Veranstaltung: | LDK am 28. Oktober 2020 |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 8 Verschiedenes |
Antragsteller*in: | Landesvorstand (dort beschlossen am: 19.02.2020) |
Status: | Zurückgezogen |
Eingereicht: | 21.02.2020, 17:02 |
L01: Bauen - Erwerben - Regulieren! Den Berliner Wohnungsmarkt neu ausrichten: Gemeinwohlorientiert, Ökologisch und Sozial
Antragstext
Berlin ist Mieterstadt und die Mehrzahl der Berliner*Innen ist auch aufgrund ihrer
Einkommenssituation auf bezahlbares Wohnen angewiesen. Doch immer mehr Wohnungsbestände
werden von institutionellen Investor*innen und Unternehmen erworben, deren Handeln
ausschließlich auf schnelle und maximale Gewinne ausgerichtet ist. Dies hat Mieten, Boden-
und Kaufpreise in unerträgliche Höhen getrieben und zerstört die Grundstrukturen der
Wohnversorgung unserer Stadt. Seit 2008 haben die innerstädtischen Grundstückspreise eine
Steigerung um über 900 Prozent erfahren und die Angebotsmieten sind im selben Zeitraum um
über 100 Prozent gestiegen. Das liegt auch daran, dass Berlin zu einer wachsenden Metropole
geworden ist. Auch wenn der Zuzug bereits abgeflacht ist, muss der Bestand an preiswerten
Wohnungen kontinuierlich und deutlich ausgebaut werden. Denn immer noch geht mehr
preiswerter Wohnraum dem Markt verloren, als neuer entsteht. Auch mit Blick auf steigende
Pendlerströme und zunehmenden Flächenverbrauch ist es nicht verantwortlich, dass Menschen,
die in Berlin wohnen wollen, ins Umland abgedrängt werden, nur weil hier die Mieten und
Wohnkosten unerschwinglich sind.
Wir wollen ein Berlin bauen, in dem die Berliner Mischung gewahrt bleibt, in dem Arm und
Reich gemeinsam im klimaneutralen EnergiePlus-Holzbauhaus leben können. Ein Berlin, das
genug Wohnungen für wohnungslose Menschen nach dem Prinzip “Housing First” zur Verfügung
stellt und in dem die Anzahl der Sozialwohnungen jährlich steigt statt zu sinken. Ein
Berlin, in dem Mieter*innen nicht ihren Vermieter*innen ausgeliefert sind, sondern alle auf
Augenhöhe miteinander agieren und die Kosten für die energetische Modernisierung gerecht und
fair aufgeteilt werden.
Für uns ist klar, es gibt nicht die eine Maßnahme, die ausreicht, diese Neuausrichtung
wirklich umzusetzen. Es bedarf eines Bündels an Maßnahmen, das sich insgesamt dem Ziel
verschreibt, den gemeinwohlorientierten Wohnungsmarkt nach Wiener Vorbild massiv auszubauen
und eine bedarfsgerechte Versorgung mit Wohnraum sicherzustellen. Derzeit befindet sich
gerade einmal 18 Prozent des Berliner Wohnungsbestandes in öffentlicher Hand. Der
Marktanteil der Genossenschaften liegt sogar nur bei 11 Prozent. Unser Ziel ist es, den
Anteil des gemeinwohlorientierten Wohnungssektors deutlich zu erhöhen sowie langfristig auf
über 50 Prozent zu steigern und der weiteren Verdrängung verantwortungsbewusster
Kleineigentümer*innen zugunsten von Finanzinvestorengesellschaften entgegenzuwirken.
Dieser Umbau muss Hand in Hand mit einem ökologischen Umbau bzw. einem klimaneutralen Neubau
geschehen, denn was wir heute bauen, renovieren oder instandhalten, wird für die nächsten
Jahrzehnte bestehen bleiben. Nach wie vor sind Gebäude und vor allem die Wärmeerzeugung der
größte CO2-Erzeuger in Berlin. Über 40 Prozent des in Berlin erzeugten CO2 gehen auf den
Gebäudesektor zurück. Sowohl die soziale Frage des Wohnens als auch die ökologische Frage
des Klimaschutzes lassen sich nur beheben, wenn wir beides gleichzeitig angehen und nicht
das eine gegen das andere ausspielen.
Für uns gilt: Wohnungsbaupolitik und Wohnungsbestandspolitik gehören zusammen. Sich
einseitig auf Baupolitik zu konzentrieren, hilft den Wohnungssuchenden, aber nicht den
Mieter*innen, die von dreisten Mietsteigerungen, Eigentumsumwandlung und
Modernisierungsschikanen betroffen sind. Unser wohnungspolitischer Dreiklang bleibt daher:
BAUEN – ERWERBEN – REGULIEREN.
BAUEN heißt für uns Grüne bezahlbares, soziales und ökologisches Bauen mit nachhaltiger
Qualität. Das überwiegend auf Kapitalverwertung angelegte Bauen der letzten Jahre hat dazu
nur wenig beigetragen. Es richtet sich meistens an privilegierte Schichten aus aller Welt,
aber ist bisher nicht am Bedarf der Berliner*innen ausgerichtet. Wir setzen nicht allein auf
öffentliche Wohnungsunternehmen bzw. staatlichen Wohnungsbau, sondern werden auch Bündnisse
und Kooperationen mit allen Akteur*innen auf dem Wohnungsmarkt schließen, die klimagerechte
und gemeinwohlorientierte Ziele verfolgen. Besonders die Genossenschaften aber auch andere
gemeinwohlorientierte Vermieter*innen sowie Baugruppen und selbstnutzende Eigentümer*innen-
Gruppen wollen wir fördern und ihnen Grundstücke bereitstellen.
Das ERWERBEN und REGULIEREN umfasst die zentralen Instrumente unserer Bestandspolitik, um
Wohnungs- und Gewerbemieter*innen so gut wie möglich zu schützen. Die rot-rot-grüne
Koalition steht in der Pflicht alle verfügbaren Rechtsinstrumente zu nutzen, um der
grassierenden ‘Finanzialisierung’ von Mietshäusern zu begegnen. Mit dem Mietendeckel, dem
vermehrten Ziehen des Vorkaufsrechtes, der Ausweitung der Milieuschutzgebiete und der
Verschärfung des Zweckentfremdungsverbotes sind wir schon viele Schritte in Richtung
Gemeinwohlorientierung gegangen. Dies ist notwendig, weil der Markt eben nicht freiwillig
bedarfsgerechte Angebote geschaffen hat, sondern viele Marktteilnehmer*innen sogar
ausschließt. Nur wenn die öffentliche Hand und der gemeinwohlorientierte Wohnungsmarktsektor
ausreichend Wohnraum zur Verfügung stellen, kann eine soziale und bedarfsgerechte
Wohnraumversorgung nach Wiener Vorbild garantiert werden. Uns ist durchaus bewusst, dass
auch in Wien nicht alles wohnungspolitisch rund läuft. Dies liegt aber vor allem am
löchrigen Mietrecht Österreichs und der jahrelangen Vernachlässigung des Neubaus in Wien,
nicht an der gemeinnützigen Ausrichtung des Wohnungsmarktes.
