Veranstaltung: | LDK am 28. Oktober 2020 |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 8 Verschiedenes |
Antragsteller*in: | LAG Demokratie und Recht (dort beschlossen am: 19.02.2020) |
Status: | Zurückgezogen |
Eingereicht: | 21.02.2020, 14:14 |
V11: Polizeibeamt*innen entlasten und Diskriminierungen verhindern
Antragstext
Polizeibeamt*innen entlasten und Diskriminierungen verhindern
Die Polizei ist nicht nur für die Verfolgung von Straftaten, sondern auch für den Schutz
aller Menschen verantwortlich, die in Deutschland leben oder sich aufhalten. Daher muss sie
bei vielen Konflikten eingreifen. Dabei sind Polizist*innen vielfach mit gesellschaftlichen
Problemen und Konflikten konfrontiert. Das kann für die Beamt*innen vielfach belastend sein.
Durch die Ausweitung des Straf- und Polizeirechts sind Polizist*innen für viele
gesellschaftliche Probleme zuständig und müssen diese im Rahmen ihrer Möglichkeiten lösen.
Aber muss die Polizei wirklich für so viele gesellschaftliche Probleme zuständig sein? Für
uns gilt: Die Polizei soll nur eingreifen, wenn alle anderen Formen der gesellschaftlichen
Konfliktbewältigung versagt haben. Das hat gute Gründe:
Viele Konflikte können besser durch Prävention außerhalb des polizeilichen Sektors gelöst
werden, die durch Kommunikation langfristig Probleme vermeiden. Wir wollen daher die
Präventionsarbeit, die Straffälligen-, Bewährungs- und Jugendgerichtshilfe weiter stärken
und die Institutionen unter der Beachtung hoher datenschutzrechtlicher Standards mit
Sicherheitsakteuren effektiv vernetzen. Probleme wie Kriminalität gehen uns alle an: Deshalb
muss ehrenamtliches und zivilgesellschaftliches Engagement auch in diesem Sektor unterstützt
werden, gerade im Strafvollzug und der Präventionsarbeit.
Die Polizei handelt oft durch Grundrechtseingriffe – insbesondere zur Strafverfolgung und
zum Schutz der Bevölkerung. Um einen wirkungsvollen Schutz unserer Freiheit zu
gewährleisten, müssen wir Grundrechtseingriffe auf das notwendige Minimum reduzieren. Wir
wollen deswegen betonen, dass Grüne Innenpolitik die Polizei als einen wichtigen Akteur
unter Vielen versteht, der nur in Grundrechte eingreifen soll, wenn es unbedingt notwendig
ist. Daher wollen wir auch Deeskalationsstrategien stärken. Für das Gefahrenvorfeld ist der
nichtpolizeiliche Präventionssektor zuständig.
Die Polizei bleibt aber für viele gesellschaftliche Probleme zuständig. Die Belastung für
die Beamt*innen ist teilweise so, dass eine angemessene Polizeiarbeit nicht mehr möglich ist
(etwa aufgrund von Überstunden und Schlafmangel auf Demonstrationen oder bei
Fußballspielen). Allerdings sind auch die Belastungen für die Menschen groß, die von
polizeilichen Maßnahmen betroffen sind. Insofern gibt es Menschen, die sich von der Polizei
rechtswidrig behandelt fühlen bzw. werden und denen Vertrauen in die polizeiliche Arbeit
fehlt. Dies stellt ein großes Problem dar, da der Rechtsstaat nur funktioniert, wenn der
Polizei und Beamt*innen vertraut wird. Auch von Polizist*innen wird dieser Vertrauensverlust
und sogar gewalttätiges Handeln gegenüber Beamt*innen beklagt. Betroffene und Polizist*innen
werden bzw. fühlen sich oft missverstanden und zu Unrecht beschuldigt. Wir wollen dazu
beitragen, diese Konflikte zu befrieden. Denn es hat Gründe, dass es zu Fehlverhalten,
Übergriffen auf Polizei und Konflikten kommt.
