Veranstaltung: | LDK am 28. Oktober 2020 |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 8 Verschiedenes |
Antragsteller*in: | Vasili Franco (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg) |
Status: | Zurückgezogen |
Eingereicht: | 22.02.2020, 08:01 |
V36: Kein Platz für Hass und Hetze – zivilgesellschaftliches Engagement schützen und fördern
Antragstext
Beleidigungen, Gewaltdrohungen, Angriffe auf das eigene Zuhause und schlimmer gegen
Personen, sind leider mittlerweile Alltag geworden. Doch an diesen Alltag dürfen und wollen
wir uns nicht gewöhnen, ihre Regelmäßigkeit darf uns nicht gleichgültig werden lassen. Jedem
Angriff auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt, ob rechtsextrem, rassistisch oder
faschistisch motiviert, stellen wir uns konsequent entgegen – Hass und Hetze haben bei uns
in Berlin kein Platz.
Nicht nur Amts- und Mandatsträger*innen wurden 2019 so häufig Opfer von Straftaten, wie nie
zuvor. Das Gleiche widerfährt – gerade auch in den sozialen Netzwerken – Verbänden,
Initiativen, zivilgesellschaftlichen Akteuren oder deren Sympathisant*innen. Antisemitismus,
Rassismus, antimuslimischer Rassismus, Antiziganismus, LGBTTIQ*-Feindlichkeit oder
Diskriminierung aufgrund des sozialen Status dürfen nicht unterschätzt und verharmlost
werden. Es ist ein Angriff auf die Menschen, die unsere plurale Demokratie gestalten und
leben. Dabei machen sie Vielfalt in Berlin sichtbar, bieten Frei- und Rückzugsräume und
unterstützen Menschen aus verschiedensten Hintergründen mit verschiedensten Geschichten in
ihren unterschiedlichen Lebenslagen. Als Bündnis 90/Die Grünen Berlin treten wir Hass und
Hetze entgegen, solidarisieren uns und unterstützen sie in ihrem Einsatz für eine
vielfältige Gesellschaft.
Strukturellen Rassismus als Realität anerkennen, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit
bekämpfen
Deutschland hat ein Rassismusproblem. Diese Realität muss man anerkennen und benennen.
Berlin ist eine weltoffene und tolerante Stadt, aber auch der Berlin Monitor offenbart
weiteren Handlungsbedarf. Mit einem Maßnahmenpaket gegen Rassismus und Ausgrenzung setzen
wir einen Schwerpunkt in der Antidiskriminierungspolitik. Gleichzeitig gilt es,
Bildungsarbeit und Bildungsangeboten rassismuskritisch zu gestalten. Darüber hinaus ist es
zur Stärkung einer vielfältigen und selbstbestimmten Gesellschaft notwendig, das Berliner
Partizipations- und Integrationsgesetz gemeinsam mit den zivilgesellschaftlichen Akteuren,
insbesondere den Migrant*innenorganisationen, bis 2021 weiterzuentwickeln, um politische
Anerkennung und Teilhabe zu stärken. Denn nur durch gerechtigkeitsfördernde Strukturen
können wir den Ursachen von strukturellem Rassismus entgegenwirken.
Die Koalition steht zudem in der Pflicht, ihr Versprechen einzulösen und das bereits im
Senat verabschiedete Landesantidiskriminierungsgesetz auch im Abgeordnetenhaus zu
beschließen, um die bestehende Schutzlücke bei Diskriminierungen zu schließen. Gerade in
diesen Zeiten wäre es nicht nur ein Gesetz, sondern ein Bekenntnis zu unseren demokratischen
Grundwerten und Strukturen. Gleichzeitig soll neben der Stärkung der
Landesantidiskriminierungsstelle die Diversitystrategie des Landes Berlin umfassend
konzeptioniert und ausgebaut werden.
Demokratieförderung ist eine Pflichtaufgabe
Um eine dauerhafte strukturelle Förderung des zivilgesellschaftlichen Engagements zu
ermöglichen, muss endlich ein Demokratiefördergesetz auf Bundesebene durchgesetzt werden.
Auch in Berlin war das Unverständnis groß, als die Große Koalition in den vorangegangenen
Haushaltsverhandlungen für den Bundeshaushalt 2020 massiv beim Projekt „Demokratie Leben“
kürzen wollte. Auch wenn dies verhindert werden konnte, wurde durch die Umstrukturierung der
Projektförderung auch in Berlin vielen kleineren Trägern und Vereinen die finanzielle
Grundlage entzogen. Daher begrüßen wir es, dass das Berliner Abgeordnetenhaus aktiv nach
Lösungen gesucht hat und mit einem Notfalltopf für „Demokratie Leben“ Projekte über 2,5
Millionen Euro partiell eingesprungen ist. Nur so konnte Projekten wie civic.net, die sich
gegen Hass im Netz engagieren, eine alternative Förderung und die Fortsetzung ihrer
wertvollen Arbeit ermöglicht werden. Es ist unser mittel- und langfristiges Ziel die
Landesantidiskriminierungsstelle weiter auszubauen, um dort Kompetenzen und Informationen
ressortübergreifend zu bündeln und bezirksübergreifend zu vernetzen sowie die Stärkung der
Ombudsstelle als effektive Anlaufstelle für Verbände und Initiativen als auch für
Betroffene.
