Leitantrag: | Demokratie sichern, Diskriminierung bekämpfen |
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Antragsteller*in: | Vasili Franco (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg) |
Status: | Geprüft |
Verfahrensvorschlag: | Modifizierte Übernahme |
Eingereicht: | 22.04.2024, 17:50 |
L-1-177-2: Demokratie sichern, Diskriminierung bekämpfen
Verfahrensvorschlag: Antragstext
Von Zeile 176 bis 178 einfügen:
braucht es eine besondere Sensibilität für die Verantwortung und Vorbildwirkung in der Gesellschaft. Der immer wieder erhobene Vorwurf des Generalverdachts ist fernab jeder Realität und erweist sich auch im zweiten Berichtsjahr des Berliner Bürger- und Polizeibeauftragten als populistische Stimmungsmache. Die Arbeit des Beauftragten stärkt nachweislich Vertrauen und Akzeptanz bei den Beschwerdeführenden. Der diesjährige Bericht zeugt gleichzeitig von erheblichem Verbesserungsbedarf der polizeiinternen Fehlerkultur. Wenn die Behörde Anfragen nicht nachkommt oder Berichte schönschreibt, ist das inakzeptabel. Perspektivisch braucht der Beauftragte mehr Kompetenzen, insbesondere um in laufenden Verfahren, in denen bisher Akteneinsicht verweigert wird, eine Schlichtung zu ermöglichen. Perspektivisch sollen auch Ermittlungsverfahren gegen Polizist*innen von einer unabhängigen Ermittlungsstelle geführt werden, wie dies in anderen europäischen Ländern bereits heute Standard ist. Die Polizei und die Innenverwaltung müssen sich mit dem Bericht gewissenhaft auseinandersetzen und die angesprochenen Probleme konsequent angehen. Fehlverhalten muss aufgeklärt und nachgegangen werden und Extremismus entschieden entgegengetreten werden. Die Berliner Polizeistudie zeigt dabei strukturelle
Berlin: für viele die Stadt der Freiheit. Weltoffenheit, Vielfalt, Selbstbestimmung – das
sind Versprechen unserer Stadt, wegen derer viele Menschen gerne herkommen, wegen derer
Menschen gerne hier leben.
Es ist unser aller Aufgabe, dieses Versprechen zu schützen und einzulösen. Denn zu Berliner
Realität gehört auch, dass viele Menschen sich in unserer Stadt nicht sicher fühlen – weil
sie aufgrund ihrer (zugeschriebenen) Herkunft oder ihrer Religion, aufgrund äußerlicher
Merkmale oder einer Behinderung, aufgrund von sexueller Orientierung oder geschlechtlicher
Identität diskriminiert, beleidigt und körperlich angegriffen werden. Rassismus,
Antisemitismus, Antifeminismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit nehmen zu; immer
mehr rechtsextreme Gewalttaten verunsichern und bedrohen die Menschen in unserer Stadt. Die
Polizei Berlin registrierte eine Zunahme rechtsextrem politisch motivierter Delikte um 4,5%
auf 2981 im Jahr 2022. Das sind im Schnitt mehr als acht dokumentierte rechtsextremistische
Straftaten pro Tag. Die Opferberatungsstelle ReachOut dokumentierte für dasselbe Jahr 336
rechtsextreme, rassistische und antisemitische tätliche Angriffe in Berlin. Es ist ganz
deutlich: die größte Bedrohung unserer Demokratie kommt von der extremen Rechten. Und das
ist insbesondere für betroffene Menschen nicht neu. In unserer Gesellschaft ist
rassistisches, antisemitisches, antimuslimisches und antifeministisches Gedankengut schon
sehr lange weit verbreitet und für viele Menschen eine reale und große Bedrohung.
Multiple Krisen verstärken die Verunsicherung bei vielen Menschen: die Folgen der Coronazeit
waren noch nicht ausgestanden, als Russland seinen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf
die Ukraine startete, dessen Auswirkungen auch in Deutschland und Berlin deutlich zu spüren
waren. Insbesondere die gestiegenen Lebenshaltungskosten waren und sind für viele
Berliner*innen eine Herausforderung. Und über all dem schwebt gleichzeitig die Klimakrise,
die unser aller Lebensgrundlagen bedroht. Von alldem sind vulnerable Menschen und Gruppen
besonders betroffen. Und dennoch liefern sich manche Parteien einen populistischen
Überbietungswettbewerb und versuchen, die verletzlichsten Gruppen gegeneinander
auszuspielen, im Glauben, mit einfachen Versprechungen und Parolen Wähler*innen zu gewinnen.
Das hilft den Rechtsextremist*innen, die versuchen, diese krisenbehaftete Zeit zu nutzen, um
ihre Ideologie weiter zu verbreiten, gegen Minderheiten zu hetzen und die Demokratie zu
destabilisieren. Doch komplexe Probleme können nicht mit einfachen Antworten gelöst werden.
Es ist Aufgabe aller demokratischen Parteien, diesem Angriff auf unsere freiheitlich-
demokratische Grundordnung etwas entgegenzusetzen. Unsere Demokratie ist wehrhaft und kann
und muss sich gegen Verfassungsfeinde verteidigen. Nicht umsonst haben die Mütter und Väter
des Grundgesetzes die Möglichkeit eines Parteiverbots vorgesehen; zu eindrücklich hatten sie
noch das Ende der Weimarer Republik vor Augen.
Wir suchen den Schulterschluss mit der engagierten Stadt- und Zivilgesellschaft, die in
Initiativen, Vereinen und auf der Straße Haltung zeigt. Die breite Reaktion auf die
Veröffentlichung der Correctiv-Recherche, die vielen Demonstrationen der letzten Wochen und
Monate mit Millionen von Menschen haben gezeigt: dieses Land und diese Stadt wollen nichts
von den Deportationsplänen der AfD und anderer Rechtsextremist*innen wissen und zeigt
deutlich: Nie wieder ist jetzt! Viele Vereine, NGOs, zivilgesellschaftliche Bündnisse und
Migrant*innenselbstorganisationen leisten hier seit Jahren eine wichtige und hervorragende
Arbeit; sie weiter zu unterstützen ist essenziell und muss im Berliner Landeshaushalt eine
Selbstverständlichkeit sein! Und unsere wehrhafte Demokratie ist nur dann wirklich wehrhaft,
wenn diejenigen, die sie schützen, gut arbeiten können. Statt nur laut Law and Order zu
schreien, muss der schwarz-rote Senat endlich Konzepte entwickeln, wie Prävention und
Bekämpfung von Rechtsextremismus in unserer Stadt besser funktionieren kann! Der Schutz der
Demokratie darf gerade in Zeiten wie diesen nicht finanziell unter die Räder geraten. Auch
wenn Einsparungen im Landeshaushalt nötig werden, darf hier nicht der Rotstift angesetzt
werden.
Zivilgesellschaft: wichtiges Standbein der Demokratie
Eine engagierte Zivilgesellschaft ist eine wichtige Partnerin beim Schutz der Demokratie. Es
ist unsere Aufgabe, sie in ihrer Arbeit zu stärken. Deshalb begrüßen wir, dass
Bundesministerin Lisa Paus ein Demokratiefördergesetz vorgelegt hat. Mit diesem Gesetz zur
Stärkung von Maßnahmen zur Demokratieförderung, Vielfaltgestaltung, Extremismusprävention
und politischen Bildung soll der Bund den gesetzlichen Auftrag zur Förderung von Demokratie
und zur Extremismusprävention bekommen und sich dem Kampf gegen Rassismus, Extremismus und
Menschenfeindlichkeit verpflichten. Ziel des Demokratiefördergesetzes ist eine verlässliche
und bedarfsorientierte Förderung von Projekten zur Stärkung von Demokratie und
gesellschaftlicher Vielfalt. Zivilgesellschaftliche Initiativen erhalten damit für ihre
Arbeit mehr Planungssicherheit und eine langfristige Perspektive.
Um zivilgesellschaftliche Strukturen und Bündnisse in Berlin nachhaltig zu stärken, braucht
es auch auf Landesebene ein Demokratiefördergesetz. Die bündnisgrüne Fraktion im
Abgeordnetenhaus hat mit der Vorlage ihres Demokratiestärkungspakets gezeigt, wo der Fokus
liegen muss: Mit 16 Millionen Euro sollten damit in den Jahren 2024 und 2025 Maßnahmen im
Kampf gegen Antisemitismus, Rassismus, Antifeminismus und Queerfeindlichkeit gebündelt
werden; der schwarz-rote Senat setzt im Rahmen des Doppelhaushalts allerdings die falschen
Prioritäten. Die anhaltende Unsicherheit bei allen Initiativen, ob die im Haushalt
ausgewiesenen finanziellen Mittel wirklich gezahlt werden oder doch wegen des Sparzwangs
noch gestrichen werden, ist eine nicht hinnehmbare Situation und gefährdet auch zunehmend
den Kampf für unsere Demokratie. Demokratiefördernde Projekte müssen gerade jetzt
ausreichend finanziert werden. Der Senat muss endlich Klarheit schaffen, wo er sein
Milliardendefizit einsparen wird, und darf nicht länger die Initiativen dieser Stadt am
ausgestreckten Arm verhungern lassen.
Viele Ehrenamtliche fühlen sich deshalb – nicht überraschend – von Schwarz-Rot im Stich
gelassen. Gerade in einer Zeit, in der die Angriffe auf zivilgesellschaftliche Projekte
zunehmen, in der Ehrenamtliche ihr Engagement nicht mehr angstfrei ausüben können, ist das
genau das falsche Signal. Auch Ehrenamtliche in der Kommunalpolitik, zum Beispiel in den
BVVen, geraten zunehmend unter Druck. Journalist*innen und Künstler*innen sind genauso im
Visier der Rechtsextremen wie demokratische Mandatsträger*innen. Hier sind alle
demokratischen Parteien gefordert, geschlossen zueinander zu stehen. Und der Berliner Senat
ist in der Pflicht, dass niemand allein gelassen wird, der*die einem rechtsextremen Angriff
zum Opfer gefallen ist oder von Rechtsextremen unter Druck gesetzt wird. Die Anlaufstellen
für Opfer rechtsextremer Gewalt müssen deshalb dringend abgesichert und besser ausgestattet
werden. Außerdem braucht es eine Stärkung der Aussteigerprogramme für Menschen, die dem
rechtsextremen Milieu den Rücken kehren wollen.
Die wehrhafte Demokratie verteidigen
Es ist unsere Verantwortung, alle uns zur Verfügung stehenden Mittel im Kampf gegen
Verfassungsfeinde zu nutzen; wir fordern die Verfassungsorgane auf, ein AfD-Verbotsverfahren
auf den Weg zu bringen. Der Berliner Senat sollte dies im Bundesrat anstoßen. Dies ist und
bleibt ein entscheidendes Puzzlestück, um unsere Demokratie zu retten. Uns ist jedoch auch
bewusst, dass sich rechtsextremes Gedankengut nicht auf Knopfdruck verbieten lässt. Es
braucht ein Bündel von Maßnahmen, die kurz-, mittel- und langfristig wirken müssen. Neben
einer resilienten Zivilgesellschaft und guter Bildung und Prävention braucht es deshalb auch
deutliche Schritte in der Justiz, der Polizei und beim Verfassungsschutz. Rechtsextremismus
im öffentlichen Dienst muss konsequent geahndet werden und in allen Verwaltungen muss die
Entfernung rechtsextremer Beamt*innen aus dem Staatsdienst konsequent verfolgt werden. Wir
wollen prüfen, ob eine Verschärfung des Disziplinarrechts nach dem Vorbild des „Gesetzes zur
Beschleunigung von Disziplinarverfahren in der Bundesverwaltung“ auch für das Land Berlin
geboten ist, sowie die Fristen verlängern für das Disziplinarmaßnahmenverbot und
Verwertungsgebot bei Verstößen gegen die beamtenrechtliche Verfassungstreuepflicht und gegen
das politische Mäßigungsgebot.
Keine Demokratiefeind*innen in der Berliner Justiz!
Das Beispiel der rechtsextremen AfD-Politikerin Malsack-Winkemann, die als ehemalige
Bundestagsabgeordnete einen gewalttätigen Umsturz plante, ist wohl das bekannteste Beispiel
für Rechtsextreme im Richter*innenamt. Dass Menschen mit klar rechtsextremer Grundhaltung in
Berlin Recht sprechen dürfen, wäre nicht hinnehmbar und insbesondere für Menschen, die nicht
ins Weltbild der AfD passen, eine echte Bedrohung.
Zu einer starken, unabhängigen Justiz gehört, dass Richter*innen sich zur freiheitlich
demokratischen Grundordnung bekennen. Die Neutralität und Unvoreingenommenheit von
Richter*innen ist ein zentrales Prinzip unseres Rechtsstaats. In Berlin setzen wir uns dafür
ein das Instrument der Richteranklage einzuführen, das es in anderen Bundesländern schon
gibt. Dieses Instrument eröffnet dem Parlament die Möglichkeit, mit einem Antrag an das
Bundesverfassungsgericht die Integrität eines Richters oder einer Richterin überprüfen zu
lassen, wenn offensichtlich wird, dass er oder sie den Boden des Grundgesetzes verlassen hat
und sich offen demokratiefeindlich verhält. Verfassungsfeind*innen haben an Berliner
Gerichten nichts zu suchen!
Rechtsextreme haben in ihren Netzwerken offensiv aufgerufen, sich für das Schöffenamt zu
bewerben und so das Justizsystem zu unterwandern. Auch hier braucht es klare Regelungen, um
zu verhindern, dass Demokratiefeind*innen Recht sprechen.
