Veranstaltung: | Landesausschuss 29. Mai 2024 |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 3 Berlin in einem starken und geeinten Europa |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landesausschuss |
Beschlossen am: | 29.05.2024 |
Antragshistorie: | Version 2 |
Machen was zählt: In Berlin und in einem starken und geeinten Europa
Beschlusstext
Bei der Wahl zum Europäischen Parlament am 9. Juni 2024 geht es nicht um eine
abstrakte Institution, sondern um die Zukunft der Europäischen Union (EU) und
von über 450 Millionen Menschen, die in ihr leben.
Am 9. Juni 2024 geht es um ambitionierten Klimaschutz, um den Erhalt unserer
Lebensgrundlagen und eine zukunftsfeste Wirtschaft mit dem Green New Deal, um
die Voraussetzungen für eine chancengerechte Gesellschaft und gesicherte
Lebensgrundlagen für diese und künftige Generationen. Es geht um den
Zusammenhalt der europäischen Gesellschaft und die Stärkung und den Ausbau der
europäischen Demokratie. Denn in einer globalisierten Welt, in der
Herausforderungen nicht an nationalen Grenzen haltmachen, bietet nur ein
starkes, soziales und geeintes Europa für uns alle Frieden und Sicherheit.
Auch für Berlin und für uns Berliner*innen geht es am 9. Juni um viel. Ob im
Tourismus, durch die Förderung von Infrastruktur oder in der Wissenschaft:
Berlin profitiert in unterschiedlichsten Bereichen ganz konkret von der
Europäischen Union. Wir Berliner*innen profitieren von der Freizügigkeit, vom
Frieden und von wirtschaftlichen Vorteilen. Das wollen wir nicht nur bewahren,
sondern schützen und stärken.
Für Zusammenhalt und den Schutz von Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechten
Die Europäische Union steht seit ihrer Gründung unverrückbar für Demokratie,
Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit. Um diese Werte zu bewahren und zu
stärken, gilt es, diese täglich zu verteidigen. Für uns Bündnisgrüne bedeutet
das auf allen Ebenen eine klare Absage an antidemokratische, nationalistische
und rechtsextreme Kräfte.
Der Rechtsruck in Deutschland und Europa ist eine Gefahr für unsere Demokratie.
Rechtsextreme und -populistische Parteien, die mit Hass, Hetze und Lügen
demokratische Gesellschaften spalten wollen, sind in europäischen Ländern auf
dem Vormarsch – und vor allem im digitalen Raum vertreten. Sie provozieren
Gewalt im echten Leben und vergiften unsere Debattenkultur durch Verbreitung von
Desinformationen, Verschwörungstheorien und rechtsextremen Erzählungen. Es ist
eine unserer zentralen Aufgaben, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit immer wieder
aufs Neue zu verteidigen und stärken!
Dies ist umso wichtiger, da wir in vielen europäischen Staaten Rückschritte
erleben. So wurden etwa in Ungarn Grundrechte eingeschränkt und demokratische
Institutionen angegriffen. Es ist bezeichnend, dass die AfD Viktor Orbán als ihr
Vorbild feiert. Die EU braucht Instrumente, sich dem entgegenzustellen. Das
mächtigste Mittel ist, die Auszahlung von EU-Geldern an die Einhaltung von
Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Grundrechten zu knüpfen. Auf unseren grünen
Druck hin hat die EU den Großteil des EU-Gelds für Ungarns Premier Viktor Orbán
eingefroren, um seine Korruption zu stoppen. Dieses Prinzip wollen wir noch
konsequenter anwenden. Dass wir Ursula von der Leyen erst verklagen mussten,
damit sie Orbán die Gelder kürzt, zeigt: Es braucht starke
Rechtsstaatsverteidiger*innen im Europaparlament.
Wir wollen die Demokratie in Europa nicht nur schützen, sondern auch ausbauen:
mehr Mitsprache fürs Europaparlament, mehr Handlungsfähigkeit durch die
Abschaffung nationaler Vetos, mehr Transparenz. So machen wir die EU fit für
eine nächste große Erweiterung, die wir der Ukraine, der Republik Moldau und den
Ländern des Westbalkans versprochen haben.
