Veranstaltung: | LDK 2018 |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 9 Weitere Anträge |
Antragsteller*in: | Petra Vandrey (KV Charlottenburg Wilmersdorf) u.a. |
Status: | Eingereicht |
Beschlossen am: | 28.03.2018 |
Eingereicht: | 03.04.2018, 10:14 |
V-03: Coparenting stärken, Beratung für Eltern in Trennungskonflikten ausbauen!
Antragstext
Coparenting stärken, Beratung für Eltern in Trennungskonflikten ausbauen!
Die Landesdelegiertenkonferenz möge beschließen:
Der Landesverband von Bündnis 90/ Die Grünen begrüßt die aktuelle Position der BAG Kinder
Jugend Familie sowie der Berliner AG Kinder Jugend Familie, die gemeinsame Elternschaft
(„Coparenting“) getrennter Eltern zu stärken, jedoch kein bestimmtes Betreuungsmodell zu
standardisieren. Um Berliner Eltern und ihre Kinder im Trennungsfalle zu stärken und
individuelle Betreuungslösungen zu unterstützen, fordert der Landesverband Bündnis 90 / Die
Grünen einen Ausbau des Beratungsangebots der Jugendämter und Familienberatungsstellen in
Berlin.
Individuelle Betreuungsmodelle fördern, kein Betreuungsmodell verordnen!
Anzustreben ist, Kindern nach Trennung der Eltern beide Elternteile soweit wie möglich zu
erhalten. Welches Betreuungsmodell jeweils das Richtige ist, kann nur individuell
entschieden werden. Hierbei ist es wichtig, nicht nur das Residenzmodell oder das exakt
paritätische Wechselmodell („halbe/halbe“) in Betracht zu ziehen, sondern auch andere
Betreuungsmodelle (40/60 % etc). Wir lehnen die Einführung eines bestimmten
Betreuungsmodells im BGB als Standardmodell ab. Politischen Bestrebungen, das Wechselmodell
als gesetzlichen Regelfall zu standardisieren, treten wir entgegen.
Wille des Kindes berücksichtigen!
Wir setzen uns für eine stärkere Berücksichtigung des Kindeswillens bei Wahl des
Betreuungsmodells ein. Das Kind als Träger eigener subjektiver Rechte hat einen eigenen
Willen, den es zu berücksichtigen gilt. Wir begrüßen, dass Kindern in familienrechtlichen
Verfahren zunehmend Verfahrensbeistände beigeordnet werden, um den ihren Willen im
familiengerichtlichen Verfahren zu ermitteln und zur Geltung zu bringen. Das Wohl des
individuell betroffenen Kindes muss alleiniger Entscheidungsmaßstab sein. Maßstab für die
Wahl des Betreuungsmodells kann dagegen nicht eine „Verteilungsgerechtigkeit“ zwischen den
Elternteilen sein.
Es muss berücksichtigt werden, dass von einem Kind, das zwischen den Haushalten seiner
Eltern pendelt, eine enorme Anpassungsleistung verlangt wird. Das Kind muss nicht nur mit
der Organisation seines Alltags in zwei verschiedenen Haushalten klarkommen und immer genau
im Voraus planen, welche Dinge es in welcher Woche zum Beispiel für die Schule benötigt. Es
muss auch mit wechselnden Erziehungsstilen umgehen; wenn neue Partner der Elternteile
hinzukommen, auch mit dem Wechsel von ganz unterschiedlichen Familienkonstellationen. Das
kann im besten Falle bereichernd sein, es kann aber auch mit sehr viel Anstrengung für das
Kind verbunden sein, das sich ständig zwischen zwei familiären Zusammenhängen umstellen
muss. Gelingen wird dies in den allermeisten Fällen nur, wenn sich beide Elternteile
inklusive der eventuell neu hinzukommenden Partner freundlich gegenüberstehen, die
Kommunikation gut funktioniert und alle Beteiligten das Wechselmodell mittragen. Nur in
Ausnahmefällen sollte das Wechselmodell gegen den Willen eines Elternteils angeordnet werden
können, beispielsweise bei völlig sachwidriger Blockade eines Elternteils.