Vom Bund fordern wir, dass er seine wohnungspolitische Arbeitsverweigerung ablegt und
seinerseits Artikel 14 (2) Grundgesetz wirklich ernst nimmt, allen Grundeigentümer*innen die
notwendige Mitverantwortung für das Allgemeinwohl abverlangt und insbesondere den
Finanzmarkt getriebenen Investor*innen und Aktiengesellschaften klare Grenzen setzt.
Die Notwendigkeit, den Berliner Wohnungsmarkt neu auszurichten, ist umso größer, da in den
letzten Jahrzehnten grundlegende wohnungspolitische Fehlentscheidungen getroffen wurden. Die
Wohnungsgemeinnützigkeit wurde auf Bundesebene 1990 von Schwarz-Gelb abgeschafft, was der
Privatisierung vieler vormals gemeinnütziger Wohnungen durch Bund, Länder und einige
Kommunen Tür und Tor öffnete. Dies muss auf Bundesebene dringend mit der Einführung einer
neuen Wohngemeinnützigkeit korrigiert werden. Zudem rächt sich der Verkauf vieler
städtischer Wohnungen durch die damaligen Landesregierungen in Berlin heute bitterlich. Dies
war ein großer Fehler. Wir arbeiten nun daran, ihn zu beheben. Auch die Förderung des
sozialen Wohnungsbaus – die sog. Anschlussförderung – wurde eingestellt. Die Sozialbindungen
der meisten ehemaligen Sozialwohnungen sind ersatzlos ausgelaufen bzw. wurden sogar
frühzeitig abgelöst. Auch dieser politische Fehler ist heute umso schwerer zu korrigieren.
1. Bauen wir das neue Berlin – gemeinwohlorientiert und nachhaltig
Auch wenn Berlin allmählich immer weniger wächst, ist der rasante Anstieg der Berliner
Bevölkerung in den letzten Jahren ein Faktor für die hohen Mietpreise. Seit 2008 stieg die
Zahl der Einwohner*innen um mehr als 10 Prozent. Es ist völlig klar: Berlin braucht mehr
Wohnraum – und darum bauen wir Wohnraum. Als Grüne sind wir treibende Kraft dabei, den
Neubau voran zu bringen, und Berlin steht gut da. Zuletzt sind in der Hauptstadt jährlich
drei Mal so viele Wohnungen entstanden wie noch vor zehn Jahren. Im bundesdeutschen Schnitt
entstehen in den Städten ca. 35 neue Wohnungen je 10.000 Einwohner*innen jährlich – in
Berlin sind es jährlich 46 neue Wohnung je 10.000 Einwohner*innen. Damit steht Berlin weit
besser da als die meisten anderen Städte in Deutschland. Klar ist aber auch, dass noch mehr
geht. Der Neubau im rot-grün regierten Hamburg geht noch schneller als in Berlin. Das ist
Ansporn für unsere Arbeit. Den Neubau weiter voranzutreiben ist weiter unerlässlich. Es muss
aber der richtige Neubau sein und nicht wie bisher ein zu weiten Teilen hochpreisiges
Angebot, das weite Teile der Berliner Bevölkerung davon ausschließt. Daher setzen wir uns
für einen möglichst hohen Anteil an Mietwohnungen im Neubau ein, da Eigentumswohnungen für
einen Großteil der Berliner*innen nicht finanzierbar sind.
1.1. Effizienter ans Ziel
Bei den größeren geplanten Neubauquartieren müssen die planungsrechtlichen
Steuerungsinstrumente verbessert werden. Dazu sollte die Wohnungsbauleitstelle bzw.
Taskforce Stadtquartiere zusammen mit den Bezirken und zuständigen Senatsverwaltungen bei
jedem Gebiet weitere Beschleunigungsmaßnahmen prüfen. Ein qualifiziertes Projektmanagement
für die Koordination der jeweiligen Umsetzung muss beauftragt werden und teilweise auch ein
umsichtiges Quartiersmanagement für den größeren Einzugsbereich, das sich um
Bürger*innenbeteiligung und nachbarschaftliche Bedürfnisse und Sorgen im gesamten Prozess
der Stadtteilentwicklung kümmert.
Diskussionen wie die rund um das Tempelhofer Feld suggerieren oft, es mangle in Berlin
einfach nur an Bauflächen oder Potenzial zur Nachverdichtung oder zum höheren Ausbau – dies
ist jedoch nicht der Fall. Wir haben vor allem ein Problem in der Umsetzung der
Baumaßnahmen. Um den Bau von Wohnraum zu beschleunigen, gilt es, nicht monokausal
vorzugehen: Oft fehlt es am bezirklichen Personal, an Anreizen, Mehrfachnutzungen von
Grundstücken und Gebäuden trotz komplexer Planung umzusetzen, und an angebotenen
Baukapazitäten.
1.2. Klimaneutral bauen – Grün in der Stadt erhalten
Das, was wir heute bauen, muss den höchsten ökologischen Standards genügen, muss den Zielen
des Pariser Klimaabkommens entsprechen und gleichzeitig finanziell erschwinglich bleiben.
Dafür gibt es viele gute Beispiele. Unser Ziel ist es daher, dass alle 14 neuen
Stadtquartiere, die derzeit in Planung sind, klimaneutral gebaut werden müssen. Dazu gehören
nachhaltige, wiederverwendbare Baustoffe und innovative Lösungen für den Verbrauch und die
Erzeugung von Energie, wie z.B. der EnergiePlus Standard. Wir fordern, dass ein Fonds für
“Experimentelles Bauen” eingeführt und mit mindestens 50 Mio. Euro pro Jahr ausgestattet
wird. So wollen wir es ermöglichen, z.B. neue ökologische und soziale Bauarten wie
gemeinschaftliche Wohnformen mit flexiblen Grundrissen in Holz- und Lehmbauweise
auszuprobieren und dennoch niedrige Mieten anbieten zu können. Viele Städte machen es
bereits vor.