Eine demokratisch aufgestellte Polizei schützt den Rechtsstaat - auch in den eigenen Reihen
Die Sicherheitsbehörden sind ein unverzichtbarer Teil der Sicherheitsarchitektur. Wenn die
Demokratie systematisch durch Bedrohung und Gewalt unter Druck gesetzt wird, sind wir auf
handlungsfähige Behörden angewiesen, die die Gesellschaft, den Rechtsstaat und seine
Institutionen schützen. Dabei stellen die politisch motivierte Gewalt im Bereich
Rechtsextremismus, die zunehmende Hasskriminalität, der erhöhte Sicherheitsbedarf von
Politiker*innen und weiteren öffentlichen Personen auch für sie eine große Herausforderung
dar. Als am 29. August 2020 Reichsbürger*innen und andere Rechtsextreme zusammen mit einer
Mischung aus Querdenker*innen und Coronaleugner*innen den Reichstag stürmen wollten, standen
ihnen im letzten Moment nur noch drei Polizisten gegenüber, die die Herzkammer der
Demokratie verteidigten. Wenn Spitzenpolitiker*innen bedroht werden, so sind es die
Personenschützer*innen von LKA und BKA, die dafür sorgen, dass die Betroffenen dennoch
öffentliche Auftritte wahrnehmen können. Jeden Tag schützen Polizist*innen so – und auf
vielfältige andere Art und Weise – unsere Demokratie. Für uns ist klar: Polizist*innen sind
kein Einsatzmittel, sondern in erster Linie Menschen, die sich der Verteidigung der
Demokratie verpflichtet haben - und oft genug setzen sie dabei ihr eigenes Leben aufs Spiel.
Wir stärken all jenen den Rücken, die innerhalb und außerhalb der Behörde für
Rechtsstaatlichkeit und Demokratie eintreten.
Wir setzen uns für gute Arbeitsbedingungen, gute Ausstattung, den Abbau des Sanierungsstaus
sowie eine moderne, diverse und diskriminierungskritische Polizei ein. Wir schützen die
Sicherheitsbehörden vor politischer Vereinnahmung und den Unterwanderungsversuchen
rechtsextremer Kräfte.
Der Schutz der Demokratie ist eine der wichtigsten Aufgaben, die es im Staatsdienst zu
erfüllen gilt. Wir müssen diesen Beruf so attraktiv gestalten, dass sich hochqualifizierte
Menschen weiterhin dafür entscheiden. Dazu gehören selbstverständlich gute
Arbeitsbedingungen und ein attraktives Arbeitsumfeld. Die Instandsetzung von Polizeiwachen
ist deshalb kein nice to have, sondern elementar für die gute Arbeit der Polizei. Die vielen
Überstunden, die die Polizei jedes Jahr ansammelt, dürfen nicht zum Normalzustand werden.
Eine angemessene Work-Life-Balance und Familienfreundlichkeit machen den Beruf deutlich
attraktiver und entsprechen dem Anspruch der heutigen Arbeitswelt. Wir erwarten vom Senat
überdies, dass auch die seelische Gesundheit unserer Einsatzkräfte im Fokus steht. Wir
setzen uns für die Einrichtung struktureller psychotherapeutischer Maßnahmen für
Polizist*innen nach traumatisierenden Einsätzen ein.
Die Berliner Polizeiausbildung hat in den letzten Jahren deutlich an Qualität gewonnen.
Gerade in einer diversen Stadtgesellschaft wie der unseren, bleibt es zentral, dass sie
diskriminierungskritisch und diversitätssensibel ausgestaltet ist. Neben einem gesetzlichen
Verbot von Racial Profiling fordern wir die Einführung niedrigschwelliger und
unbürokratischer Nachweis- und Aufklärungspflichten (Kontrollquittung), so dass jede*r weiß,
warum sie*er kontrolliert worden ist und die Implementierung von Community-Policing-
Konzepten.
Für Spezialisierungen im Bereich des Staatsschutzes braucht es zudem einen organisierten
Wissenstransfer. Das gilt auch bei der Auswahl und Besetzung von Leitungsstellen im
polizeilichen Staatsschutz. Darüber hinaus muss er für den Phänomenbereich Rechtsextremismus
sowie im Bereich der Hasskriminalität gestärkt werden. Zur besseren Analysefähigkeit sollen
verstärkt Open Source Intelligence-Expert*innen zum Einsatz kommen.
Die Polizei als Behörde hat einen so hohen Stellenwert, da sie als ausführender Arm des
Gewaltmonopols des Staates besondere Verantwortung trägt. Dies ist ein hohes Privileg und
bringt große Macht mit sich. Dass in einem Rechtsstaat eine solche Übertragung immer mit
einer intensiven Kontrolle einhergehen muss, ist für uns selbstverständlich. Daher ist es
entscheidend, dass wir nicht die Augen davor verschließen, dass auch innerhalb der Berliner
Polizei Rechtsextremismus auftritt. Dies anzuerkennen ermöglicht es, verloren gegangenes
Vertrauen wiederherzustellen. Dafür braucht es auch strukturelle Änderungen. Daher ist es
gut, dass es neben internen Beschwerdestrukturen mit dem Polizei- und Bürgerbeauftragten nun
auch eine unabhängige Stelle gibt, die kontaktiert werden kann, wenn Fehlverhalten zutage
tritt. Denn gerade im Falle der Polizei als ausführendem Arm des staatlichen Gewaltmonopols
braucht es eine besondere Sensibilität für die Verantwortung und Vorbildwirkung in der
Gesellschaft. Der immer wieder erhobene Vorwurf des Generalverdachts ist fernab jeder Realität und erweist sich auch im zweiten Berichtsjahr des Berliner Bürger- und Polizeibeauftragten als populistische Stimmungsmache. Die Arbeit des Beauftragten stärkt nachweislich Vertrauen und Akzeptanz bei den Beschwerdeführenden. Der diesjährige Bericht zeugt gleichzeitig von erheblichem Verbesserungsbedarf der polizeiinternen Fehlerkultur. Wenn die Behörde Anfragen nicht nachkommt oder Berichte schönschreibt, ist das inakzeptabel. Perspektivisch braucht der Beauftragte mehr Kompetenzen, insbesondere um in laufenden Verfahren, in denen bisher Akteneinsicht verweigert wird, eine Schlichtung zu ermöglichen. Perspektivisch sollen auch Ermittlungsverfahren gegen Polizist*innen von einer unabhängigen Ermittlungsstelle geführt werden, wie dies in anderen europäischen Ländern bereits heute Standard ist. Die Polizei und die Innenverwaltung müssen sich mit dem Bericht gewissenhaft auseinandersetzen und die angesprochenen Probleme konsequent angehen. Fehlverhalten muss aufgeklärt und nachgegangen werden und Extremismus
entschieden entgegengetreten werden. Die Berliner Polizeistudie zeigt dabei strukturelle
Maßnahmen auf, die dazu beitragen, einen demokratiestärkenden Kulturwandel voranzutreiben
als auch den Anspruch eine modernen Hauptstadtpolizei in einer vielfältigen Weltmetropole zu
festigen.
Dass die Verfolgung und Aufklärung von über 380 rechtsextremer Straftaten beim Berliner LKA
jahrelang unbearbeitet blieben, darf sich nicht wiederholen. Die Polizei hat hier eine
besondere Verantwortung, diese Verschleppung detailliert aufzuklären und mögliche
Zusammenhänge mit dem sogenannten Neukölln-Komplex zu untersuchen. Sie muss außerdem
Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass ein solches mutmaßlich strukturelles Versagen
sich nicht wiederholt.
Die Verfassung schützen – Gefahren für die Demokratie erkennen
Die Rolle des Verfassungsschutzes wird zurecht kritisch betrachtet. Es ist kein Geheimnis,
dass er nicht nur im Rahmen des NSU-Komplexes versagt hat. Die Fehler rund um den Anschlag
am Breitscheidplatz, die rechtsextreme Anschlagsserie in Neukölln oder der Umgang mit
Feindeslisten oder illegalen Datenweitergaben – all das belegt, dass der Verfassungsschutz
in seiner jetzigen Form zu oft nicht funktioniert, die Aufgabe der Früherkennung in Teilen
sogar behindert hat. Tatsächlich mehren sich die Vorfälle, bei denen die Nicht-Weitergabe
von strafrechtlich relevanten Informationen durch den Verfassungsschutz und somit der Schutz
von Tätern dazu geführt hat, dass noch schlimmere Straftaten stattfanden. Ob eine so
grundlegende Reform möglich ist, um eine Behörde zu schaffen, die über jeden Zweifel erhaben
ist, ist sehr fraglich. Deshalb fordern wir, eine Alternative für den Verfassungsschutz zu
schaffen. Dem soll eine wissenschaftliche Untersuchung der Arbeitsweise des
Verfassungsschutzes vorausgehen, um Aufgaben, Prioritäten und Ressourcen der aktuellen
Herausforderungen neu justieren zu können.
Gleichwohl befinden wir uns derzeit in der herausfordernden Situation, dass die AfD den
Verfassungsschutz delegitimiert, weil er die Institution sein könnte, die entscheidende
Belege für ihre Verfassungsfeindlichkeit liefern könnte. Der Berliner Senat steht in der
Pflicht, die beim Verfassungsschutz vorliegenden Informationen in die Prüfung eines
Parteiverbotsverfahren einfließen zu lassen. Dazu gehört auch sicherzustellen, dass keine
Hinderungsgründe durch V-Leute, wie es beim ersten NPD-Verbotsverfahren der Fall war,
bestehen.
Rechtsextreme und kriminelle Strukturen aufdecken und austrocknen
Durch den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur rechtsextremen Anschlagsserie in
Neukölln zeigt sich: Es sind keine Einzelfälle. Rechtsextreme Netzwerke müssen bei
Ermittlungsbehörden und Staatsanwaltschaften als solche erkannt, analysiert und als
tatsächliche Gefahr anerkannt werden.
Um kurz- und mittelfristig Rechtsextremen die Möglichkeit zu nehmen, ihre
menschenverachtende Ideologie auch noch staatlich finanziert weiter zu verbreiten, müssen
wir alle Mittel nutzen, um ihre Strukturen aufzulösen. So sind parallel zur Prüfung des AfD-
Verbots Vereinsverbote beispielsweise gegen die Junge Alternative zu prüfen und
verfassungsfeindlich agierende Stiftungen und Vereine müssen von der öffentlichen
Finanzierung ausgeschlossen werden.
Bei der Finanzierung demokratiefeindlicher Bestrebungen sind Geldflüsse aus illegalen und
kriminellen Quellen stärker in den Blick zu nehmen. Gleiches gilt für ausländische Einflüsse
wie etwa Geldflüsse aus Russland, die überprüft und ausgetrocknet werden müssen; Gewerbe,
die mit Rechtsextremen und anderen Verfassungsfeinden in Zusammenhang stehen, müssen stärker
überprüft werden, auch um Geldwäsche zu verhindern.
Entscheidend ist auch die konsequente Entwaffnung von Demokratiefeind*innen. Es muss das
Ziel sein, dass weder legale noch illegale Waffen in die Hände von Rechtsextremist*innen
gelangen. Wir fordern dazu eine bundesrechtliche Verschärfung des Waffenrechts. Außerdem
muss der Senat die notwendigen Kapazitäten in der Berliner Waffenbehörde zur Durchführung
von Waffenkontrollen, Zuverlässigkeitsüberprüfungen und Erlaubniswiderrufe schaffen.
Abgeordnetenhaus und Verfassungsgericht resilienter machen
Berlin ist eine weltoffene Stadt; die Möglichkeit, dass Verfassungsfeinde die stärkste
Fraktion stellen, scheint hier und heute undenkbar. Dennoch muss das Parlament auch bei
einem Erstarken rechtsextremer Kräfte handlungsfähig bleiben und die Wahl einer*s
demokratischen Parlamentspräsidenten*in sicherstellen. Anders als das Grundgesetz sieht die
Landesverfassung bisher vor, dass die stärkste Fraktion das Vorschlagsrecht für die*den
Präsidenten*in hat. Eine Änderung sollte dagegen das freie Mandat der Abgeordneten in den
Vordergrund stellen. Auch die Leitung der konstituierenden Sitzung des Parlaments sollte
nicht länger dem ältesten (so bisher die Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses), sondern
wie im Bundestag dem Mitglied des Parlaments zufallen, das diesem am längsten angehört.
In anderen Staaten können wir beobachten, wie Gerichte von rechtspopulistischen und
rechtsextremen Kräften ausgehöhlt werden. Um die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichtshofs
zu sichern, sollten zentrale Regelungen in der Landesverfassung verankert werden: In Berlin
ist die Amtszeit der Richter*innen, die Bindungskraft ihrer Entscheidungen und die
Organisationshoheit des Gerichts bisher nur einfachgesetzlich geregelt. Auch die Aufgaben
des Verfassungsgerichts sind bisher nur unvollständig in der Landesverfassung geregelt – so
fehlt zum Beispiel die Wahlprüfung. Hier streben wir Verbesserungen an, um den Berliner
Verfassungsgerichtshof gegen antidemokratische Kräfte abzusichern - dazu werden wir mit den
demokratischen Parteien und Fraktionen ins Gespräch gehen.
Straftaten auch im Netz konsequent verfolgen und Cybersecurity ernst nehmen
Online-Hetze und -Mobbing, digitales Stalking, Doxing, Einschüchterung und das Hacken von
Accounts nehmen stetig zu. Frauenhass, Sexismus, Rassismus und extremistische Ideologien
sind häufige Ursachen für diese Taten.Unsere Gesellschaft und Demokratie stehen folglich
auch online unter Druck.
Mitarbeitende in Sicherheitsbehörden benötigen die nötige Ausbildung, um unsere Sicherheit
auch im digitalen Raum gewährleisten zu können. Mitarbeitende der Strafverfolgungsbehörden
müssen entsprechend weitergebildet und sensibilisiert werden und es braucht eine Stärkung
und engere Kooperation mit Betroffenenorganisationen wie zum Beispiel HateAid. Außerdem
setzen wir uns für eine Anpassung des rechtlichen Rahmens in Bezug auf Datenschutz und
Anerkennung von Hasskriminalität ein. Bereits fehlende Sensibilität beim Erfassen von
Straftaten kann dazu führen, dass politische Motive nicht erkannt werden oder als
vermeintlich kleine Straftaten abgetan werden.
Digitale Gewalt bedroht besonders Frauen und Mädchen, LSBTIQ*, Schwarze Menschen und People
of Color. Und auch Journalist*innen, ehrenamtlich politisch Aktive und Aktivist*innen
geraten zunehmend unter Druck.
Diese digitale Gewalt muss konsequent verfolgt werden. Dafür braucht es eine Modernisierung
der Strafverfolgung zum Beispiel über den Ausbau der Möglichkeit zur digitalen Anzeige, den
Aufbau einer Anlaufstelle, die nach dem erfolgreichen hessischen Vorbild “Hessen gegen
Hetze” als Kompetenzzentrum und Koordinationsstelle dienen soll, sowie
Schwerpunktstaatsanwaltschaften.
