| Veranstaltung: | LDK23-1 |
|---|---|
| Tagesordnungspunkt: | TOP 8 Verschiedenes |
| Antragsteller*in: | Kreismitgliederversammlung Berlin-Mitte (dort beschlossen am: 11.10.2022) |
| Status: | Zurückgezogen (unsichtbar) |
| Angelegt: | 16.12.2022, 19:05 |
Wirksamer Klimaschutz in Berlin - verbindlich, zielgerichtet, transparent
Antragstext
Klimaschutz ist die existenzielle und dringende Aufgabe unserer Zeit. Um den Klimaschutz in
Berlin jetzt noch zielgerichteter voranzubringen, fordert der Landesverband Berlin von
Bündnis 90/Die Grünen:
- Am 1,5°-Ziel ausgerichtete Klimaschutzziele für Berlin und eine umfassende
Selbstverpflichtung des Landes Berlin und der Bezirke, ein Monitoring und ein
transparentes Reporting über die Zielerreichung,
- klare Rahmenbedingungen und Anreize für Bürger*innen und Unternehmen, zum Erreichen
der Klimaschutzziele beizutragen,
- an den Zielen orientierte Maßnahmen und die dafür notwendige Finanzierung sowie
- eine offensive und klare Kommunikation.
Konkret wird der Berliner Senat aufgefordert:
- das Berliner Klimaschutz- und Energiewendegesetz (EWG Bln), das Berliner
Ausschreibungs- und Vergabegesetz sowie die Verwaltungsvorschriften zu seiner
Umsetzung wie unten beschrieben zu ändern,
- die Maßnahmen des BEK zu verschärfen, die Maßnahmen des Gutachtens „Berlin Paris
konform“ und des –“BEK Abschlussberichtes 2022 – 2026: Empfehlung zur
Weiterentwicklung des Berliner Energie- und Klimaschutzprogramms 2030“ sowie die
Empfehlungen des Bürger*innenrates zeitnah zu prüfen und in die Umsetzung zu bringen,
bzw. sicherzustellen, dass diese umgesetzt werden,
- den Austausch mit anderen Städten zu Good Practices zu forcieren, beispielsweise mit
den Teilnehmerstädten, die im Rahmen der EU Mission: Climate-Neutral and Smart Cities
das Ziel der Klimaneutralität bis 2030 verfolgen, Anwendern der Science Based Targets
Network Guidance for Cities oder anderen Teilnehmern des Cities Race to Zero,
- zusammen mit dem Bund und dem Land Brandenburg, der Wirtschaft sowie der
Zivilgesellschaft alles Erforderliche zur Umsetzung dieses gesetzlichen Auftrages zu
unternehmen.
Ambitionierte Ziele, umfassende Selbstverpflichtung, transparentes Monitoring
Anhand der wissenschaftlichen Erkenntnisse soll ein mit der Erreichung des 1,5°-Ziels und
dem Grundsatz der Klimagerechtigkeit vereinbares Emissions-Restbudget für alle Arten von
Treibhausgasen für Berlin definiert und festgelegt werden. Auf Basis dieses Emissions-
Restbudgets gilt es zudem, verbindliche Jahres-Ziele für die Klimaneutralität bis hin zu
deren Erreichung abzuleiten. Das Emissions-Restbudget soll dabei auf die bereits im Gesetz
aufgeführten Sektoren aufgeteilt und in Jahresscheiben heruntergebrochen werden. Dies muss
für alle im Gesetz genannten Sektoren (Energie, Verkehr, Wirtschaft) erfolgen.
Zusätzlich soll der Sektor „Konsum“ neu in das Monitoring aufgenommen werden. Für den Sektor
Konsum sollen zunächst nicht-verbindliche Ziele definiert werden sowie Maßnahmen
(beispielsweise zielgruppenspezifische Beratungsangebote, Kommunikationskampagnen etc.).
