Antrag: | Chancenstadt Berlin: Qualifizierte und flexible Beschulung für alle neu zugewanderten Kinder und Jugendlichen sicherstellen |
---|---|
Antragsteller*in: | Lou-Marleen Appuhn (KV Berlin-Neukölln) |
Status: | Geprüft |
Verfahrensvorschlag: | Übernahme |
Eingereicht: | 25.05.2023, 13:01 |
V-12-120: Chancenstadt Berlin: Qualifizierte und flexible Beschulung für alle neu zugewanderten Kinder und Jugendlichen sicherstellen
Antragstext
Von Zeile 119 bis 121:
Für die Zeit nach dem vollständigen Übergang ins Regelsystem muss es einen verbindlichen Anspruch auf eine DeutschförderungSprachförderung mit einer festgelegten Mindestanzahl von Stunden geben. Um diesen Anspruch zu realisieren, müssen die dazu benötigten Sprachförderstunden den
Bildung ist die wichtigste Ressource für die Zukunftsfähigkeit einer Gesellschaft und
Voraussetzung für umfassende Teilhabe und sozialen Aufstieg. Dennoch warten in Berlin trotz
bestehender Schulpflicht mehr als 1500 geflüchtete und neu zugewanderte Kinder und
Jugendliche auf einen Schulplatz – und das häufig bereits seit Monaten. Obwohl es gelungen
ist im letzten Jahr mehr als 7.000 Schulplätze zu schaffen und über 500 Lehrkräfte
einzustellen, konnte nicht allen Kindern und Jugendlichen ein Bildungsangebot unterbreitet
werden. Diese Situation zeigt, dass Berlin für das Recht auf Bildung für geflüchtete und neu
zugewanderte Kinder und Jugendliche umfassender und flexibler gute Angebote schaffen muss.
Neben der zügigen Bereitstellung weiterer Kapazitäten in Willkommensklassen benötigt es
Sofortmaßnahmen für bislang unbeschulte Kinder und Jugendliche.
Seit Jahren fehlt Berlin ein klares und verbindliches Konzept, das die Rahmenbedingungen
einer inklusiven Beschulung neu zugewanderter und geflüchteter Kinder und Jugendlicher
regelt, Lehrkräfte entlastet und Schülerinnen und Schüler gezielt unterstützt. Es braucht
ein solide geplantes Bildungsangebot mit Lehr- und Förderplänen, welches rechtlich verankert
und ausfinanziert ist. Es braucht ein „Ankommenspaket“, das die schnelle Partizipation
geflüchteter und neu zugewanderter Kinder und Jugendlicher in die reguläre schulische
Bildung ermöglicht und somit den Bildungserfolg und damit die Chancen auf umfassende
gesellschaftliche Teilhabe nachhaltig erhöht.
Wir fordern Sofortmaßnahmen angesichts der hohen Zahl unbeschulter Kinder und Jugendlicher:
- Zügige Einstellungsverfahren für Lehrkräfte in Willkommensklassen mit angemessener
Bezahlung bei gleichwertiger Berücksichtigung akademischer Abschlüsse
- Einführungscoaching für Willkommenslehrkräfte nach dem Vorbild der
Quereinsteiger:innen
- Ausreichend Plätze im Fortbildungsprogramm für Willkommenslehrkräfte sowie Zugang für
befristet eingestellte Lehrkräfte
- Schnelle und gezielte Beteiligung von Lehrkräften aus dem Ausland
- Frühere Einbindung von Lehramtsstudierenden in die Unterrichtspraxis
- Effektive Nutzung der Schulgebäude an Nachmittagen, am Wochenende und in Ferienzeiten
- Ausreichende Ausstattung aller Willkommensklassen mit Unterrichtsmaterialien,
digitalen Endgeräten und Technik für zeitgemäßen Unterricht
- Durchmischung der Willkommensklassen ohne Separierung einzelner Sprachgruppen
- Bessere sozialarbeiterische Begleitung der Willkommensklassen