Darüber hinaus braucht es eine Strategie gegen Desinformation. Irreführende, falsche und
manipulative Informationen, Bilder und Videos sollen Menschen mit ihrer Wahrnehmung und
Haltung und damit die öffentliche Meinung beeinflussen. Gerade mit den gewachsenen
Möglichkeiten durch Künstliche Intelligenz stellt das eine massive Gefährdung für unsere
Demokratie dar - insbesondere, wenn Wahlen so beeinflusst werden.
Fake News destabilisieren das Fundament der Demokratie. Ihnen müssen wir entgegenwirken,
denn nur, wenn Bürger*innen sich unabhängig informieren können, können sie freie
Entscheidungen zum Beispiel im Rahmen demokratischer Wahlen treffen. Algorithmen müssen
transparent sein, damit die Sichtbarkeit von Inhalten und die öffentliche Meinungsbildung
nicht künstlich manipuliert wird.
Social Media Anbieter tragen hier eine hohe Verantwortung. Sie müssen verpflichtet werden,
stärker tätig zu werden, wenn Hass und Hetze oder Falschinformationen auf ihren Plattformen
verbreitet werden. Und es muss nachvollziehbar sein, wer auf diesen Netzwerken unterwegs
ist; für jede Onlinebestellung gelten strengere Anforderungen an Integrität und
Authentizität als für Social Media Plattformen. Deshalb braucht es hier höhere Standards und
bindende Regelungen für die großen Tech-Unternehmen in diesem Feld.
Wir fordern vom Senat massive Investitionen in digitale Aufklärung und Medienkompetenz sowie
Verzahnung und Förderung der Zusammenarbeit zwischen Verwaltungen, Technologieunternehmen
und Zivilgesellschaft, um Missbrauch über Bots so kleinteilig zu kontrollieren, wie er
auftritt. Sowohl im schulischen als auch im außerschulischen Kontext muss Medienbildung eine
größere Rolle spielen - nur wenn junge Menschen früh lernen, Fake News und Desinformation zu
erkennen, können sie als mündige Bürger*innen in der Demokratie freie Entscheidungen
treffen. Für die Entwicklung und Implementierung von KI-Systemen, die Bots erkennen und
bekämpfen, ist ein gezieltes Berliner Technologieförderprogramm notwendig. Der Senat muss
eine kontinuierliche Revision und Anpassung der Gesetze auf allen Ebenen sicherstellen, um
mit Technologie und Taktik der Manipulation Schritt zu halten und ihr besser vorbeugen zu
können.
Die Bedrohung durch Cyberangriffe und Cybercrime wächst - sowohl durch Kriminelle als auch
durch ausländische staatliche Akteure wie beispielsweise Russland. Der Berliner Senat muss
die Integrität der digitalen Infrastruktur sicherstellen. Angriffe von Hackern auf
öffentliche und private IT-Systeme müssen abgewehrt werden; die Daten der Bürger*innen
müssen geschützt bleiben. Für das Worst Case Szenario eines erfolgreichen Cyberangriffs gilt
es vorbereitet zu sein. Die Maxime ist, mutmaßliche Angriffe so schnell wie möglich zu
erkennen, den Schaden so gering wie möglich zu halten und eine möglichst kurze
Wiederanlaufzeit der Systeme zu haben. Hierzu gehört, dass alle Berliner Behörden
entsprechende Vorbereitungsmaßnahmen treffen und gängige IT-Sicherheits-Standards einhalten.
Zudem sollen Cybersicherheitsübungen etabliert werden. Dabei hat der Schutz der Bürger*innen
höchste Priorität. Für die Verwaltung und besonders die kritische Infrastruktur (KRITIS) ist
die Bedrohung besonders groß: die erhebliche Reichweite und Auswirkung eines Angriffs machen
sie zu einem besonders lohnenden Ziel und gleichzeitig sind die IT-Strukturen der Verwaltung
in einem unzeitgemäßen Zustand. Es drohen der Verlust von sensiblen, persönlichen Daten,
Identitätsdiebstähle, Spionage und der Zusammenbruch von Dienstleistungen. Damit droht nicht
zuletzt auch ein massiver Vertrauensverlust der Bürger*innen in die Verwaltung und damit in
den Staat und den staatlichen Schutz.
Pressefreiheit stärken und den ÖRR schützen
Nicht nur online steht die freie Presse unter Druck. Übergriffe auf Journalist*innen haben
in den vergangenen Jahren zugenommen - wer von Querdenker*innen-Demos während der Coronazeit
berichtet hat, musste damit rechnen, beleidigt oder gar körperlich attackiert zu werden.
Diese Übergriffe sind eine ernsthafte Gefahr für unabhängige Berichterstattung und insgesamt
für eine unabhängige Presse - und damit für unsere Demokratie; denn Demokratie lebt von
unterschiedlichen Meinungen und einer freien Presse, die darüber berichtet, damit
Bürger*innen eine informierte Entscheidung treffen können. Deutschland ist aufgrund dieser
Entwicklung im internationalen Pressefreiheit-Ranking von Reporter ohne Grenzen auf Platz 21
abgerutscht. Nach Sachsen war Berlin das Bundesland, das am zweitstärksten betroffen war.
Diese Entwicklung nehmen wir nicht hin. Pressevertreter*innen müssen frei und unabhängig
ihren Job machen können. Übergriffe auf Demos müssen genauso konsequent bekämpft werden wie
digitale Gewalt gegen Journalist*innen!
Zum Schutz der Unabhängigkeit des Journalismus gehört auch der Schutz des öffentlich-
rechtlichen Rundfunks. Auch dieser steht zunehmend unter Druck von rechts außen. Um ihn
besser zu schützen, sollte der Medienstaatsvertrag durch eine Zustimmungspflicht des
Abgeordnetenhauses auch bei Kündigung von Staatsverträgen zusätzlich abgesichert werden.
Vertrauen in die Demokratie stärken, Bildung und Prävention ausbauen
Politische Bildung spielt eine essenzielle Rolle dabei, das Vertrauen in die demokratischen
Institutionen zu stärken. Dabei geht es nicht nur um Politik als eigenständiges Schulfach,
sondern auch darum, wie Schüler*innen bereits im Schulkontext Demokratie erleben.
Schüler*innenvertretungen, die vom Lehrkörper ernst genommen werden, ein Begegnen auf
Augenhöhe und echte Mitbestimmungsmöglichkeiten in der Schule, die Selbstwirksamkeit
erfahren lassen, sind dabei von unschätzbarem Wert. Beteiligungskonzepte sollten in allen
Berliner Kitas konsequent umgesetzt werden; das hierfür notwendige Fachpersonal muss zeitnah
ausgebildet, der Kind-Fachkraft-Schlüssel entsprechend angepasst werden. Denn wenn Kinder
frühzeitig lernen, dass die eigene Stimme etwas zählt, sind sie später weniger anfällig für
autokratische Strukturen und werden zu mündigen Bürger*innen, die die Demokratie
wertschätzen.
Die Landeszentrale für politische Bildung muss gestärkt werden, um ihrem Bildungsauftrag
auch weiterhin gerecht werden zu können. Besonders für den Bereich der Erwachsenen- und
außerschulischen Bildung braucht es noch mehr Materialien und Konzepte, um auch die Menschen
zu erreichen, die nicht mehr zur Schule gehen.
Generell gilt es, alle direktdemokratischen Instrumente und den Einfluss der
Zivilgesellschaft zu stärken und so deutlich zu machen, dass jede Stimme zählt. Dabei ist
aber entscheidend, dass die richtigen Instrumente zur richtigen Zeit eingesetzt werden. Ein
Ja-Nein-Volksentscheid macht dann Sinne, wenn es in einem abgesteckten Rahmen etwas zu
entscheiden gibt, Bürger*innenräte können bei grundsätzlichen Problemen komplexe Lösungen
erarbeiten. Genauso dürfen Menschen- und Minderheitenrechte niemals Gegenstand einer
Mehrheitsabstimmung sein. Einen Volksentscheid von oben lehnen wir ab, da er von der
Regierung vor allem genutzt werden kann, um mit suggestiven und sehr offenen Fragen ihren
Handlungsspielraum zu vergrößern, statt wirklichen Einfluss zu ermöglichen. Stattdessen
sprechen wir uns für niedrigere Quoren für Widerspruchsvolksentscheide aus.
Demokratie braucht Feminismus
Die Rechte von Frauen, inter, nicht-binären, trans* und agender Personen (FINTA) sind ein
Gradmesser der Demokratie, denn autokratische und diktatorische Regime unterdrücken FINTA-
Rechte systematisch. Intersektionaler Queerfeminismus steht für Gerechtigkeit und wo FINTA-
Rechte durchgesetzt werden, nutzt das der gesamten Gesellschaft und trägt zu mehr
Gleichberechtigung nicht nur zwischen den Geschlechtern bei. Deshalb setzen wir uns
strukturell für mehr Gleichberechtigung ein: wir unterstützen die Arbeit der
Gleichstellungsbeauftragten und der Organisationen, die sich für Gleichstellung einsetzen.
Wo FINTA selbstbestimmt leben, stärkt dies die Demokratie. Dazu gehört auch das Recht, über
den eigenen Körper frei zu entscheiden. Das Recht auf Abtreibung gehört hier genauso dazu,
wie die Entscheidung über die geschlechtliche Identität selbstbestimmt treffen zu können.
Wir begrüßen den Vorstoß der Unabhängigen Beauftragten für Antidiskriminierung des Bundes,
Ferda Ataman, zur Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) auf Bundesebene –
es ist höchste Zeit, dass sexuelle Belästigung nach dem AGG auch im Zivilrecht verboten wird
und etwa sexuelle Belästigungen im Fitness-Studio berücksichtigt werden.
Antifeminismus ist der gemeinsame Nenner und eine der tragenden Säulen des
Rechtsextremismus. Er schwächt den gesellschaftlichen Zusammenhalt und untergräbt die
Demokratie. Es ist deshalb keine Überraschung, dass rechtsextreme Gruppen Antifeminismus
gezielt verbreiten und ihn als Einflugschneise für autoritäre Ideologien nutzen. Dabei geht
es vor allem um die Vorstellung, dass in einer sogenannten 'natürlichen Ordnung' einer
binärgeschlechtlichen Welt Frauen Männern untergeordnet seien. Erschreckend ist, wie weit
inzwischen antifeministische Einstellungen verbreitet sind und auf sozialen Netzwerken wie
Tiktok an Reichweite gewinnen. Dem stellen wir uns klar entgegen – der Kampf für FINTA-
Rechte ist der Kampf für unsere Demokratie!
Aufarbeitung und Erinnerungsarbeit stärken
Wir haben in Deutschland mehrfach erlebt, was passiert, wenn rassistische Denkmuster nicht
rechtzeitig erkannt werden oder wenn Menschen sich immer weiter radikalisieren. Die Morde
des NSU, die Anschläge von Halle oder Hanau sind mit die schlimmsten, aber nicht die
einzigen Beispiele dafür. Die Erinnerung an die Menschen, die von Rassist*innen und
Antisemit*innen ermordet wurden, wach zu halten, ist unser aller Aufgabe. Wir sind als Staat
und als Bürger*innen dazu verpflichtet, diese Taten und den Umgang der Ermittlungsbehörden
und der Öffentlichkeit damit aufzuarbeiten und Konsequenzen zu ziehen. Historisches Unrecht
müssen wir überdies nachhaltig kritisch erinnern. Erinnerungs- und Gedenkstätten sowie
Museen, die sich mit den Gräueln des NS-Terrors auseinandersetzen, historische und
antifaschistische Bildungsarbeit leisten, wollen wir stärken. Erinnerungsarbeit bedeutet in
Berlin zudem, die Spuren der diversen Stadtgesellschaft in den Museen und im öffentlichen
Raum abzubilden und die Stadtgeschichte multiperspektivisch und transnational zu erzählen.
Das von uns initiierte gesamtstädtische Konzept für die Aufarbeitung und Erinnerung der
deutschen Kolonialvergangenheit ist ein Meilenstein und muss fortgeführt und verstetigt
werden. Der Prozess der Dekolonisierung ist auch ein Prozess zur Bekämpfung von Rassismus
heute. Er kann dabei nur im engen Dialog mit den postmigrantisch-diasporischen Communitys
und den Nachkommen der Menschen in den ehemaligen Kolonien gelingen.
Antidiskriminierungsstrukturen neu aufsetzen
Von 2016 bis 2023 war Berlin mit der rot-grün-roten Koalition bundesweit Vorreiterin für
eine progressive Antidiskriminierungspolitik. Das Landesantidiskriminierungsgesetz und das
Landesprogramm Diversity sind dafür die bekanntesten Beispiele, die auch deutschlandweit
eine Vorbildfunktion entwickelt haben. Diese Vorbildfunktion droht nun unter Schwarz-Rot
verspielt zu werden. Dagegen stemmen wir uns mit aller Kraft - gemeinsam mit der
Zivilgesellschaft!
Stärkung der Demokratie bedeutet nicht nur, sich gegen rechtsextreme Tendenzen zu stellen,
sondern die offene Gesellschaft für alle Menschen zu verteidigen, Diskriminierung aktiv zu
bekämpfen und Diversität zu fördern. Wir setzen uns dafür ein, dass Berlin eine
gesamtgesellschaftliche Antidiskriminierungs- und Diversitätsstrategie entwickelt – unter
konsequenter Einbindung von Wissenschaft und den zivilgesellschaftlichen Akteur*innen. Dabei
müssen alle Formen von Diskriminierung – insbesondere in ihren institutionellen und
strukturellen Dimensionen – Berücksichtigung finden. Gesellschaftliche Handlungsfelder und
Institutionen sind kritisch zu analysieren und jeweils darauf bezogene Antidiskriminierungs-
und Diversitätsmaßnahmen mit konkreten Bearbeitungs- und Umsetzungsempfehlungen (weiter) zu
entwickeln. Ausgangspunkt hierfür muss dabei das bestehende zivilgesellschaftliche Wissen
und die bestehende zivilgesellschaftliche Arbeit gegen Diskriminierung sein. Dabei ist
unsere Antidiskriminierungspolitik immer queerfeministisch und intersektional.