Weiterhin soll die Selbstverpflichtung des Landes gestärkt werden. Einschränkungen im
Gesetzestext wie beispielsweise komplexe Wirtschaftlichkeitsvorbehalte für die Beschaffung,
schwächen die Selbstbindung und die Planungssicherheit für die Wirtschaft. Sie sollen
vermieden bzw. durch die Verpflichtung ersetzt werden, Hindernisse mit allen verfügbaren
Mitteln auszuräumen.
Dort, wo Berlin nicht die notwendige Gestaltungskompetenz hat, um die Klimaneutralität
voranzubringen, soll das Land mit den jeweiligen Akteuren wie insbesondere dem Bund und dem
Land Brandenburg zusammenarbeiten.
Zudem sollen die Bezirke stärker in die Verantwortung genommen werden. Nach § 12 EWG Bln
sind die Bezirke bloß „gehalten“, am Klimaschutz mitzuwirken und „Energie- und
Kohlendioxidbilanzen zu erstellen, Ziele zur Minderung von Kohlendioxidemissionen zu
formulieren und Aussagen zur Einsparung von Energie in den bezirklichen Gebäuden zu
treffen“. Dies soll konsequent als Verpflichtung ausgestaltet werden, Emissions-Reduktions-
Ziele, die mit den Zielen des Landes vereinbar sind, sowie ausreichende Maßnahmen zu
definieren.
Um den Emissionsverbrauch in den Sektoren und die Reduktionsziele nachzuhalten, soll eine
jährliche Datenerfassung und Zielerreichungskontrolle implementiert werden. Da die
vorliegende Datenbasis dafür u.a. nicht ausreichend aktuell ist, soll diese im Rahmen eines
Projektes im Austausch mit den relevanten Stakeholdern wie der Wissenschaft, der Wirtschaft,
den Bezirken, ITDZ Berlin und dem Amt für Statistik Berlin-Brandenburg zu verbessern, indem
vorhandene Datenquellen auf ihre Genauigkeit, Vollständigkeit und Aktualität geprüft und
ggf. angepasst werden. Ziel muss es sein, zeitnah eine handlungsleitende Datenbasis für den
Klimaschutz in Berlin zu schaffen.
Bei Zielverfehlung sollen die jeweils zuständigen Senatsverwaltungen nach dem Vorbild der
Bundesebene Sofortmaßnahmen auf den Weg bringen. Diese Sofortmaßnahmen müssen nach dem Stand
der Forschung geeignet und ausreichend sein, um die Erreichung der Ziele sicherzustellen.
Die Sofortmaßnahmen sollen durch den Klimaschutzrat oder durch unabhängige wissenschaftliche
Gutachten auf ihre Eignung geprüft werden.
Zur Erhöhung der Transparenz bei der Umsetzung der Maßnahmen, soll deren Monitoring künftig
Indikatoren umfassen, welche sowohl den Umsetzungsstand als auch die Wirkung erfassen. Der
Abschlussbericht „Empfehlung zur Weiterentwicklung des Berliner Energie- und
Klimaschutzprogramms 2030 - Umsetzungszeitraum 2022 bis 2026“ enthält dazu Vorschläge, die
es umzusetzen und weiterzuentwickeln gilt. Wie begrüßen ausdrücklich die bereits laufenden
Bemühungen des Senats, das Monitoring in dieser Hinsicht zu verbessern.
Auf Basis dieses Umsetzungs- und Wirkungsmonitorings sowie des Stands der Forschung sollen
die Maßnahmen des BEK künftig jährlich, statt wie bisher jeweils ein Jahr nach der Wahl des
Abgeordnetenhauses, optimiert und weiterentwickelt werden. Der Senat soll Maßnahmen
entwickeln, um eine solche engmaschigere Weiterentwicklung des BEK zu ermöglichen. Diese
könnten beispielsweise die gesammelte Ausschreibung mehrerer wissenschaflicher
Jahresgutachten im Rahmen einer einzelnen Vergabe oder die Weiterentwicklung und Steuerung
des Programmes während der Legislaturperiode durch die Verwaltung statt durch die
Legislative umfassen.