Für ein Leben in Frieden, Freiheit und Sicherheit – in Europa und weltweit
Die Europäische Union ist ein Friedensprojekt. Sie garantiert Millionen von
Menschen auf ihrem Gebiet Frieden, Freiheit und Sicherheit. Und mehr noch: Sie
bietet Schutz und Perspektiven für diejenigen, die vor Krieg, Verfolgung und
Gewalt zu uns fliehen.
Wir werden in Berlin und auch im nächsten Europäischen Parlament für eine
Verbesserung der Situation von Schutzsuchenden kämpfen. Die Situation der
Menschen, die in Europa Schutz suchen, ist untragbar und muss deutlich
verbessert werden. Massive Menschenrechtsverletzungen an den Außengrenzen,
schlechte Verteilung von Schutzsuchenden und menschenunwürdige Massenlager: Die
Abschreckungs- und Abschottungspolitik der letzten Jahre hat nicht nur
unerträgliches Leid, sondern auch zunehmendes Chaos geschaffen. Die aktuelle
Asylpolitik ist eine offene und schmerzhafte Wunde der europäischen Idee. Aus
unserer Sicht sind die Asylrechtsverschärfungen der EU-Asylreform nicht der
richtige Weg, um Flucht und Migration rechtsstaatlich und menschenwürdig zu
organisieren. Wir brauchen bessere Integrationsmöglichkeiten für Schutzsuchende
und mehr europäische Solidarität. Menschenrechte müssen vor allem in
Krisenzeiten geschützt werden. Rechtsstaatliche Verfahren und die Achtung der
Menschenwürde müssen wieder als die Stärke Europas betrachtet werden. Eine
Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten und damit eine faktische
Abschaffung des Asylrechts in Europa lehnen wir ebenso entschieden ab wie andere
Scheinlösungen wie Obergrenzen oder stationäre Binnengrenzkontrollen zur
Migrationskontrolle.
Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat uns daran
erinnert, dass in Europa Frieden, Sicherheit und Souveränität eben nicht so
selbstverständlich sind, wie wir es uns wünschen würden. Dieser Angriffskrieg
hat uns auch gelehrt, dass unsere Werte und unsere Demokratie ganz konkret
angegriffen werden und verteidigt werden müssen. Das Schicksal der Ukraine und
der Ukrainer*innen zeigt uns, wie schmerzhaft es ist, wenn die Friedensordnung,
an die wir uns so lange gewöhnt haben, gebrochen wird. Für die Unterstützung der
Ukraine gegen die Aggression braucht es ebenso eine starke und solidarische
Europäische Union, wie für die Aufnahme von Geflüchteten. Dabei sollten alle
Regionen und Metropolen Europas einen Beitrag leisten.
Für uns als Berliner Grüne ist klar: Berlin wird weiterhin ein weltoffener Ort
bleiben, an dem man Zuflucht findet.
Für grüne Transformation, Biodiversität und Klimaneutralität bis spätestens 2050
Dürre, Hitze, Waldbrände und Überschwemmungen sind die neue traurige Realität in
Deutschland und Europa. Extremwetterereignisse ereignen sich nicht irgendwann,
sondern sie geschehen bereits im Hier und Jetzt. Diesen und vielen weiteren
Herausforderungen müssen wir begegnen – nicht allein, und auch nicht nur auf
Landes- und Bundesebene, sondern europäisch und global.
Mit dem Europäischen Green Deal sind in den letzten Jahren viele wichtige
Weichen für die grüne und digitale Transformation gestellt worden. Die
klimaneutrale Modernisierung unserer Wirtschaft und Infrastruktur sichert nicht
nur die Zukunft unserer Wirtschaft und schafft soziale Sicherheit; die Anpassung
an die Klimakrise, der Schutz und die Erholung der biologischen Vielfalt
bewahren gleichzeitig unsere natürlichen Lebensgrundlagen. Wir setzen uns auf
allen politischen Ebenen dafür ein, dass der Europäische Green Deal
vorangetrieben wird und stellen uns dem konservativen Rollback in der
Klimapolitik entgegen.
