| Veranstaltung: | LA am 10. Dezember 2025 |
|---|---|
| Tagesordnungspunkt: | 3. Verschiedenes |
| Antragsteller*in: | Paul Benter (KV Berlin-Mitte) |
| Status: | Eingereicht |
| Eingereicht: | 26.11.2025, 14:00 |
V-8: Wenn’s dir nicht gefällt, mach neu - juristische Ausbildung endlich zukunftsfest machen
Antragstext
Für uns als Bündnis 90/Die Grünen Berlin ist klar: Eine Reform der juristischen
Ausbildung ist längst überfällig. Kai Wegner und Felor Badenberg setzen lieber
auf Konzepte aus dem 19. Jahrhundert, als sich ernsthaft mit dem Reformbedarf zu
beschäftigen, der seit Jahren von Studierenden, Lehrenden und Universitäten
deutlich gemacht wird. Jüngst hat die CDU-Justizsenatorin wieder einmal
klargestellt, dass sie keine Probleme in der Ausbildung sieht. Aber: Wenn die
CDU lieber den Federkiel romantisiert und die Realität ignoriert, setzen wir uns
umso energischer dafür ein, die juristische Ausbildung endlich ins 21.
Jahrhundert zu bringen. Für einen gerechteren und zukunftsfähigen
Ausbildungsweg. Für die Zukunft der Justiz und der Rechtspflege allgemein.
Wir fordern die Senatsverwaltung für Justiz daher auf, die Augen vor den
berechtigten studentischen und universitären Anliegen nicht länger zu
verschließen, den Reformbedarf endlich anzuerkennen und sich in der
Justizminister*innenkonferenz und dem entsprechenden Koordinierungsausschuss für
eine ernsthafte und ergebnisorientierte Debatte über Lösungsmöglichkeiten der
vielfältigen Probleme einzusetzen.
Handlungsfähigkeit der Justiz erhalten: Reformen erarbeiten
und umsetzen
Berlin kann und sollte an der Spitze der Reformbemühungen stehen und zeigen, wie
eine moderne, zukunftsfähige juristische Ausbildung aussehen kann. Wir setzen
uns deshalb dafür ein, dass in den ersten Schritten hin zu einer Reform
verschiedene Maßnahmen zur Verbesserung der juristischen Ausbildung in Berlin
erarbeitet werden. Dafür muss der Senat alle relevanten Akteur*innen an einen
Tisch holen und gemeinsam ein zukunftsfähiges Konzept erarbeiten, indem die
verschiedenen Interessen von Justiz, Praxis, Universitäten und Studierenden in
angemessenen Ausgleich gebracht werden.
Zu diesen Maßnahmen gehören etwa die Reduktion des Pflichtfachstoffes, die
Wiedereinführung des Abschichtens, eine weniger repressive Hilfsmittelverordnung
für die Staatsprüfungen, diversere und paritätische Besetzung von
Prüfungskommissionen und verdeckte Zweitkorrekturen in den Staatsprüfungen, die
Ausweitung der digitalen Prüfungen auf die erste Staatsprüfung, die Einführung
von anwenderfreundlichen, elektronischen Hilfsmitteln sowie die weitere
Digitalisierung des Studiums.
Eine gerechtere Ausbildung schaffen
Darüber hinaus sind eine Stärkung und eine auskömmliche Finanzierung
universitärer Repetitorien notwendig, sodass kostenfreie Alternativen zu den
traditionellen, aber extrem kostspieligen Repetitorien zur Verfügung stehen.
Gute Noten dürfen keine Frage des Geldbeutels sein! Im Referendariat müssen die
Unterhaltsbeihilfe erhöht und die Zuverdienstgrenze abgeschafft sowie kostenlose
Klausurenkurse angeboten werden, damit der Zugang endlich für alle gleich wird.
Die Justiz muss darüber hinaus mit ausreichend Mitteln zur Ausbildung von
zusätzlichen Referendar*innen ausgestattet werden. Personalmangel macht auch vor
der Justiz nicht Halt. Wer hier jetzt die Augen verschließt, riskiert die
Handlungsfähigkeit des Staates in diesem Bereich in schon wenigen Jahren.
