Veranstaltung: | Landesausschuss 16. Oktober 2024 |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 5 Weitere Anträge |
Antragsteller*in: | LAG Digitales und Netzpolitik (dort beschlossen am: 30.09.2024) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 02.10.2024, 16:57 |
V-3: Für eine vorausschauende, evidenzbasierte und grundrechtsorientierte Sicherheits- und Kriminalpolitik
Antragstext
Der Landesausschuss fordert die Mitglieder des Bundestags von BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN Landesverband Berlin auf, für eine vorausschauende, evidenzbasierte und
grundrechtsorientierte Sicherheits- und Kriminalpolitik zu sorgen. Die Eingriffe
des Staates in die bürgerlichen Freiheitsrechte müssen stets gut begründt und in
ihrer Gesamtwirkung betrachtet werden. Flächendeckende Videoüberwachung und den
Einsatz von biometrischer Erfassung zu Überwachungszwecken lehnen sie ab. Das
Recht auf Anonymität sowohl im öffentlichen Raum als auch im Internet wird durch
sie verteidigt.
Allgemeine Überwachungspflichten, Maßnahmen zum Scannen privater Kommunikation
und eine Identifizierungspflicht lehnen sie ab. Gemeinsam mit den Ländern soll
die Sicherheitsarchitektur in Deutschland einer Gesamtbetrachtung unterzogen und
die Zusammenarbeit der Institutionen für die Sicherheit der Menschen effektiver
und wirksamer gestaltet werden.
Den Einsatz der globalen Zivilgesellschaft für digitale Bürgerrechte
unterstützen sie und fordern ein Völkerrecht des Netzes.
Begründung
Mit dem sogenannten Sicherheitspaket stehen Sicherheits- und vor allem Überwachungsmaßnahmen im Raum stehen, die bisher undenkbar waren für eine Partei, die sich die Wahrung von Bürger*innenrechte auf die Fahnen geschrieben hat. Mit dem Sicherheitspaket werden erstmals Instrumente gewählt, die gegen unser Grundsatzprogramm von 2021 sowie den Koaltionsvertrag sind. Hier ist insbesondere das Instrument des Abgleichs biometrischer Daten mit öffentlich verfügbaren Bildern und Stimmen aus dem Internet. Alle, die jemals ein Bild von sich ins Internet gestellt haben oder von denen ein Bild ins Internet gestellt wurde, werden dann in Polizeidatenbanken für Abgleiche mit potentiell Verdächtigen geführt. Dabei wird nicht nur das Foto verwendet, sondern auch Audioaufnahmen.
Im Koalitionsvertrag schreiben wir dazu: „Flächendeckende Videoüberwachung und den Einsatz von biometrischer Erfassung zu Überwachungszwecken lehnen wir ab. Das Recht auf Anonymität sowohl im öffentlichen Raum als auch im Internet ist zu gewährleisten.“
2021 hatten wir nach der Urabstimmung der Mitglieder diesem Koalitionsvertrag mit SPD und FDP noch vereinbart die Befugnis des Verfassungsschutzes zum Einsatz von Überwachungssoftware im Rahmen der Überwachungsgesamtrechnung überprüfen zu lassen, bevor solche Maßnahmen zum Einsatz kommen. Wir wollten Sicherheitsgesetze und deren Auswirkungen auf Bürgerrechte im Lichte der technischen Entwicklung einer unabhängigen wissenschaftlichen Evaluation unterziehen und Normen für verantwortliches Staatenverhalten im digitalen Raum zu stärken. Bei der geplanten Vorfeld-Erfassung von persönlichen Daten solle der Ausnahmefall unbegründet zum Regelfall gemacht werden. So nähert sich das Sicherheitspaket mit großen Schritte hin zum "gläsernen Bürger".
Neben der Erfassung persönlicher Daten würde das Sicherheitspaket dem BKA ermöglichen sensible personenbezogene Daten massenhaft und ohne wesentliche Einschränkungen oder konkrete Schutzmaßnahmen an Dritte zur Entwicklung, Überprüfung, Änderung oder zum Training von IT-Produkten weiterzugeben. Es ist nicht auszumalen, was passiert, wenn Unbefugte Zugriff auf diese Daten erhalten.
In der Anhörung vom 23. September im Ausschuss für Inneres und Heimat wurde der Gesetzentwurf "zur Verbesserung der inneren Sicherheit und des Asylsystems" beraten und die Sachverständigen sind mehrheitlich nicht überzeugt, dass der Gesetzentwurf die Tat in Solingen hätte verhindern können. Es ist nicht klar, inwiefern der Gesetzentwurf die objektive Sicherheitslage in Deutschland tatsächlich verbessert.
Beunruhigend ist auch das Tempo mit dem im Hauruckverfahren ein Gesetz verabschiedet werden soll, welches auf verfassungs- und europrechtlichen wackligen Füßen steht.
Wir fordern daher, dass die Mitglieder des Bundestags von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Landesverband Berlin auf sich in aller Deutlichkeit gegen diese Maßnahmen in den Gesetzentwürfen des BMI zur Umsetzung des Sicherheitspakets vom 09.09.2024 ausspricht und den Gesetzen so nicht zustimmen, sondern stattdessen für eine vorausschauende, evidenzbasierte und grundrechtsorientierte Sicherheits- und Kriminalpolitik zu sorgen.