Veranstaltung: | LDK am 28. Oktober 2020 |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 8 Verschiedenes |
Antragsteller*in: | LAG Tierschutzpolitik (dort beschlossen am: 19.02.2020) |
Status: | Zurückgezogen |
Eingereicht: | 22.02.2020, 01:32 |
V-10: Gebäudebrüter schützen – Berlin ist Heimat für Menschen und Tiere!
Antragstext
Die Vogel- und Fledermausarten der Gebäudebrüter benötigen zum Überleben den Dreiklang aus
Lebensstätten, Nahrung und Lebensräumen. Diese Lebensgrundlagen sind auch in Berlin bedroht.
Besonders schwerwiegend ist der schleichende Verlust von Quartieren an und in Gebäuden –
obwohl es wirksame, praktikable und nachhaltige Hilfsmaßnahmen gibt.
- Ein ökologischer Kriterienkatalog zum nachhaltigen Bauen inklusive „Animal-Aided Design“
(AAD) soll für alle Bauvorhaben auf städtischen Grundstücken gelten, sowohl für
Wohnungsbauvorhaben als auch Gewerbe- und Industriebauten. Bei allen Modernisierungs-,
Wärmedämmungs- und Neubaumaßnahmen sollen nach einem Schlüssel eine bestimmte Anzahl von
passenden Quartieren für Gebäudebrüter eingerichtet werden.
- Der Schutz von Gebäudebrütern soll in Förderprogrammen für energetische oder andere
Gebäudesanierungen und Bauvorhaben verankert werden.
- Für die Artenschutz-Gutachten muss es Mindeststandards geben, und die Sichtung muss
rechtzeitig vor Baubeginn erfolgen.
- Die Artenschutzbelange in Neubauquartieren und Bestandsgebieten im Rahmen der Charta
„Berliner Stadtgrün 2030“ müssen unverzüglich qualifiziert und finanziert werden. Auch bei
der Freiraumplanung, Bepflanzung und Parkpflege müssen ökologische Aspekte berücksichtigt
werden.
- Im Rahmen der Förderung der Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) soll „citizen
science“ gefördert werden, so dass mehr Meldungen von Bürger*innen über das Vorkommen von
Gebäudebrütern bei Baumaßnahmen erfolgen. Hausbesitzer- und Mieterverbände, Architekt*innen
und Energieberater*innen sollen für den Artenschutz an Gebäuden sensibilisiert werden.
- Für Baumfällungen, für die keine Ersatzpflanzungen vorgenommen werden, soll bevorzugt die
Schaffung von Quartieren für Gebäudebrüter und der Ausbau ihrer umliegenden Lebensräume
festgesetzt werden.
Begründung
Am 7. Dezember 2019 haben wir im bei der Landesdelegiertenkonferenz im Leitantrag beschlossen: „Bei energetischer Modernisierung muss der Arten- und Tierschutz für Gebäudebrüter besser beachtet werden, denn im Baugesetzbuch, bei der Gebäudebrüter-Verordnung, bei der Begutachtung und dem Vollzug in den Naturschutzbehörden bestehen große Defizite.“
Diese Defizite müssen wir jetzt beheben, denn wir haben große Verantwortung dafür, dass Arten nicht aus unserer in der baulichen Umgestaltung befindlichen Stadt verdrängt werden. Anders als bei Vogelschlag an Glas erfolgt der Schwund dieser Tiere für die meisten Menschen unsichtbar.
Einige dieser Arten haben sich als Kulturfolger dem Menschen angeschlossen und sind von jeher auf menschliche Bauten zum Überleben angewiesen. Vögel wie „Haus“rotschwänze und „Mauer“segler sowie Fledermäuse nutzen standorttreu Nischen und Höhlungen an Gebäuden. Inzwischen stehen selbst ehemalige Allerweltsarten wie der „Haus“sperling, als „Spatz“ bekannt, auf der Vorwarnstufe der Roten Liste. Auch Wildbienen siedeln in altem Mauerwerk.
Das Naturschutzgesetz schützt die temporären und permanenten Fortpflanzungs- oder Ruhestätten wildlebender Tiere und verbietet deren Tötung. Die betroffenen Arten sind nach Vogelschutzrichtlinie, Bundesartenschutzverordnung und Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie geschützt. Durch zu spätes Erkennen des Vorkommens geschützter Arten kommt es immer wieder zu Baustopps – mit verbesserten Regelungen lässt sich hingegen rechtssicher bauen.
In anderen Städten ist die Verdrängung schon weiter vorangeschritten, und es müssen aufwändige Schutzmaßnahmen ergriffen werden. In Berlin haben wir noch die Chance, aus diesen Erfahrungen zu lernen und entschieden zu handeln. Es gibt bereits ‚best practice‘ wie den ökologischen Kriterienkatalog aus München.
Durch unbedachte Sanierungen, Rück- und Umbauten gehen Brutplätze in großem Umfang verloren. Hierbei kommt es in vielen Fällen nicht zur Umsetzung der gesetzlich vorgeschriebenen ökologischen Ersatzmaßnahmen.
Bei der Sanierung von Gebäuden müssen Fortpflanzungs- oder Ruhestätten rechtzeitig erfasst und ggf. unbrauchbar gemacht bzw. entfernt werden – in Berlin regelt dies seit 2014 die „Gebäudebrüterverordnung“. Zerstörte Nester müssen ersetzt werden, und es gilt das Tötungsverbot für individuelle Tiere. Der Rückgang der Arten zeigt, dass dieser Schutz in der Praxis nicht ausreichend umgesetzt wird und auch durch die aktuelle Änderung keine Abhilfe geschaffen werden wird.
Öffentliche bzw. öffentlich geförderte Baumaßnahmen haben eine Vorbildfunktion bei der Realisierung ökologischer, wirtschaftlicher und innovativer Standards. Artenschutz und Bauen müssen sich nicht ausschließen. Animal-Aided Design beginnt bereits im Planungsprozess. Nistkästen und Fledermausquartiere – entweder außen an der Fassade angebracht oder integriert in die Dämmung – gibt es auch als optisch ansprechende Lösungen.
Diese Maßnahmen können bei rechtzeitiger Planung mit wenig Aufwand umgesetzt werden und tragen zur Erfüllung der Verpflichtungen aus der „Strategie zur Biologischen Vielfalt“ und der Deklaration „Biologische Vielfalt in Kommunen“ bei. Zusätzlich gewähren die Nistangebote insbesondere an den Gebäuden von Bildungseinrichtungen gute Beobachtungsmöglichkeiten und können für die Umweltbildung genutzt werden.
Neue, funktionierende Schutzmaßnahmen müssen sich mit einer grünen und nachhaltigen Stadtentwicklung ergänzen – denn Abstandsgrün, Brachen- und Parkanlagen fungieren im Verbund als Revier- und Nahrungsgebiete für die bedrohten Tierarten.
Das Handlungsprogramm zur Charta „Berliner Stadtgrün 2030“ vom 14. Mai 2019 enthält neben dem allgemeinen Ziel der „Erhöhung der Biodiversität in den öffentlichen Park- und Grünanlagen“ lediglich die Absicht der „Erarbeitung von Leitfäden zur Berücksichtigung der Artenschutzbelange in Neubauquartieren und in Bestandsgebieten“.