Für Bündnis 90/Die Grünen Berlin steht fest, dass trotz des nötigen Neubaus die
Leistungsfähigkeit der Ökosysteme auch in der Stadt erhalten und verbessert werden muss. Die
Versiegelung des Landes darf nicht weiter zu nehmen, im Gegenteil, es müssen sogar mehr
Flächen entsiegelt werden. Damit Wasser versickern, Luft ausgetauscht werden, Berlin
abkühlen kann und gesäubert wird, lebenswerte Quartiere und eine klimaresiliente Stadt
entstehen kann, braucht es Grünschneisen und Versickerungsflächen.
Wir setzen beim Bau neuer Gebäude und bei der Modernisierung auf gesunde und ökologische,
energieeffiziente, Umwelt und Klima schützende Dämm- und Baustoffe wie Hanf und Stroh, Holz,
Lehm, Naturstein oder Recyclingbeton. Die Kreislaufwirtschaft muss auch und gerade im
Bausektor das Maß aller Dinge werden. Damit Berlin auch weiterhin lebenswert für Spatz,
Schwalbe und Co. bleibt, wollen wir, dass Gebäudebrüter nach einer erfolgreichen Dach- bzw.
Fassadensanierung weiterhin ein Zuhause finden. Bei Neubauten wollen wir überdies dafür
Sorge tragen, dass auf jeden Neubau auch Solar-Anlagen angebracht werden. Hierfür wollen wir
eine Solarpflicht für den Neubau noch in dieser Legislatur einführen und mit einer
angemessenen Übergangsfrist auch für den Bestand. Auf Bundesebene setzen wir uns für eine
Reform des EEGs ein, welche die vollständige Belegung des Daches mit Solaranlagen wieder
wirtschaftlich rentabel macht und nicht wie derzeit zu einer Teilbelegung der Dächer führt.
Auch Fassadenbegrünungen und vertikale Gärten sollen zur Pflicht werden. Diese dienen nicht
nur der Kühlung der Gebäude insbesondere in den immer heißer werdenden Sommern, sondern sind
auch anziehend für die Tierwelt.
Um ökologisches und energetisch nachhaltiges Bauen zu fördern, werden wir die breiten
Erkenntnisse zur zeitgemäßen Bauweise in einem Informationszentrum für energetisches,
sozialverträgliches und nachhaltiges Bauen und Modernisieren öffentlich zugänglich machen.
Wir wollen mit dem im Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm vorgesehenen
Bauinformationszentrum erreichen, dass eine breite Beratung von Eigentümer*innen,
Architekt*innen und Planungs- und Bauexpert*innen sichergestellt wird.
1.3. Raum-Potenziale nutzen
Das Prinzip der Schwammstadt, wie es zum Teil in Berlin schon verwirklicht wird, soll
verstärkt zum Einsatz kommen. Für uns gilt der Grundsatz: Wenn Berlin wächst, muss das Grün
auch mitwachsen. Daher sprechen wir uns gezielt für Nachverdichtungen aus. In der Innenstadt
sind die Blockinnenbereiche oftmals zu ungepflegten Fahrzeug- und Müllabstellflächen
verkommen. Diese können eine wichtige ökologische Funktion wahrnehmen und gleichzeitig den
Wohnwert deutlich erhöhen. Im Kontext einer solchen Aufwertung von Blockinnenbereichen sind
auch behutsame Nachverdichtungen der Baulichkeiten im Einzelfall möglich, sofern nicht
bereits eine Unterversorgung mit wohnungsnahen Grünflächen besteht.
Wir wollen den Bau von Wohnungen über Eingeschossern wie Supermärkte, Baumärkte oder
Schulen, wir wollen mehr in die Höhe bauen, verschiedene Nutzungen klug stapeln und so
Grünflächen, Parks, Kleingärten, die Berliner Forsten und andere grüne Oasen erhalten und
neue schaffen.
Neue Siedlungen müssen Flächensparend geplant und mit der geringstmöglichen Versiegelung
umgesetzt werden. Reine Einfamilienhaussiedlungen sind daher nicht sinnvoll. Für bestehende
Siedlungen geringer Dichte streben wir perspektivisch eine maßvolle Verdichtung an. Damit
die Stadt der kurzen Wege Wirklichkeit wird und die Nahversorgung mit Gütern und
Dienstleistungen gut funktioniert, brauchen wir abgestimmte Verkehrs- und Zentrenkonzepte
sowie eine kleinräumige Nutzungsmischung, die Wohnen und Arbeiten zusammenbringt und keine
neuen Schlafstädte entstehen lässt.
1.4. Die Mischung macht’s!
Entscheidend ist und bleibt für uns, dass die Berliner Mischung, also eine ausgewogene
soziale Durchmischung im Kiez und im Wohnhaus selbst, erhalten bleibt. Daher werden wir bei
Neubauten sukzessive den Anteil der günstigen Wohnungen erhöhen. Das Ziel, bis 2021 die Zahl
der jährlich neu geförderten Sozialwohnungen durch das Landesprogramm insgesamt auf 5.000 zu
steigern, halten wir für nicht ausreichend. Diese gilt es nochmal deutlich aufzustocken. Wir
wollen die Förderung verdoppeln und die Dauer der Sozialbindungen von 40 Jahren ausweiten.
Die Genossenschaftsförderung von 25 Millionen Euro für die nächsten beiden Jahre ist alles
andere als ein klares Bekenntnis an die Genossenschaften. Wenn man will, dass diese ihr
Potential von 5.000 bis 6.000 Neubauwohnungen pro Jahr ausschöpfen, müssen diese auch
deutlich stärker finanziell gefördert werden. Wir sehen darin eine große Chance für Berlins
Wohnungspolitik.