Außerdem muss endlich auch in der Ausbildung abgebildet werden, dass Vielfalt
kein Selbstzweck ist, sondern zu einer gerechteren Justiz führt. Bei allen
Reformmaßnahmen muss deshalb die Förderung von Inklusion und Diversität in der
juristischen Ausbildung, sowohl in der Lehre und bei den Studierenden, als auch
bei den Prüfer*innen in den Examina, im Fokus stehen. Auch die interdisziplinäre
Lehre und die Förderung des Erlernens von kritischer Analyse und Reflexion des
Rechts müssen verstärkt werden und dürfen nicht aus finanziellen oder
ideologischen Gründen zusammengestrichen werden.
Begründung
Die Struktur der juristischen Ausbildung wurde seit den 1870er Jahren nicht mehr fundamental verändert. Dieses Alter zeigt sich heute. Die entsprechende Kritik der Studierenden, Fakultäten, von Referendar*innen sowie auch aus der Praxis muss endlich die Beachtung finden, die sie verdient. Probleme wie der enorme psychische Druck und die sich mangelnde Digitalisierung zum einen, aber auch Themen wie fehlende Inklusion und Diversität zum anderen müssen endlich angegangen werden.
Die Staatsanwaltschaft stößt zudem bereits jetzt an die Belastungsgrenze. In den kommenden zehn Jahren werden knapp 40 % aller Richter*innen in Berlin in den Ruhestand gehen. Wir steuern also auf ein umfassendes Nachwuchsproblem in der Justiz zu. Sollte diese Lücke nicht geschlossen werden, steuert der Rechtsstaat auf gewaltige Probleme zu, während der Druck bereits heute zu hoch ist. Die juristische Ausbildung ist derweil aktuell nicht attraktiv genug, um die bestehenden und zunehmenden Probleme lösen zu können.
Für Studierende ist ein großer Teil des Problems die enorme psychische Belastung der Ausbildung. Neben diesem Problem, das alle betrifft, ist auch die Finanzierbarkeit des Ausbildungswegs ein großes Gerechtigkeits- bzw. Repräsentationsproblem. Die aktuelle Ausgestaltung der Ausbildung benachteiligt weniger privilegierte Studierende systematisch und führt nicht nur zu weniger talentierten Jurist*innen, die die Ausbildung abschließen, sondern auch zu mangelnder Repräsentation in der Justiz.
Eine Reform der juristischen Ausbildung, von Studienbeginn bis zur zweiten Staatsprüfung, ist also nicht nur notwendig, um eine gerechtere Justiz Wirklichkeit werden zu lassen, sondern auch um die Funktionsfähigkeit unseres Rechtsstaates zu sichern.
Trotz der beschriebenen Probleme und obwohl die Rufe nach Reformen immer lauter werden, sieht die Justizsenatorin - und Berlin als gemeinsam mit NRW zuständiges Land in der Justizminister*innenkonferenz im letzten Bericht zu diesem Thema - bisher keinen Reformbedarf bei der Ausbildung von Jurist*innen in Berlin. Es ist deshalb auch an uns, den Druck zu erhöhen. Denn ein funktionsfähiger Rechtsstaat ist ein elementarer Bestandteil der Demokratie. In jedem Land, aber eben auch in Berlin.
Unterstützer*innen
- Liliana Marie Dornheckter (KV Berlin-Steglitz/Zehlendorf)
- Benjamin Budt (KV Berlin-Pankow)
- Daniel Eliasson (KV Berlin-Steglitz/Zehlendorf)
- Susanne Zissel (KV Berlin-Spandau)
- Karl-Heinz Hage (KV Berlin-Steglitz/Zehlendorf)
- Nicolas Völcker Ortega (KV Berlin-Tempelhof/Schöneberg)
- Jonas Prade (KV Berlin-Reinickendorf)
- Kolja Vöhringer (KV Berlin-Pankow)
- Andrea Siebert (KV Berlin-Pankow)
- Petra Vandrey (KV Berlin-Charlottenburg/Wilmersdorf)
- Felix Leander Droop (KV Berlin-Tempelhof/Schöneberg)
- Michael Servatius (KV Berlin-Mitte)
- Jonathan Franz (KV Berlin-Pankow)
- Marei Zylka (KV Berlin-Reinickendorf)