- Einrichtung einer Koordinierungsstelle für geflüchtete und neu zugewanderte Kinder und
Jugendliche mit Behinderung
Wir fordern eine Reform des Systems der Willkommensklassen:
- Beteiligung am Regelbetrieb von Anfang an: Neu zugewanderten Kindern und Jugendlichen
Teilhabe an schulischen Unterrichts- und Freizeitaktivitäten ermöglichen
- Verpflichtende und einheitliche Sprach- und Lernstandserhebung mit darauf aufbauenden
individuellen Lern- und Förderplänen
- Fachliches Lernen auch in der Herkunftssprache für Kontinuität in der
Bildungsbiografie und die Schließung von Lernlücken
- Mehrstufiger Übergang: Berlin braucht ein verbindliches mehrstufiges Übergangskonzept
mit dem Ziel einer schrittweisen, zügigen Teilhabe am Regelunterricht
- Begleitende Sprachförderung auch nach dem Übergang ins Regelsystem
- Anerkennung von Deutsch als Zweitsprache (DaZ) als ordentliches Schulfach
- Begleitende wissenschaftliche Evaluation des neu eingeführten Beschulungssystems für
neu zugewanderte Kinder und Jugendliche für eine Qualitätssicherung und Optimierung
Bedingungen für Lehrkräfte in Willkommensklassen verbessern
Um zügig mehr Lehrkräfte für Willkommensklassen zu gewinnen braucht es schnelle
Einstellungsverfahren, eine attraktive Vergütung sowie eine gleichwertige Berücksichtigung
verschiedener akademischer Abschlüsse. Da Willkommenslehrkräfte häufig Quereinsteiger:innen
sind, sollte das in diesem Kontext erfolgreiche Modell eines Einführungscoachings durch
erfahrene Lehrkräfte auf Willkommenslehrkräfte ausgeweitet werden. Zudem muss es eine
ausreichende Zahl an Plätzen im begleitenden Fortbildungsprogramm für Willkommenslehrkräfte
geben. So können die Lehrkräfte besser auf ihre verantwortungsvolle Tätigkeit vorbereitet
werden. Das 2017 gestartete Qualifizierungsprogramm für zu uns geflüchtete Lehrkräfte muss
reaktiviert werden, um die Zugangswege für Lehrkräfte aus dem Ausland in die Berliner
Schulen zu verbessern. Zudem könnte der Praxisanteil im Lehramtsstudium erhöht werden, um
Studierende besser auf die Berufspraxis vorzubereiten und gleichzeitig zusätzliche
Unterstützung für eine Unterrichtsbegleitung zu gewinnen. Während geflüchtete und neu
zugewanderte Kinder und Jugendliche auf einen Platz in einer Willkommensklasse warten,
braucht es eine ausreichende Zahl pädagogisch angeleiteter Überbrückungsangebote. Hierzu hat
sich in der Vergangenheit das Programm „Fit für die Schule“ bewährt, welches u.a. aus ersten
Deutschmodulen sowie Selbststärkungsangeboten besteht. Kein schulpflichtiges Kind darf in
Berlin ohne Bildungsangebot sein.
Ausstattung der Willkommensklassen verbessern
Zurzeit fehlt nicht nur ausreichend Personal für Willkommensklassen, auch Räumlichkeiten für
den Unterricht sind rar. Daher sollten berlinweit flexible Konzepte erprobt werden, um
Schulgebäude sowie weitere Räumlichkeiten auch in den Randzeiten an Nachmittagen,
Wochenenden und den Ferien für den Unterricht zu nutzen. So vermeiden wir, dass Unterricht
an fehlenden Räumlichkeiten scheitert. Neue Räumlichkeiten für Willkommensklassen müssen
zudem technisch ausreichend ausgestattet sein, um einen zeitgemäßen Unterricht zu
ermöglichen. Dazu zählt neben einer Bereitstellung von digitalen Endgeräten auch die
Bereitstellung von attraktiven Lernmaterialien.