Für die Umsetzung der Antidiskriminierungs- und Diversitätsstrategie braucht es auf Landes-
wie Bezirksebene klare Zuständigkeiten in überfachlicher Verantwortung und Zusammenarbeit,
die Bereitstellung der notwendigen Ressourcen und Finanzmittel und in der Begleitung und
Evaluation ein unabhängiges Expert*innen-Monitoring. Auch in Zeiten knapper Kassen muss
gelten: Maßnahmen gegen Diskriminierung und Ungleichbehandlung haben hohe Priorität!
Zentral für eine Berliner Gesamtstrategie werden weiterhin das
Landesantidiskriminierungsgesetz und das Landesprogramm Diversity sein. Beides sind
Erfolgsgeschichten aus grüner Feder. Wir wollen eine Evaluation und Weiterentwicklung, damit
sie noch breiter Anwendung finden. Beim Landesantidiskriminierungsgesetz wollen wir den
Schutzkreis durch die Aufnahme weiterer Diskriminierungsmerkmale erweitern und es
verbindlicher für die landeseigenen Unternehmen zur Anwendung bringen. Maßnahmen des
Landesprogramm Diversity – wie die Einführung positiver Maßnahmen zur Bekämpfung von
Ungleichbehandlung – wollen wir eine gesetzliche Grundlage geben. Die LADG-Ombudsstelle muss
endlich personell gestärkt werden. Wir wollen, dass sie auch in der personellen Ausstattung
als eigene Behörde nach dem Vorbild der Datenschutz- oder des Polizeibeauftragten
aufgestellt wird.
Wir stellen uns entschieden gegen jeden Antisemitismus, gegen alle Formen von Rassismus und
Diskriminierung. Im Kampf gegen Diskriminierung gibt es weniger ein Erkenntnis- als ein
Umsetzungsproblem. Wir wollen, dass das noch in der vergangenen Wahlperiode beschlossene
„Berliner Landeskonzept zur Weiterentwicklung der Antisemitismus-Prävention“ konsequent für
alle Bereiche angewandt wird – und wo Schutzlücken bestehen, diese konzeptionell geschlossen
werden. Dazu gehören insbesondere die Bereiche Bildung und Schule, Hochschule sowie
Opferschutz und Prävention. Hier braucht es verlässliche Strukturen gegen Diskriminierung,
die Antisemitismus besonders berücksichtigen. Die schwarz-rote Koalition verliert sich hier
in Symboldebatten, statt die grundsätzliche Arbeit gegen Antisemitismus zu stärken und
auszubauen. Trotz vollmundiger Ankündigungen hat die Koalition die zivilgesellschaftlichen
Beratungs-, Anlauf- und Präventionsprojekte gegen Antisemitismus bislang im Regen stehen
lassen. Seit dem 7. Oktober 2023 leisten sie noch einmal vermehrt Beratung und
Aufklärungsarbeit an Schulen oder beraten für von Antisemitismus Betroffene als
Anlaufstellen, oftmals mit immensen Überstunden oder sogar unbezahlt. Sie benötigen dringend
eine Aufstockung ihrer Förderung, damit die erhebliche Mehrarbeit unterstützt und gewürdigt
wird. Das Beratungs- und Empowerment-Angebot wollen wir im engen Austausch mit der
Zivilgesellschaft weiterentwickeln. Dabei nehmen wir insbesondere den Umgang mit sozialer
Ausgrenzung, Klassismus und Diskriminierung im digitalen Kontext, etwa im Zuge des Einsatzes
von Algorithmen und Künstlicher Intelligenz, in den Blick und begegnen auch den (psycho-
)sozialen und gesundheitlichen Auswirkungen von Diskriminierung systematisch.
Bestimmte Formen der Diskriminierung von gesellschaftlichen Gruppen haben bislang zu wenig
Aufmerksamkeit erfahren. Hier wollen wir Erkenntnislücken durch Studien und den Berlin
Monitor schließen – und zivilgesellschaftliche Empowerment- und Beratungsstrukturen
einrichten. Dazu gehören asiatisch gelesene Menschen oder bisexuelle Berliner*innen. Hinzu
kommen Programme, die besonders marginalisierte Gruppen stärken, wie der Aktionsplan zur
Einbeziehung ausländischer Rom*nja oder die Initiative geschlechtliche und sexuelle Vielfalt
(IGSV). Wir erwarten vom Senat auch ein stärkeres und entschiedeneres Handeln gegen
Rassismus. Dazu fordern wir die zeitnahe Einsetzung eine*r Beauftragten gegen Antiziganismus
sowie die Schaffung der Stelle einer*eines Beauftragten gegen antimuslimischen sowie gegen
anti-Schwarzen Rassismus. Außerdem fordern wir die zeitnahe und senatsübergreifend
koordinierte Umsetzung der Handlungsempfehlungen der Expert*innenkommission Antimuslimischer
Rassismus, wie z.B. die Abschaffung des Neutralitätsgesetzes.
Wir wollen die Antidiskriminierungsarbeit stärker horizontal ausrichten und intersektional
um neue gesellschaftliche Handlungsfelder erweitern. Mit der Fachstelle gegen
Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt „FairMieten – FairWohnen“ haben wir Bündnisgrüne dafür
in der letzten Wahlperiode ein Modellprojekt etabliert. Eine entsprechende Forschungs-,
Dokumentations- und Beratungsstelle fordern wir nun auch für den Gesundheits- und
Pflegebereich, für den Hochschul- und Wissenschaftsbereich und für den Bereich der KI-
Anwendungen ein. Zudem muss endlich die zivilgesellschaftliche Forderung nach Einrichtung
einer „Unabhängigen Beschwerdestelle gegen Diskriminierung an Schule“ (UBS) erfüllt werden.
Die Ziele der „UN-Dekade für Menschen afrikanischer Herkunft“ müssen auch über 2024 hinaus
verstetigt und umgesetzt werden. Wir fordern die Verlängerung des Umsetzungszeitraums dieser
Dekade, die aufgrund von coronabedingten Einschränkungen nicht vollends ausgeschöpft wurde.
Der Maßnahmenplan aus dem zivilgesellschaftlich getragenen Konsultationsprozess,
insbesondere die Einrichtung eines Studiengangs Black European Intersectional Studies, muss
umgesetzt werden.
Die Verteidigung der Demokratie: eine Aufgabe für die ganze Gesellschaft!
Wir wissen, um unser aller Demokratie zu verteidigen, braucht es ein Bündel von Maßnahmen.
Jede*r von uns steht in der Pflicht, sich für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung
einzusetzen: auf der Straße, am Arbeitsplatz, in der Schule, im Sportverein – aber auch in
der Politik und der Verwaltung. Berlin ist eine weltoffene Stadt, die von der Vielfalt der
Menschen lebt. Wir bekennen sich klar zu dieser Vielfalt und stellen uns rechtsextremen
Strukturen entgegen. Nur ein sicheres Berlin für alle ist ein gerechtes Berlin.
Antragstext
Von Zeile 176 bis 178 einfügen:
braucht es eine besondere Sensibilität für die Verantwortung und Vorbildwirkung in der Gesellschaft. Der immer wieder erhobene Vorwurf des Generalverdachts ist fernab jeder Realität und erweist sich auch im zweiten Berichtsjahr des Berliner Bürger- und Polizeibeauftragten als populistische Stimmungsmache. Die Arbeit des Beauftragten stärkt nachweislich Vertrauen und Akzeptanz bei den Beschwerdeführenden. Der diesjährige Bericht zeugt gleichzeitig von erheblichem Verbesserungsbedarf der polizeiinternen Fehlerkultur. Wenn die Behörde Anfragen nicht nachkommt oder Berichte schönschreibt, ist das inakzeptabel. Perspektivisch braucht der Beauftragte mehr Kompetenzen, insbesondere um in laufenden Verfahren, in denen bisher systematisch Akteneinsicht verweigert wird, eine Schlichtung zu ermöglichen. Perspektivisch sollen auch Ermittlungsverfahren gegen Polizist*innen von einer unabhängigen Ermittlungsstelle geführt werden, wie dies in anderen europäischen Ländern bereits heute Standard ist. Die Polizei und die Innenverwaltung müssen sich mit dem Bericht gewissenhaft auseinandersetzen und die angesprochenen Probleme konsequent angehen. Fehlverhalten muss aufgeklärt und nachgegangen werden und Extremismus entschieden entgegengetreten werden. Die Berliner Polizeistudie zeigt dabei strukturelle
Berlin: für viele die Stadt der Freiheit. Weltoffenheit, Vielfalt, Selbstbestimmung – das
sind Versprechen unserer Stadt, wegen derer viele Menschen gerne herkommen, wegen derer
Menschen gerne hier leben.
Es ist unser aller Aufgabe, dieses Versprechen zu schützen und einzulösen. Denn zu Berliner
Realität gehört auch, dass viele Menschen sich in unserer Stadt nicht sicher fühlen – weil
sie aufgrund ihrer (zugeschriebenen) Herkunft oder ihrer Religion, aufgrund äußerlicher
Merkmale oder einer Behinderung, aufgrund von sexueller Orientierung oder geschlechtlicher
Identität diskriminiert, beleidigt und körperlich angegriffen werden. Rassismus,
Antisemitismus, Antifeminismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit nehmen zu; immer
mehr rechtsextreme Gewalttaten verunsichern und bedrohen die Menschen in unserer Stadt. Die
Polizei Berlin registrierte eine Zunahme rechtsextrem politisch motivierter Delikte um 4,5%
auf 2981 im Jahr 2022. Das sind im Schnitt mehr als acht dokumentierte rechtsextremistische
Straftaten pro Tag. Die Opferberatungsstelle ReachOut dokumentierte für dasselbe Jahr 336
rechtsextreme, rassistische und antisemitische tätliche Angriffe in Berlin. Es ist ganz
deutlich: die größte Bedrohung unserer Demokratie kommt von der extremen Rechten. Und das
ist insbesondere für betroffene Menschen nicht neu. In unserer Gesellschaft ist
rassistisches, antisemitisches, antimuslimisches und antifeministisches Gedankengut schon
sehr lange weit verbreitet und für viele Menschen eine reale und große Bedrohung.
Multiple Krisen verstärken die Verunsicherung bei vielen Menschen: die Folgen der Coronazeit
waren noch nicht ausgestanden, als Russland seinen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf
die Ukraine startete, dessen Auswirkungen auch in Deutschland und Berlin deutlich zu spüren
waren. Insbesondere die gestiegenen Lebenshaltungskosten waren und sind für viele
Berliner*innen eine Herausforderung. Und über all dem schwebt gleichzeitig die Klimakrise,
die unser aller Lebensgrundlagen bedroht. Von alldem sind vulnerable Menschen und Gruppen
besonders betroffen. Und dennoch liefern sich manche Parteien einen populistischen
Überbietungswettbewerb und versuchen, die verletzlichsten Gruppen gegeneinander
auszuspielen, im Glauben, mit einfachen Versprechungen und Parolen Wähler*innen zu gewinnen.
Das hilft den Rechtsextremist*innen, die versuchen, diese krisenbehaftete Zeit zu nutzen, um
ihre Ideologie weiter zu verbreiten, gegen Minderheiten zu hetzen und die Demokratie zu
destabilisieren. Doch komplexe Probleme können nicht mit einfachen Antworten gelöst werden.
Es ist Aufgabe aller demokratischen Parteien, diesem Angriff auf unsere freiheitlich-
demokratische Grundordnung etwas entgegenzusetzen. Unsere Demokratie ist wehrhaft und kann
und muss sich gegen Verfassungsfeinde verteidigen. Nicht umsonst haben die Mütter und Väter
des Grundgesetzes die Möglichkeit eines Parteiverbots vorgesehen; zu eindrücklich hatten sie
noch das Ende der Weimarer Republik vor Augen.
Wir suchen den Schulterschluss mit der engagierten Stadt- und Zivilgesellschaft, die in
Initiativen, Vereinen und auf der Straße Haltung zeigt. Die breite Reaktion auf die
Veröffentlichung der Correctiv-Recherche, die vielen Demonstrationen der letzten Wochen und
Monate mit Millionen von Menschen haben gezeigt: dieses Land und diese Stadt wollen nichts
von den Deportationsplänen der AfD und anderer Rechtsextremist*innen wissen und zeigt
deutlich: Nie wieder ist jetzt! Viele Vereine, NGOs, zivilgesellschaftliche Bündnisse und
Migrant*innenselbstorganisationen leisten hier seit Jahren eine wichtige und hervorragende
Arbeit; sie weiter zu unterstützen ist essenziell und muss im Berliner Landeshaushalt eine
Selbstverständlichkeit sein! Und unsere wehrhafte Demokratie ist nur dann wirklich wehrhaft,
wenn diejenigen, die sie schützen, gut arbeiten können. Statt nur laut Law and Order zu
schreien, muss der schwarz-rote Senat endlich Konzepte entwickeln, wie Prävention und
Bekämpfung von Rechtsextremismus in unserer Stadt besser funktionieren kann! Der Schutz der
Demokratie darf gerade in Zeiten wie diesen nicht finanziell unter die Räder geraten. Auch
wenn Einsparungen im Landeshaushalt nötig werden, darf hier nicht der Rotstift angesetzt
werden.
Zivilgesellschaft: wichtiges Standbein der Demokratie
Eine engagierte Zivilgesellschaft ist eine wichtige Partnerin beim Schutz der Demokratie. Es
ist unsere Aufgabe, sie in ihrer Arbeit zu stärken. Deshalb begrüßen wir, dass
Bundesministerin Lisa Paus ein Demokratiefördergesetz vorgelegt hat. Mit diesem Gesetz zur
Stärkung von Maßnahmen zur Demokratieförderung, Vielfaltgestaltung, Extremismusprävention
und politischen Bildung soll der Bund den gesetzlichen Auftrag zur Förderung von Demokratie
und zur Extremismusprävention bekommen und sich dem Kampf gegen Rassismus, Extremismus und
Menschenfeindlichkeit verpflichten. Ziel des Demokratiefördergesetzes ist eine verlässliche
und bedarfsorientierte Förderung von Projekten zur Stärkung von Demokratie und
gesellschaftlicher Vielfalt. Zivilgesellschaftliche Initiativen erhalten damit für ihre
Arbeit mehr Planungssicherheit und eine langfristige Perspektive.