Teilweise sind Konflikte und polizeiliches Fehlverhalten strukturell bedingt, sodass den
einzelnen Beamt*innen nicht immer ein Vorwurf zu machen ist. Oft kommt es zu Fehlern
aufgrund widriger Umständen, wie Überlastung, Stress, fehlender Deeskalationsstrategien in
Aus- und Fortbildung und Ähnlichem. Wir wollen betonen, dass viele Beamt*innen trotz dieser
teilweise widrigen Umstände einen guten Job machen. Gleichzeitig gibt es
Konfliktsituationen, in denen es zu Fehlverhalten wie unangemessenen Eingriffen,
Diskriminierungen und Rassismus kommt. Rassistisches Verhalten und Denkmuster sind bei jedem
Menschen vorhanden und in Stresssituationen wird beides wahrscheinlicher. Wer häufig mit
Problemen und Konflikten zu tun hat, kann leicht einen verzerrten Blick auf die Gesellschaft
entwickeln und die Sicherheitslage in Berlin schlechter bewerten, als sie eigentlich ist.
Diskriminierendes staatliches Handeln ist für Betroffene oft sehr belastend und viele
Menschen berichten von entsprechenden Erfahrungen. Es ist bisher jedoch kaum empirisch
belegt, wie oft es zu diskriminierenden und rassistischen Verhalten kommt. Hier steht oft
Aussage gegen Aussage. Genau wie es Fälle von Rassismus in der Polizei gibt, wird es
umgekehrt Fälle geben, in denen Polizist*innen rechtmäßig handeln, ihnen aber Rassismus
vorgeworfen wird. Vorurteile und pauschale Bewertungen der Polizei kommen ebenfalls vor und
tragen auch nicht dazu bei, Konflikte zu lösen, sondern verschlimmern diese häufig. Es gibt
aber auch Situationen, in denen es zu Diskriminierungen kommt, ohne, dass die Beamt*innen
etwas dafürkönnen, etwa, wenn sie aufgrund von Vorurteilen zu einem vermeintlichen Tatort
gerufen werden, weil Menschen fälschlich aufgrund ihres Äußeren als gefährlich eingestuft
wurden.
Polizist*innen stehen oft unter hohem Druck und müssen mit stressigen Situationen umgehen
und können nicht immer auf alle Bedürfnisse der Bürger*innen Rücksicht nehmen. Ein gewisses
Grundvertrauen in die Polizei als Institution des staatlichen Gewaltmonopols, das uns alle
schützt, ist daher wichtig. Dabei muss aber auch beachtet werden, dass dieses Grundvertrauen
bei Menschen fehlen wird, die sich schlecht behandelt und diskriminiert fühlen. Für uns ist
klar, wer das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung ernst nehmen will, der muss auch und erst
Recht die Gefühle der Menschen ernst nehmen, die sich von Polizist*innen schlecht behandelt
fühlen und das Gefühl haben, diskriminiert worden zu sein. Diese Menschen fühlen sich
besonders unsicher.
Auch wenn wir niemals alle Fehler abstellen können, werden wir aber die strukturellen
Probleme in der Sicherheitspolitik angehen, damit sich sowohl die Situation für die
Polizist*innen als auch ihr Gegenüber verbessert und Fehler und Belastungen für beide Seiten
auf ein Minimum beschränkt werden.
Wir fordern daher:
1. Dass untersucht wird, inwieweit es in Berlin zu diskriminierenden Erfahrungen im Kontext
mit dem Handeln von Polizist*innen gekommen ist und was die Ursachen waren.
2. Die wissenschaftliche Aufarbeitung der Arbeitsbedingungen der Polizei, um zu ermitteln,
wann und warum es zu Konflikten mit Bürger*innen kommt und wie diese vermieden werden
können. Das Land Berlin wird eine entsprechende Studie einer unabhängigen Forschungsstelle
in Auftrag geben.
3. Die Stärkung des Dialogs zwischen Polizei und Zivilgesellschaft. Dazu muss die Polizei im
regelmäßigen Austausch mit zivilgesellschaftlichen Akteuren (insbesondere mit Betroffenen
und Organisationen, die sie vertreten) und anderen Behörden stehen. Dazu sollen Formen der
Kommunikation von Polizist*innen noch stärker gesetzlich geregelt werden, etwa die
deeskalierende Kommunikation im Kontext mit Demonstrationen (z. B. Ausweitung und Stärkung
von Kommunikationsteams). Dazu ist aber erforderlich, dass über Sicherheitsvorkehrungen
(besonders im Kontext mit Demonstrationen) die Polizei nicht ausschließlich alleine
entscheidet, sondern dass mit allen Beteiligten im Dialog Sicherheitsstrategien entwickelt
werden, die alle Interessen berücksichtigen.
