Veranstaltung: | LDK am 28. Oktober 2020 |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 8 Verschiedenes |
Antragsteller*in: | Ario Ebrahimpour Mirzaie (KV Berlin-Mitte) |
Status: | Zurückgezogen |
Eingereicht: | 22.02.2020, 01:08 |
V34: Für mehr Einbürgerungen und weniger Hürden im Staatsbürgerschaftsrecht
Antragstext
Berlin schöpft im bundesweiten Vergleich sein Einbürgerungspotential am schlechtesten aus.
Das zeigen die statistischen Daten für 2017 und 2018. Auch für das zurückliegende Jahr ist
keine Trendwende absehbar. Darüber kann auch der leichte Anstieg der absoluten
Einbürgerungszahlen nicht hinwegtäuschen. Berlin war damit 2018 hinsichtlich des
ausgeschöpften Einbürgerungspotenzials Schlusslicht im Vergleich aller Bundesländer. Im
Durchschnitt lassen sich bei uns nur 1,43 Prozent der hierzu Berechtigten einbürgern. Zum
Vergleich: der bundesweite Durchschnitt liegt bei nur 2,19 Prozent, das Bundesland Hamburg
kommt immerhin auf 3,71 Prozent, also mehr als doppelt so viel wie Berlin.
Mehr Einbürgerungen ermöglichen
Im laufenden Koalitionsvertrag für Berlin wurde bereits richtigerweise festgehalten: „Die
Koalition wird die Abschaffung des Optionszwangs und die Zulassung der Mehrstaatlichkeit
durch eine Bundesratsinitiative auf den Weg bringen mit dem Ziel, die Einbürgerungsquote zu
erhöhen. Die Koalition wird die landesrechtlichen Möglichkeiten für Einbürgerungen
ausschöpfen, insbesondere für die ersten Generationen. Hinsichtlich des vorzuweisenden
Einkommens zur Sicherung des Lebensunterhalts ist die Situation auf dem Arbeitsmarkt mit
einzubeziehen. Für eine Gewährleistung einer einheitlichen Einbürgerungspraxis erhält die
zuständige Senatsverwaltung die Weisungsbefugnis gegenüber den für die Einbürgerung
zuständigen Stellen in den Bezirken.“
Diese Bemühungen drohen aber ihre Wirkung zu verfehlen, sollte es dem Land Berlin und seinen
Bezirken nicht gelingen, dem Einbürgerungswunsch vieler Menschen mit Einwanderungsbiographie
gerecht zu werden. Deshalb möge der Senat herausfinden, warum die Zahl der Einbürgerungen in
Berlin vergleichsweise gering ist und darlegen, wie dem gezielt entgegengewirkt wird. Hier
zu kann auch ein Blick zu den europäischen Nachbar*innen helfen, wo teils wesentlich höhere
Einbürgerungsquoten zu verzeichnen sind. Die Ergebnisse sollen vorgestellt und
veröffentlicht werden. Bereits jetzt steht fest: Ein entscheidender Faktor für mehr
Einbürgerungen sind personell gut ausgestattete Bezirksämter. Es ist nicht hinnehmbar, dass
nach wie vor Stellen im Bereich Einbürgerung unterbesetzt sind. Hier sind Bezirke und Senat
gefordert mehr zu tun. In dieser Frage hat Berlin kein Erkenntnis-, sondern ein
Umsetzungsproblem.
Teilhabe nicht vom Pass abhängig machen
Leider ist volle politische Teilhabe noch immer eng mit der Staatsbürgerschaft verbunden.
Eine niedrige Einbürgerungsquote schließt daher zahlreiche Menschen von der Möglichkeit aus,
sich gleichberechtigt an demokratischen Aushandlungsprozessen zu beteiligen. Neben mehr
Einbürgerungen muss auch die Ausweitung der politischen Teilhabe für Nicht-Deutsche wie etwa
Nicht-EU-Bürger*innen gleichermaßen im Fokus bündnisgrüner Politik stehen. Das kommunale
Wahlrecht für Nicht-EU-Bürger*innen kann hier nur ein erster Schritt sein in Richtung eines
berlinweiten Wahlrechts für Nicht-EU-Bürger*innen.
Gegen die Verschärfungen des Staatsangehörigkeitsrechts
Eine moderne Einwanderungsgesellschaft braucht ein niedrigschwelliges und positiv besetztes
Staatsbürgerschaftsrecht, das Einbürgerungen aktiv fördert anstatt die Hürden immer weiter
hoch zu ziehen. Die im Jahr 2019 vom Bundesgesetzgeber beschlossenen Verschärfungen im
Staatsbürgerschaftsrecht lehnen wir ab, sie sind kontraproduktiv und rückwärtsgewandt.
Insbesondere die nun erforderliche und willkürlich auslegbare „Einordnung in die deutschen
Lebensverhältnisse“ und die Fristverlängerung zur Rücknahme der Einbürgerung von fünf auf
zehn Jahre. Diese Fristverlängerung stellt alle neu eingebürgerten Deutschen unter
langjährigen Generalverdacht und ist unverhältnismäßig. Außerdem lehnen wir den Verlust bzw.
Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft als Sanktionsinstrument ab – egal ob die Betroffenen
lediglich die deutsche oder mehrere Staatsbürgerschaften besitzen. Durch die jüngsten
Verschärfungen im Staatsbürgerschaftsrecht droht eine Spaltung der Gesellschaft in Deutsche
„erster und zweiter Klasse“, der wir uns als Bündnis 90/DIE GRÜNEN Berlin klar entgegen
stellen. Die Bundes-SPD als Koalitionspartnerin der CDU/CSU konterkariert mit den jüngsten
Verschärfungen im Staatsbürgerschaftsrecht auch eigene Errungenschaften aus der rot-grünen
Regierungszeit und fällt damit in hinter Erfolge zurück, welche wir gemeinsam vor 20 Jahren
trotz vieler Widerstände auf den Weg gebracht haben.
Unterstützer*innen
- Canan Bayram (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Juliana Wimmer (KV Berlin-Kreisfrei)
- Ronja Reckmann (KV Berlin-Mitte)
- Magdalena Matheis (KV Berlin-Mitte)
- Tuba Bozkurt (KV Berlin-Mitte)
- Ingrid Bertermann (KV Berlin-Mitte)
- Johannes Mihram (KV Berlin-Mitte)
- Sven Karim Mekarides (KV Berlin-Mitte)
- Lukas Ulrich (KV Berlin-Mitte)
- Lennard Gottmann (KV Berlin-Mitte)