Um zivilgesellschaftliche Strukturen und Bündnisse in Berlin nachhaltig zu stärken, braucht
es auch auf Landesebene ein Demokratiefördergesetz. Die bündnisgrüne Fraktion im
Abgeordnetenhaus hat mit der Vorlage ihres Demokratiestärkungspakets gezeigt, wo der Fokus
liegen muss: Mit 16 Millionen Euro sollten damit in den Jahren 2024 und 2025 Maßnahmen im
Kampf gegen Antisemitismus, Rassismus, Antifeminismus und Queerfeindlichkeit gebündelt
werden; der schwarz-rote Senat setzt im Rahmen des Doppelhaushalts allerdings die falschen
Prioritäten. Die anhaltende Unsicherheit bei allen Initiativen, ob die im Haushalt
ausgewiesenen finanziellen Mittel wirklich gezahlt werden oder doch wegen des Sparzwangs
noch gestrichen werden, ist eine nicht hinnehmbare Situation und gefährdet auch zunehmend
den Kampf für unsere Demokratie. Demokratiefördernde Projekte müssen gerade jetzt
ausreichend finanziert werden. Der Senat muss endlich Klarheit schaffen, wo er sein
Milliardendefizit einsparen wird, und darf nicht länger die Initiativen dieser Stadt am
ausgestreckten Arm verhungern lassen.
Viele Ehrenamtliche fühlen sich deshalb – nicht überraschend – von Schwarz-Rot im Stich
gelassen. Gerade in einer Zeit, in der die Angriffe auf zivilgesellschaftliche Projekte
zunehmen, in der Ehrenamtliche ihr Engagement nicht mehr angstfrei ausüben können, ist das
genau das falsche Signal. Auch Ehrenamtliche in der Kommunalpolitik, zum Beispiel in den
BVVen, geraten zunehmend unter Druck. Journalist*innen und Künstler*innen sind genauso im
Visier der Rechtsextremen wie demokratische Mandatsträger*innen. Hier sind alle
demokratischen Parteien gefordert, geschlossen zueinander zu stehen. Und der Berliner Senat
ist in der Pflicht, dass niemand allein gelassen wird, der*die einem rechtsextremen Angriff
zum Opfer gefallen ist oder von Rechtsextremen unter Druck gesetzt wird. Die Anlaufstellen
für Opfer rechtsextremer Gewalt müssen deshalb dringend abgesichert und besser ausgestattet
werden. Außerdem braucht es eine Stärkung der Aussteigerprogramme für Menschen, die dem
rechtsextremen Milieu den Rücken kehren wollen.
Die wehrhafte Demokratie verteidigen
Es ist unsere Verantwortung, alle uns zur Verfügung stehenden Mittel im Kampf gegen
Verfassungsfeinde zu nutzen; wir fordern die Verfassungsorgane auf, ein AfD-Verbotsverfahren
auf den Weg zu bringen. Der Berliner Senat sollte dies im Bundesrat anstoßen. Dies ist und
bleibt ein entscheidendes Puzzlestück, um unsere Demokratie zu retten. Uns ist jedoch auch
bewusst, dass sich rechtsextremes Gedankengut nicht auf Knopfdruck verbieten lässt. Es
braucht ein Bündel von Maßnahmen, die kurz-, mittel- und langfristig wirken müssen. Neben
einer resilienten Zivilgesellschaft und guter Bildung und Prävention braucht es deshalb auch
deutliche Schritte in der Justiz, der Polizei und beim Verfassungsschutz. Rechtsextremismus
im öffentlichen Dienst muss konsequent geahndet werden und in allen Verwaltungen muss die
Entfernung rechtsextremer Beamt*innen aus dem Staatsdienst konsequent verfolgt werden. Wir
wollen prüfen, ob eine Verschärfung des Disziplinarrechts nach dem Vorbild des „Gesetzes zur
Beschleunigung von Disziplinarverfahren in der Bundesverwaltung“ auch für das Land Berlin
geboten ist, sowie die Fristen verlängern für das Disziplinarmaßnahmenverbot und
Verwertungsgebot bei Verstößen gegen die beamtenrechtliche Verfassungstreuepflicht und gegen
das politische Mäßigungsgebot.
Keine Demokratiefeind*innen in der Berliner Justiz!
Das Beispiel der rechtsextremen AfD-Politikerin Malsack-Winkemann, die als ehemalige
Bundestagsabgeordnete einen gewalttätigen Umsturz plante, ist wohl das bekannteste Beispiel
für Rechtsextreme im Richter*innenamt. Dass Menschen mit klar rechtsextremer Grundhaltung in
Berlin Recht sprechen dürfen, wäre nicht hinnehmbar und insbesondere für Menschen, die nicht
ins Weltbild der AfD passen, eine echte Bedrohung.
Zu einer starken, unabhängigen Justiz gehört, dass Richter*innen sich zur freiheitlich
demokratischen Grundordnung bekennen. Die Neutralität und Unvoreingenommenheit von
Richter*innen ist ein zentrales Prinzip unseres Rechtsstaats. In Berlin setzen wir uns dafür
ein das Instrument der Richteranklage einzuführen, das es in anderen Bundesländern schon
gibt. Dieses Instrument eröffnet dem Parlament die Möglichkeit, mit einem Antrag an das
Bundesverfassungsgericht die Integrität eines Richters oder einer Richterin überprüfen zu
lassen, wenn offensichtlich wird, dass er oder sie den Boden des Grundgesetzes verlassen hat
und sich offen demokratiefeindlich verhält. Verfassungsfeind*innen haben an Berliner
Gerichten nichts zu suchen!
Rechtsextreme haben in ihren Netzwerken offensiv aufgerufen, sich für das Schöffenamt zu
bewerben und so das Justizsystem zu unterwandern. Auch hier braucht es klare Regelungen, um
zu verhindern, dass Demokratiefeind*innen Recht sprechen.
Eine demokratisch aufgestellte Polizei schützt den Rechtsstaat - auch in den eigenen Reihen
Die Sicherheitsbehörden sind ein unverzichtbarer Teil der Sicherheitsarchitektur. Wenn die
Demokratie systematisch durch Bedrohung und Gewalt unter Druck gesetzt wird, sind wir auf
handlungsfähige Behörden angewiesen, die die Gesellschaft, den Rechtsstaat und seine
Institutionen schützen. Dabei stellen die politisch motivierte Gewalt im Bereich
Rechtsextremismus, die zunehmende Hasskriminalität, der erhöhte Sicherheitsbedarf von
Politiker*innen und weiteren öffentlichen Personen auch für sie eine große Herausforderung
dar. Als am 29. August 2020 Reichsbürger*innen und andere Rechtsextreme zusammen mit einer
Mischung aus Querdenker*innen und Coronaleugner*innen den Reichstag stürmen wollten, standen
ihnen im letzten Moment nur noch drei Polizisten gegenüber, die die Herzkammer der
Demokratie verteidigten. Wenn Spitzenpolitiker*innen bedroht werden, so sind es die
Personenschützer*innen von LKA und BKA, die dafür sorgen, dass die Betroffenen dennoch
öffentliche Auftritte wahrnehmen können. Jeden Tag schützen Polizist*innen so – und auf
vielfältige andere Art und Weise – unsere Demokratie. Für uns ist klar: Polizist*innen sind
kein Einsatzmittel, sondern in erster Linie Menschen, die sich der Verteidigung der
Demokratie verpflichtet haben - und oft genug setzen sie dabei ihr eigenes Leben aufs Spiel.
Wir stärken all jenen den Rücken, die innerhalb und außerhalb der Behörde für
Rechtsstaatlichkeit und Demokratie eintreten.
Wir setzen uns für gute Arbeitsbedingungen, gute Ausstattung, den Abbau des Sanierungsstaus
sowie eine moderne, diverse und diskriminierungskritische Polizei ein. Wir schützen die
Sicherheitsbehörden vor politischer Vereinnahmung und den Unterwanderungsversuchen
rechtsextremer Kräfte.
Der Schutz der Demokratie ist eine der wichtigsten Aufgaben, die es im Staatsdienst zu
erfüllen gilt. Wir müssen diesen Beruf so attraktiv gestalten, dass sich hochqualifizierte
Menschen weiterhin dafür entscheiden. Dazu gehören selbstverständlich gute
Arbeitsbedingungen und ein attraktives Arbeitsumfeld. Die Instandsetzung von Polizeiwachen
ist deshalb kein nice to have, sondern elementar für die gute Arbeit der Polizei. Die vielen
Überstunden, die die Polizei jedes Jahr ansammelt, dürfen nicht zum Normalzustand werden.
Eine angemessene Work-Life-Balance und Familienfreundlichkeit machen den Beruf deutlich
attraktiver und entsprechen dem Anspruch der heutigen Arbeitswelt. Wir erwarten vom Senat
überdies, dass auch die seelische Gesundheit unserer Einsatzkräfte im Fokus steht. Wir
setzen uns für die Einrichtung struktureller psychotherapeutischer Maßnahmen für
Polizist*innen nach traumatisierenden Einsätzen ein.
Die Berliner Polizeiausbildung hat in den letzten Jahren deutlich an Qualität gewonnen.
Gerade in einer diversen Stadtgesellschaft wie der unseren, bleibt es zentral, dass sie
diskriminierungskritisch und diversitätssensibel ausgestaltet ist. Neben einem gesetzlichen
Verbot von Racial Profiling fordern wir die Einführung niedrigschwelliger und
unbürokratischer Nachweis- und Aufklärungspflichten (Kontrollquittung), so dass jede*r weiß,
warum sie*er kontrolliert worden ist und die Implementierung von Community-Policing-
Konzepten.
Für Spezialisierungen im Bereich des Staatsschutzes braucht es zudem einen organisierten
Wissenstransfer. Das gilt auch bei der Auswahl und Besetzung von Leitungsstellen im
polizeilichen Staatsschutz. Darüber hinaus muss er für den Phänomenbereich Rechtsextremismus
sowie im Bereich der Hasskriminalität gestärkt werden. Zur besseren Analysefähigkeit sollen
verstärkt Open Source Intelligence-Expert*innen zum Einsatz kommen.
Die Polizei als Behörde hat einen so hohen Stellenwert, da sie als ausführender Arm des
Gewaltmonopols des Staates besondere Verantwortung trägt. Dies ist ein hohes Privileg und
bringt große Macht mit sich. Dass in einem Rechtsstaat eine solche Übertragung immer mit
einer intensiven Kontrolle einhergehen muss, ist für uns selbstverständlich. Daher ist es
entscheidend, dass wir nicht die Augen davor verschließen, dass auch innerhalb der Berliner
Polizei Rechtsextremismus auftritt. Dies anzuerkennen ermöglicht es, verloren gegangenes
Vertrauen wiederherzustellen. Dafür braucht es auch strukturelle Änderungen. Daher ist es
gut, dass es neben internen Beschwerdestrukturen mit dem Polizei- und Bürgerbeauftragten nun
auch eine unabhängige Stelle gibt, die kontaktiert werden kann, wenn Fehlverhalten zutage
tritt. Denn gerade im Falle der Polizei als ausführendem Arm des staatlichen Gewaltmonopols
braucht es eine besondere Sensibilität für die Verantwortung und Vorbildwirkung in der
Gesellschaft. Der immer wieder erhobene Vorwurf des Generalverdachts ist fernab jeder Realität und erweist sich auch im zweiten Berichtsjahr des Berliner Bürger- und Polizeibeauftragten als populistische Stimmungsmache. Die Arbeit des Beauftragten stärkt nachweislich Vertrauen und Akzeptanz bei den Beschwerdeführenden. Der diesjährige Bericht zeugt gleichzeitig von erheblichem Verbesserungsbedarf der polizeiinternen Fehlerkultur. Wenn die Behörde Anfragen nicht nachkommt oder Berichte schönschreibt, ist das inakzeptabel. Perspektivisch braucht der Beauftragte mehr Kompetenzen, insbesondere um in laufenden Verfahren, in denen bisher systematisch Akteneinsicht verweigert wird, eine Schlichtung zu ermöglichen. Perspektivisch sollen auch Ermittlungsverfahren gegen Polizist*innen von einer unabhängigen Ermittlungsstelle geführt werden, wie dies in anderen europäischen Ländern bereits heute Standard ist. Die Polizei und die Innenverwaltung müssen sich mit dem Bericht gewissenhaft auseinandersetzen und die angesprochenen Probleme konsequent angehen. Fehlverhalten muss aufgeklärt und nachgegangen werden und Extremismus
entschieden entgegengetreten werden. Die Berliner Polizeistudie zeigt dabei strukturelle
Maßnahmen auf, die dazu beitragen, einen demokratiestärkenden Kulturwandel voranzutreiben
als auch den Anspruch eine modernen Hauptstadtpolizei in einer vielfältigen Weltmetropole zu
festigen.
Dass die Verfolgung und Aufklärung von über 380 rechtsextremer Straftaten beim Berliner LKA
jahrelang unbearbeitet blieben, darf sich nicht wiederholen. Die Polizei hat hier eine
besondere Verantwortung, diese Verschleppung detailliert aufzuklären und mögliche
Zusammenhänge mit dem sogenannten Neukölln-Komplex zu untersuchen. Sie muss außerdem
Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass ein solches mutmaßlich strukturelles Versagen
sich nicht wiederholt.
Die Verfassung schützen – Gefahren für die Demokratie erkennen
Die Rolle des Verfassungsschutzes wird zurecht kritisch betrachtet. Es ist kein Geheimnis,
dass er nicht nur im Rahmen des NSU-Komplexes versagt hat. Die Fehler rund um den Anschlag
am Breitscheidplatz, die rechtsextreme Anschlagsserie in Neukölln oder der Umgang mit
Feindeslisten oder illegalen Datenweitergaben – all das belegt, dass der Verfassungsschutz
in seiner jetzigen Form zu oft nicht funktioniert, die Aufgabe der Früherkennung in Teilen
sogar behindert hat. Tatsächlich mehren sich die Vorfälle, bei denen die Nicht-Weitergabe
von strafrechtlich relevanten Informationen durch den Verfassungsschutz und somit der Schutz
von Tätern dazu geführt hat, dass noch schlimmere Straftaten stattfanden. Ob eine so
grundlegende Reform möglich ist, um eine Behörde zu schaffen, die über jeden Zweifel erhaben
ist, ist sehr fraglich. Deshalb fordern wir, eine Alternative für den Verfassungsschutz zu
schaffen. Dem soll eine wissenschaftliche Untersuchung der Arbeitsweise des
Verfassungsschutzes vorausgehen, um Aufgaben, Prioritäten und Ressourcen der aktuellen
Herausforderungen neu justieren zu können.