Rechtsextremismus konsequent entgegentreten
Rechtsextremismus ist eine der größten existenziellen Bedrohungen für unser demokratisches
System. Dabei agieren rechte Netzwerke immer gezielter, destabilisieren, beeinflussen
Diskurse und bedrohen einzelne Personen und sogar ganze Personengruppen. Umso wichtiger ist
ein antifaschistisches Bekenntnis. Dafür reichen Worte alleine nicht aus, denn Demokratie
lebt von Strukturen, die sie tragen. Das sind gerade im Kampf gegen den Rechtsextremismus
unzählige Stellen, Initiativen aber auch lose antifaschistische Bündnisse. Es ist die Arbeit
durch Präventionsangeboten über Erfassungs- und Anlaufstellen, wie des Berliner Registers,
von Opferberatungsstellen oder Aussteigerprogrammen. Sie machen nicht nur Rechtsextremismus
sichtbar, sondern leisten durch Erstkontakt, Vermittlung und Hilfsangebote unersetzliche
Arbeit. Diese haben wir mit dem Doppelhaushalt 2020/21 massiv gestärkt und wollen sie auch
weiterhin erhalten wollen. Die Einrichtung eines Fonds für Präventions- und
Unterstützungsmaßnahmen für Opfer extremistischer Gewalt mit fünf Millionen Euro jährlich,
muss darauf ausgerichtet werden, Rechtsextremismus in Berlin den Nährboden zu entziehen.
Strafverfolgungsbehörden stärken
Beratungsstrukturen sind im Dickicht des Straf- und Antidiskriminierungsrechts wichtiger und
essentieller Bestandteil für einen adäquaten Rechtsschutz. Gerade von Diskriminierung
Betroffene tun sich oft schwer, diese aufzusuchen oder sich überhaupt zurechtzufinden.
Deshalb ist eine breite und zielgruppenspezifische Beratungslandschaft mit individuellen
Angeboten unverzichtbar. Doch auch bei der Strafverfolgung selbst, gibt es weiterhin
strukturelle Probleme, vor allem bei Taten im Netz ist die Nachverfolgung weiterhin
erschwert. Mit dem Anspruch einer Bürger*innenrechtspartei ist für uns klar, dass die
Rechtfertigung von Eingriffen in Persönlichkeitsrechte stets der Verhältnismäßigkeit gerecht
werden muss. Wir unterstützen die Forderung, dass die Betreiber*innen von Sozialen
Netzwerken und Internetseiten bei Straftaten, Daten, die Aufschluss über die Identität der
Person, an die ermittelnden Staatsanwaltschaften herauszugeben haben. Auskunftsbefugnisse
müssen jedoch fest auf rechtstaatlichem Boden verankert sein und dürfen nicht in einer
pauschalen Datenübermittlung ohne Anfangsverdacht münden. Eine Klarnamenpflicht lehnen wir
als Berliner Grüne ab, da sie nachweislich nicht von Hasskriminalität abhält und zudem
Opfern von digitaler Gewalt schadet. Stattdessen muss ein Schwerpunkt auf der
Strafverfolgung liegen. Denn weiterhin werden gerade im Bereich der Hasskriminialität
Delikte oftmals wegen Geringfügigkeit eingestellt. Diese Entwicklung lässt einen viel zu
großen Graubereich, in dem sich überwiegend rechte Internetnutzer frei und ungehemmt bewegen
können. Strafverfolgungsbehörden müssen ihrem bestehenden Auftrag an Strafverfolgung auch
gerecht werden können.
Die verstärkte Zunahme von Hass und Hetze im Netz sowie der Anstieg an strafrechtlich
relevanten Äußerungen, Handlungen und Drohungen im Netz stellen die Behörden, ob Polizei,
Staatsanwaltschaften oder Gerichte vor neue Herausforderungen. Dabei ist ein Grundbaustein
die Sensibilisierung und eine Aus- und Fortbildung, die den Gefahren für die Demokratie im
21. Jahrhunderten gerecht werden. Wir begrüßen daher nicht nur die personelle Stärkung von
Justiz und Staatsanwaltschaften in Berlin, sondern auch die neuen Fortbildungsprogramme für
Staatsanwält*innen und Richter*innen im Bereich Hasskriminalität. Wir überlassen das
Internet nicht den rechten Trollen oder gar organisierten rechten bis rechtsextremen
Netzwerken, die gezielt Hass und Gewalt propagieren. Wir wollen auch prüfen, inwiefern über
eine Schwerpunktabteilung bei der Staatsanwaltschaft Hasskriminalität eine
berlinübergreifende Stärkung der Strafverfolgung ermöglicht werden kann.
Bündnis 90/Die Grünen bekennt sich klar zu einem weltoffenen, toleranten, antirassistischen,
antifaschistischen Berlin für alle Menschen, die hier wohnen. Ein engagiertes und
vielfältiges Berlin wollen und werden wir erhalten. Allen Angriffen auf Politik und
Zivilgesellschaft stellen wir uns entschlossen entgegen und werden alles dafür tun, Berlin
nicht den Ewiggestrigen zu überlassen, sondern an der Seite der Berliner Zivilgesellschaft
die Zukunft zu gestalten.
Unterstützer*innen
- Ario Ebrahimpour Mirzaie (KV Berlin-Mitte)
- Laura Sophie Dornheim (KV Berlin-Kreisfrei)
- Silvia Rothmund (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Enad Altaweel (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Michael Sebastian Schneiß (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Claudia Schulte (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Dorothée Marquardt (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Willi Junga (KV Berlin-Treptow/Köpenick)
- Aida Baghernejad (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Johannes Mihram (KV Berlin-Mitte)
- Joana Zühlke (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Sebastian Weise (KV Berlin-Charlottenburg/Wilmersdorf)
- Svenja Borgschulte (KV Berlin-Pankow)
- Georg P. Kössler (KV Berlin-Neukölln)
- Sebastian Walter (KV Berlin-Tempelhof/Schöneberg)
- Thore Hagemann (KV Berlin-Neukölln)
- Fabio Wasilewski (KV Berlin-Charlottenburg/Wilmersdorf)
- Wolfgang Schmidt (KV Berlin-Kreisfrei)