Wenn Investor*innen neues Baurecht erhalten, schöpfen viele Kommunen einen Teil der
Bodenwertsteigerung ab. Wir fordern, den Anteil des sozialen Wohnungsbaus zukünftig nicht
nur bei neu ausgewiesenen Bebauungsplänen festzuschreiben, sondern auch wenn bereits
bestehendes Baurecht für Bauvorhaben genutzt wird. Es muss möglich werden, auch dann einen
verbindlichen Anteil von preis- und belegungsgebundenen Wohnungen festzuschreiben. Dazu
braucht es bundesgesetzliche Regelungen, die es den Kommunen mit angespanntem Wohnungsmarkt
ermöglichen, Investor*innen zu verpflichten, immer mindestens 30 Prozent des Neubaus für
niedrigpreisigen Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Das sog. Berliner Modell der
Kooperativen Baulandentwicklung sollte außerdem nach Freiburger Vorbild so ausgebaut werden,
dass bei der Vergabe von Baurecht für Private der Anteil geförderten Wohnraums bei 50
Prozent liegt. Um den Verlust von preis- und belegungsgebundenen Wohnungen schneller zu
kompensieren, sollte der Anteil auf landeseigenen Flächen in der Regel bei 60 Prozent
liegen. Leistungslose Bodenwertsteigerungen – sei es zum Beispiel durch Umwidmungen von
einem Gewerbe- in ein Wohngebiet – wollen wir zukünftig komplett abschöpfen und dem
Gemeinwohl zukommen lassen. Hier ist der Bund gefordert, endlich seine Blockadehaltung
aufzugeben und sinnvolle Regelungen zu erlassen.
Um den Wohnungsmarkt dauerhaft zu entlasten und umzubauen, brauchen wir aber dringend wieder
dauerhafte Bindungen durch eine neue Wohngemeinnützigkeit. Unser Ziel ist, nach dem Vorbild
des Wiener Modells, die Schaffung von dauerhaften Sozialbindungen nach dem Prinzip: einmal
gefördert, immer gebunden. Wir wollen auf Bundesebene eine neue Wohngemeinnützigkeit wieder
einführen und prüfen, inwieweit wir diese auch auf Landesebene etablieren können. Auch
vorhandene gemeinnützige Strukturen wie soziale und kulturelle Träger sollen in die Lage
versetzt werden, sich am Berliner Wohnungsmarkt als aktive Akteure zu beteiligen. Auch
Mischnutzungen aus Gewerbe und Wohnen sollen zukünftig finanziell gefördert werden. Dazu
wollen wir eine neue Förderrichtlinie für Berlin einrichten. Gerade soziale und kulturelle
Träger und Stiftungen würden gerne mehr Wohnraum und unterschiedliche Wohnformen zur
Verfügung stellen – sowohl durch Neubau als auch durch die Anmietung von Bestandsgebäuden.
Wir wollen wie im Koalitionsvertrag vereinbart ein Generalmietermodell für diese Träger
entwickeln mit dem Ziel, dass das Land Berlin dauerhaft vergünstigt Wohn- bzw. Gewerberaum
vergibt. Wir werden ein Konzept dafür erarbeiten und dabei auch die Erfahrungen mit der GSE
einfließen lassen.
Darüber hinaus müssen wir den Spielraum des Mietendeckels jetzt nutzen und neben dem
deutlichen Ausbau der Neubauförderung sowohl gezielt Grundstücke erwerben als auch Baugebote
aussprechen. Seit längerer Zeit besorgt uns, dass immer mehr Flächen nicht bebaut werden und
stattdessen mit Baugenehmigungen auf (leistungslose) Bodenwertsteigerungen spekuliert wird.
Aber die Entwicklung dieser Flächen wäre enorm wichtig für die Mieterstadt Berlin. Durch die
Anwendung von Baugeboten, Ausweitung von Vorkaufsrechten sowie den strategischen Ankauf von
Grundstücken können neue Spielräume erarbeitet werden. Sollte dennoch auf absehbare Zeit
keine angemessene Bebauung gewährleistet werden, sollten Enteignungen von unbebauten Flächen
erfolgen.
Rot-Rot-Grün hat es sich zum Ziel gesetzt, dass bis 2030 jede zweite Neubauwohnung im
gemeinwohlorientierten Segment entstehen wird. Der bisherige Genossenschaftsdialog ist an
fehlenden konkreten Handlungen und Zusagen durch den Senat gescheitert, dies muss sich
grundlegend ändern. Nur ein verbindliches Bündnis mit den Gemeinwohlorientierten, das die
politischen Rahmenbedingungen und beidseitige Verbindlichkeit schafft, kann hier den
notwendigen Paradigmenwechsel einläuten. Auch hieran wird deutlich, dass der Boden der
Schlüssel für eine gemeinwohlorientierte und soziale Stadtentwicklungspolitik ist.
1.5. Mit Boden nicht spekulieren, sondern Berlins Zukunft gestalten
Berlins Liegenschaftspolitik muss transparent, demokratisch sowie an ökologischen und
sozialen Kriterien ausgerichtet sein. R2G hat mit dem faktischen Verkaufs-Stopp von
öffentlichen Liegenschaften, der sog. Clusterung der im öffentlichen Eigentum verbliebenen
Grundstücke und dem Aufbau einer strategischen Flächenbevorratung erste Grundlagen dafür
geschaffen. Doch es bleibt viel zu tun, um nicht nur den vorhandenen Bedarfen gerecht zu
werden, sondern die Bodenpolitik zu einem zentralen Instrument für eine ökologisch-soziale
Stadtentwicklung weiterzuentwickeln. Rot-Rot-Grün hat vereinbart, die transparente, neue
Liegenschaftspolitik, die unter der Vorgängerregierung eingeläutet wurde, weiter konkret
umzusetzen. Das Versprechen einer transparenten Liegenschaftspolitik ist aber immer noch
nicht eingelöst. Hinzu kommt, dass die Öffentlichkeit und das Abgeordnetenhaus keine
komplette Übersicht über Berlins Bodenbesitz haben. Wir fordern deshalb ein öffentliches
Liegenschaftskataster, in dem alle öffentlichen Grundstücke verzeichnet sind. Auch die
Beteiligung der Zivilgesellschaft ist für uns ein hohes Gut. Daher sollte ein “Rat für die
Räume” als beratendes Gremium bei Grundstücksvergaben wie auch -ankäufen eingerichtet
werden. Zudem unterstützen wir die Einrichtung einer Koordinierungsstelle für
Konzeptvergaben und als Weiterentwicklung des Runden Tisch Liegenschaftspolitik, die helfen
soll, interessierte Bauträger*innen zu beraten.