Durchmischung fördern, individuelle Begleitung sicherstellen
Willkommensklassen sollten sprachlich gut durchmischt sein, damit Deutsch als verbindende
Sprache unter den Kindern und Jugendlichen Anwendung findet und erprobt werden kann. Da
insbesondere geflüchtete Kinder und Jugendliche potentiell Gewalt vor, während und nach der
Flucht ausgesetzt waren und sind, ist eine Unterstützung der Willkommensklassen durch
pädagogische Fachkräfte unerlässlich, die entsprechende Kenntnisse aufweisen. Eine weitere
Herausforderung für geflüchtete Kinder und Jugendliche stellt der Zugang zu einem passenden
Förderangebot im Falle einer Behinderung dar. Hier fehlt es an einer berlinweiten
Koordinierungsstelle, die Willkommenslehrkräfte, Eltern und Unterkünfte dabei unterstützt,
den Weg in ein passendes Förderangebot zu ebnen.
Verpflichtende Lernstandserhebung und individuelle Förderpläne
Ausgangspunkt des Besuchs einer Willkommensklasse sollte eine verpflichtende und berlinweit
einheitliche Lernstandserhebung sein, auf deren Grundlage verbindlich individuelle Lehr- und
Förderpläne entwickelt werden. So kann beispielsweise festgestellt werden, welche Kinder und
Jugendlichen über ausreichende Kenntnisse verfügen, um zügig am Regelunterricht in Englisch
oder Mathematik teilzunehmen sowie wer in bestimmten Fächern fluchtbedingte Lernlücken
aufweist und individuelle Förderangebote benötigt. Hierzu kann das bereits bestehende
Diagnosetool „2P - Potenziale und Perspektiven“ flächendeckend Verwendung finden, das
Lernstände in Deutsch als Zweitsprache, Englisch und Mathematik erhebt.
Partizipation am Regelbetrieb von Anfang an mit mehrstufigem Übergang
Von Beginn an sollten Kinder und Jugendliche in Willkommensklassen einer Regelklasse
zugeordnet sein, an deren sozialen Aktivitäten wie z. B. Wandertagen, AGs und
Ganztagsangeboten sie teilnehmen und wo ein Platz garantiert ist. Auf diesem Weg sollte ein
schrittweiser Übergang in den Regelunterricht erfolgen, der nach einer Basisqualifizierung
in alltagssprachlichem Deutsch in der Willkommensklasse mit Fächern wie Sport, Kunst und
Musik in der Regeklasse beginnt und schrittweise auf alle Fächer ausgeweitet wird. Begleitet
wird dies durch Angebote zum schrittweisen Deutscherwerb in der Willkommensklasse und dem
Erwerb von Deutsch-Zertifikaten nach dem Europäischen Referenzrahmen. Schon während des
Besuchs einer Willkommensklasse sollten Teambesprechungen zwischen den Willkommens-
Lehrkräften und den Lehrkräften des Regelbereichs zum Austausch über die Entwicklung der
Schülerinnen und Schüler fest verankert sein. Ab der Sprachstufe A2 folgt ein verbindlicher
Übergang in die Regeklasse, begleitet von ergänzendem DaZ-Unterricht. Jüngere Kinder nehmen
von Beginn an am Regelunterricht teil, für ältere Kinder sowie für Jugendliche mit großen
Lernlücken braucht es passgenaue Unterstützungsangebote zur Erreichung der
Bildungsabschlüsse.
Fachliches Lernen auch in der Herkunftssprache
Von Beginn an müssen auch die Kenntnisse in Mathematik und Englisch so gefördert werden,
dass die Schüler:innen einer Willkommensklasse beim schrittweisen Übergang in die
Regelklasse auf das Niveau der jeweiligen Klassenstufe vorbereitet sind. Hierzu zählen auch
zielgruppenbezogene Angebote in der Herkunftssprache, wie Mathematik-Unterricht auf Arabisch
oder Farsi, um mit Gleichaltrigen trotz fluchtbedingter Lernlücken aufschließen zu können.
