Der Landesvorstand begründet den vorliegenden Satzungsänderungsantrag damit, dass die Aufnahme einer Wahlversammlung zusätzlich zu den in § 12 Satzung festgeschriebenen Beschlussorganen nötig sei, um den “formal-rechtlichen Vorgaben beim Aufstellen von Wahllisten” Rechnung zu tragen. Zukünftig solle deshalb eine aus Delegierten bestehende Wahlversammlung “die letztliche Wahl der Landesliste … im Anschluss an das Meinungsbild” vornehmen.
Hieraus ergeben sich drei Fragen:
- Was hat es mit einem Meinungsbild auf sich?
- Welche Rolle kommt der basisdemokratischen Landesmitgliederversammlung zu?
- Warum kann die Landesdelegiertenkonferenz nicht rechtskräftig Wahllisten aufstellen?
Im Kreisverband Berlin-Mitte wurden diese Fragen in mehreren Veranstaltungen erörtert; im Ergebnis beantragen wir die Streichung der Landesdelegiertenkonferenz aus dem Satzungsänderungsantrag. Wir garantieren durch die Landesmitgliederversammlung und eine Wahlversammlung sowohl die Beibehaltung der Basisdemokratie als auch Rechtssicherheit. Doch zunächst zurück zu den drei Fragen:
1) Meinungsbild: Bei einem Meinungsbild können alle Parteimitglieder mitstimmen, egal ob sie minderjährig sind, keine deutsche Staatsangehörigkeit haben oder sonstige wahlrechtliche Vorgaben nicht erfüllen. Es handelt sich um einen altbewährten Trick, der parteiintern mehr demokratische Teilhabe ermöglichen soll. Ein Meinungsbild wird traditionsgemäß sowohl bei Aufstellungen für Direktwahlkreise in den Kreisverbänden als auch bei Listenaufstellungen durch die Landesmitgliederversammlung durchgeführt. Es bindet zwar nicht rechtlich, aber politisch und wird in der Praxis direkt im Anschluss durch wahlberechtigte deutsche Staatsangehörige rechtskräftig bestätigt.
2) Landesmitgliederversammlung: Die Landesmitgliederversammlung ist das höchste Beschlussorgan des Landesverbands nach § 13 Satzung. Sie “beschließt insbesondere über … die Landeslisten für die Wahl zum Abgeordnetenhaus und zum Deutschen Bundestag”. Hierbei können alle Mitglieder von B90/GRÜNE Berlin teilnehmen. Formell beschlussfähig ist die Landesmitgliederversammlung erst, wenn mindestens 15% der Mitglieder anwesend sind. Dann kann sie eine Wahlliste eigenständig und rechtskräftig aufstellen.
Das Quorum von 15% wurde in der Vergangenheit jedoch nicht immer erreicht. In diesen Fällen hat die Landesmitgliederversammlung stets ein basisdemokratisches Meinungsbild durchgeführt, welches direkt im Anschluss von der Landesdelegiertenkonferenz bestätigt wurde. Diese Rolle würde zukünftig den Delegierten der Wahlversammlung zukommen, wodurch eine zwischengelagerte Landesdelegiertenkonferenz im Anschluss an eine Landesmitgliederversammlung überflüssig wäre.
3) Landesdelegiertenkonferenz: Die Landesdelegiertenkonferenz nimmt nach § 16 Satzung“in der Regel die Aufgaben der Landesmitgliederversammlung wahr”. Sie tritt zweimal jährlich zusammen, um bspw. über Anträge, Programme und Satzungsänderungen zu entscheiden. Die Aufstellung von Wahllisten findet nur alle vier bzw. fünf Jahre statt und stellt nicht die Regel dar. Deshalb wird hierfür stets eine Landesmitgliederversammlung anstelle einer Landesdelegiertenkonferenz einberufen - mit Ausnahme der Corona-Pandemie, während der strenge Hygienevorschriften und gesetzliche Sonderregelungen bestanden, die inzwischen ausgelaufen sind.
Der Landesvorstand hat gegenüber den Bezirksvorständen und Kreisgeschäftsführungen kommuniziert, dass für die Listenaufstellungen 2025 (Bundestag) und 2026 (Abgeordnetenhaus) wieder traditionsgemäß eine Landesmitgliederversammlung einberufen wird. Falls diese unter dem 15%-Quorum bliebe und nur ein Meinungsbild durchführen könnte, bräuchte es eine anschließende Delegierten-Wahlversammlung zur rechtskräftigen Bestätigung des basisdemokratischen Meinungsbilds. Die Landesdelegiertenkonferenz kann diese Rolle nicht mehr einnehmen, da sie neben den Bezirksgruppen zusätzlich Delegierte für den Landesvorstand, die Abteilungen und innerparteiliche Vereinigungen vorsieht, die nach einem Urteil des Saarländischen Oberlandesgerichts (1 U 80/17) wahlrechtswidrig sind. Es gilt das Gebietskörperschaftsprinzip.
Was folgt daraus? Im Ergebnis ergibt die in dem Satzungsänderungsantrag vorgeschlagene Festschreibung der Landesdelegiertenkonferenz noch vor der Landesmitgliederversammlung nur Sinn, wenn damit der Weg zur Abschaffung der Basisdemokratie geebnet werden soll. Jedoch handelt es sich dabei um eine bündnisgrüne Institution, die bei CDU und SPD ihresgleichen sucht. Daher geht es bei unserer Streichung der Landesdelegiertenkonferenz aus dem Satzungsänderungsantrag um die Beibehaltung der Basisdemokratie durch die Landesmitgliederversammlung bei gleichzeitiger Rechtssicherheit durch die Wahlversammlung.
Wir hoffen, mit dieser Begründung die politische Bedeutung von SÄA-9 für die Zukunft unseres Landesverbands verdeutlichen zu können und bitten um Deine Zustimmung! Die Thematik ist zugegebenermaßen komplex - wende Dich bei Fragen gerne vorab an vorstand@gruene-mitte.de.