Veranstaltung: | Landesausschuss Juni 2023 |
---|---|
Tagesordnungspunkt: | TOP 4 Verschiedenes |
Antragsteller*innen: | Yannick Brugger (LV Grüne Jugend Berlin) Elina Schumacher (LV Grüne Jugend Berlin) Katinka Wellnitz (LV Grüne Jugend Berlin) Jenny Laube (KV Berlin Friedrichshain-Kreuzberg) |
Status: | Abgelehnt |
Eingereicht: | 14.06.2023, 09:49 |
V-2: Für eine konstruktive Diskussion und eine geeinte Position zur Europäischen Asylpolitik - Antrag auf außerordentliche Bundesdelegiertenkonferenz
Antragstext
Als Landesverband beantragen wir eine außerordentliche
Bundesdelegiertenkonferenz, um offen und konstruktiv über unsere Parteiposition
zur Europäischen Asylpolitik zu diskutieren.
Vor wenigen Tagen stimmte die Bundesregierung einem Kompromiss zur Asylpolitik
im Rat der EU zu. Als Landesverband blicken wir besorgt auf diese Entscheidung,
die von zahlreichen zivilgesellschaftlichen Organisationen, innerhalb unserer
Partei[1][2][3][4][5] und nicht zuletzt von unserer Fraktion im Europäischen
Parlament[6][7] scharf kritisiert wurde.
Viele unserer Mitglieder kommen mit dieser Entscheidung an die Grenze dessen,
was sie bereit sind, politisch mitzutragen. Als Bündnisgrüne haben wir stets
vehement für das Grundrecht auf Asyl gekämpft. Eine humane Asylpolitik, die mit
Menschenrechten vereinbar ist, ist Grundkonsens unserer Partei und seit
Jahrzehnten unser Wahlversprechen. Wir befürchten, Parteimitlieder und
Wähler*innen zu verlieren, denn nur mit ihnen ist unsere politische Arbeit
möglich. Wir wollen nicht, dass diese Entscheidung unsere Partei spaltet. Um
dies zu verhindern, brauchen wir eine geordnete Debatte, die unsere Mitglieder
einbezieht. Auf einer außerordentlichen Bundesdelegiertenkonferenz (BDK) wollen
wir deshalb konstruktiv und offen über dieses Thema, die Entscheidung der
Bundesregierung und unseren weiteren Umgang damit debattieren.
Wir ermutigen andere Landesverbände, sich unserem Antrag anzuschließen. Eine
außerordentliche Bundesdelegiertenkonferenz wird einberufen, wenn mindestens
drei Landesverbände sie beantragen. Wir unterstützen Mitglieder und
Kreisverbände, die eine außerordentliche Bundesdelegiertenkonferenz über das
Quorum für Mitglieder und Kreisverbände beantragen.
Mit diesem Antrag stellen wir als Landesverband Bündnis 90 / Die Grünen Berlin
den Antrag auf eine außerordentliche Bundesversammlung gemäß § 14 Absatz 6
Nummer 5 unserer Bundessatzung.
Begründung
Die Pläne für die europäische Asylpolitik brechen mit dem Koalitionsvertrag und unserem Grundsatzprogramm und zu Beschlüssen der BDK aus dem letzten Jahr. Als 2018 Kinder an der US-Mexianischen Grenze inhaftiert wurden, hat uns das zurecht erschüttert. Sind wir nun bereit, ähnliche Szenarien an den europäischen Außengrenzen zu akzeptieren?
Absatz 432 unseres Grünen Grundsatzprogramms[8] ist hier eindeutig:
"Nicht jede*r hat das Recht auf Asyl, aber jede*r hat das Recht auf ein rechtsstaatliches Verfahren mit individueller Prüfung sowie auf eine würdige Unterbringung und Behandlung. Zugang zu unabhängiger, rechtlicher Beratung und zu Widerspruchsmöglichkeiten zeichnet den Rechtsstaat aus. Ärztliche Versorgung und Zugang zu Bildung muss in dieser Zeit und auch unabhängig vom Status gewährleistet sein. Ziel ist ein gemeinsames EU-Asylrecht mit hohen Standards.".
Auf der Bundesdelegiertenkonferenz im Oktober 2022 forderten wir im Leitantrag[9] des Bundesvorstandes zur Wertegeleiteten Außenpolitik eine “menschenwürdige, gesamteuropäische Asyl- und Einwanderungspolitik”, Asylverfahren innerhalb der EU und dass “alle Asylanträge inhaltlich geprüft werden”. Wir lehnten “[m]enschenunwürdige Lager und geschlossene Einrichtungen” ebenso wie “europäische Außenlager in Drittstaaten ab.” In einem weiteren einstimmig beschlossenen Antrag[10] stellten wir uns außerdem gegen “Asylschnellverfahren an den EU-Außengrenzen, die [...] eine systematische Inhaftierung von Asylsuchenden [...] vorsehen”. Auch die BDK-Beschlüsse zeigen die eindeutige Position unserer Partei.
