Ich beantrage den Wahlprogrammpunkt „Bärenkarte“ komplett zu streichen.
Begründung:
Die Umsetzung dieses Modells zur Finanzierung des Öffentlichen Personen Nahverkehrs (ÖPNV) ist noch nicht ausreichend entwickelt und nur sehr schwer vermittelbar. Es enthält noch sehr gravierende Ungerechtigkeiten und löst die grundlegenden Probleme des ÖPNV in Berlin nicht.
Einzelne Kritikpunkte:
Die Bärenkarte löst das Überlastungsproblem nicht sondern verlagert es und schafft viel größere Probleme:
- Wenn es im Konzept heisst, „Wir wollen mehr Menschen für Bus und Bahn begeistern", dann muss das auch und gerade für den Berufsverkehr gelten. In diesen Zeiträumen treten die größten Engpässe zu Tage. Wir brauchen also keine Verlagerung des „Freizeitverkehrs“ in andere Zeiträume, sondern Lösungen für die hochfrequentierten Zeiträume.
- Es wurde der abendliche Berufsverkehr, die abendliche „Rushhour“ völlig ausser Betracht gelassen.
- Da das Nutzen der Busse und Bahnen im Berufsverkehr oft unangenehm ist, verlagern die Nutzer, die es sich zeitlich leisten können ihre Nutzung auch jetzt schon in schwächer frequentierte Zeiten - der Entlastungseffekt wäre also geringer als erwartet.
- Konsequent durchdacht führt die Bärenkarte im Erfolgsfall (=es begeistern sich wirklich mehr Menschen für Busse und Bahnen) dazu, dass mehr Züge, kürzere Intervalle und längere Nutzungszeiträume gebraucht werden. Das ist ohnehin richtig – aber die finanzielle, personelle und logistische Herausforderung muss so schlagartig gestemmt werden.
Die Bärenkarte ist sozial ungerecht:
- So werden ausgerechnet diejenigen, welche nur mit dem Rad fahren oder zu Fuss gehen gezwungen, knapp 200 € im Jahr für nichts zu bezahlen.
- Es ist sozial ungerecht, wenn Reiche genau so viel zahlen wie Arme.
- Die 100 Millionen € Touristenzwangsabgabe die in der diesem Entwurf zugrunde liegenden Kalkulation stecken wird verschwiegen. Das entspräche einer Verdreifachung der City Tax. Wer die Schwierigkeiten bei der Einführung der City Tax , inklusive immer noch laufender Prozesse vor Gericht, erlebt hat wie, das ist fast unmöglich politisch durchzusetzen.
- Schwarzfahren bleibt genauso ein aufwändiges und teures Problem wie heute.
- Wenn der ÖPNV für alle die ihn nutzen günstiger wird, dann wird er für alle die ihn nicht nutzen teurer – also eine Strafzahlung dafür, dass man den ÖPNV nicht nutzt – ohne die individuellen Gründe zu kennen! Das klingt nach naiver „alle Autofahrer sind böse Rhetorik“ aus längst überwundenen Zeiten und widerspricht anderen teilen des Wahlprogramms.
Die Bärenkarte ist logistisch ein Problem und generiert zusätzliche Bürokratie:
- Wie soll das Geld eingenommen werden? Zusätzliche Bürokratie kostet auch zusätzliches Geld. Die Bärenkarte verteuert also den ÖPNV.
- Wie viel soll es kosten? Ungefähr € 15,-…?
- Was passiert um 10:00 Uhr? Schlagartig völlig überfüllte Züge?
Das Konzept ist sehr kompliziert und nur sehr schwer vermittelbar:
- Wie erklären wir das Fussgängern, Fahrrad- und Autofetischisten? Das ist wahrscheinlich die Mehrheit in Berlin?
- Oder benutzt die Mehrheit der Berliner jeden Tag Busse und Bahnen? Wenn wir am Tag von etwa 3,8 Mio. Nutzungen ausgehen, dann sind das 1,9 Mio. Hin- und Rückfahrten. Das entspricht nicht einmal 50% der Berlinerinnen und Berliner. Was ist mit der anderen Hälfte der Menschen?
- Da sind die zig. Mio. Touristen nicht mitgezählt, denen es zu erklären gilt, dass sie zwischen 7:00 und 10:00 zusätzlich zu ihrer U-Bahntaxe zuzahlen müssen (oder wie ist das gelöst?).
- Es handelt sich um eine Zwangsabgabe.
- Wir bevormunden die Bürgerinnen und Bürger statt ihnen die Wahl zu lassen.
Fazit:
- Wäre der ÖPNV in Berlin attraktiv, zuverlässig, sauber, sicher, angenehm, verfügbar und einfach zu nutzen würden ihn viel mehr Menschen nutzen. Dieses zu erreichen sollte unser Ziel sein, keine Bevormundung oder Zwangsbeglückung.