Ebenso soll den Schülerinnen und Schülern Erstsprachlicher Unterricht in ausreichender
Stundenzahl angeboten werden, wie dies in § 15 Schulgesetz Berlin vorgesehen ist.
Deutschförderung auch nach dem Übergang ins Regelsystem
Für die Zeit nach dem vollständigen Übergang ins Regelsystem muss es einen verbindlichen
Anspruch auf eine DeutschförderungSprachförderung mit einer festgelegten Mindestanzahl von Stunden geben.
Um diesen Anspruch zu realisieren, müssen die dazu benötigten Sprachförderstunden den
Schulen pro Schüler:in zugewiesen und ihre Erteilung garantiert werden. Dafür muss Deutsch
als Zweitsprache als ordentliches Unterrichtsfach anerkannt werden. Das Curriculum sollte
sich am europäischen Referenzrahmen orientieren und neben der Entwicklung
alltagssprachlicher Kompetenzen auch die Hinführung zur Bildungssprache sowie die
Vermittlung von Lernstrategien beinhalten. Durch eine Weiterführung der Förderung neben dem
Unterricht der Regelklasse sollte Schüler:innen, je nach angestrebtem Schulabschluss, das
Erreichen des Niveaus C1 ermöglicht werden. DaZ-Lehrkräfte sollten ebenso wie andere
Lehrkräfte ein Referendariat absolvieren, sodass ein einheitlicher Qualitätsstandard
gesichert ist und Beschäftigungsbedingungen und Bezahlung sich nicht länger von anderen
Lehrkräften unterscheiden. Dabei sollten auch Erfahrungsjahre angemessen berücksichtigt
werden, damit auch erfahrenen DaZ-Lehrkräfte keine Nachteile entstehen. Notwendig ist eine
Verankerung des Faches als Schulfach in den Stundentafeln der Schulstufenverordnungen und
als Prüfungsfach für das Lehramt in der Lehramtszugangsverordnung.
Unterstützer*innen
- Yannick Brugger (LV Grüne Jugend Berlin)
- Elina Schumacher (LV Grüne Jugend Berlin)
- Moritz Wiechern (KV Berlin-Reinickendorf)
- Katinka Wellnitz (LV Grüne Jugend Berlin)
- Aron Hävernick (LV Grüne Jugend Berlin)
- Tjado Stemmermann (LV Grüne Jugend Berlin)
Von Zeile 119 bis 121:
Für die Zeit nach dem vollständigen Übergang ins Regelsystem muss es einen verbindlichen Anspruch auf eine DeutschförderungSprachförderung mit einer festgelegten Mindestanzahl von Stunden geben. Um diesen Anspruch zu realisieren, müssen die dazu benötigten Sprachförderstunden den
Bildung ist die wichtigste Ressource für die Zukunftsfähigkeit einer Gesellschaft und
Voraussetzung für umfassende Teilhabe und sozialen Aufstieg. Dennoch warten in Berlin trotz
bestehender Schulpflicht mehr als 1500 geflüchtete und neu zugewanderte Kinder und
Jugendliche auf einen Schulplatz – und das häufig bereits seit Monaten. Obwohl es gelungen
ist im letzten Jahr mehr als 7.000 Schulplätze zu schaffen und über 500 Lehrkräfte
einzustellen, konnte nicht allen Kindern und Jugendlichen ein Bildungsangebot unterbreitet
werden. Diese Situation zeigt, dass Berlin für das Recht auf Bildung für geflüchtete und neu
zugewanderte Kinder und Jugendliche umfassender und flexibler gute Angebote schaffen muss.
Neben der zügigen Bereitstellung weiterer Kapazitäten in Willkommensklassen benötigt es
Sofortmaßnahmen für bislang unbeschulte Kinder und Jugendliche.