Die Liegenschaftspolitik des Senats braucht neuen Schwung und zügiges Handeln auf der
Grundlage von Konzeptvergaben und Erbbaurechten. Zwar wurde ein Paradigmenwechsel weg vom
Verkauf eingeläutet, jedoch gab es seit 2016 kaum solche Verfahren bzw. gibt es für Berlin
immer noch kein zügiges, transparentes und niedrigschwelliges Vergabeverfahren von
Grundstücken im Erbbaurecht. Dabei machen es Städte wie München längst vor: günstige
Konditionen durch niedrige Grundstückskosten (das sog. Residualwertverfahren) und einen
verträglichen Erbbaurechtszins für eine lange Nutzungsdauer von 99 Jahren. Nur wenn die
gemeinwohlorientierten Bauträger preiswerte Grundstücke von Berlin zur Verfügung gestellt
bekommen, können wir eine starke gemeinwohlorientierte Wohnungswirtschaft schaffen und
Nachhaltigkeitskriterien über das gesetzliche Maß hinaus durchsetzen. Wir fordern den Senat
auf, endlich konsequent zu handeln.
Die Gespräche mit dem Bund über einen Erwerb seiner BImA-Liegenschaften und des
Bundeseisenbahnvermögens in Berlin müssen intensiviert werden. Wir erwarten, dass die
Bundesregierung dabei den Verkehrswert zugrunde legt, nicht einen spekulationsgetriebenen
Marktwert. Zugleich sollte der öffentliche Grundstücksbestand so gut wie möglich vor seiner
Veräußerung geschützt werden – auch als Lehre aus der Vergangenheit. Wir setzen uns deshalb
weiterhin für eine Privatisierungsbremse mit Verfassungsrang ein.
Nach dem Vorbild der Stadt Basel wollen wir einen Berliner Bodenfonds einrichten und
fördern. Das Sondervermögen Daseinsvorsorge (SODA) soll dazu mittelfristig zu einem Berliner
Bodenfonds umfunktioniert werden. Gleichzeitig wird Berlin noch in diesem Jahr eine
Grundstückerwerbsgesellschaft gründen, die kreditfinanzierte Ankäufe tätigen kann. In beiden
Fällen bleiben wichtige Rahmenbedingungen und diverse Details zu klären. Schon heute ist das
SODA sowie die Art und Weise, wie die darin von der BIM verwalteten Grundstücke bewertet,
bewirtschaftet und vergeben werden, eine Art Black Box. Wir Grünen wollen hier mehr
Transparenz und parlamentarische Mitsprache. Hohe Wertgrenzen für einen Parlamentsvorbehalt
bei Vermögengeschäften lehnen wir ab. Die Steuerungsfähigkeit des Landes Berlin ist über
ihre Rolle als Grundeigentümer wesentlich höher als allein mit planungsrechtlichen
Instrumenten. Deshalb ist dem kommunalen Zwischenerwerb und der strategischen
Bodenbevorratung Vorrang vor städtebaulichen Verträgen einzuräumen.
Wir wollen, dass beim Verkauf von Grundstücken die Kommunen selbst entscheiden können, ob
die Baugenehmigung noch weiterhin Gültigkeit hat oder ob die Kommune lieber neues Baurecht
vergeben will. Für das Gemeinwohl engagierte Akteur*innen aus der Zivilgesellschaft wie die
Stadtbodenstiftung sehen wir als unverzichtbare Partner*innen bei unseren Zielen, soziale
und bezahlbare Mieten zu sichern, Zusammenhalt und Solidarität sowie Partizipation und
Mitbestimmung zu fördern.
So deckt sich die Zielsetzung der Stadtbodenstiftung Berlin, Immobilien dem
profitorientierten Markt zu entziehen und in eine zivilgesellschaftlich gelenkte,
gemeinwohlorientierte Bewirtschaftung überzuführen, mit unseren Vorstellungen über eine
nachhaltige und gemeinwohlorientierten Bodenpolitik. Auch deshalb haben wir eine öffentliche
Anschubfinanzierung durch das Land Berlin durchgesetzt. Gemeinsames Ziel ist, Haushalte mit
niedrigem Einkommen und unterprivilegiertem Zugang zu Wohn- oder Gewerberaum zu ermöglichen,
aber auch Strukturen zu schaffen, mit denen die Entscheidungen über Boden und den sich
darauf befindenden Nutzungen und Gebäude zu demokratisieren. Die neugegründete Stiftung
kauft Immobilien und Boden. Darauf folgt eine Trennung. Die Stiftung behält den Boden, den
sie treuhänderisch als Gemeingut verwaltet. Die darauf befindlichen Gebäude werden dann im
Erbbaurecht für 99 Jahre an gemeinwohlorientierte Träger und Projekte (Genossenschaften,
selbstverwaltete Häuser, soziale Träger, Nachbarschaftsvereine oder andere Stiftungen)
vergeben.
Gleichzeitig muss der Kampf gegen die Spekulation mit Grund und Boden endlich auch zu
konkreten Ergebnissen führen: Ein effektives Verbot von sog. Share-Deals durch den
Bundesgesetzgeber ist überfällig, ebenso schärfere Maßnahmen gegen Geldwäsche auf dem
Immobilienmarkt. Wir Grüne wollen Kommunen ermöglichen, bei Grundstücksverkäufen selber
entscheiden zu können, ob eine Baugenehmigung weiter Bestand hat, auch um Spekulation etwa
durch Kettenverkäufe entgegenzuwirken. Aus den gleichen Gründen sprechen wir uns dafür aus,
die Einführung einer Grundsteuer für bebaubare Grundstücke zu prüfen.
2. Erwerben wir uns die Stadt zurück
Um die Berliner Mieter*innen dauerhaft zu schützen, bedarf es neben dem Neubau auch der
beiden weiteren Säulen – also mehr Wohnungen in den gemeinwohlorientierten Sektor zu
überführen und den Wohnungsmarkt stärker zu regulieren. Neben der historischen Verantwortung
ist auch der gezielte Rückkauf von ehemals landeseigenen Wohnungen notwendig, um Wohnraum
dauerhaft vor Spekulation zu schützen.
2.1. Vorkaufsrecht vorantreiben
Aus den Bezirken gehen wir hier mit großen Schritten voran und nutzen mit dem Vorkaufsrecht
ein über viele Jahre vergessenes Instrument des Baugesetzbuchs, Wohngebäude entweder selbst
zu erwerben und in staatliche oder genossenschaftliche Hand zu überführen oder mit der
Abwendungsvereinbarung die Vermieter*innen zu verpflichten, der Sozialpflichtigkeit
nachzukommen. Gerade für finanziell schwache Mieter*innen halten wir dieses Instrument für
einen großen Erfolg – wir wollen es deshalb weiter ausbauen und die Bezirke stärken, das
Vorkaufsrecht besser und einfacher handhaben zu können und von der Landesebene mehr
unterstützt zu werden. Dass dabei Rechtstaatlichkeit immer gewährleistet sein müssen, ist
für uns eine Selbstverständlichkeit. Wir fordern einen Fonds für den Ankauf für die Bezirke.
