sich vor allem entlang der Generationen.
Für sehr viele in Berlin lebende Menschen mit und ohne Migrationsgeschichte werden Kippa, Kopftuch und Kreuz als Teil des selbstverständlichen Rechts auf Selbstbestimmung angesehen. Das Recht, sich zu kleiden und zu präsentieren wie man möchte, soll daher auch bei der Berufsausübung möglich sein. Dies betrifft auch hoheitliche Aufgaben wie z.B. den Dienst im Gericht oder bei der Polizei. Andere Meinungen hierzu (s.u.) werden als Feindlichkeit gegenüber Muslim*innen, jüdischen Menschen oder Christ*innen gelesen. Sie sehen im Neutralitätsgesetz ein Instrument der Diskriminierung. Diese Sichtweise wird vor allem von Jüngeren getragen.
Für andere in Berlin Lebende mit und ohne Migrationsgeschichte sind Kippa, Kopftuch und Kreuz nicht positiv konnotiert. Viele mussten sich erst aus religiösen Zwängen befreien, um jetzt selbstbestimmt leben zu können. Sie sehen im Neutralitätsgesetz, dass das Tragen von religiösen Symbolen während der Dienstausübung verbietet, ein Schutzinstrument, dass ihnen ihre Freiheit garantiert. Diese Sichtweise wird häufig von etwas älteren Frauen geteilt. Auch ihnen ist klar, dass das Tragen von Uniformen oder Dresscodes nicht bedeutet, dass die Träger*innen selbst neutral ist. Sie gehen aber davon aus, das eine Person, die ihre Religion oder Weltanschauung aus ihrer Sicht ostentativ nach außen trägt, auch beruflich nicht in der Lage ist, eine neutrale Position entgegen den eigenen Überzeugungen einzunehmen. Entgegengesetzte Meinungen (s.o.) werden als Naivität oder als beeinflusst von rechten Religionsverbänden interpretiert.
Der vorliegende Antrag V0-1 vertieft die Spaltung zwischen den beiden Gruppen und innerhalb der Grünen an dieser Stelle. Es sät Misstrauen und wird als überwältigend wahrgenommen. Ein unbegleiteter innerparteilicher Streit infolge des Beschlusses wird zu einer großen Belastung im Wahlkampfjahr 2021 werden. Wir sollten daher erst miteinander statt übereinander reden und dann beschließen.