Die Klimakrise wirkt nicht nur unmittelbar auf die Lebensrealität vor Ort,
sondern verschärft bereits bestehende Probleme zum Teil erheblich. Mit dem
Europäischen Klimagesetz ist das politische Ziel der EU, bis 2050 klimaneutral
zu werden, zu einer rechtlichen Verpflichtung geworden. Wir wissen, dass das
eigentlich zu spät ist und tun auf europäischer Ebene alles dafür, es früher zu
erreichen. Die Klimaschutzpolitik der EU- Kommission mit angezogener Handbremse
muss beendet werden. Für uns bleibt – trotz kleiner werdender Chancen auf
Zielerreichung – das 1,5-Grad-Ziel handlungsleitend.
Wir wollen, dass Berlin diese Vorgaben nicht nur einhält, sondern sie auch
ambitioniert umsetzt. Dabei gilt es den Umbau der Stadt zur Schwammstadt
voranzutreiben, die Verkehrswende und eine Vision-Zero in der Mobilität
ernsthaft anzugehen, sowie die Grünflächen in der Stadt zu schützen.
Neben der Klimakrise ist die Biodiversitätskrise die zweite große ökologische
Krise unserer Zeit. Ökosysteme kennen keine Staatsgrenzen, sie sind ganz
natürlich miteinander verbunden. Die Biodiversitätskrise stoppen wir in Berlin
oder Deutschland nicht allein, sondern nur im europäischen Verbund. Mit der EU-
Biodiversitätsstrategie für 2030 führt die EU ihre Strategie zum Schutz der
Ökosysteme und der Biodiversität fort.
Mit dem Renaturierungsgesetz der EU ist das weltweit erste Gesetz zur Rettung
der Natur im Europäischen Parlament auf den Weg gebracht worden. Dieser
bedeutende grüne Erfolg auf europäischer Ebene schafft eine neue
Doppelstrategie: Schutz und Wiederherstellung der Natur. Daraus folgen
Verpflichtungen für Deutschland und auch Berlin, für deren Umsetzung wir uns
einsetzen. Wir wehren uns gegen alle Bestrebungen, das Gesetz abzuschwächen oder
zu umgehen.
Für soziale Sicherheit und Zukunftsperspektiven in Zeiten des Wandels
Unsere Welt befindet sich im Wandel, und damit einher gehen viele Unsicherheiten
und finanzielle Sorgen. Wenn die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter
auseinandergeht und Menschen ihre Miete oder ihr Essen nicht mehr bezahlen
können, stellt sich die Gerechtigkeitsfrage noch lauter als ohnehin. Für mehr
Zusammenhalt und Zuversicht muss die Europäische Union darum sozial gerechter
werden. Wir wollen eine EU, in der alle Menschen ein gutes und sicheres Leben
haben: mit fairen Löhnen, verlässlichen Arbeitsbedingungen, sozialer Sicherheit
und Schutz vor Diskriminierung und Ausbeutung. So stärken wir das Zutrauen der
Bürger*innen in eine handlungsfähige Europäische Union und nicht zuletzt in
unsere Demokratie. Eine Europäische Union als eine soziale Union ist auch ein
Versprechen an die Breite der Gesellschaft.
Mit EU-Förderprogrammen wie dem Europäischen Sozialfonds (ESF+) leistet die
Europäische Union einen wichtigen Beitrag für die Menschen. Der ESF+ ermöglicht
den Zugang zu Arbeit und Ausbildung, besseren Arbeitsplätzen, bietet
Qualifizierung und unterstützt die soziale Integration und Inklusion. Wir
begrüßen, dass dies in Berlin bedeutet, dass Mitarbeiter*innen in
Pflegeeinrichtungen mit Bedarf an Alphabetisierung und Grundbildung gefördert
werden oder Menschen mit Fluchterfahrung zu ermöglichen ein Teil der aktiv
engagierten Stadt zu sein.
Mit dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) wird auch Berlin
dabei unterstützt, Quartiere lebenswerter zu gestalten, die Lebensqualität der
Menschen zu verbessern sowie Kultur- und Tourismusangebote auszubauen.
