Veranstaltung: | LDK am 28. Oktober 2020 |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 8 Verschiedenes |
Antragsteller*in: | LAG Mobilität (dort beschlossen am: 18.02.2020) |
Status: | Zurückgezogen |
Eingereicht: | 20.02.2020, 12:36 |
V06: Die Zukunft beginnt jetzt – Moderne Mobilität für alle Berliner*innen
Antragstext
Berlin erstickt im Stau. Täglich wälzen sich Massen von Autos durch die Stadt - Lärm
verursachend, die Luft verpestend und andere Verkehrsteilnehmer*innen gefährdend. Und das
ineffizienteste Verkehrsmittel für urbane Mobilität beansprucht dabei nach wie vor den
meisten Platz in der Stadt.
Um diese Situation zu verbessern haben wir in den ersten drei Jahren unserer
Regierungsbeteiligung die Verkehrswende angestoßen. Zum Beispiel arbeiten heute mehr als 30
Mal so viele Radverkehrsplaner*innen wie noch vor 3 Jahren daran, eine sichere und
attraktive Radinfrastruktur aufzubauen.
Doch die Mühlen der Verwaltung mahlen langsam, und Planungsprozesse für die Umgestaltung der
Infrastruktur dauern Jahre. Neue Mobilitätsangebote, die, richtig eingesetzt, dazu beitragen
können, die Zahl der Autos auf unseren Straßen zu reduzieren, sind daher heute schon wichtig
für unsere Stadt. Um Menschen zum Umstieg vom Auto in den Umweltverbund zu motivieren, sind
komfortable Mobilitätsangebote nötig, deren Kosten für die Nutzer*innen den gefühlten Preis
des Autofahrens nicht deutlich übersteigen.
In Berlin ist neben den klassischen ÖPNV-Angeboten eine Vielzahl solcher modernen
Mobilitätsangebote in den Innenstadtbezirken verfügbar – z.B. Leih-Pedelecs von Uber Jump,
elektrisches Ridesharing von CleverShuttle, Elektroroller von Emmy, elektrisches Carsharing
von WeShare, E-Scooter von Tier oder die Lastenräder der fLotte des ADFC.
Neben den offensichtlichen Unterschieden haben diese Angebote Gemeinsamkeiten: Sie sind
flexibel, der Betrieb nicht in öffentlicher Hand, die Buchung erfolgt digital und trotz des
Sharing-Aspekts genießen Nutzer*innen, die Probleme mit dem Aufenthalt in vollen Bussen und
Bahnen haben, die Freiheit ihres „eigenen“ Verkehrsmittels.
Doch trotz aller Vorteile erleben wir zurzeit eine Entwicklung zurück in die Vergangenheit.
Der Rückzug des Elektroroller-Anbieters Coup hinterlässt eine große Lücke, E-Scooter werden
verteufelt und nun steht auch noch der Ridesharing-Dienst BerlKönig der BVG vor dem Aus.
Der BerlKönig ist schon lange auch berechtigter Kritik ausgesetzt. Bisher ist der
Besetzungsgrad nicht ausreichend hoch und das Betriebsgebiet beschränkt sich auf einen
Bereich, der sehr gut mit klassischem ÖPNV erschlossen ist. Auch die veranschlagten
Zuschusskosten für die Verlängerung des Pilotprojekts mit BVG und ViaVan, dem Joint Venture
von Mercedes-Benz Vans mit dem US-amerikanischen Unternehmen Via Transportation, in Höhe von
ca. 43 Mio. € pro Jahr, sind unverhältnismäßig hoch im Vergleich zu den ca. 90 Mio. €
Zuschusskosten für alle anderen bei der BVG bestellten Verkehrsleistungen.
Doch Verkehrsforscher fordern dennoch eine Fortsetzung des Versuchsprojekts – denn die
Potenziale eines solchen Dienstes als Ergänzung zum klassischen ÖPNV sind hoch, besonders
für die weniger gut durch ÖPNV erschlossenen Randgebiete. Ein auf vier Jahre angelegtes
Forschungsprojekt nach zwei Jahren zu beenden, ist ein falsches Signal. Für die integrierte
Verkehrsplanung sollte der Ridesharing-Markt nicht nur privaten Unternehmen überlassen
werden. Im Gegensatz zu privatwirtschaftlichen Anbietern hat die öffentliche Hand beim
BerlKönig der BVG zum einen eine bessere Möglichkeit, die Vernetzung mit dem ÖPNV zu
steuern, zum anderen können aus erster Hand Erkenntnisse über die Nutzung solcher Dienste
gewonnen werden.
