erfolgt mündlich.
Antrag: | Für eine aktive und nachhaltige Wohnungspolitik |
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Antragsteller*in: | Katrin Schmidberger (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg) |
Status: | Geprüft |
Verfahrensvorschlag: | Abstimmung (Angenommen) |
Eingereicht: | 25.04.2024, 18:04 |
Antrag: | Für eine aktive und nachhaltige Wohnungspolitik |
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Antragsteller*in: | Katrin Schmidberger (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg) |
Status: | Geprüft |
Verfahrensvorschlag: | Abstimmung (Angenommen) |
Eingereicht: | 25.04.2024, 18:04 |
Für eine soziale und nachhaltige Wohnungspolitik
Die Lage auf dem Berliner Wohnungsmarkt hat sich weiter verschärft und erfordert einen wohnungspolitischen Paradigmenwechsel. Das zeigt auch der IBB-Wohnungsmarktbericht 2023 sehr deutlich: Die mittlere Angebotsmiete - die Nettokaltmiete - ist in nur einem Jahr um über 21% gestiegen – das ist der höchste Anstieg seit Beginn der Untersuchungen. Überhöhte Angebotsmieten im Neubau wie im Bestand, die Entkoppelung der Neuvertragsmieten von den Bestandsmieten, die Mietenexplosion durch möbliertes, temporäres Wohnen und der Verlust von Sozialwohnungen – all diese negativen Entwicklungen sind höchst besorgniserregend, weil damit auch der soziale Zusammenhalt immer weiter verloren geht. Selbst der gutverdienende Mittelstand kann diese Mietsteigerungen nicht mehr weiter so tragen. Während das verfügbare Einkommen seit 2013 um 27% gestiegen ist, haben sich die Angebotsmieten (Wieder-/Neuvermietung) gleichzeitig um 47% erhöht. Zusätzlich schaden die immer weiter steigenden Mieten der ohnehin unterdurchschnittlichen Kaufkraft der Berliner*innen. Der neue Mietspiegel, der bald veröffentlicht wird, wird voraussichtlich Mietsteigerungen von bis zu 11-15% ermöglichen und damit die Mietpreisspirale weiter anheizen.
Aber auch die Neubaupolitik des Senats ist gescheitert, weil die Mieten im Neubau durchschnittlich 63% höher liegen als im Bestand und kaum Sozialwohnungen entstehen – das Mietniveau des Berliner Wohnungsmarkts sinkt eben nicht durch teuren Neubau. Umso schwerer wiegt, dass die Koalition wider besseres Wissen den Neubau gegen den Bestand ausspielt und den Mieter*innenschutz nicht als zentrales Instrument nutzt. Zwar ist die direkte Begrenzung von Mieten Bundesrecht, das entlässt den Senat aber nicht aus seiner Verantwortung. Selbst die angekündigte Mietpreisprüfstelle, die im Koalitionsvertrag verankert ist, wird nicht ansatzweise vorbereitet. Eigentlich hatte die Koalition eine Anlaufstelle geplant, die überhöhte Mieten prüfen und Verstöße gegen die Mietpreisbremse ahnden sollte. Doch nun musste der Senat zugeben, dass er das Vorhaben nicht realisieren wird. Auch den Bezirken wird dafür kein Personal zur Verfügung gestellt. Der Senat verweist lediglich auf die kostenfreien Mieter*innenberatungen in den Bezirken, die wir bereits unter Rot-Grün-Rot geschaffen haben.