4. Wie wollen mehr Kontaktbereichsbeamt*innen einsetzen, die nicht nur vorm Computer sitzen
oder im Auto zu Einsätzen fahren, sondern im Kiez unterwegs und ansprechbar sind.
Polizist*innen agieren für uns nicht nur einsatzbezogen, sondern müssen auch Raum haben,
Streife zu gehen oder zu fahren (bevorzugt mit dem Fahrrad) und mit den Menschen ins
Gespräch zu kommen. Zudem soll die Fahrradstaffel ausgebaut werden. Die Arbeit hat sich als
sehr erfolgreich erwiesen, um Verkehrsunfälle zu verhindern, vor allem, da die
Polizist*innen leichter Kontakt zu den Bürger*innen aufnehmen können.
5. Die gesetzliche Regelung der Informationspflichten der Polizei. Nur so können die
Menschen polizeiliches Handeln verstehen und Vorurteile abbauen. Insbesondere soll die
Polizei nach offenen polizeilichen Maßnahmen den Betroffenen so schnell wie möglich einen
Nachweis ausstellen aus dem sich ergibt, wann, wie und warum diese Maßnahme erfolgte.
Polizeiliche Eingriffe sind zu dokumentieren und im Rahmen von Statistiken auszuwerten,
damit diese in der Öffentlichkeit diskutiert werden können und damit die Polizei selbst
beurteilen kann, wie erfolgreich sie agiert. Hierdurch wird Vertrauen in die Polizei
geschaffen, denn Intransparenz verhindert Vertrauen und die Kräfte der Polizei können uns
effektiver schützen und Straftaten verfolgen.
6. Die Stärkung der Nachsorge und Vorbereitung auf kritische Einsätze und Konflikte (auch
mit externer Unterstützung). Die Polizist*innen müssen besser auf belastende Situationen
vorbereitet werden, etwa den Umgang mit psychisch kranken Menschen etc. Dazu sind
regelmäßige Fort- und Weiterbildungen erforderlich.
7. Mehr Raum für Polizist*innen, um Probleme und Belastungen anzusprechen. Dazu bedarf es
auch einer externen Supervision. Ferner ist kritisch zu hinterfragen, ob in der Polizei
Fehler ausreichend aufgearbeitet werden und wie eine Aufbereitung von Fehlern besser
gewährleistet werden kann. Gleichzeitig muss auch sichergestellt werden, dass Polizist*innen
nicht davon abgehalten werden, Fehler anzusprechen. Auch Polizist*innen müssen in einem
gewissen Maß Fehler zugestanden werden, da jeder Mensch Fehler macht. Das Ansprechen von
Problemen und Defiziten darf keine dienstrechtlichen Konsequenzen haben. Fehler sollten
daher auch und in einigen Fällen vor Allem bei der Polizeibeauftragten angesprochen werden,
worauf die Beamt*innen auch von dienstlicher Seite hinzuweisen sind.
8. Da die neu zu schaffende Stelle der Polizeibeauftragten gerade bei der Schaffung einer
Fehlerkultur einen bedeutenden Beitrag leisten wird, werden wir in der nächsten
Legislaturperiode die Kompetenzen der Polizeibeauftragten ausweiten. Wir freuen uns, dass
die Stelle geschaffen wird. Gleichzeitig kann die Stelle über den bestehenden Kompromiss der
Koalition noch ausgeweitet und verbessert werden. Dazu gehören insbesondere
Ermittlungskompetenzen während der Straf- und Disziplinarverfahren. Ferner ist die Stelle
mit ausreichenden Personalmitteln auszustatten, um ihrem Auftrag ausreichend nachkommen zu
können.
Unterstützer*innen
- LAG Migration und Flucht (LAG Migration und Flucht)