Veranstaltung: | LDK 24. November 2018 |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 9 Weitere Anträge |
Antragsteller*in: | Dr. Petra Vandrey (KV Charlottenburg-Wilmersdorf) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 30.10.2018, 15:54 |
V-01: Personalsituation in den Berliner Jugendämtern verbessern!
Antragstext
Personalsituation in den Berliner Jugendämtern verbessern!
Der Landesverband von Bündnis 90/ Die Grünen setzt sich für eine schnelle und massive
Verbesserung der Personalsituation in den Berliner Jugendämtern ein.
Die Personalsituation in den Berliner Jugendämtern ist weiterhin sehr angespannt. Zahlreiche
Stellen sind nicht besetzt. Viele der verbliebenen Mitarbeiter*innen sind überlastet. Es
fehlt Personal in den Erziehungs- und Familienberatungsstellen (EFB’s) und in zahlreichen
anderen Bereichen, insbesondere beim Basisdienst der Jugendämter, den Regionalen Sozialen
Diensten (RSD’s), den Elterngeldstellen und den Unterhaltsvorschusskassen. Berlinweit sind
derzeit rund 100 Stellen bei den Regionalen Sozialen Diensten nicht besetzt.
In Kinderschutzfällen gilt eigentlich das (sehr sinnvolle) „Vier-Augen-Prinzip“, das oft
nicht eingehalten werden kann, weil zu wenig Personal da ist. Oft müssen die
Mitarbeiter*innen des RSD, die für den Kinderschutz zuständig sind, sogar bei Meldungen
wegen Kindeswohlgefährdungen entscheiden, welcher Fall der akut wichtigere ist, andere
ebenfalls gravierende Fälle bleiben dann liegen. Dies ist inakzeptabel, da grundsätzlich
jede Meldung wegen einer Kindeswohlgefährdung wichtig ist und ihr sofort nachzugehen ist.
Aus Personalmangel kann so derzeit ein wirksamer Kinderschutz nicht mehr in allen Fällen und
jederzeit sichergestellt werden.
Der Personalnotstand führt inzwischen auch dazu, dass Jugendamtsmitarbeiter*innen es oft
nicht mehr schaffen, wie eigentlich gesetzlich vorgesehen, an Gerichtsterminen teilzunehmen,
die Umgangs- und Sorgerechtsverfahren betreffen. Teilweise werden nur noch schriftliche
Stellungnahmen abgegeben, oft wird die Verlegung von Gerichtsterminen nötig, weil
Jugendamtsmitarbeiter*innen zu wenig Zeit haben. Dies beeinträchtigt die Qualität der
Verfahren an den Familiengerichten. Wenn die Einschätzung eines Kindes und der Familie durch
das Jugendamt fehlt, fehlt damit eine der wichtigen Entscheidungsgrundlagen des
Familiengerichts, das über ein Kind in Umgangs- oder Sorgerechtsverfahren zu entscheiden
hat.
In Trennungskonflikten oder bei Erziehungsschwierigkeiten gibt es für Eltern keine
Beratungstermine oder so lange Wartezeiten, dass familiäre Konflikte zwischenzeitlich
eskalieren.
Regelmäßige Hilfeplangespräche im Rahmen der Hilfen zur Erziehung (HzE) werden oft nicht
mehr oder in viel zu großen Abständen durchgeführt. So bleibt auch die gewünschte
Zusammenarbeit mit Schulen auf der Strecke. Schulen brauchen nicht nur genug Lehrkräfte,
sondern multiprofessionelle Teams. Unverzichtbar ist die Zusammenarbeit von Schulen und
Jugendämtern. Kinder, die Schwierigkeiten in der Familie oder im Alltag haben, haben oft
auch schulische Probleme bis hin zur Schulabstinenz. Ein ganzheitlicher Blick auf das Kind
kann nur gelingen, wenn Familie, Schule und Jugendamt zusammenarbeiten. Sind Jugendämter
personell unterbesetzt, gibt es niemanden, der Zeit hat, in den Schulen zum Beispiel an
Schulkonferenzen teilzunehmen.
Elterngeld wird in manchen Jugendämtern erst Wochen oder Monate nach der Antragstellung
ausgezahlt, obwohl es sich um staatliche Gelder handelt, auf die Eltern ab Geburt ihres
Kindes einen Rechtsanspruch haben. Einige Jugendämter haben die Tätigkeit der
Elterngeldstelle inzwischen „outgesourct“. Im Falle von Charlottenburg Wilmersdorf werden
die Elterngeldanträge jetzt beispielsweise von Mitarbeiter*innen der landeseigenen
Investitionsbank Berlin bearbeitet, was die Bearbeitungszeiten zwar verkürzt hat, aber den
Bezirk sehr viel mehr Geld kostet.
Die Überlastung der Mitarbeiter*innen der Regionalen Sozialen Dienste der Berliner
Jugendämtern ist u. a. bedingt durch die zunehmenden Fallzahlen. Gerade im Bereich des
Kinderschutzes haben sich die Fälle wegen der zunehmenden Meldungen von
Kindeswohlgefährdungen in den letzten sechs Jahren verdoppelt. In Berlin existiert derzeit
keine Fallobergrenze, im Durchschnitt betreut eine Mitarbeiterin zwischen 80 bis 120 Fälle.
Das heißt, eine einzige Mitarbeiterin im Jugendamt ist Ansprechpartnerin für 80 bis 120
Familien. Dies ist deutlich zu viel. Eine verantwortliche Arbeit ist so kaum noch möglich.
