Konkretisierung.
Antrag: | Keine Klimagerechtigkeit ohne Geschlechtergerechtigkeit! |
---|---|
Antragsteller*in: | Georg P. Kössler (KV Neukölln) |
Status: | Geprüft |
Eingereicht: | 26.11.2019, 19:09 |
Antrag: | Keine Klimagerechtigkeit ohne Geschlechtergerechtigkeit! |
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Antragsteller*in: | Georg P. Kössler (KV Neukölln) |
Status: | Geprüft |
Eingereicht: | 26.11.2019, 19:09 |
1. AusGerade auch aus Geschlechtergerechtigkeitsperspektive müssen wir alles dafür tun, damit die mit dem Pariser Klimaabkommen festgelegte 1,5°C Grenze nicht überschritten wird! Dies ist auch weiterhin unser Ziel vor dem wir unsere eigenen Klimaschutzanstrengungen ständig überprüfen und weiter anpassen müssen.
Keine Klimagerechtigkeit ohne Geschlechtergerechtigkeit!
Zusammenfassung
Frauen*¹ sind weltweit am stärksten von den Folgen des Klimawandels betroffen, obwohl sie
durchschnittlich für weniger Treibhausgas-Emissionen verantwortlich sind als Männer*.
Gleichzeitig sind sie an Entscheidungen zur Bekämpfung der Klimakrise weniger beteiligt,
werden von aktuell geplanten Maßnahmen stärker belastet und von Kompensationen weniger stark
entlastet. So führt die Klimakrise dazu, dass die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern
weiter verschärft wird. Um dem entschieden gegenzusteuern, ist es unerlässlich, die Fragen
nach Klimaschutz und Klimagerechtigkeit immer auch im Zusammenhang mit
Geschlechtergerechtigkeit zu stellen.
Wir stecken in der größten Krise der Menschheit. Spätestens bei 2 °C globaler Erderwärmung
im Vergleich zur vorindustriellen Zeit werden Kipppunkte erreicht, die Kettenreaktionen
anstoßen, bei denen nicht mehr vorhergesagt werden kann, welche unumkehrbaren Folgen dies
für uns hat. Wir zerstören mit unserer aktuellen Lebensweise die Lebensgrundlage von
Menschen und Tieren. Trotz dieser Lage werden Emissionsgrenzwerte, die auf der
Klimakonferenz in Paris 2015 vereinbart wurden, leichtsinnig von einem Großteil der
Entscheidungsträger*innen ignoriert.
Ursachen der Klimakrise, patriarchale Strukturen und toxische Männlichkeit
Männer* haben im Durchschnitt einen größeren CO2-Abdruck als Frauen*. Sie haben einen
höheren Stromverbrauch, einen höheren Fleischkonsum sowie ein klimaschädigenderes
Mobilitätsverhalten. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Männer* meist über höheres
Einkommen verfügen (Stichwort Gender Pay Gap) und dieses oft in ein als besonders "männlich"
inszeniertes (Konsum)Verhalten stecken, welches gleichzeitig besonders klimaschädlich ist.
Hinzu kommt, dass Frauen* dagegen insgesamt ein höheres Umweltbewusstsein haben und eher
dazu bereit sind, ihr Konsumverhalten zugunsten von Klima- und Umweltschutz einzuschränken.
So essen sie häufiger vegetarisch oder vegan und haben emissionsärmere Mobilitätsmuster.
Männer* profitieren in größerem Maße als Frauen* durch ihr Arbeiten und Wirtschaften und dem
dabei erwirtschafteten Einkommen und Vermögen von klimaschädlichen Industrien.
Energieerzeugung, Industrie, Verkehr, Gebäudewirtschaft und industrielle Landwirtschaft sind
für den Großteil des menschengemachten Klimawandels verantwortlich. Gerade in diesen
Branchen arbeiten und entscheiden überproportional viele Männer*.
Frauen* sind besonders von den Folgen der Klimakrise betroffen
Die Klimakrise verschärft bestehende soziale Ungleichheit. So sind bereits benachteiligte
Bevölkerungsgruppen, wie beispielsweise Menschen mit niedrigem Einkommen, Frauen* und Kinder
sowie Menschen im Globalen Süden maßgeblich stärker von den Folgen des Klimawandels
betroffen. Sie verfügen zudem über weniger Mittel sich zu davor schützen.
Frauen* verfügen durchschnittlich über ein geringeres Einkommen und somit über weniger
Ressourcen, um sich heute und zukünftig an die Herausforderungen einer sich erhitzenden Welt
anpassen zu können.Dazu gehören unter anderem Schutzmaßnahmen vor Hitze und
Extremwetterereignissen, steigende Wasserpreise oder der Schutz vor Krankheiten, die sich
infolge der Klimakrise stärker verbreiten.
Bei Umweltkatastrophen sterben oft bis zu viermal mehr Frauen*, weil sie sich häufiger zu
Hause aufhalten, wo es keine Frühwarnsysteme gibt, weil sie oft nicht nur für sich selbst
verantwortlich sind, sondern auch für weitere Personen wie Kinder oder ältere Verwandte oder
weil sie nicht schwimmen lernen durften. In Gegenden mit großer Trockenheit und mangelhafter
Infrastruktur führen längere Wasserwege dazu, dass zuallererst Mädchen* keine Bildung mehr
genießen dürfen.
Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen sind von männlichen* Perspektiven geprägt
Trotz der stärkeren Betroffenheit werden Frauen* oft nicht oder nur in geringem Maß in
Entscheidungsprozesse über Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen eingebunden. Dabei sind es
oft Frauen*, die sich in vorderster Reihe für Klima- und Umweltschutz einsetzen. Als
Beispiel seien indigene Frauen* genannt, die im Kampf gegen die fossile Energiewirtschaft
sogar tödliche Repressionen in Kauf nehmen.
Männer* sind in Gremien auf allen politischen Ebenen, in denen über Klimaschutz- und
Anpassungsmaßnahmen entschieden wird, stark überrepräsentiert. So hatten beispielsweise im
September 2015 bei Ratifizierung des PariserKlimaabkommens nur 18 von 193 Staaten (9,3
Prozent) eine Frau* als Regierungschefin im Amt. Das im März 2019 von der Bundesregierung
eingesetzte Klimakabinett zur Erreichung der Klimaschutzziele 2030 bestand nur zu einem
Drittel aus Frauen*. Auch im Ausschuss für Umwelt, Verkehr, Klimaschutz des Berliner
Abgeordnetenhaus sind lediglich vier von 22 Mitgliedern weiblich*. Der Vorsitzende des
Ausschusses sowie sein Stellvertreter sind beide männlich*.
Die ständige Unterrepräsentation von Frauen* in klimapolitischen Entscheidungsgremien hat
maßgebliche Auswirkungen auf die Ausgestaltung von Klimaschutzmaßnahmen und führt dazu, dass
männliche* Perspektiven durchweg stärker berücksichtigt werden.
Einfach die bestehenden Entscheidungsgremien mit mindestens 50 Prozent mit Frauen* zu
besetzen, reicht nicht aus. Menschliche Bedürfnisse werden derzeit überwiegend aus einem
männlich* geprägten markt- und konsumorientierten Wohlstandsmodell abgeleitet. Wir brauchen
jedoch eine von kapitalisitschen Denkmustern entkoppelte Analyse menschlicher Bedürfnisse.
Perspektiven von Frauen* müssen daher bei allen Maßnahmen systematisch analysiert und
berücksichtigt werden. Neben dem Geschlecht müssen weitere Merkmale struktureller
Diskriminierungen in den Blick genommen werden.
Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen drohen bestehende Ungerechtigkeiten zu verschärfen
Werden die Entscheidungen im Zusammenhang mit der Klimakrise aus Geschlechterperspektive
betrachtet, ist festzustellen, dass sich hier bestehende Ungerechtigkeiten wiederfinden und
größer zu werden drohen. Klimapolitische Maßnahmen, die auf die Reduzierung von
Haushaltsemissionen abzielen, benachteiligen Frauen*. Rentner*innen oder Alleinerziehende,
beides Gruppen in denen Frauen* besonders stark vertreten sind, werden etwa durch Erhöhungen
der EEG-Umlage (Erneuerbare Energien Gesetz) überproportional belastet.
Geschlechtergerechter sind entsprechend Maßnahmen, die auf die Reduzierung der Emissionen im
Verkehrssektor abzielen. In genau diesem Bereich geschah bisher jedoch am wenigsten für den
Klimaschutz. Im Gegenteil, von Förder- und Ausgleichsmaßnahmen, die derzeit im
Verkehrssektor durchgeführt werden und geplant sind, profitieren abermals überproportional
Männer*.
Eine E-Autoförderung kommt zum Beispiel vor allem Menschen zugute, die sich ein E-Auto
überhaupt leisten können. Statistisch sind das gehäuft weiße Akademiker*. Die aktuell durch
die Bundesregierung vorgeschlagene Erhöhung der Pendler*innenpauschale als Ausgleich zum
CO2-Preis ist ein weiteres Beispiel. Hiervon werden überwiegend Autopendler*innen mit
höherem Einkommen und solche, die in einem Normalarbeitsverhältnis angestellt sind,
profitieren. Auch dies sind deutlich überproportional häufig Männer*. Maßnahmen, die das
Umweltbundesamt für Genderwirkungen in der Klimaschutzpolitik als besonders endscheidend
ansieht, wurden dagegen in den vergangenen Jahrzehnten vollkommen vernachlässigt. Zu nennen
wäre hier beispielhaft der Ausbau von Infrastruktur und Service im öffentlichen Verkehr, im
Fuß- und Radverkehr, begleitet von Maßnahmen zur Reduktion des motorisierten
Individualverkehrs.
Eine weitere Folge männlich* geprägter Entscheidungen über Klimaschutz- und
Anpassungsmaßnahmen zeigt sich auf dem Arbeitsmarkt. Ein Großteil der Arbeitsstellen, die
durch Klimaanpassung neu entstehen und gefördert werden, fällt in Sektoren an, die von
Männern* dominiert werden.