Es ist offensichtlich, dass viele unserer Mitglieder Probleme mit der Entscheidung unserer Bundesregierung zur Gemeinsamen Europäischen Asylpolitik (GEAS) haben. Sie wurde inzwischen von vielen Mitgliedern, Kreisverbänden und ganzen Landesverbänden kritisiert und stattdessen ein uneingeschränktes Recht auf Asyl gefordert. Vergleichbare Beschlüsse wurden in den vergangenen Wochen unter anderem in Bayern[11], Berlin[12], Bremen[13], Niedersachsen[14] und Nordrhein-Westfalen[15] gefasst.
Den Koalitionsvertrag und unser Grundsatzprogramm sehen wir in den letzten Monaten auch in anderen Bereichen bedroht: Das Klimaschutzgesetz wird voraussichtlich aufgeweicht werden, die Kindergrundsicherung wird blockiert und das Gebäudeenergiegesetz verschleppt. Diese und weitere Entwicklungen waren für uns als Partei nicht leicht zu ertragen. Mit der Entscheidung zur Asylpolitik wird die Liste schmerzlicher Entwicklungen noch länger.
Politik lebt von Kompromissen, gerade in Zeiten großer Krisen. Doch Kompromisse dürfen nicht dazu führen, dass wir uns als Partei bis zur Unkenntlichkeit verbiegen. Es ist wichtig, unseren Koalitionspartner*innen stark entgegenzutreten und klare Grenzen aufzuzeigen. Als Bündnisgrüne sind wir nicht bereit, unsere Grundsätze über Bord zu werfen.
Es ist eindeutig, dass wir als Partei Redebedarf haben. Denn in unserer Partei gibt es verschiedene Meinungen zu dieser Regierungsentscheidung und zum weiteren Vorgehen. Interne Spannungen können nur geklärt werden, wenn die unterschiedlichen Meinungen im Rahmen geordneter, demokratischer Prozesse ausgesprochen und nicht totgeschwiegen werden. Wenn wir als Partei erfolgreich mit unseren Koalitionspartner*innen verhandeln wollen, müssen wir ein gemeinsames Ziel haben und mit geeinter Stimme sprechen.
Ein Antrag auf eine außerordentliche BDK wurde bereits vom Kreisverband Cloppenburg gestellt: https://sonder-bdk.de/meldung-des-kv-cloppenburg/
Quellen:
[11] Beschluss Landesdelegiertenkonferenz Grüne Bayern 21.05.2023: "Als bayerische Grüne setzen wir uns weiterhin für das Grundgesetz und das uneingeschränkte Recht auf Asyl ein. Wir fordern die bayerische Staatsregierung dazu auf, sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten gegen den Beschluss der Asylverfahrensverordnung einzusetzen." (https://www.gruene-bayern.de/humane-migrationspolitik/)
[12] Beschluss Landesausschuss Bündnis 90/Die Grünen Berlin 10.05.2023: "Bündnis 90/Die Grünen Berlin lehnen die Pläne der Bundesregierung ab, sogenannte verpflichtende Grenzverfahren unter haftähnlichen Bedingungen für Asylsuchende einzuführen" (https://gruene.berlin/beschluesse/sicherer-hafen-berlin-zugangswege-ermoeglichen-asylrecht-bewahren_3222)
[13] Beschluss Landesmitgliederversammlung Bündnis 90/Die Grünen Bremen 27.05.2023: "Bündnis 90/Die Grünen Bremen lehnen die Pläne der Bundesregierung ab, sogenannte verpflichtende Grenzverfahren unter haftähnlichen Bedingungen für Asylsuchende einzuführen" (https://gruene-bremen.de/sicherer-hafen-bremen-zugangswege-ermoeglichen-asylrecht-bewahren/)
[14] Erklärung Landesvorstand Bündnis 90/Die Grünen Niedersachsen 05.05.2023: „Haftlager an den EU-Außengrenzen sind inakzeptabel“ (https://www.gruene-niedersachsen.de/haftlager-an-den-eu-aussengrenzen-sind-inakzeptabel/)
[15] Beschluss Landesdelegiertenkonferenz Nordrhein-Westfalen 03.-04.06.2013: "Das individuelle Recht auf Asyl muss weiter und uneingeschränkt gelten." (https://gruene-nrw.antragsgruen.de/ldk23/andere-reden-uber-zaune-wir-reden-uber-losungen-gemeinsam-solidaris-28767)
Unterstützer*innen
2 weitere Unterstützer*innen