Dies entspricht bereits der jetzigen Rechtslage. Die hierfür maßgebliche BGH-Entscheidung
von Februar 2017 etabliert nicht ein Wechselmodell als Regelfall, sondern stellt gerade auf
den Einzelfall ab. Dies ist sachgerecht. Diese Orientierung am Einzelfall sollte nicht
aufgegeben werden, indem das Wechselmodell als Regelfall gesetzlich eingeführt wird. Denn
dadurch bestünde die Gefahr, dass Entscheidungen zur Betreuung eines Kindes nicht mehr
kindeswohlzentriert sind, sondern Elternrechte im Vordergrund stehen. Es darf aber nicht
darum gehen, ein Kind gerecht zwischen den Eltern zu verteilen, sondern die beste Lösung für
das betroffene Kind zu finden.
Beratungsangebot ausbauen! Beratungstermine in Berliner Jugendämtern binnen vier Wochen
gewährleisten!
Um ein dem Kindeswohl entsprechendes Modell ohne Hilfe des Familiengerichts zu vereinbaren
braucht es eine gute Kommunikation der Elternteile. Da gute Kommunikation gerade im
Trennungsfall oft schwierig ist, muss für Eltern ein qualifiziertes Beratungsangebot zur
Verfügung stehen. Beratungstermine beim Jugendamt, einer Erziehungsberatungsstelle oder
einem qualifizierten freien Träger muss es ohne lange Wartezeiten geben, damit sich die
Fronten der Eltern nach einer Trennung nicht immer weiter verhärten. Dies ist in Berlin
leider nicht Realität. Beratungstermine sind bei Jugendämtern und Beratungsstellen wegen der
herrschenden Personalknappheit oft wochenlang nicht zu bekommen.
Wir fordern, dass Elternteilen spätestens vier Wochen, nachdem sie sich bei einer
Beratungsstelle oder im Jugendamt gemeldet haben, einen Termin erhalten. Hierfür muss das
nötige Personal vorhanden sein. Elternkurse, die den Eltern den Blick auf das Kind schärfen,
sind zu fördern. Plätze für Kinder in Trennungskindergruppen muss es ohne lange Wartezeiten
geben.
Ein verbessertes Beratungsangebot für Familien in Trennungssituationen ist wichtig, um
familiengerichtliche Verfahren möglichst zu vermeiden und einvernehmliche Betreuungsmodelle,
bei denen das Kind im Fokus steht, zu unterstützen.
Weitere Antragsteller*innen:
Marianne Burkert-Eulitz (MdA), Torsten Wischnewski-Ruschin (LAG Bildung), Sebastian Serowy
(KV Steglitz Zehlendorf), Andrea Bossmann (LAG Frauen* und gender), Sandy Marschke (KV
Steglitz Zehlendorf), Oliver Gellert (KV Spandau), Wolfgang Schmidt (LAG Gesundheit und
Soziales)
Unterstützer*innen:
Lisa Paus (MdB), Martina Schmiedhofer (KV CharWilm), Herbert Nebel (KV CharWilm), Ingrid
Lienke (KV CharWilm), Parwin Kouloubandi (KV CharWilm), Mona Noe (Grüne Jugend), Leonie
Köhler (Grüne Jugend), Matthias Oomen (KV CharWilm), Christof Ebrecht (KV Mitte), Evgeniya
Gataulina (KV Mitte), Gollaleh Ahmadi (KV Spandau), Catherina Pieroth (MdA), Elfi Jantzen
(KV CharWilm), Daniela Billig (MdA), Christine Rabe (KV CharWilm), Daniela Ehlers (KV
Lichtenberg), Nicole Ludwig (MdA)
Änderungsanträge
- V-03-024 (Bernd Schwarz (KV Charlottenburg-Wilmersdorf, AG Kinder, Jugend und Familie), Eingereicht)