Gleichwohl befinden wir uns derzeit in der herausfordernden Situation, dass die AfD den
Verfassungsschutz delegitimiert, weil er die Institution sein könnte, die entscheidende
Belege für ihre Verfassungsfeindlichkeit liefern könnte. Der Berliner Senat steht in der
Pflicht, die beim Verfassungsschutz vorliegenden Informationen in die Prüfung eines
Parteiverbotsverfahren einfließen zu lassen. Dazu gehört auch sicherzustellen, dass keine
Hinderungsgründe durch V-Leute, wie es beim ersten NPD-Verbotsverfahren der Fall war,
bestehen.
Rechtsextreme und kriminelle Strukturen aufdecken und austrocknen
Durch den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur rechtsextremen Anschlagsserie in
Neukölln zeigt sich: Es sind keine Einzelfälle. Rechtsextreme Netzwerke müssen bei
Ermittlungsbehörden und Staatsanwaltschaften als solche erkannt, analysiert und als
tatsächliche Gefahr anerkannt werden.
Um kurz- und mittelfristig Rechtsextremen die Möglichkeit zu nehmen, ihre
menschenverachtende Ideologie auch noch staatlich finanziert weiter zu verbreiten, müssen
wir alle Mittel nutzen, um ihre Strukturen aufzulösen. So sind parallel zur Prüfung des AfD-
Verbots Vereinsverbote beispielsweise gegen die Junge Alternative zu prüfen und
verfassungsfeindlich agierende Stiftungen und Vereine müssen von der öffentlichen
Finanzierung ausgeschlossen werden.
Bei der Finanzierung demokratiefeindlicher Bestrebungen sind Geldflüsse aus illegalen und
kriminellen Quellen stärker in den Blick zu nehmen. Gleiches gilt für ausländische Einflüsse
wie etwa Geldflüsse aus Russland, die überprüft und ausgetrocknet werden müssen; Gewerbe,
die mit Rechtsextremen und anderen Verfassungsfeinden in Zusammenhang stehen, müssen stärker
überprüft werden, auch um Geldwäsche zu verhindern.
Entscheidend ist auch die konsequente Entwaffnung von Demokratiefeind*innen. Es muss das
Ziel sein, dass weder legale noch illegale Waffen in die Hände von Rechtsextremist*innen
gelangen. Wir fordern dazu eine bundesrechtliche Verschärfung des Waffenrechts. Außerdem
muss der Senat die notwendigen Kapazitäten in der Berliner Waffenbehörde zur Durchführung
von Waffenkontrollen, Zuverlässigkeitsüberprüfungen und Erlaubniswiderrufe schaffen.
Abgeordnetenhaus und Verfassungsgericht resilienter machen
Berlin ist eine weltoffene Stadt; die Möglichkeit, dass Verfassungsfeinde die stärkste
Fraktion stellen, scheint hier und heute undenkbar. Dennoch muss das Parlament auch bei
einem Erstarken rechtsextremer Kräfte handlungsfähig bleiben und die Wahl einer*s
demokratischen Parlamentspräsidenten*in sicherstellen. Anders als das Grundgesetz sieht die
Landesverfassung bisher vor, dass die stärkste Fraktion das Vorschlagsrecht für die*den
Präsidenten*in hat. Eine Änderung sollte dagegen das freie Mandat der Abgeordneten in den
Vordergrund stellen. Auch die Leitung der konstituierenden Sitzung des Parlaments sollte
nicht länger dem ältesten (so bisher die Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses), sondern
wie im Bundestag dem Mitglied des Parlaments zufallen, das diesem am längsten angehört.
In anderen Staaten können wir beobachten, wie Gerichte von rechtspopulistischen und
rechtsextremen Kräften ausgehöhlt werden. Um die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichtshofs
zu sichern, sollten zentrale Regelungen in der Landesverfassung verankert werden: In Berlin
ist die Amtszeit der Richter*innen, die Bindungskraft ihrer Entscheidungen und die
Organisationshoheit des Gerichts bisher nur einfachgesetzlich geregelt. Auch die Aufgaben
des Verfassungsgerichts sind bisher nur unvollständig in der Landesverfassung geregelt – so
fehlt zum Beispiel die Wahlprüfung. Hier streben wir Verbesserungen an, um den Berliner
Verfassungsgerichtshof gegen antidemokratische Kräfte abzusichern - dazu werden wir mit den
demokratischen Parteien und Fraktionen ins Gespräch gehen.
Straftaten auch im Netz konsequent verfolgen und Cybersecurity ernst nehmen
Online-Hetze und -Mobbing, digitales Stalking, Doxing, Einschüchterung und das Hacken von
Accounts nehmen stetig zu. Frauenhass, Sexismus, Rassismus und extremistische Ideologien
sind häufige Ursachen für diese Taten.Unsere Gesellschaft und Demokratie stehen folglich
auch online unter Druck.
Mitarbeitende in Sicherheitsbehörden benötigen die nötige Ausbildung, um unsere Sicherheit
auch im digitalen Raum gewährleisten zu können. Mitarbeitende der Strafverfolgungsbehörden
müssen entsprechend weitergebildet und sensibilisiert werden und es braucht eine Stärkung
und engere Kooperation mit Betroffenenorganisationen wie zum Beispiel HateAid. Außerdem
setzen wir uns für eine Anpassung des rechtlichen Rahmens in Bezug auf Datenschutz und
Anerkennung von Hasskriminalität ein. Bereits fehlende Sensibilität beim Erfassen von
Straftaten kann dazu führen, dass politische Motive nicht erkannt werden oder als
vermeintlich kleine Straftaten abgetan werden.
Digitale Gewalt bedroht besonders Frauen und Mädchen, LSBTIQ*, Schwarze Menschen und People
of Color. Und auch Journalist*innen, ehrenamtlich politisch Aktive und Aktivist*innen
geraten zunehmend unter Druck.
Diese digitale Gewalt muss konsequent verfolgt werden. Dafür braucht es eine Modernisierung
der Strafverfolgung zum Beispiel über den Ausbau der Möglichkeit zur digitalen Anzeige, den
Aufbau einer Anlaufstelle, die nach dem erfolgreichen hessischen Vorbild “Hessen gegen
Hetze” als Kompetenzzentrum und Koordinationsstelle dienen soll, sowie
Schwerpunktstaatsanwaltschaften.
Darüber hinaus braucht es eine Strategie gegen Desinformation. Irreführende, falsche und
manipulative Informationen, Bilder und Videos sollen Menschen mit ihrer Wahrnehmung und
Haltung und damit die öffentliche Meinung beeinflussen. Gerade mit den gewachsenen
Möglichkeiten durch Künstliche Intelligenz stellt das eine massive Gefährdung für unsere
Demokratie dar - insbesondere, wenn Wahlen so beeinflusst werden.
Fake News destabilisieren das Fundament der Demokratie. Ihnen müssen wir entgegenwirken,
denn nur, wenn Bürger*innen sich unabhängig informieren können, können sie freie
Entscheidungen zum Beispiel im Rahmen demokratischer Wahlen treffen. Algorithmen müssen
transparent sein, damit die Sichtbarkeit von Inhalten und die öffentliche Meinungsbildung
nicht künstlich manipuliert wird.
Social Media Anbieter tragen hier eine hohe Verantwortung. Sie müssen verpflichtet werden,
stärker tätig zu werden, wenn Hass und Hetze oder Falschinformationen auf ihren Plattformen
verbreitet werden. Und es muss nachvollziehbar sein, wer auf diesen Netzwerken unterwegs
ist; für jede Onlinebestellung gelten strengere Anforderungen an Integrität und
Authentizität als für Social Media Plattformen. Deshalb braucht es hier höhere Standards und
bindende Regelungen für die großen Tech-Unternehmen in diesem Feld.
Wir fordern vom Senat massive Investitionen in digitale Aufklärung und Medienkompetenz sowie
Verzahnung und Förderung der Zusammenarbeit zwischen Verwaltungen, Technologieunternehmen
und Zivilgesellschaft, um Missbrauch über Bots so kleinteilig zu kontrollieren, wie er
auftritt. Sowohl im schulischen als auch im außerschulischen Kontext muss Medienbildung eine
größere Rolle spielen - nur wenn junge Menschen früh lernen, Fake News und Desinformation zu
erkennen, können sie als mündige Bürger*innen in der Demokratie freie Entscheidungen
treffen. Für die Entwicklung und Implementierung von KI-Systemen, die Bots erkennen und
bekämpfen, ist ein gezieltes Berliner Technologieförderprogramm notwendig. Der Senat muss
eine kontinuierliche Revision und Anpassung der Gesetze auf allen Ebenen sicherstellen, um
mit Technologie und Taktik der Manipulation Schritt zu halten und ihr besser vorbeugen zu
können.
Die Bedrohung durch Cyberangriffe und Cybercrime wächst - sowohl durch Kriminelle als auch
durch ausländische staatliche Akteure wie beispielsweise Russland. Der Berliner Senat muss
die Integrität der digitalen Infrastruktur sicherstellen. Angriffe von Hackern auf
öffentliche und private IT-Systeme müssen abgewehrt werden; die Daten der Bürger*innen
müssen geschützt bleiben. Für das Worst Case Szenario eines erfolgreichen Cyberangriffs gilt
es vorbereitet zu sein. Die Maxime ist, mutmaßliche Angriffe so schnell wie möglich zu
erkennen, den Schaden so gering wie möglich zu halten und eine möglichst kurze
Wiederanlaufzeit der Systeme zu haben. Hierzu gehört, dass alle Berliner Behörden
entsprechende Vorbereitungsmaßnahmen treffen und gängige IT-Sicherheits-Standards einhalten.
Zudem sollen Cybersicherheitsübungen etabliert werden. Dabei hat der Schutz der Bürger*innen
höchste Priorität. Für die Verwaltung und besonders die kritische Infrastruktur (KRITIS) ist
die Bedrohung besonders groß: die erhebliche Reichweite und Auswirkung eines Angriffs machen
sie zu einem besonders lohnenden Ziel und gleichzeitig sind die IT-Strukturen der Verwaltung
in einem unzeitgemäßen Zustand. Es drohen der Verlust von sensiblen, persönlichen Daten,
Identitätsdiebstähle, Spionage und der Zusammenbruch von Dienstleistungen. Damit droht nicht
zuletzt auch ein massiver Vertrauensverlust der Bürger*innen in die Verwaltung und damit in
den Staat und den staatlichen Schutz.
Pressefreiheit stärken und den ÖRR schützen
Nicht nur online steht die freie Presse unter Druck. Übergriffe auf Journalist*innen haben
in den vergangenen Jahren zugenommen - wer von Querdenker*innen-Demos während der Coronazeit
berichtet hat, musste damit rechnen, beleidigt oder gar körperlich attackiert zu werden.
Diese Übergriffe sind eine ernsthafte Gefahr für unabhängige Berichterstattung und insgesamt
für eine unabhängige Presse - und damit für unsere Demokratie; denn Demokratie lebt von
unterschiedlichen Meinungen und einer freien Presse, die darüber berichtet, damit
Bürger*innen eine informierte Entscheidung treffen können. Deutschland ist aufgrund dieser
Entwicklung im internationalen Pressefreiheit-Ranking von Reporter ohne Grenzen auf Platz 21
abgerutscht. Nach Sachsen war Berlin das Bundesland, das am zweitstärksten betroffen war.
Diese Entwicklung nehmen wir nicht hin. Pressevertreter*innen müssen frei und unabhängig
ihren Job machen können. Übergriffe auf Demos müssen genauso konsequent bekämpft werden wie
digitale Gewalt gegen Journalist*innen!
Zum Schutz der Unabhängigkeit des Journalismus gehört auch der Schutz des öffentlich-
rechtlichen Rundfunks. Auch dieser steht zunehmend unter Druck von rechts außen. Um ihn
besser zu schützen, sollte der Medienstaatsvertrag durch eine Zustimmungspflicht des
Abgeordnetenhauses auch bei Kündigung von Staatsverträgen zusätzlich abgesichert werden.
Vertrauen in die Demokratie stärken, Bildung und Prävention ausbauen
Politische Bildung spielt eine essenzielle Rolle dabei, das Vertrauen in die demokratischen
Institutionen zu stärken. Dabei geht es nicht nur um Politik als eigenständiges Schulfach,
sondern auch darum, wie Schüler*innen bereits im Schulkontext Demokratie erleben.
Schüler*innenvertretungen, die vom Lehrkörper ernst genommen werden, ein Begegnen auf
Augenhöhe und echte Mitbestimmungsmöglichkeiten in der Schule, die Selbstwirksamkeit
erfahren lassen, sind dabei von unschätzbarem Wert. Beteiligungskonzepte sollten in allen
Berliner Kitas konsequent umgesetzt werden; das hierfür notwendige Fachpersonal muss zeitnah
ausgebildet, der Kind-Fachkraft-Schlüssel entsprechend angepasst werden. Denn wenn Kinder
frühzeitig lernen, dass die eigene Stimme etwas zählt, sind sie später weniger anfällig für
autokratische Strukturen und werden zu mündigen Bürger*innen, die die Demokratie
wertschätzen.
Die Landeszentrale für politische Bildung muss gestärkt werden, um ihrem Bildungsauftrag
auch weiterhin gerecht werden zu können. Besonders für den Bereich der Erwachsenen- und
außerschulischen Bildung braucht es noch mehr Materialien und Konzepte, um auch die Menschen
zu erreichen, die nicht mehr zur Schule gehen.