Wir wollen auch gemeinwohlorientierte Vermieter*innen und Genossenschaften vermehrt dafür
gewinnen, das Vorkaufsrecht zu nutzen, und dies weiter fördern. Dazu kann und sollte das
Land Berlin mit den interessierten Genossenschaften, Stiftungen oder dem Mietshäusersyndikat
eine Kooperationsvereinbarung schließen. Gerade bei Häusern, deren Bewirtschaftung
finanziell schwer ist, sollen durch Schaffung neuer Mietpreisbindungen für freiwerdende
Wohnungen Möglichkeiten des Ankaufs geschaffen werden. Zudem sprechen wir uns für die
Nutzung von Vorkaufsrechtsverordnungen für ganze Gebiete aus, die für eine soziale
Stadtentwicklung des Landes Berlin im Sinne der Bodensicherung hilfreich sind.
2.2. Ankauf verstetigen – Verkehrswert verbindlich machen
Ein zentrales Problem beim Ankauf von Grundstücken wie auch bei der Nutzung des
Vorkaufsrechts sind die explodierten Bodenpreise, aus denen sich der sog. Verkehrswert einer
Immobilie berechnet. Hier muss endlich die Bundesebene ran: Denn das Bundesbaugesetzbuch
schreibt bei der Verkehrswertermittlung vor, dass die Verkaufspreise von Veräußerungen der
direkten Nachbarschaft mit einfließen. Deshalb wollen wir, dass der Bund endlich dafür
sorgt, dass der Ertragswert einer Immobilie zählt und nicht die höchstmögliche Verwertung.
Der Kaufpreis sollte bei einer Überschreitung auf maximal 10 Prozent oberhalb des
Verkehrswerts begrenzt werden. Auch diverse Schlupflöcher beim Vorkaufsrecht wie Share Deals
und Versteigerungen müssen durch den Bundesgesetzgeber endlich geschlossen werden, damit
dieses Instrument seine volle Wirkung erzielen kann.
Wir setzen uns für die Einrichtung einer öffentlichen Beratung bzw. Vermittlungsstelle für
Hauseigentümer*innen ein, die ihr Haus nicht an Immobilienspekulant*innen, sondern an
gemeinwohlorientierte Träger*innen verkaufen oder ihr Haus mieter- und klimafreundlich
modernisieren wollen. Die meisten privaten Vermieter*innen sind verantwortungsvolle
Bestandshalter*innen und werden ihrer sozialen Verantwortung gerecht, ihnen gilt unsere
Unterstützung.
3. Regulieren wir den Wohnungsmarkt – für ein faires Miteinander
Zentral ist aber auch, die Menschen, die jetzt schon in Wohnungen leben, zu schützen,
Diskriminierungen auf dem Wohnungsmarkt abzuwenden, Verdrängungen zu verhindern und die
ökologische Modernisierung des Bestandes an Gebäuden anzukurbeln. Dies wird nicht ohne einen
weiteren Ausbau der Regelungen auf Bundesebene funktionieren.
3.1. Wohnraum stärker schützen
Mit der Verschärfung des Zweckentfremdungsverbotes, der Reform des Wohnungsaufsichtsgesetzes
und dem Mietendeckel sind wir in Berlin zwar schon einen großen Schritt gegangen, der auch
erste positive Wirkungen zeigt. Entscheidend wird nun sein, die Bezirke in die Lage zu
versetzen, diese Gesetze auch effektiv umzusetzen und durchzuführen. Darüber hinaus sprechen
wir uns für die Schaffung eines Landesamtes für Wohnungswesen aus, dass vor allem den
Mietendeckel kraftvoll umsetzen kann. Dies sollte zumindest perspektivisch angegangen
werden. Wir werden auch weiterhin nach Lösungen suchen, gemeinwohlorientierte
Vermieter*innen und insbesondere Genossenschaften aus dem Mietendeckel auszunehmen, da wir
diese als starke Partner*innen für den Umbau des Berliner Wohnungsmarktes benötigen.
Mit dem Mietendeckel haben wir dem Druck aus der Zivilgesellschaft Rechnung getragen. Auch
das Volksbegehren “Deutsche Wohnen und Co enteignen” ist ein Weckruf an die Politik, dass
dem im Grundgesetz festgeschriebenen Leitsatz „Eigentum verpflichtet‛ auch im Bereich Wohnen
und Boden Geltung verschafft werden muss. Wir unterstützen daher die Ziele des
Volksbegehrens. Zentral dabei ist, die Mieter*innen zu schützen, Spekulationen Einhalt zu
gebieten und den gemeinwohlorientierten Wohnungsbestand zu erhöhen. Wichtig ist für uns die
Einbettung in ein Gesamtkonzept, welches tatsächlich schnell möglichst vielen Mieter*innen
hilft. Mit dem Mietendeckel haben wir bereits erste Schritte in die richtige Richtung getan.
Wir wollen, dass der Staat wieder auf Augenhöhe mit Wohnungsunternehmen verhandeln und
agieren kann. Wir würden uns wünschen, dass die Umstände uns nicht zwingen, die
Vergesellschaftung als letztes Mittel anzuwenden, um den verfassungsgemäßen Auftrag erfüllen
zu können. Wenn Wohnungsunternehmen sich jedoch weigern, ihrer sozialen Verantwortung
nachzukommen, wird die öffentliche Hand, auch durch ein Volksbegehren gestützt, diesen
Schritt gehen.
Nachdem das Volksbegehren die erste Stufe erreicht hat, sehen wir den Zeitpunkt gekommen, in
einen Dialog einzutreten. Deshalb sehen wir das Abgeordnetenhaus und den Senat in der
Pflicht, mit den Initiator*innen des Volksbegehrens in Verhandlungen zu treten, die auch in
ein Gesetz münden können. Darüber hinaus soll ein Runder Tisch, an dem alle beteiligten
Akteur*innen von den Initiativen bis hin zu profitorientierten Wohnungsunternehmen beteiligt
sind, weitgehende, verpflichtende Maßnahmen zum Schutz der Mieter*innen erarbeiten.