Klare Rahmenbedingungen und wirksame Anreize
Nach dem Vorbild des britischen National Health Service soll der Senat für das öffentliche
Vergabewesen das klare Ziel formulieren, dass Berlin ab dem Jahr 2030 nur noch
Dienstleistungen und Produkte von Unternehmen beschafft, die in ihrer gesamten
Wertschöpfungskette (Scope 1-3) klimaneutral sind gem. einer etablierten Definition (bspw.
der Science Based Targets initiative). Die Vermeidung von Emissionen muss bei diesen
Lieferanten im Vordergrund stehen; eine Kompensation dürfen diese nur für unvermeidbare
Restemissionen (max. 5%) nutzen. Dieses Kriterium der Klimaneutralität von Lieferanten und
Dienstleistern soll ab 2023 in allen Vergabeverfahren berücksichtigt werden und in der
Gewichtung jedes Jahr erhöht werden, bis es 2030 zur Muss-Anforderung wird.
Sollte es sich abzeichnen, dass zu beschaffende Produkte, Dienstleistungen oder anbietende
Unternehmen noch nicht den Anforderungen des Landes an den Klimaschutz entsprechen, soll das
Land mit den anbietenden Organisationen in den Dialog gehen. Hier gilt es in Abstimmung mit
anderen Akteur*innen der öffentlichen Hand durch Bündelung der Nachfrage sicherzustellen,
dass die entsprechenden Produkte und Dienstleistungen im Markt verfügbar werden bzw. die
Anbieter entsprechende Maßnahmen für den Klimaschutz ergreifen, wie dies erfolgreich bereits
bei der Beschaffung von Bussen durch die BVG praktiziert wurde.
Bei den Unternehmen mit mehrheitlicher Landesbeteiligung soll der Senat zudem nicht wie
bisher nach § 13 EWG Bln nur auf den Abschluss von Klimaschutzvereinbarungen einwirken.
Stattdessen ist dies durch eine klare Verpflichtung zu ersetzen, dass alle
Klimaschutzvereinbarungen Klimaneutralität in der gesamten Wertschöpfungskette (Scope 1-3)
gem. eines etablierten Standards (bspw. der Science Based Targets initiative) sowie
ambitionierte Zwischenziele und Zeit- und Maßnahmenpläne beinhalten müssen. Die Vermeidung
von Emissionen muss dabei im Vordergrund stehen; eine Kompensation darf nur für
unvermeidbare Restemissionen (max. 5%) erfolgen.
Zielgerichtete Maßnahmen und ausreichende Finanzierung
Um die Erreichung der Emissionsreduktionsziele durch die im Rahmen des BEK definierten
Maßnahmen zu ermöglichen, müssen im Haushalt die notwendigen Mittel zur Umsetzung aller für
die Erreichung der jeweiligen Jahresziele geplanten Maßnahmen eingestellt werden.
Die Auswahl von Maßnahmen soll sich, soweit möglich, insbesondere an deren
Wirtschaftlichkeit orientieren, so dass die Maßnahmen mit der höchsten Emissions-Reduktion
pro 1.000 € prioritär umgesetzt werden usw. Zudem ist bei der Konzeption und Umsetzung der
Maßnahmen verpflichtend auf eine sozial gerechte Kostenverteilung zu achten.
Hemmnisse bei der Umsetzung von Maßnahmen, die entweder bereits durch Gutachten
identifiziert wurden oder sich bei deren Implementierung ergeben (bspw. Regularien auf
Bundes- oder EU-Ebene, finanzielle und Personalengpässe, Engpässe in Lieferketten, mangelnde
Technologiereife, Zielkonflikte zwischen Interessensgruppen oder fehlende Anreizsysteme für
private Finanzierung) soll der Senat in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Stakeholdern zu
beseitigen suchen.