Geschlechtergerechtigkeit bedeutet Klimaschutz
Eine weniger männer*zentrierte Klimapolitik ist nicht nur als gleichstellungspolitischen
Gründen dringend notwendig. Sie ist auch deutlich effizienter und wirksamer. Kommunen mit
einem hohen Wert beim Genderbewusstsein haben in Untersuchungen auch die höchste Punktzahl
bei der Bewertung ihrer Klimapolitik erhalten. Wenn nur männliche* Perspektiven in
Entscheidungsprozesse einfließen, werden Tätigkeiten, die eher männlich* konnotiert sind,
stärker berücksichtigt und gefördert. Um die Klimakrise als Gesellschaft zu bekämpfen,
können wir es uns nicht leisten die Ideen und die Tatkraft der Hälfte der Gesellschaft zu
ignorieren. Die weitreichenden Maßnahmen, die zur Eindämmung der Klimakrise umgesetzt werden
müssen, bieten gleichzeitig die Chance, bestehende Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern
systematisch anzugehen und gute wirksame Klimaschutzpolitik umzusetzen. Deshalb brauchen wir
dringend eine feministische Klimapolitik!
Daher fordern wir:
1. AusGerade auch aus Geschlechtergerechtigkeitsperspektive müssen wir alles dafür tun, damit die mit dem Pariser Klimaabkommen festgelegte 1,5°C
Grenze nicht überschritten wird! Dies ist auch weiterhin unser Ziel vor dem wir unsere eigenen Klimaschutzanstrengungen ständig überprüfen und weiter anpassen müssen.
2. Auf Bezirks-, Landes- wie auf Bundesebene setzen wir uns für den geschlechtergerechten
Klimavorbehalt ein. Eine Zustimmung zu Gesetzesvorhaben darf nur noch gegeben werden, wenn
dies erfolgt ist.
3. Frauen* müssen gleichberechtigt an Entscheidungsprozessen über Klimaschutz- und
Anpassungsmaßnahmen beteiligt werden. Deshalb müssen klimapolitische Entscheidungs- und
Beratungsgremien wie Klimaschutzbeauftragte und Klimabeirat auf allen Ebenen
geschlechtergerecht besetzt werden. Die Senatsverwaltungen für Umwelt, Verkehr und Klima
sowie für Stadtentwicklung und Wohnen sollen im ersten Schritt vorbildhaft sämtliche
Führungspositionen paritätisch besetzen und paritätisch in Bundesgremien entsenden.
4. Im Bundesrat soll darauf hingewirkt werden, dass alle Maßnahmen, die auf Bundesebene zum
Zweck des Klimaschutzes beschlossen werden sollen, auf Geschlechtergerechtigkeit geprüft und
bei Bedarf angepasst werden. Maßnahmen, die eindeutig Frauen* benachteiligen, kann nicht
zugestimmt werden.
5. Gender Mainstreaming und Gender Budgeting müssen im Umweltbereich konsequenter umgesetzt
werden. Bestehende klima- und umweltwirksame Politik muss systematisch auf
Geschlechtergerechtigkeit geprüft und falls nötig angepasst werden. Bei zukünftigen
Entscheidungen im Zusammenhang mit Klimaschutz müssen Analysemethoden zu Genderaspekten wie
Gender Impact Assessment, sozio-ökonomische Szenario-Analysen und Expert*innenbefragungen
verpflichtend werden. Es müssen effektive Kontroll- und Sanktionsmechanismen eingeführt
werden. Das Controlling muss von einer unabhängigen Stelle durchgeführt werden. Sämtliche
Verwaltungsmitarbeiter*innen müssen langfristig und fortwährend geschult werden. Bei
Beteiligungsprozessen ist darauf zu achten, dass durch entsprechende Ansprache und
Einbindung alle Geschlechter eingebunden werden.
6. Auf allen politischen Ebenen setzen wir uns für eine konsequente Einpreisung von umwelt-
und klimaschädlichem Verhalten sowie die Abschaffung umwelt- und klimaschädlicher
Subventionen ein. Dazu gehören zuvorderst die Einführung einer angemessenen CO2-Steuer auf
Bundesebene für die wir uns aus Berlin einsetzen und eine Prüfung von Subventionen des
Landes Berlin auf ihre Geschlechtergerechtigkeit.
7. Umwelt- und klimaschonendes Verhalten soll verstärkt gefördert werden. Beispiele hierfür
sind die Förderung von Unternehmensmodellen wie Second Hand und Wiederverwertung, die
Förderung von energiesparendem Verhalten, klimaschonender Ernährung und Mobilitätsverhalten
sowie eine Ausweitung von städtischen Angeboten an Share Produkten.
8. Berlin soll sich ihrer Verantwortung für die Klimakrise bekennen. Allen Menschen, die auf
Grund unserer Lebensweise ihr Zuhause verlieren, sollen durch den Klimapass Asyl in Berlin
bekommen. Der Klimapass für Berlin soll dabei vorrangig an Frauen* und ihre Familien
vergeben werden.
Konkretisierung.