Seit Jahren fehlt Berlin ein klares und verbindliches Konzept, das die Rahmenbedingungen
einer inklusiven Beschulung neu zugewanderter und geflüchteter Kinder und Jugendlicher
regelt, Lehrkräfte entlastet und Schülerinnen und Schüler gezielt unterstützt. Es braucht
ein solide geplantes Bildungsangebot mit Lehr- und Förderplänen, welches rechtlich verankert
und ausfinanziert ist. Es braucht ein „Ankommenspaket“, das die schnelle Partizipation
geflüchteter und neu zugewanderter Kinder und Jugendlicher in die reguläre schulische
Bildung ermöglicht und somit den Bildungserfolg und damit die Chancen auf umfassende
gesellschaftliche Teilhabe nachhaltig erhöht.
Wir fordern Sofortmaßnahmen angesichts der hohen Zahl unbeschulter Kinder und Jugendlicher:
- Zügige Einstellungsverfahren für Lehrkräfte in Willkommensklassen mit angemessener
Bezahlung bei gleichwertiger Berücksichtigung akademischer Abschlüsse
- Einführungscoaching für Willkommenslehrkräfte nach dem Vorbild der
Quereinsteiger:innen
- Ausreichend Plätze im Fortbildungsprogramm für Willkommenslehrkräfte sowie Zugang für
befristet eingestellte Lehrkräfte
- Schnelle und gezielte Beteiligung von Lehrkräften aus dem Ausland
- Frühere Einbindung von Lehramtsstudierenden in die Unterrichtspraxis
- Effektive Nutzung der Schulgebäude an Nachmittagen, am Wochenende und in Ferienzeiten
- Ausreichende Ausstattung aller Willkommensklassen mit Unterrichtsmaterialien,
digitalen Endgeräten und Technik für zeitgemäßen Unterricht
- Durchmischung der Willkommensklassen ohne Separierung einzelner Sprachgruppen
- Bessere sozialarbeiterische Begleitung der Willkommensklassen
- Einrichtung einer Koordinierungsstelle für geflüchtete und neu zugewanderte Kinder und
Jugendliche mit Behinderung
Wir fordern eine Reform des Systems der Willkommensklassen:
- Beteiligung am Regelbetrieb von Anfang an: Neu zugewanderten Kindern und Jugendlichen
Teilhabe an schulischen Unterrichts- und Freizeitaktivitäten ermöglichen
- Verpflichtende und einheitliche Sprach- und Lernstandserhebung mit darauf aufbauenden
individuellen Lern- und Förderplänen
- Fachliches Lernen auch in der Herkunftssprache für Kontinuität in der
Bildungsbiografie und die Schließung von Lernlücken
- Mehrstufiger Übergang: Berlin braucht ein verbindliches mehrstufiges Übergangskonzept
mit dem Ziel einer schrittweisen, zügigen Teilhabe am Regelunterricht
- Begleitende Sprachförderung auch nach dem Übergang ins Regelsystem
- Anerkennung von Deutsch als Zweitsprache (DaZ) als ordentliches Schulfach
- Begleitende wissenschaftliche Evaluation des neu eingeführten Beschulungssystems für
neu zugewanderte Kinder und Jugendliche für eine Qualitätssicherung und Optimierung
Bedingungen für Lehrkräfte in Willkommensklassen verbessern
Um zügig mehr Lehrkräfte für Willkommensklassen zu gewinnen braucht es schnelle
Einstellungsverfahren, eine attraktive Vergütung sowie eine gleichwertige Berücksichtigung
verschiedener akademischer Abschlüsse. Da Willkommenslehrkräfte häufig Quereinsteiger:innen
sind, sollte das in diesem Kontext erfolgreiche Modell eines Einführungscoachings durch
erfahrene Lehrkräfte auf Willkommenslehrkräfte ausgeweitet werden. Zudem muss es eine
ausreichende Zahl an Plätzen im begleitenden Fortbildungsprogramm für Willkommenslehrkräfte
geben. So können die Lehrkräfte besser auf ihre verantwortungsvolle Tätigkeit vorbereitet
werden. Das 2017 gestartete Qualifizierungsprogramm für zu uns geflüchtete Lehrkräfte muss
reaktiviert werden, um die Zugangswege für Lehrkräfte aus dem Ausland in die Berliner
Schulen zu verbessern. Zudem könnte der Praxisanteil im Lehramtsstudium erhöht werden, um
Studierende besser auf die Berufspraxis vorzubereiten und gleichzeitig zusätzliche
Unterstützung für eine Unterrichtsbegleitung zu gewinnen. Während geflüchtete und neu
zugewanderte Kinder und Jugendliche auf einen Platz in einer Willkommensklasse warten,
braucht es eine ausreichende Zahl pädagogisch angeleiteter Überbrückungsangebote. Hierzu hat
sich in der Vergangenheit das Programm „Fit für die Schule“ bewährt, welches u.a. aus ersten
Deutschmodulen sowie Selbststärkungsangeboten besteht. Kein schulpflichtiges Kind darf in
Berlin ohne Bildungsangebot sein.