Generell gilt es, alle direktdemokratischen Instrumente und den Einfluss der
Zivilgesellschaft zu stärken und so deutlich zu machen, dass jede Stimme zählt. Dabei ist
aber entscheidend, dass die richtigen Instrumente zur richtigen Zeit eingesetzt werden. Ein
Ja-Nein-Volksentscheid macht dann Sinne, wenn es in einem abgesteckten Rahmen etwas zu
entscheiden gibt, Bürger*innenräte können bei grundsätzlichen Problemen komplexe Lösungen
erarbeiten. Genauso dürfen Menschen- und Minderheitenrechte niemals Gegenstand einer
Mehrheitsabstimmung sein. Einen Volksentscheid von oben lehnen wir ab, da er von der
Regierung vor allem genutzt werden kann, um mit suggestiven und sehr offenen Fragen ihren
Handlungsspielraum zu vergrößern, statt wirklichen Einfluss zu ermöglichen. Stattdessen
sprechen wir uns für niedrigere Quoren für Widerspruchsvolksentscheide aus.
Demokratie braucht Feminismus
Die Rechte von Frauen, inter, nicht-binären, trans* und agender Personen (FINTA) sind ein
Gradmesser der Demokratie, denn autokratische und diktatorische Regime unterdrücken FINTA-
Rechte systematisch. Intersektionaler Queerfeminismus steht für Gerechtigkeit und wo FINTA-
Rechte durchgesetzt werden, nutzt das der gesamten Gesellschaft und trägt zu mehr
Gleichberechtigung nicht nur zwischen den Geschlechtern bei. Deshalb setzen wir uns
strukturell für mehr Gleichberechtigung ein: wir unterstützen die Arbeit der
Gleichstellungsbeauftragten und der Organisationen, die sich für Gleichstellung einsetzen.
Wo FINTA selbstbestimmt leben, stärkt dies die Demokratie. Dazu gehört auch das Recht, über
den eigenen Körper frei zu entscheiden. Das Recht auf Abtreibung gehört hier genauso dazu,
wie die Entscheidung über die geschlechtliche Identität selbstbestimmt treffen zu können.
Wir begrüßen den Vorstoß der Unabhängigen Beauftragten für Antidiskriminierung des Bundes,
Ferda Ataman, zur Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) auf Bundesebene –
es ist höchste Zeit, dass sexuelle Belästigung nach dem AGG auch im Zivilrecht verboten wird
und etwa sexuelle Belästigungen im Fitness-Studio berücksichtigt werden.
Antifeminismus ist der gemeinsame Nenner und eine der tragenden Säulen des
Rechtsextremismus. Er schwächt den gesellschaftlichen Zusammenhalt und untergräbt die
Demokratie. Es ist deshalb keine Überraschung, dass rechtsextreme Gruppen Antifeminismus
gezielt verbreiten und ihn als Einflugschneise für autoritäre Ideologien nutzen. Dabei geht
es vor allem um die Vorstellung, dass in einer sogenannten 'natürlichen Ordnung' einer
binärgeschlechtlichen Welt Frauen Männern untergeordnet seien. Erschreckend ist, wie weit
inzwischen antifeministische Einstellungen verbreitet sind und auf sozialen Netzwerken wie
Tiktok an Reichweite gewinnen. Dem stellen wir uns klar entgegen – der Kampf für FINTA-
Rechte ist der Kampf für unsere Demokratie!
Aufarbeitung und Erinnerungsarbeit stärken
Wir haben in Deutschland mehrfach erlebt, was passiert, wenn rassistische Denkmuster nicht
rechtzeitig erkannt werden oder wenn Menschen sich immer weiter radikalisieren. Die Morde
des NSU, die Anschläge von Halle oder Hanau sind mit die schlimmsten, aber nicht die
einzigen Beispiele dafür. Die Erinnerung an die Menschen, die von Rassist*innen und
Antisemit*innen ermordet wurden, wach zu halten, ist unser aller Aufgabe. Wir sind als Staat
und als Bürger*innen dazu verpflichtet, diese Taten und den Umgang der Ermittlungsbehörden
und der Öffentlichkeit damit aufzuarbeiten und Konsequenzen zu ziehen. Historisches Unrecht
müssen wir überdies nachhaltig kritisch erinnern. Erinnerungs- und Gedenkstätten sowie
Museen, die sich mit den Gräueln des NS-Terrors auseinandersetzen, historische und
antifaschistische Bildungsarbeit leisten, wollen wir stärken. Erinnerungsarbeit bedeutet in
Berlin zudem, die Spuren der diversen Stadtgesellschaft in den Museen und im öffentlichen
Raum abzubilden und die Stadtgeschichte multiperspektivisch und transnational zu erzählen.
Das von uns initiierte gesamtstädtische Konzept für die Aufarbeitung und Erinnerung der
deutschen Kolonialvergangenheit ist ein Meilenstein und muss fortgeführt und verstetigt
werden. Der Prozess der Dekolonisierung ist auch ein Prozess zur Bekämpfung von Rassismus
heute. Er kann dabei nur im engen Dialog mit den postmigrantisch-diasporischen Communitys
und den Nachkommen der Menschen in den ehemaligen Kolonien gelingen.
Antidiskriminierungsstrukturen neu aufsetzen
Von 2016 bis 2023 war Berlin mit der rot-grün-roten Koalition bundesweit Vorreiterin für
eine progressive Antidiskriminierungspolitik. Das Landesantidiskriminierungsgesetz und das
Landesprogramm Diversity sind dafür die bekanntesten Beispiele, die auch deutschlandweit
eine Vorbildfunktion entwickelt haben. Diese Vorbildfunktion droht nun unter Schwarz-Rot
verspielt zu werden. Dagegen stemmen wir uns mit aller Kraft - gemeinsam mit der
Zivilgesellschaft!
Stärkung der Demokratie bedeutet nicht nur, sich gegen rechtsextreme Tendenzen zu stellen,
sondern die offene Gesellschaft für alle Menschen zu verteidigen, Diskriminierung aktiv zu
bekämpfen und Diversität zu fördern. Wir setzen uns dafür ein, dass Berlin eine
gesamtgesellschaftliche Antidiskriminierungs- und Diversitätsstrategie entwickelt – unter
konsequenter Einbindung von Wissenschaft und den zivilgesellschaftlichen Akteur*innen. Dabei
müssen alle Formen von Diskriminierung – insbesondere in ihren institutionellen und
strukturellen Dimensionen – Berücksichtigung finden. Gesellschaftliche Handlungsfelder und
Institutionen sind kritisch zu analysieren und jeweils darauf bezogene Antidiskriminierungs-
und Diversitätsmaßnahmen mit konkreten Bearbeitungs- und Umsetzungsempfehlungen (weiter) zu
entwickeln. Ausgangspunkt hierfür muss dabei das bestehende zivilgesellschaftliche Wissen
und die bestehende zivilgesellschaftliche Arbeit gegen Diskriminierung sein. Dabei ist
unsere Antidiskriminierungspolitik immer queerfeministisch und intersektional.
Für die Umsetzung der Antidiskriminierungs- und Diversitätsstrategie braucht es auf Landes-
wie Bezirksebene klare Zuständigkeiten in überfachlicher Verantwortung und Zusammenarbeit,
die Bereitstellung der notwendigen Ressourcen und Finanzmittel und in der Begleitung und
Evaluation ein unabhängiges Expert*innen-Monitoring. Auch in Zeiten knapper Kassen muss
gelten: Maßnahmen gegen Diskriminierung und Ungleichbehandlung haben hohe Priorität!
Zentral für eine Berliner Gesamtstrategie werden weiterhin das
Landesantidiskriminierungsgesetz und das Landesprogramm Diversity sein. Beides sind
Erfolgsgeschichten aus grüner Feder. Wir wollen eine Evaluation und Weiterentwicklung, damit
sie noch breiter Anwendung finden. Beim Landesantidiskriminierungsgesetz wollen wir den
Schutzkreis durch die Aufnahme weiterer Diskriminierungsmerkmale erweitern und es
verbindlicher für die landeseigenen Unternehmen zur Anwendung bringen. Maßnahmen des
Landesprogramm Diversity – wie die Einführung positiver Maßnahmen zur Bekämpfung von
Ungleichbehandlung – wollen wir eine gesetzliche Grundlage geben. Die LADG-Ombudsstelle muss
endlich personell gestärkt werden. Wir wollen, dass sie auch in der personellen Ausstattung
als eigene Behörde nach dem Vorbild der Datenschutz- oder des Polizeibeauftragten
aufgestellt wird.
Wir stellen uns entschieden gegen jeden Antisemitismus, gegen alle Formen von Rassismus und
Diskriminierung. Im Kampf gegen Diskriminierung gibt es weniger ein Erkenntnis- als ein
Umsetzungsproblem. Wir wollen, dass das noch in der vergangenen Wahlperiode beschlossene
„Berliner Landeskonzept zur Weiterentwicklung der Antisemitismus-Prävention“ konsequent für
alle Bereiche angewandt wird – und wo Schutzlücken bestehen, diese konzeptionell geschlossen
werden. Dazu gehören insbesondere die Bereiche Bildung und Schule, Hochschule sowie
Opferschutz und Prävention. Hier braucht es verlässliche Strukturen gegen Diskriminierung,
die Antisemitismus besonders berücksichtigen. Die schwarz-rote Koalition verliert sich hier
in Symboldebatten, statt die grundsätzliche Arbeit gegen Antisemitismus zu stärken und
auszubauen. Trotz vollmundiger Ankündigungen hat die Koalition die zivilgesellschaftlichen
Beratungs-, Anlauf- und Präventionsprojekte gegen Antisemitismus bislang im Regen stehen
lassen. Seit dem 7. Oktober 2023 leisten sie noch einmal vermehrt Beratung und
Aufklärungsarbeit an Schulen oder beraten für von Antisemitismus Betroffene als
Anlaufstellen, oftmals mit immensen Überstunden oder sogar unbezahlt. Sie benötigen dringend
eine Aufstockung ihrer Förderung, damit die erhebliche Mehrarbeit unterstützt und gewürdigt
wird. Das Beratungs- und Empowerment-Angebot wollen wir im engen Austausch mit der
Zivilgesellschaft weiterentwickeln. Dabei nehmen wir insbesondere den Umgang mit sozialer
Ausgrenzung, Klassismus und Diskriminierung im digitalen Kontext, etwa im Zuge des Einsatzes
von Algorithmen und Künstlicher Intelligenz, in den Blick und begegnen auch den (psycho-
)sozialen und gesundheitlichen Auswirkungen von Diskriminierung systematisch.
Bestimmte Formen der Diskriminierung von gesellschaftlichen Gruppen haben bislang zu wenig
Aufmerksamkeit erfahren. Hier wollen wir Erkenntnislücken durch Studien und den Berlin
Monitor schließen – und zivilgesellschaftliche Empowerment- und Beratungsstrukturen
einrichten. Dazu gehören asiatisch gelesene Menschen oder bisexuelle Berliner*innen. Hinzu
kommen Programme, die besonders marginalisierte Gruppen stärken, wie der Aktionsplan zur
Einbeziehung ausländischer Rom*nja oder die Initiative geschlechtliche und sexuelle Vielfalt
(IGSV). Wir erwarten vom Senat auch ein stärkeres und entschiedeneres Handeln gegen
Rassismus. Dazu fordern wir die zeitnahe Einsetzung eine*r Beauftragten gegen Antiziganismus
sowie die Schaffung der Stelle einer*eines Beauftragten gegen antimuslimischen sowie gegen
anti-Schwarzen Rassismus. Außerdem fordern wir die zeitnahe und senatsübergreifend
koordinierte Umsetzung der Handlungsempfehlungen der Expert*innenkommission Antimuslimischer
Rassismus, wie z.B. die Abschaffung des Neutralitätsgesetzes.
Wir wollen die Antidiskriminierungsarbeit stärker horizontal ausrichten und intersektional
um neue gesellschaftliche Handlungsfelder erweitern. Mit der Fachstelle gegen
Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt „FairMieten – FairWohnen“ haben wir Bündnisgrüne dafür
in der letzten Wahlperiode ein Modellprojekt etabliert. Eine entsprechende Forschungs-,
Dokumentations- und Beratungsstelle fordern wir nun auch für den Gesundheits- und
Pflegebereich, für den Hochschul- und Wissenschaftsbereich und für den Bereich der KI-
Anwendungen ein. Zudem muss endlich die zivilgesellschaftliche Forderung nach Einrichtung
einer „Unabhängigen Beschwerdestelle gegen Diskriminierung an Schule“ (UBS) erfüllt werden.
Die Ziele der „UN-Dekade für Menschen afrikanischer Herkunft“ müssen auch über 2024 hinaus
verstetigt und umgesetzt werden. Wir fordern die Verlängerung des Umsetzungszeitraums dieser
Dekade, die aufgrund von coronabedingten Einschränkungen nicht vollends ausgeschöpft wurde.
Der Maßnahmenplan aus dem zivilgesellschaftlich getragenen Konsultationsprozess,
insbesondere die Einrichtung eines Studiengangs Black European Intersectional Studies, muss
umgesetzt werden.
Die Verteidigung der Demokratie: eine Aufgabe für die ganze Gesellschaft!
Wir wissen, um unser aller Demokratie zu verteidigen, braucht es ein Bündel von Maßnahmen.
Jede*r von uns steht in der Pflicht, sich für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung
einzusetzen: auf der Straße, am Arbeitsplatz, in der Schule, im Sportverein – aber auch in
der Politik und der Verwaltung. Berlin ist eine weltoffene Stadt, die von der Vielfalt der
Menschen lebt. Wir bekennen sich klar zu dieser Vielfalt und stellen uns rechtsextremen
Strukturen entgegen. Nur ein sicheres Berlin für alle ist ein gerechtes Berlin.