Wir fordern daher die zuständigen Senatsverwaltungen auf, mit geeigneten Betreibern wie der
Berliner Door2Door GmbH, der Bahn-Tochter CleverShuttle, MOIA von VW oder ViaVan über den
Betrieb eines Ridesharing-Dienstes der BVG zu verhandeln, der das für Berlin gültige
Pflichtfahrgebiet für Taxis abdeckt und im Verkehrsvertrag verankert wird. Dabei werden wir
die Anforderungen an Barrierefreiheit und gute Beschäftigungsverhältnisse für Fahrer*innen
beachten und darauf bestehen, dass die gesamte Fahrzeugflotte elektrisch betrieben wird. Mit
geeigneten Maßnahmen, wie z.B. unterschiedlichen Tarifen, werden wir der Kannibalisierung
des ÖPNV in den Innenstadtbereichen entgegenwirken. Für die nötigen rechtlichen
Rahmenbedingungen, wie eine vernünftige Modernisierung des Personenbeförderungsgesetzes
(PBefG), wird sich das Land Berlin auf Bundesebene einsetzen. Neue Verkehrssysteme müssen
sowohl von den Betreibern als auch den Nutzer*innen erst erlernt werden. Daher sind wir auch
bereit, Zuschüsse für die Erprobung innovativer Verkehrsmittel bereitzustellen.
Mittelfristig werden auch mit Betreibern von Flotten von E-Scootern, (Lasten-) Fahrrädern,
E-Rollern und stationsbasierten Carsharing-Fahrzeugen Kooperationen eingegangen, die über
die bisherige Kooperation im „Jelbi“ Projekt hinaus gehen. Unser Ziel ist es, dass das
gesamte Mobilitätsangebot in der Tarifstruktur eingebettet ist und so zum Beispiel für
Besitzer*innen von Zeitkarten die Nutzung der Sharing-Angebote inklusive oder zu
vergünstigten Konditionen möglich ist. Mit solchen Angeboten als Ergänzung zum klassischen
ÖPNV wird sich die BVG zu einem ganzheitlichen MaaS (Mobility-as-a-Service) -Anbieter
entwickeln, der allen Berliner*innen und Gästen intermodale Tür-zu-Tür Mobilität mit einem
einfachen Tarifsystem ermöglicht. Dazu gehört auch der Ausbau der BVG Mobilitäts-Hubs und
die konsequente Beachtung der Open-Data-Prinzipien. Nach dem Vorbild Ernst Reuters, der in
den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts eine Vereinheitlichung der Tarife im Berliner ÖPNV und
die Gründung der BVG durchsetzte, werden wir in den 20er Jahren des 21. Jahrhunderts auch
neue Mobilitätsformen unter das Dach der BVG bringen. Nur wenn der Betrieb in öffentlicher
Hand ist, können wir sicherstellen, dass die Verkehrsmittel dort angeboten werden, wo sie
den meisten Nutzen bringen, zum Beispiel in den Randgebieten der Stadt, die weniger gut
durch klassischen ÖPNV erschlossen sind. Ein positives Beispiel für die Vernetzung von
Ridesharing und ÖPNV ist zum Beispiel ioki in Hamburg, ein gemeinsames Projekt von VHH und
der DB-Tochter ioki, das außerhalb der Innenstadt Fahrgäste von und zu größeren ÖPNV-
Haltestellen transportiert.
Um die Verkehrswende zu schaffen und zum Beispiel autofreie Gebiete zu ermöglichen, wollen
wir alle Menschen mitnehmen. Auch diejenigen, die aus unterschiedlichen Gründen nicht mit
dem eigenen Fahrrad fahren oder mit vielen anderen Menschen in der Bahn unterwegs sein
wollen. Wenn das eigene Auto schon vor der Tür steht, Steuer und Versicherung schon bezahlt
sind, dann greift man gerne mal zum Autoschlüssel anstatt die Öffis zu nehmen. Aber wenn wir
es schaffen, die Nutzung des Umweltverbundes ähnlich komfortabel wie die Fahrt mit dem
eigenen Auto zu machen, dann schaffen wir auch die Verkehrswende. Und Ridesharing-Dienste
gehören dazu.