Ausstattung der Willkommensklassen verbessern
Zurzeit fehlt nicht nur ausreichend Personal für Willkommensklassen, auch Räumlichkeiten für
den Unterricht sind rar. Daher sollten berlinweit flexible Konzepte erprobt werden, um
Schulgebäude sowie weitere Räumlichkeiten auch in den Randzeiten an Nachmittagen,
Wochenenden und den Ferien für den Unterricht zu nutzen. So vermeiden wir, dass Unterricht
an fehlenden Räumlichkeiten scheitert. Neue Räumlichkeiten für Willkommensklassen müssen
zudem technisch ausreichend ausgestattet sein, um einen zeitgemäßen Unterricht zu
ermöglichen. Dazu zählt neben einer Bereitstellung von digitalen Endgeräten auch die
Bereitstellung von attraktiven Lernmaterialien.
Durchmischung fördern, individuelle Begleitung sicherstellen
Willkommensklassen sollten sprachlich gut durchmischt sein, damit Deutsch als verbindende
Sprache unter den Kindern und Jugendlichen Anwendung findet und erprobt werden kann. Da
insbesondere geflüchtete Kinder und Jugendliche potentiell Gewalt vor, während und nach der
Flucht ausgesetzt waren und sind, ist eine Unterstützung der Willkommensklassen durch
pädagogische Fachkräfte unerlässlich, die entsprechende Kenntnisse aufweisen. Eine weitere
Herausforderung für geflüchtete Kinder und Jugendliche stellt der Zugang zu einem passenden
Förderangebot im Falle einer Behinderung dar. Hier fehlt es an einer berlinweiten
Koordinierungsstelle, die Willkommenslehrkräfte, Eltern und Unterkünfte dabei unterstützt,
den Weg in ein passendes Förderangebot zu ebnen.
Verpflichtende Lernstandserhebung und individuelle Förderpläne
Ausgangspunkt des Besuchs einer Willkommensklasse sollte eine verpflichtende und berlinweit
einheitliche Lernstandserhebung sein, auf deren Grundlage verbindlich individuelle Lehr- und
Förderpläne entwickelt werden. So kann beispielsweise festgestellt werden, welche Kinder und
Jugendlichen über ausreichende Kenntnisse verfügen, um zügig am Regelunterricht in Englisch
oder Mathematik teilzunehmen sowie wer in bestimmten Fächern fluchtbedingte Lernlücken
aufweist und individuelle Förderangebote benötigt. Hierzu kann das bereits bestehende
Diagnosetool „2P - Potenziale und Perspektiven“ flächendeckend Verwendung finden, das
Lernstände in Deutsch als Zweitsprache, Englisch und Mathematik erhebt.
