Veranstaltung: | LDK 24. November 2018 |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 10.1. Dringlichkeitsanträge |
Antragsteller*in: | LAG Bündnisgrüner Christ*innen (dort beschlossen am: 22.11.2018) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 24.11.2018, 08:10 |
D-05: Reformationstag zum gesetzlichen Feiertag machen
Antragstext
Reformationstag zum gesetzlichen Feiertag machen
Der Landesverband Berlin von Bündnis 90/Die Grünen setzt sich für die Aufnahme des 31.
Oktober -Reformationstag- in das Berliner Sonn- und Feiertagsgesetz als gesetzlichen
Feiertag ein.
Begründung
Begründung der Dringlichkeit
Eilbedürftigkeit begründet sich mit dem Verhalten der Bündnisgrünen Abgeordnetenhausfraktion sowie der beiden Koalitionspartner, das zum Zeitpunkt des Endes der Antragsfrist nicht ansatzweise vorhergesehen werden konnte.
Im Einzelnen:
Seit Monaten wird der LAG Bündnisgrüner Christ*innen versichert, dass eine Entscheidung über die Einführung eines neuen gesetzlichen Feiertages für Berlin in diesem Jahr in der Koalition nicht mehr entschieden werde und ausreichend Zeit für einen Dialog mit der Zivilgesellschaft bleiben würde. Es werde daher genügen, wenn die LAG Bündnisgrüner Christ*innen Berlin ihren Antrag auf Einführung des Reformationstags (31.10) als neuen gesetzlichen Feiertag in Berlin auf der Frühjahrs-LDK 2019 stellen werde. Dies sei auch besser, weil die Herbst-LDK 2018 thematisch bereits übervoll sei.
Entgegen dieser Aussage haben die beiden anderen Koalitionspartner in der 46. Kalenderwoche 2018 Beschlüsse gefasst, dass nun der 8. März neuer gesetzlicher Feiertag in Berlin und die Beratungen im Parlament dazu sofort beginnen sollen. Die Bündnisgrüne Abgeordnetenhausfraktion hat sich dieser Terminplanung in ihrer Sitzung am Dienstag, den 20.11.2018 angeschlossen.
Dementsprechend wird das Parlament aller Wahrscheinlichkeit nach noch vor der Frühjahrs-LDK 2019 eine Entscheidung über die Feiertagsfrage fällen. Somit besteht für die LAG Bündnisgrüner Christ*innen Berlin bei der Herbst-LDK 2018 die letzte Chance,über ihren Antrag für einen neuen gesetzlichen Feiertag auf einer LDK abstimmen zu lassen.
Begründung des Antrags
Mit diesem Antrag greift die LAG die Gesetzgebungsinitiativen aus drei norddeutschen Bundesländern (Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein) mit grüner Regierungsbeteiligung auf, die alle am Anfang dieses Jahres die Einführung des Reformationstags als gesetzlichen Feiertag beschlossen haben bzw. es noch beabsichtigen. Zudem will sich auch Niedersachen dieser Initiative anschließen. Zudem haben alle ostdeutschen Bundesländer (Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg) bereits seit Längerem den Reformationstag zum gesetzlichen Feiertag erklärt.
Warum also auch Berlin:
Die Berliner Stadtgeschichte ist durch die Impulse der Reformation nachhaltig geprägt worden.
Reformation in Berlin bedeutet auch immer die jahrhundertlange Einwanderung von Glaubensflüchtlingen in unsere Stadt. Untrennbar ist dies mit dem Potsdamer Edikt vom 29. Oktober 1685 (Potsdamer
Toleranzedikt) verbunden. Durch dieses Edikt erlaubte der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm, im Gegensatz zur evangelisch-lutherischen Bevölkerungsmehrheit selber Calvinist, den Hugenotten aus Frankreich, sich in Brandenburg niederzulassen. Die Neuankömmlinge führten schon damals zu einer Pluralität und Vielfalt der Bekenntnisse. Bis heute ist diese sichtbar. Im Vergleich zu anderen Bundesländern hat Berlin eine besonders vielfältige Glaubens- und Weltanschauungslandschaft. Außer der evangelischen Landeskirche und dem Berliner Erzbistum besitzen noch mehr als zwei Dutzend Freikirchen und weitere Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften in Berlin den Körperschaftsstatus. All dies steht ebenso in direkter Verbindung mit der Reformation wie die sprichwörtliche Berliner religiöse Toleranz, wonach jeder nach seiner Fasson selig werden soll.
Gerade in Zeiten, wie den heutigen, ist die Rückbesinnung auf solche Stadttraditionen der religiösen Toleranz und der Aufnahme von Flüchtlingen wichtig und kann durch die Reformation als gesetzlichem Feiertag zum Ausdruck gebracht werden.
Unabhängig von religiösen oder konfessionellen Überzeugungen ist die Reformation ein Wendepunkt in der Geschichte Europas. Sie ist ein historisches Ereignis, das für einen Aufbruch in vielen gesellschaftlichen Bereichen steht. Sie war eine frühe Emanzipationsbewegung. Indem Luther im Gottesdienst die deutsche
Sprache einführte, wurden die Gottesdienste verständlich und die Menschen konnten zum ersten Mal die Predigten hinterfragen. Dies war ein epochaler Paradigmenwechsel zu einer selbstbestimmten Religiosität und zur gesellschaftlichen Aufklärung insgesamt. Die Idee des „Ich“ und des Menschen als vernunftbegabtem Wesen erfuhr hierdurch einen ersten Durchbruch, wenn auch vorerst nur im Bereich der Religion. Aber es war eine bedeutende Wegmarke in der gesellschaftspolitischen Entwicklung Europas und damit auch in Deutschland, die heute in unsere modernen und aufgeklärten Rechtsstaaten führte.
Reformation ist auch mit einer technischen Revolution untrennbar verbunden, nämlich dem Buchdruck. Durch den Buchdruck wurden Bücher für eine breitere Allgemeinheit erschwinglich und dies führte zu einer Demokratisierung des Wissens.
Reformation steht für gesellschaftliche Umwälzung, Revolution und das Hinterfragen des Bestehenden. Und auch die Reformation selbst wurde in diesem Bewusstsein hinterfragt.
Dass Reformationsfeiern und die Aufarbeitung der dunklen Seiten von Luthers Lehre kein Widerspruch sind, hat die Art und Weise gezeigt, wie die evangelische Kirche im letzten Jahr 500 Jahre Reformation begangen hat. Luthers Antisemitismus wurde ebenso benannt wie dessen Folgen und der zeitgeschichtliche Kontext. Zudem zeigen die vielen ökumenischen und interreligiösen Veranstaltungen im Reformationsjubiläum,
dass die Rückbesinnung auf diese im 21. Jahrhundert auch immer verbunden sein wird mit einem interreligiösen Brückenschlag.