Zur Definition und Umsetzung von Maßnahmen soll der Schulterschluss mit der Berliner
Wirtschaft und der Bevölkerung gesucht werden. Insbesondere soll verstärkt, d.h. alle zwei
Jahre, auf Beteiligungsformate wie den Bürger*innenrat zurückgegriffen werden.
Für die weitere Vernetzung und den Austausch mit der Wirtschaft, soll analog der
Bürger*innenräte der Wirtschaftsdialog verstärkt genutzt werden, um Maßnahmen für das BEK
zur Erreichung von Sektorzielen für den Sektor Wirtschaft zu entwickeln und deren Akzeptanz
zu sichern.
Klare Kommunikation
Der Senat soll die positive Vision eines klimaneutralen Berlins offensiv in den Medien und
im öffentlichen Raum kommunizieren. Die Vorteile wie günstigere Energie, die Gewinne für die
Lebensqualität wie saubere Luft, weniger Verkehrslärm, Milderung von Hitzewellen etc. sollen
in den Mittelpunkt gestellt und damit dem Narrativ des Verzichts und der Verbote
entgegengetreten werden. Die sozial gerechte Kostenverteilung soll ebenfalls klar
kommuniziert werden, damit ökologische und soziale Belange nicht als Widerspruch erscheinen.
Zudem soll der Senat zu den konkreten Zielen, Maßnahmen sowie deren Umsetzungsstand und
Erfolge sowie Handlungsmöglichkeiten für Bürger*innen und Unternehmen laufend
öffentlichkeitswirksam kommunizieren und berichten. Einfach verständliche
Schlüsselkennzahlen zur Emissionsminderung sollen auf einer Webseite der Stadt Berlin in
einem prägnanten Überblick veröffentlicht werden. Diese Kennzahlen sollen mit anderen
Bundesländern abgestimmt werden, so dass ein direkter Vergleich möglich ist und eine
Motivation zu einem Minderungswettlauf entsteht.
Grundsätzlich ist bei der Kommunikation der aktuelle psychologische und
kommunikationswissenschaftliche Forschungsstand zu Krisen- und Risikokommunikation zu
berücksichtigen. Dies ist bei der Ausschreibung der Kommunikationsleistungen als ein
gewichtiges Kriterium zu definieren.
Begründung
Im Klimaschutz klaffen aktuell sowohl eine Ambitionslücke als auch eine Umsetzungslücke. D.h., die aktuellen Klimaziele sind gem. dem Stand der Forschung nicht ausreichend ambitioniert und die aktuellen Maßnahmen sind nicht ausreichend zur Erreichung der Ziele. Beide Lücken müssen geschlossen werden. Klimaziele müssen sich an dem orientieren, was nach dem Stand wissenschaftlicher Erkenntnis notwendig ist, nicht bloß an dem, was aktuell machbar scheint.
Das Land Berlin hat am 10. Dezember 2019 die Klimanotlage anerkannt. Sowohl auf Bundes- als auch Landesebene besteht Einigkeit, dass das 1,5°C-Ziel erreicht werden soll.
In Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine ist nun zudem die Energieversorgung gefährdet und die Preise fossiler Energieträger und damit auch von Elektrizität sind explodiert. Der Ausbau erneuerbarer Energien hat damit auch wirtschafts- und sozialpolitisch höchste Priorität. Unternehmen und Bürger*innen müssen noch schneller vor den Risiken und Kosten fossiler Energien geschützt werden und mit sicheren und kostengünstigen erneuerbaren Energien versorgt werden.
Es müssen wirklich alle Handlungsmöglichkeiten ausgeschöpft werden, um Klimaneutralität zu erreichen und das verbleibende Emissionsbudget einzuhalten.
Ziel muss es sein, Ehrgeiz zu wecken und kreative Ideen freizusetzen in Verwaltung, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und bei den Bürger*innen, um diese zur Beteiligung zu gewinnen und eine sich selbst verstärkende Dynamik zu erzeugen. Vom Senat soll das Aufbruchssignal ausgehen, dass Berlin die Dekarbonisierung aktiv vorantreiben und gestalten will.