Die Untätigkeit beim Mieter*innenschutz von Schwarz-Rot hat leider Programm. Ob beim Thema spekulativer Leerstand und der Anwendung des sog. Treuhänder-Modells, bei der Reform des Zweckentfremdungsverbotsgesetzes, beim Abriss, beim Thema Zweitwohnungen und möbliertes Wohnen, beim zunehmenden Problem von Eigenbedarfskündigungen oder sogar bei niedrigschwelligen Maßnahmen wie dem kommunalen Wohnungstausch: Der Senat zeigt keinerlei Initiative, die Mieter*innen besser vor Verdrängung zu schützen und dem Verlust von bezahlbarem Wohnraum etwas entgegenzusetzen. Die Rettung des Tuntenhauses – erstritten von der Zivilgesellschaft und den Mieter*innen - mag dabei eine erfreuliche Ausnahme sein. Tagtäglich erleben wir aber, dass private Wohnungskonzerne und profitorientierte Vermieter*innen bestehende Gesetze missachten und die Wohnungsbestände absichtlich vernachlässigen. Deshalb muss Schwarz-Rot aufhören, den Mieter*innenschutz weiter zu vernachlässigen. Es gibt auf der Bezirks- und Landesebene viele Möglichkeiten und Ansatzpunkte, zum Beispiel bei der Bekämpfung von spekulativem Leerstand, Zweitwohnungen, Mietwucher, möbliertem Wohnen und Eigenbedarfskündigungen. Dabei gilt es nicht nur die bestehenden Gesetze zu schärfen, sondern auch neue Gesetze wie ein Wohnungswirtschaftsgesetz sowie neue Instrumente wie ein Miet- und Wohnungskataster einzuführen, um die Bezirke endlich dabei zu unterstützen, bestehende Vollzugsdefizite beim Wohnraumschutz zu beseitigen.
Wir setzen auf den Dreiklang “konsequenter Mieter*innenschutz, sozial-ökologischer Neubau sowie Ankauf” und arbeiten als Bündnisgrüne weiterhin für das Ziel, einen mehrheitlich gemeinwohlorientierten Wohnungsmarkt zu erreichen: Mehr als 50% der Wohnungen in Berlin müssen Schritt für Schritt in öffentliche und genossenschaftliche Hand. Dazu wollen wir die landeseigenen Wohnungsunternehmen gemeinsam mit Genossenschaften, Stiftungen und anderen gemeinwohlorientierten Akteur*innen in die Lage versetzen, durch An- und Vorkauf, sozial-ökologischen Neubau und Vergesellschaftung in den nächsten Jahren stark zu wachsen. Denn die landeseigenen Wohnungsunternehmen und Genossenschaften verzeichnen im Vergleich zu großen, privaten Wohnungskonzernen deutlich niedrigere Mieten und sind damit der Garant für dauerhaft bezahlbaren Wohnraum für breite Schichten der Bevölkerung.
Im Jahr 2021 stimmten fast 58 Prozent der Wähler*innen und damit fast über eine Millionen Menschen dafür, große börsennotierte Wohnungsunternehmen zu vergesellschaften. Der Senat verschleppt diesen eindeutigen, demokratischen Auftrag weiter absichtlich. Und das, obwohl die vom damaligen Senat einberufene Expert*innenkommission die Vergesellschaftung der ca. 240.000 Wohnungen unter bestimmten Voraussetzungen (u.a. angemessene Entschädigungszahlungen) für rechtlich möglich hält.
Statt sich fachlich und seriös damit auseinanderzusetzen, schiebt der Senat lieber den Landesrechnungshof vor, um mit unzureichend untersetzten Entschädigungssummen Stimmung gegen die Vergesellschaftung zu machen. Die Kritik des Landesrechnungshofs ist - wie bei der Debatte zur Schuldenbremse allgemein – nicht auf der Höhe der Zeit, wenn er argumentiert, die Schuldenbremse und die Vergesellschaftung seien nicht miteinander vereinbar. Denn die Finanzierung würde wie bei allen größeren Ankäufen der letzten Jahre über eine Mischung aus schuldenbremsen-konformen
Transaktionskrediten und einer Kreditaufnahme durch die zu gründende Anstalt öffentlichen Rechts, die die Bestände bewirtschaften soll, finanziert werden. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Schuldenbremse hat sowohl auf die Möglichkeiten von Transaktionskrediten als auch die Kreditaufnahme einer Anstalt öffentlichen Rechts keine Auswirkungen. Zudem hat der Landesrechnungshof die Kapitalkosten, sprich die Last aus Zins und Tilgung, deutlich zu hoch angesetzt und folgt zu Unrecht der Annahme, dass der Anteil der Finanzierung, der in Form von Transaktionskrediten aus dem Landeshaushalt getragen werden soll, den gleichen Tilgungszeiträumen unterliegen wie gängige Immobilienfinanzierungen. Schließlich muss beachtet werden, dass die Kapitalkosten für die öffentliche Hand deutlich geringer sind als für Private, und dass das insgesamt höhere Zinsniveau zu niedrigeren Verkehrswerten - und damit auch niedrigeren Entschädigungssummen - führt. Vonovia und andere Wohnungskonzerne mussten durch höhere Zinsen ihre Buchwerte bereits deutlich abwerten. Fest steht: Vergesellschaften nach Artikel 15 ist günstiger als Enteignen nach Artikel 14. Laut dem Abschlussbericht der Expert*innenkommission könnte sich die Entschädigungssumme auch an anderen Faktoren orientieren als am Verkehrswert und wäre in jedem Fall geringer als dieser. Der Senat ignoriert diese Erkenntnisse, um weiter mit Horroszenarien gegen den Volksentscheid wettern zu können.