Seit vielen Jahren ist auch der Anstieg der Gewerbemieten zu beobachten und wir befürchten,
der Druck auf das kleinteilige Gewerbe wird durch die Einführung des Mietendeckels sogar
noch weiter ansteigen. Auch deshalb sollte Rot-Rot-Grün prüfen, inwiefern wir auch die
Gewerbemieten durch ein Landesgesetz deckeln können. Denn auch hier sehen wir dringenden
Regulierungsbedarf. Ebenso wie bei den Immobilienkaufpreisen, die auch gedeckelt werden
sollten.
Entscheidend ist für uns auch der schnelle Aufbau eines Berliner Miet- und
Wohnungskatasters. Nur mit einem solchen Kataster, das alle Mieten in Berlin sammelt und
aufnimmt und somit einen transparenten Überblick über die wahren Preise und den baulichen
Zustand gibt, sind wir gut gewappnet für die Zeit nach dem Mietendeckel. Dazu ist es jetzt
notwendig, zügig mit der Erarbeitung eines Gesetzes dafür zu beginnen.
3.2. Wohnungsmarkt transparenter machen!
Der Berliner Wohnungsmarkt stellt allzu oft eine Art Black Box dar. Durch Share Deals und
verschachtelte Firmengeflechte wissen sogar oft die betroffenen Mieter*innen nicht einmal,
wem “ihr” Haus gerade gehört. Und auch die Bezirksämter sind oft auf die Informationen aus
der Bewohnerschaft angewiesen, um den sog. “rechtlich Berechtigten” einer Immobilie zu
ermitteln oder sogar zu erreichen. Leider versagt auch hier der Bundesgesetzgeber, der
verbindlich für Transparenz sorgen könnte. Durch die Einführung eines Miet- und
Wohnungskatasters für Berlin können und wollen wir zumindest die ersten Grundlagen für etwas
mehr Transparenz auf dem Wohnungsmarkt schaffen. Wir müssen dringend wissen, wem hier welche
Immobilien gehören, ein Kataster kann wenigstens Hinweise darauf geben, wo der
wohnungspolitische Schuh am meisten drückt. Denn Missstände wie spekulativer Leerstand oder
der gezielte Verfall können so schneller aufgedeckt und damit auch besser beseitigt werden.
Ein Miet- und Wohnkataster nach Schweizer Vorbild ist ein wichtiger Baustein für den
effektiven Schutz von Wohnraum.
3.3. Für eine schlagkräftige Umsetzung
Doch der Mietendeckel alleine reicht nicht aus. Wir wollen die Wohnungsämter und die
Bauaufsicht in den Bezirken deutlich ausbauen und so der Zweckentfremdung, dem
Immobilienverfall oder der gezielten Entmietung von Wohnraum wirksamer entgegenwirken.
Derzeit werden viel zu viele Wohnungen dem Berliner Wohnungsmarkt durch spekulativen
Leerstand oder durch illegale Nutzung als Ferienwohnungen entzogen, als dass Berlin weiter
zusehen darf. Hier bedarf es vor allem Personal, das diesem Treiben entgegentreten kann.
Doch mehr Personal alleine reicht nicht, wir wollen die Wohnungsämter in die Lage versetzen,
bei fortgesetztem Leerstand Eigentümer*innen die Häuser zu entziehen und Treuhänder*innen
einzusetzen, die diese Häuser schnellstmöglich wieder vermieten. Pankow und Steglitz-
Zehlendorf haben es gezeigt, jetzt gilt es, das Instrument berlinweit zu etablieren. Wir
erwarten von beiden zuständigen Senatsverwaltungen, alle dafür notwendigen Voraussetzungen
zu schaffen, und zwar jetzt.
Nur wenn das Zweckentfremdungsverbot wirksam durchgesetzt wird und die Online-Plattformen
ihren Auskunftspflichten auch nachkommen, stehen wieder Tausende illegal gewerblich
vermietete Wohnungen den Mieter*innen zur Verfügung. Dazu ist auch eine Schärfung des
Zweckentfremdungsverbotsgesetzes bzw. eine Harmonisierung mit dem Wohnungsaufsichtsgesetz
noch in diesem Jahr unabdingbar.
3.4. Kommunalen Bestand sozialer ausrichten
Im Rahmen der Umsetzung des Mietendeckels haben wir die Schaffung eines Landesamtes für
Wohnungswesen vorgeschlagen. Uns ist durchaus bewusst, dass dies nicht von heute auf morgen
möglich ist, sehen aber bei der Frage der Mieterbetreuung und des Wohnraumschutzes viele
Vorteile, wenn dies landesweit sichergestellt wird. Wir werden für die nächste
Legislaturperiode dazu ein Konzept erarbeiten, das auch die Rolle der Landeseigenen
Wohnungsunternehmen dabei mit in den Fokus nimmt. Denn auch diese sollten einheitlich
politisch gesteuert und kontrolliert werden. Zwar hat der Mietenvolksentscheid durch die
Schaffung der AöR “Soziale Wohnraumversorgung” bereits eine solche Kontrollinstanz
geschaffen. Diese muss jedoch durch die Reform des Wohnraumversorgungsgesetzes erst
gesetzlich in die Lage versetzt werden, auch eine Steuerungsfunktion erfüllen zu können. Die
Frage, wie stark die Landeseigenen wirklich ihre Funktion der sozialen Wohnraumversorgung
wahrnehmen, kann gar nicht genau beantwortet werden. Denn wir wissen nicht, wie sich die
Sozialstrukturen in den Landeseigenen Wohnungsbeständen in den letzten Jahren entwickelt
haben. Zwar erfüllen sie ihren Auftrag einer sozialen Wohnraumversorgung durch die
Kooperationsvereinbarung mit dem Senat, die auch eine soziale Vermietungspraxis vorsieht.
Wir regen jedoch eine Sozialstrukturanalyse bei den Landeseigenen Wohnungsunternehmen an, um
beurteilen zu können, ob die Vermietungsregelung, dass 60 Prozent der frei werdenden
Wohnungen an Inhaber*innen eines Wohnberechtigungsscheines vermietet werden, ausreichend
ist. Auch wie die Erfüllung der Quote sozialräumlich über die gesamte Stadt verteilt ist,
muss transparent gemacht werden, denn wir wollen überall gemischte Quartiere sicherstellen.
Im Gegenzug sollen die Landeseigenen Wohnungsunternehmen dafür mehr Unterstützung erhalten.