Europäische Fördermittel, die vor Ort konkrete Projekte umsetzen und Angebote
für Bürger*innen finanzieren, sind ein wichtiges Instrument, um die Sichtbarkeit
der Europäischen Union zu gewährleisten. Wir setzen uns dafür ein, dass der
Ansatz regionaler Förderung für alle Regionen Europas auch zukünftig bestehen
bleibt.
Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit, eine faire Verteilung von Macht, mehr
Frauen in Führungspositionen und in den Parlamenten, kurz: eine
geschlechtergerechte Gesellschaft - und ein geschlechtergerechtes Europa - ist
unser Ziel. Wir befürworten deshalb explizit Programme, die die Gleichstellung
der Geschlechter fördert und Maßnahmen gegen Diskriminierung umsetzt. Menschen
mit Behinderung werden immer noch in vielen Lebensbereichen diskriminiert. Wir
sagen: Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist ein Menschenrecht, das für alle
gilt. Vor nun über zehn Jahren ist in der Europäischen Union die UN-
Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) in Kraft getreten. Diese verpflichtet die
Mitgliedsstaaten dazu, Teilhabe, ein selbstbestimmtes Leben, Zugänglichkeit und
Chancengleichheit für Menschen mit Behinderung zu garantieren. Dennoch wird die
UN-BRK nach wie vor weitgehend ignoriert - sei es beim Wohnen, Arbeiten oder
Reisen. Die Europäische Union muss mehr Druck auf ihre Mitgliedstaaten ausüben,
damit die EU endlich der UN-BRK nachkommt.
Unternehmer*innen wünschen sich eine Umgebung, die transformationsfreundlich und
offen ist. In der Investitionen mittel- und langfristig Früchte tragen. In der
motivierte, gut ausgebildete Arbeitnehmer*innen sowohl nach innen als auch nach
außen zum Erfolg eines Unternehmens beitragen. Für uns Bündnisgrüne ist dies
untrennbar mit dem Schutz der Gesundheit und Sicherheit sowie Chancengleichheit
der Arbeitnehmer*innen verbunden. Dazu zählen die Gleichbehandlung am
Arbeitsplatz sowie die Bekämpfung sozialer Ausgrenzung. Die Grundsätze für ein
soziales Europa sind in der Europäischen Säule sozialer Rechte angelegt. Dabei
darf es aber nicht bei Grundsätzen und Empfehlungen bleiben. Wir wollen
rechtsverbindliche und einklagbare Arbeits- und Sozialstandards daraus ableiten.
Die Europäische Union muss zur Verbesserung des Status Quo geschlossen vorgehen
und braucht mehr finanzielle Mittel und Instrumente, um gemeinsam Strategien
anzuwenden. Dies bedeutet unter anderem, die Steuer für Superreiche einzuführen
und konsequent Steuerschlupflöcher zu schließen sowie Steuerbetrug besser zu
verfolgen. Denn wir sehen derzeit, dass die Mittelschicht zahlt, Milliardäre
aber nicht. Es bedeutet aber auch, die bereits bestehenden Möglichkeiten
effizienter zu nutzen. Klar ist: Aus Krisen spart man sich nicht heraus, man
investiert sich antizyklisch heraus. Nachfolgende Generationen werden uns nicht
dafür danken, besonders gut gespart zu haben, sondern dafür, dass wir klug und
nachhaltig investiert haben.
Die Europäische Union soll eine Union sein, mit einem Versprechen an ihre
Bürger*innen zur Bekämpfung von sozialer Ungleichheit, Armut und Diskriminierung
und einem Leben voller Chancen, sozialem Schutz und Gleichstellung.
In Zeiten des Wandels sehnen sich viele Menschen nach Sicherheit und Stabilität.
Gute Arbeit mit fairen Arbeitsbedingungen und einer wirksamen Mitsprache geben
in Zeiten des Wandels diese Sicherheit.
Ein starkes und geeintes Europa bietet die beste Garantie für Frieden, Freiheit,
Wohlstand und Sicherheit für alle Menschen. Wir wollen die Errungenschaften der
EU erhalten und sie zugleich weiterentwickeln, hin zu einer nachhaltigen,
demokratischen und sozial gerechten Gemeinschaft. So stärken wir das Zutrauen
der Bürger*innen in eine handlungsfähige Europäische Union, die den
Demokratiefeinden keinen Raum lässt.