Die entscheidenden Fragen, ab welchem Zeitpunkt das Verhältnis von Eigen- und Fremdkapitalfinanzierung - und damit die Frage, wie viel Kapital das Land Berlin durch einen Kredit oder eine Bürgschaft finanzieren muss - wirtschaftlich ist und dauerhaft bezahlbare Mieten ermöglicht, bzw. ab welcher Entschädigungssumme dies der Fall ist, bleiben in der Stellungnahme des Landesrechnungshofs leider unbeantwortet. Die bisherigen Kostenschätzungen sowohl des Senats wie des Landesrechnungshofs sind daher nicht nachvollziehbar. Der Landesrechnungshof hat nicht einmal eine eigene Entschädigungsberechnung gemacht oder die Ankäufe der letzten Jahre ausgewertet. Wir Bündnisgrüne stehen für eine faktenbasierte und wissenschaftlich fundierte Politik.
Das von Schwarz-Rot geplante Rahmengesetz ist überflüssig, juristisch sinnfrei und daher ein schlechtes Ablenkungsmanöver. Auch wenn bei einer unserer Sondierungen - bei beiden hatten wir einen Umsetzungsweg für den Volksentscheid gefunden - das Rahmengesetz eine Rolle spielte, war für uns immer zentral, dass aus dem Parlament heraus ein Vergesellschaftungssgesetz für Wohnraum erarbeitet wird. Wir Bündnisgrüne fordern weiterhin, dass dem Willen der Mehrheit der Berliner*innen Rechnung getragen wird und der Volksentscheid zur Vergesellschaftung umgesetzt wird. Wir Bündnisgrüne begrüßen es, dass die Initiative “Deutsche Wohnen & Co Enteignen” die Sache selbst in die Hand nimmt, indem sie ein Umsetzungsgesetz erarbeitet und anschließend die Berliner*innen über diesen Gesetzentwurf in einem erneuten Volksentscheid abstimmen lassen will. Zugleich bestehen weiterhin offene Fragen zur Umsetzung, die in der Expert*innenkommission leider nicht geklärt werden konnten. Daher fordern wir die Bündnisgrüne Fraktion im Abgeordnetenhaus auf, die Diskussion zur Umsetzung des Volksentscheids mit konkreten Beiträgen zur wissenschaftlichen Aufarbeitung der im Abschlussbericht der Expert*innenkommission gelassenen Leerstellen wie z.B. zu Fragen der Finanzierung, der Berechnung der Entschädigungssumme und zur Ausgestaltung der Anstalt öffentlichen Rechts zu unterstützen.
Darüber hinaus gibt es viele weitere Themen und Fragen, die wir auf unserer nächsten Landesdelegiertenkonferenz im Herbst 2024 in der Breite unserer Partei diskutieren und einen umfassenden Beschluss zu einer sozialen und ökologischen Wohnungs-, Mieten- und Stadtentwicklungspolitik fassen werden - für eine solidarische, offene und soziale Stadt!
erfolgt mündlich.