Partizipation am Regelbetrieb von Anfang an mit mehrstufigem Übergang
Von Beginn an sollten Kinder und Jugendliche in Willkommensklassen einer Regelklasse
zugeordnet sein, an deren sozialen Aktivitäten wie z. B. Wandertagen, AGs und
Ganztagsangeboten sie teilnehmen und wo ein Platz garantiert ist. Auf diesem Weg sollte ein
schrittweiser Übergang in den Regelunterricht erfolgen, der nach einer Basisqualifizierung
in alltagssprachlichem Deutsch in der Willkommensklasse mit Fächern wie Sport, Kunst und
Musik in der Regeklasse beginnt und schrittweise auf alle Fächer ausgeweitet wird. Begleitet
wird dies durch Angebote zum schrittweisen Deutscherwerb in der Willkommensklasse und dem
Erwerb von Deutsch-Zertifikaten nach dem Europäischen Referenzrahmen. Schon während des
Besuchs einer Willkommensklasse sollten Teambesprechungen zwischen den Willkommens-
Lehrkräften und den Lehrkräften des Regelbereichs zum Austausch über die Entwicklung der
Schülerinnen und Schüler fest verankert sein. Ab der Sprachstufe A2 folgt ein verbindlicher
Übergang in die Regeklasse, begleitet von ergänzendem DaZ-Unterricht. Jüngere Kinder nehmen
von Beginn an am Regelunterricht teil, für ältere Kinder sowie für Jugendliche mit großen
Lernlücken braucht es passgenaue Unterstützungsangebote zur Erreichung der
Bildungsabschlüsse.
Fachliches Lernen auch in der Herkunftssprache
Von Beginn an müssen auch die Kenntnisse in Mathematik und Englisch so gefördert werden,
dass die Schüler:innen einer Willkommensklasse beim schrittweisen Übergang in die
Regelklasse auf das Niveau der jeweiligen Klassenstufe vorbereitet sind. Hierzu zählen auch
zielgruppenbezogene Angebote in der Herkunftssprache, wie Mathematik-Unterricht auf Arabisch
oder Farsi, um mit Gleichaltrigen trotz fluchtbedingter Lernlücken aufschließen zu können.
Ebenso soll den Schülerinnen und Schülern Erstsprachlicher Unterricht in ausreichender
Stundenzahl angeboten werden, wie dies in § 15 Schulgesetz Berlin vorgesehen ist.
Deutschförderung auch nach dem Übergang ins Regelsystem
Für die Zeit nach dem vollständigen Übergang ins Regelsystem muss es einen verbindlichen
Anspruch auf eine DeutschförderungSprachförderung mit einer festgelegten Mindestanzahl von Stunden geben.
Um diesen Anspruch zu realisieren, müssen die dazu benötigten Sprachförderstunden den
Schulen pro Schüler:in zugewiesen und ihre Erteilung garantiert werden. Dafür muss Deutsch
als Zweitsprache als ordentliches Unterrichtsfach anerkannt werden. Das Curriculum sollte
sich am europäischen Referenzrahmen orientieren und neben der Entwicklung
alltagssprachlicher Kompetenzen auch die Hinführung zur Bildungssprache sowie die
Vermittlung von Lernstrategien beinhalten. Durch eine Weiterführung der Förderung neben dem
Unterricht der Regelklasse sollte Schüler:innen, je nach angestrebtem Schulabschluss, das
Erreichen des Niveaus C1 ermöglicht werden. DaZ-Lehrkräfte sollten ebenso wie andere
Lehrkräfte ein Referendariat absolvieren, sodass ein einheitlicher Qualitätsstandard
gesichert ist und Beschäftigungsbedingungen und Bezahlung sich nicht länger von anderen
Lehrkräften unterscheiden. Dabei sollten auch Erfahrungsjahre angemessen berücksichtigt
werden, damit auch erfahrenen DaZ-Lehrkräfte keine Nachteile entstehen. Notwendig ist eine
Verankerung des Faches als Schulfach in den Stundentafeln der Schulstufenverordnungen und
als Prüfungsfach für das Lehramt in der Lehramtszugangsverordnung.
Unterstützer*innen
- Yannick Brugger (LV Grüne Jugend Berlin)
- Elina Schumacher (LV Grüne Jugend Berlin)
- Moritz Wiechern (KV Berlin-Reinickendorf)
- Katinka Wellnitz (LV Grüne Jugend Berlin)
- Aron Hävernick (LV Grüne Jugend Berlin)
- Tjado Stemmermann (LV Grüne Jugend Berlin)