Da der Senat derzeit mit den Landeseigenen Wohnungsunternehmen eine neue
Kooperationsvereinbarung verhandelt, fordern wir beide Seiten auf, für die besonders
einkommensschwachen Haushalte wie Transferbezieher*innen eine geeignete Härtefallregelung zu
entwickeln, die sicherstellt, dass diese Haushalte nicht aus ihrer Grundsicherung mehr als
die Kosten der Unterkunft bezahlen müssen. Dass es immer noch durch Zwangsräumungen bzw.
fristlose Kündigungen zu Wohnraumverlust durch die Landeseigenen Wohnungsunternehmen kommt,
ist nicht hinnehmbar. Zwar haben die jeweiligen Unternehmen auch Präventions- und
Hilfsangebote, diese reichen jedoch nicht aus. Hier sollte ein Monitoring die genauen
Ursachen identifizieren und die Landeseigenen sollten bei der Beseitigung der Missstände
unterstützt werden. Denn wo, wenn nicht in einer öffentlichen Wohnung, sollen Menschen in
Sicherheit vor Wohnungs- oder gar Obdachlosigkeit leben können. Die Landeseigenen
Wohnungsunternehmen erfüllen eine zentrale Funktion bei der Versorgung mit bedarfsgerechtem
Gewerbe. Um dies sicher zu stellen, sollten auch soziale Vermietungsregelungen für den
Erhalt des kleinteiligen Gewerbes in der neuen Kooperationsvereinbarung verbindlich
aufgenommen werden. Die Mieterräte bzw. -beiräte sind ebenso in ihren Kompetenzen zu stärken
und sollten bei den strategischen Entscheidungen der Landeseigenen Wohnungsunternehmen mit
einbezogen werden.
3.5. Sozialwohnungen bezahlbar machen
Da die noch knapp 100.000 Sozialwohnungen aus West-Berliner Zeiten nicht unter den
Mietendeckel fallen, muss hier endlich eine nachhaltige Regelung getroffen werden, die dafür
sorgt, dass die Mieten dort bedarfsgerecht sinken oder zumindest nicht mehr drohen zu
steigen. Seit vielen Jahren fordern wir dazu eine umfassende Reform des Wohnraumgesetzes,
dass alte fiktive Baukosten nicht mehr geltend gemacht werden können. Dazu haben wir mit der
Hilfe von externen Expert*innen und einigen Mieter*innen-Initiativen ein Konzept erarbeitet,
das leider bisher von unseren Koalitionspartner*innen nicht unterstützt wird.
3.6. Milieuschutz für alle!
Die Bezirke sind diejenigen Instanzen, die zuvorderst die Probleme der Mieter*innen vor Ort
konkret erleben. Deshalb ist und war es auch richtig, für alle Berliner*innen eine
kostenfreie Mieter*innenberatung in den Bezirken zu finanzieren, die wir aufgrund des
Mietendeckels auch angeregt hatten, aufzustocken. Zudem kämpfen wir, ob mit oder ohne grüne
Baustadträt*innen, in den Bezirken für die Einführung von Milieuschutzgebieten.
Gerade in den Bezirken haben wir praktisch gezeigt, dass wir gewillt sind, bei der
Regulierung des Wohnungsmarktes voran zu gehen. Schon heute leben über 900.000 Menschen in
Milieuschutzgebieten – der übergroße Anteil davon wurde übrigens von bündnisgrünen
Baustadtrat*innen eingeführt. Gebiete in Spandau und Steglitz-Zehlendorf wurden erst
kürzlich erlassen bzw. stehen konkret aus, auch aufgrund unseres Drucks. Wir wollen diese
Zahl weiter deutlich steigern und haben das Ziel, bis zum Ende der Legislaturperiode 1,5
Millionen Menschen mit diesem Instrument vor Verdrängung, Luxussanierung oder
Gentrifizierung zu schützen. Dazu bleibt nicht mehr viel Zeit. Deshalb fordern wir die
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen auf, mit den Bezirken dazu einen
verbindlichen Fahrplan zu vereinbaren. Und auch hier gilt: Jede Regelung kann nur wirken,
wenn es dazu auch ausreichend Personal gibt. Auch muss der Schutz vor Umwandlung von Miet-
in Eigentumswohnungen verstärkt werden, da die Umwandlung einer der größten Antreiber der
Gentrifizierung ist und infolge des Mietendeckels leider verstärkt genutzt wird. Auch hier
sind wir mit diversen Bundesratsinitiativen bereits gescheitert, erwarten aber von Horst
Seehofer, sein Versprechen von vor fast zwei Jahren, Umwandlungen stärker einzuschränken,
endlich einzulösen.
3.7. Öko und Sozial – Hand in Hand
Bei der energetischen Modernisierung setzen wir Grüne uns für eine gerechte Aufteilung der
Kosten ein. Über das Mietendeckelgesetz haben wir sowohl sinnvolle Modernisierungsmaßnahmen
festgelegt als auch die Kosten, die die Mieter*innen zu tragen haben, begrenzt. Mit einem
neu anzulegenden Förderprogramm stellen wir als Land Berlin zudem finanzielle Hilfe für
Immobilienbesitzende zur Verfügung. Hier gilt es, auch die Mittel zu erhöhen, um eine höhere
Sanierungsquote zu ermöglichen. Damit sind bereits zwei der drei Säulen des Drittelmodells
realisiert. Zur Veranlassung der erforderlichen Maßnahmen unter gerechter Beteiligung der
Vermieter*innen streben wir ordnungsrechtliche Vorschriften an. Hier wollen wir neben einem
Erneuerbaren Energien Wärmegesetz auch das in Berlin schon diskutierte Stufenmodell von IHK,
BUND und Berliner Mieterverein auf den Weg bringen, um den Berliner Gebäudebestand
entsprechend seines energetischen Zustands schrittweise zu sanieren bis er den Pariser
Klimaschutzzielen genügt. Damit dies gelingt und weder Bewohner*innen noch einzelne
Hauseigentümer*innen dabei überfordert werden, wollen wir sie nicht nur durch gezielte
Beratung und bedarfsgerechte Förderangebote, sondern auch durch Energiesparpartnerschaften,
Energieeinspar-Contracting und grundstücksübergreifende Konzepte der energetischen
Quartierssanierung unterstützen. Bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen müssen
verbindliche Sanierungsfahrpläne die Regel werden, denn sie stehen in der Verantwortung bei
der energetischen Sanierung und dem Umgang mit den Mieter*innen eine Vorbildfunktion zu
erfüllen.