Die GEW fordert 28 Fälle pro Fachkraft pro voller Stelle. Jugendamtsleitungen in Berlin
möchten zumindest eine Begrenzung auf 65 Fälle pro Fachkraft. Die Fallobergrenze muss
gesetzlich festgeschrieben werden, dies wäre im Berliner Landesrecht durch eine
Ausführungsvorschrift möglich.
Die Bezahlung der Jugendamtsmitarbeiter*innen ist in Berlin zu schlecht. Wer in Berlin beim
RSD anfängt, wird in der Regel nach Entgeltstufe E 9 TV-L vergütet, in Hamburg und
Brandenburg wird die gleiche Tätigkeit besser vergütet. Einzelne Berliner Jugendämter
versuchen derzeit, dies durch Bezahlung nach höheren Erfahrungsstufen auszugleichen, was
jedoch stets im Einzelfall zu begründen ist. Wir fordern eine pauschale Höhergruppierung.
Hier darf die Senatsverwaltung für Finanzen nicht länger blockieren.
Berlin mangelt es derzeit nicht an Geld, sondern an Fachkräften. Mit dem personalpolitischen
Aktionsprogramm des Berliner Senats sind erste, richtige Schritte angedacht. Das akute und
vorrangige Problem der Jugendämter besteht aber in zu vielen unbesetzten Stellen. Auch das
Arbeitsumfeld muss verbessert werden und der Stellenausbau an die steigenden Fallzahlen und
die geforderten Qualitätsverbesserungen angepasst werden.
Wir fordern daher:
- Die Jugendämter sind personell so auszustatten, dass sichergestellt ist, dass sie ihren
gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben nachkommen können.
- Dem Fachkräftemangel an Jugendämtern ist zu begegnen, indem der Arbeitsplatz Jugendamt
attraktiver gestaltet wird, insbesondere durch
o Bessere Bezahlung der RSD-Mitarbeiter*innen, künftig Vergütung nach E 11 TV-L
o Bis dahin Vorweggewährung von höheren Erfahrungsstufen
o Einführung von Standards für Raumausstattung
o Entlastung der Mitarbeiter*innen durch gesetzliche Einführung von Fallobergrenzen im
Berliner Landesrecht
o Angebote von Supervision für Mitarbeiter*innen
- Nicht besetzte Stellen an Jugendämtern sind durch schnelle Ausschreibungsverfahren sowie
Dauerausschreibungen im Internet möglichst rasch nachzubesetzen. Für offene Stellen soll
zielgruppenorientiert geworben werden, auch im Bereich social media.
Begründung
Weitere Antragsteller*innen: Bernd Schwarz, KV Reinickendorf; Markus Scheppe, KV Steglitz Zehlendorf
Unterstützer*innen: Lisa Paus, MdB; Marianne Burkert-Eulitz, MdA; Silke Gebel, MdA; Nicole Ludwig, MdA; Fatos Topac, MdA; Benedikt Lux, MdA; Catherina Pieroth, MdA; Karsten-Dirk Gloger, LAG Bildung; Dirk Jordan, LAG Bildung; Franziska Eichstedt-Bohlig, KV Charlottenburg Wilmersdorf; Corinna Balkow, KV Charlottenburg Wilmersdorf; Parwin Kouloubandi, KV Charlottenburg Wilmersdorf; Martina Zander-Rade, KV Tempelhof Schöneberg; Oliver Jütting, KV Pankow; Anna Orth, KV Spandau; Manuel Honisch, KV Neukölln; Elfi Jantzen, KV Charlottenburg Wilmersdorf; Ingrid Lienke, KV Charlottenburg-Wilmersdorf; Christoph Wapler, KV Charlottenburg Wilmersdorf; Oliver Münchhoff, KV Charlottenburg Wilmersdorf; Gabriele Kutt, KV Charlottenburg Wilmersdorf; Jörg Staudenmeyer, KV Kreisfrei; Antonia Simon, LAG Kultur; Wolfgang Schmidt, KV Charlottenburg Wilmersdorf; Pit Rulff, LAG Bildung; Anja Schmidt, KV Charlottenburg Wilmersdorf; Delphine Scheel, KV Charlottenburg Wilmersdorf; Carolin Schenuit, KV Charlottenburg Wilmersdorf; Sabine Deitschun, LAG Gesundheit und Soziales; Martina Schmiedhofer, KV Charlottenburg Wilmersdorf; Sascha Taschenberger, KV Charlottenburg Wilmersdorf; Walter Otte, KV Friedrichshain Kreuzberg; Maria Meisterernst, LAG Queergrün; Grischa Vercamer, KV Charlottenburg Wilmersdorf; Daniel Grein, KV Neukölln; Rainer Penk, KV Tempelhof Schöneberg; Annika Gerold, KV Friedrichshain Kreuzberg; Julia Walendzik, KV Mitte; Oliver Gellert, KV Spandau; Christoph Ebrecht, KV Charlottenburg Wilmersdorf; Christa Markl-Vieto, KV Steglitz Zehlendorf; Evgenya Barbin, KV Mitte; Gabriele Vonnekold, KV Neukölln; Annabelle Wolfsturm, KV Tempelhof Schöneberg; Tilo Siewer, KV Mitte, AG’s und LAG’S: AG Kinder Jugend Familie sowie LAG Bildung