Unterstützer*innen
- Catrin Wahlen (KV Berlin-Treptow/Köpenick)
- Catherina Pieroth-Manelli (KV Berlin-Tempelhof/Schöneberg)
- Christoph Wapler (KV Berlin-Charlottenburg/Wilmersdorf)
- Susanna Kahlefeld (KV Berlin-Neukölln)
- Stefan Taschner (KV Berlin-Lichtenberg)
- Daniela Ehlers (KV Berlin-Lichtenberg)
- Jenny Laube (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Johannes Mihram (KV Berlin-Mitte)
- Christoph Lorenz (KV Berlin-Steglitz/Zehlendorf)
- Jan Schmid (KV Berlin-Tempelhof/Schöneberg)
- Birgit Vasiliades (KV Berlin-Steglitz/Zehlendorf)
- Daniel Eliasson (KV Berlin-Steglitz/Zehlendorf)
- Tobias Jahn (KV Berlin-Mitte)
- Michael Servatius (KV Berlin-Mitte)
- Jonathan Morsch (KV Berlin-Steglitz/Zehlendorf)
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braucht es eine besondere Sensibilität für die Verantwortung und Vorbildwirkung in der Gesellschaft. Der immer wieder erhobene Vorwurf des Generalverdachts ist fernab jeder Realität und erweist sich auch im zweiten Berichtsjahr des Berliner Bürger- und Polizeibeauftragten als populistische Stimmungsmache. Die Arbeit des Beauftragten stärkt nachweislich Vertrauen und Akzeptanz bei den Beschwerdeführenden. Der diesjährige Bericht zeugt gleichzeitig von erheblichem Verbesserungsbedarf der polizeiinternen Fehlerkultur. Wenn die Behörde Anfragen nicht nachkommt oder Berichte schönschreibt, ist das inakzeptabel. Perspektivisch braucht der Beauftragte mehr Kompetenzen, insbesondere um in laufenden Verfahren, in denen bisher Akteneinsicht verweigert wird, eine Schlichtung zu ermöglichen. Perspektivisch sollen auch Ermittlungsverfahren gegen Polizist*innen von einer unabhängigen Ermittlungsstelle geführt werden, wie dies in anderen europäischen Ländern bereits heute Standard ist. Die Polizei und die Innenverwaltung müssen sich mit dem Bericht gewissenhaft auseinandersetzen und die angesprochenen Probleme konsequent angehen. Fehlverhalten muss aufgeklärt und nachgegangen werden und Extremismus entschieden entgegengetreten werden. Die Berliner Polizeistudie zeigt dabei strukturelle
Berlin: für viele die Stadt der Freiheit. Weltoffenheit, Vielfalt, Selbstbestimmung – das
sind Versprechen unserer Stadt, wegen derer viele Menschen gerne herkommen, wegen derer
Menschen gerne hier leben.
Es ist unser aller Aufgabe, dieses Versprechen zu schützen und einzulösen. Denn zu Berliner
Realität gehört auch, dass viele Menschen sich in unserer Stadt nicht sicher fühlen – weil
sie aufgrund ihrer (zugeschriebenen) Herkunft oder ihrer Religion, aufgrund äußerlicher
Merkmale oder einer Behinderung, aufgrund von sexueller Orientierung oder geschlechtlicher
Identität diskriminiert, beleidigt und körperlich angegriffen werden. Rassismus,
Antisemitismus, Antifeminismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit nehmen zu; immer
mehr rechtsextreme Gewalttaten verunsichern und bedrohen die Menschen in unserer Stadt. Die
Polizei Berlin registrierte eine Zunahme rechtsextrem politisch motivierter Delikte um 4,5%
auf 2981 im Jahr 2022. Das sind im Schnitt mehr als acht dokumentierte rechtsextremistische
Straftaten pro Tag. Die Opferberatungsstelle ReachOut dokumentierte für dasselbe Jahr 336
rechtsextreme, rassistische und antisemitische tätliche Angriffe in Berlin. Es ist ganz
deutlich: die größte Bedrohung unserer Demokratie kommt von der extremen Rechten. Und das
ist insbesondere für betroffene Menschen nicht neu. In unserer Gesellschaft ist
rassistisches, antisemitisches, antimuslimisches und antifeministisches Gedankengut schon
sehr lange weit verbreitet und für viele Menschen eine reale und große Bedrohung.
Multiple Krisen verstärken die Verunsicherung bei vielen Menschen: die Folgen der Coronazeit
waren noch nicht ausgestanden, als Russland seinen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf
die Ukraine startete, dessen Auswirkungen auch in Deutschland und Berlin deutlich zu spüren
waren. Insbesondere die gestiegenen Lebenshaltungskosten waren und sind für viele
Berliner*innen eine Herausforderung. Und über all dem schwebt gleichzeitig die Klimakrise,
die unser aller Lebensgrundlagen bedroht. Von alldem sind vulnerable Menschen und Gruppen
besonders betroffen. Und dennoch liefern sich manche Parteien einen populistischen
Überbietungswettbewerb und versuchen, die verletzlichsten Gruppen gegeneinander
auszuspielen, im Glauben, mit einfachen Versprechungen und Parolen Wähler*innen zu gewinnen.
Das hilft den Rechtsextremist*innen, die versuchen, diese krisenbehaftete Zeit zu nutzen, um
ihre Ideologie weiter zu verbreiten, gegen Minderheiten zu hetzen und die Demokratie zu
destabilisieren. Doch komplexe Probleme können nicht mit einfachen Antworten gelöst werden.
Es ist Aufgabe aller demokratischen Parteien, diesem Angriff auf unsere freiheitlich-
demokratische Grundordnung etwas entgegenzusetzen. Unsere Demokratie ist wehrhaft und kann
und muss sich gegen Verfassungsfeinde verteidigen. Nicht umsonst haben die Mütter und Väter
des Grundgesetzes die Möglichkeit eines Parteiverbots vorgesehen; zu eindrücklich hatten sie
noch das Ende der Weimarer Republik vor Augen.
Wir suchen den Schulterschluss mit der engagierten Stadt- und Zivilgesellschaft, die in
Initiativen, Vereinen und auf der Straße Haltung zeigt. Die breite Reaktion auf die
Veröffentlichung der Correctiv-Recherche, die vielen Demonstrationen der letzten Wochen und
Monate mit Millionen von Menschen haben gezeigt: dieses Land und diese Stadt wollen nichts
von den Deportationsplänen der AfD und anderer Rechtsextremist*innen wissen und zeigt
deutlich: Nie wieder ist jetzt! Viele Vereine, NGOs, zivilgesellschaftliche Bündnisse und
Migrant*innenselbstorganisationen leisten hier seit Jahren eine wichtige und hervorragende
Arbeit; sie weiter zu unterstützen ist essenziell und muss im Berliner Landeshaushalt eine
Selbstverständlichkeit sein! Und unsere wehrhafte Demokratie ist nur dann wirklich wehrhaft,
wenn diejenigen, die sie schützen, gut arbeiten können. Statt nur laut Law and Order zu
schreien, muss der schwarz-rote Senat endlich Konzepte entwickeln, wie Prävention und
Bekämpfung von Rechtsextremismus in unserer Stadt besser funktionieren kann! Der Schutz der
Demokratie darf gerade in Zeiten wie diesen nicht finanziell unter die Räder geraten. Auch
wenn Einsparungen im Landeshaushalt nötig werden, darf hier nicht der Rotstift angesetzt
werden.
Zivilgesellschaft: wichtiges Standbein der Demokratie
Eine engagierte Zivilgesellschaft ist eine wichtige Partnerin beim Schutz der Demokratie. Es
ist unsere Aufgabe, sie in ihrer Arbeit zu stärken. Deshalb begrüßen wir, dass
Bundesministerin Lisa Paus ein Demokratiefördergesetz vorgelegt hat. Mit diesem Gesetz zur
Stärkung von Maßnahmen zur Demokratieförderung, Vielfaltgestaltung, Extremismusprävention
und politischen Bildung soll der Bund den gesetzlichen Auftrag zur Förderung von Demokratie
und zur Extremismusprävention bekommen und sich dem Kampf gegen Rassismus, Extremismus und
Menschenfeindlichkeit verpflichten. Ziel des Demokratiefördergesetzes ist eine verlässliche
und bedarfsorientierte Förderung von Projekten zur Stärkung von Demokratie und
gesellschaftlicher Vielfalt. Zivilgesellschaftliche Initiativen erhalten damit für ihre
Arbeit mehr Planungssicherheit und eine langfristige Perspektive.
Um zivilgesellschaftliche Strukturen und Bündnisse in Berlin nachhaltig zu stärken, braucht
es auch auf Landesebene ein Demokratiefördergesetz. Die bündnisgrüne Fraktion im
Abgeordnetenhaus hat mit der Vorlage ihres Demokratiestärkungspakets gezeigt, wo der Fokus
liegen muss: Mit 16 Millionen Euro sollten damit in den Jahren 2024 und 2025 Maßnahmen im
Kampf gegen Antisemitismus, Rassismus, Antifeminismus und Queerfeindlichkeit gebündelt
werden; der schwarz-rote Senat setzt im Rahmen des Doppelhaushalts allerdings die falschen
Prioritäten. Die anhaltende Unsicherheit bei allen Initiativen, ob die im Haushalt
ausgewiesenen finanziellen Mittel wirklich gezahlt werden oder doch wegen des Sparzwangs
noch gestrichen werden, ist eine nicht hinnehmbare Situation und gefährdet auch zunehmend
den Kampf für unsere Demokratie. Demokratiefördernde Projekte müssen gerade jetzt
ausreichend finanziert werden. Der Senat muss endlich Klarheit schaffen, wo er sein
Milliardendefizit einsparen wird, und darf nicht länger die Initiativen dieser Stadt am
ausgestreckten Arm verhungern lassen.
Viele Ehrenamtliche fühlen sich deshalb – nicht überraschend – von Schwarz-Rot im Stich
gelassen. Gerade in einer Zeit, in der die Angriffe auf zivilgesellschaftliche Projekte
zunehmen, in der Ehrenamtliche ihr Engagement nicht mehr angstfrei ausüben können, ist das
genau das falsche Signal. Auch Ehrenamtliche in der Kommunalpolitik, zum Beispiel in den
BVVen, geraten zunehmend unter Druck. Journalist*innen und Künstler*innen sind genauso im
Visier der Rechtsextremen wie demokratische Mandatsträger*innen. Hier sind alle
demokratischen Parteien gefordert, geschlossen zueinander zu stehen. Und der Berliner Senat
ist in der Pflicht, dass niemand allein gelassen wird, der*die einem rechtsextremen Angriff
zum Opfer gefallen ist oder von Rechtsextremen unter Druck gesetzt wird. Die Anlaufstellen
für Opfer rechtsextremer Gewalt müssen deshalb dringend abgesichert und besser ausgestattet
werden. Außerdem braucht es eine Stärkung der Aussteigerprogramme für Menschen, die dem
rechtsextremen Milieu den Rücken kehren wollen.
Die wehrhafte Demokratie verteidigen
Es ist unsere Verantwortung, alle uns zur Verfügung stehenden Mittel im Kampf gegen
Verfassungsfeinde zu nutzen; wir fordern die Verfassungsorgane auf, ein AfD-Verbotsverfahren
auf den Weg zu bringen. Der Berliner Senat sollte dies im Bundesrat anstoßen. Dies ist und
bleibt ein entscheidendes Puzzlestück, um unsere Demokratie zu retten. Uns ist jedoch auch
bewusst, dass sich rechtsextremes Gedankengut nicht auf Knopfdruck verbieten lässt. Es
braucht ein Bündel von Maßnahmen, die kurz-, mittel- und langfristig wirken müssen. Neben
einer resilienten Zivilgesellschaft und guter Bildung und Prävention braucht es deshalb auch
deutliche Schritte in der Justiz, der Polizei und beim Verfassungsschutz. Rechtsextremismus
im öffentlichen Dienst muss konsequent geahndet werden und in allen Verwaltungen muss die
Entfernung rechtsextremer Beamt*innen aus dem Staatsdienst konsequent verfolgt werden. Wir
wollen prüfen, ob eine Verschärfung des Disziplinarrechts nach dem Vorbild des „Gesetzes zur
Beschleunigung von Disziplinarverfahren in der Bundesverwaltung“ auch für das Land Berlin
geboten ist, sowie die Fristen verlängern für das Disziplinarmaßnahmenverbot und
Verwertungsgebot bei Verstößen gegen die beamtenrechtliche Verfassungstreuepflicht und gegen
das politische Mäßigungsgebot.
Keine Demokratiefeind*innen in der Berliner Justiz!
Das Beispiel der rechtsextremen AfD-Politikerin Malsack-Winkemann, die als ehemalige
Bundestagsabgeordnete einen gewalttätigen Umsturz plante, ist wohl das bekannteste Beispiel
für Rechtsextreme im Richter*innenamt. Dass Menschen mit klar rechtsextremer Grundhaltung in
Berlin Recht sprechen dürfen, wäre nicht hinnehmbar und insbesondere für Menschen, die nicht
ins Weltbild der AfD passen, eine echte Bedrohung.
Zu einer starken, unabhängigen Justiz gehört, dass Richter*innen sich zur freiheitlich
demokratischen Grundordnung bekennen. Die Neutralität und Unvoreingenommenheit von
Richter*innen ist ein zentrales Prinzip unseres Rechtsstaats. In Berlin setzen wir uns dafür
ein das Instrument der Richteranklage einzuführen, das es in anderen Bundesländern schon
gibt. Dieses Instrument eröffnet dem Parlament die Möglichkeit, mit einem Antrag an das
Bundesverfassungsgericht die Integrität eines Richters oder einer Richterin überprüfen zu
lassen, wenn offensichtlich wird, dass er oder sie den Boden des Grundgesetzes verlassen hat
und sich offen demokratiefeindlich verhält. Verfassungsfeind*innen haben an Berliner
Gerichten nichts zu suchen!
Rechtsextreme haben in ihren Netzwerken offensiv aufgerufen, sich für das Schöffenamt zu
bewerben und so das Justizsystem zu unterwandern. Auch hier braucht es klare Regelungen, um
zu verhindern, dass Demokratiefeind*innen Recht sprechen.
Eine demokratisch aufgestellte Polizei schützt den Rechtsstaat - auch in den eigenen Reihen
Die Sicherheitsbehörden sind ein unverzichtbarer Teil der Sicherheitsarchitektur. Wenn die
Demokratie systematisch durch Bedrohung und Gewalt unter Druck gesetzt wird, sind wir auf
handlungsfähige Behörden angewiesen, die die Gesellschaft, den Rechtsstaat und seine
Institutionen schützen. Dabei stellen die politisch motivierte Gewalt im Bereich
Rechtsextremismus, die zunehmende Hasskriminalität, der erhöhte Sicherheitsbedarf von
Politiker*innen und weiteren öffentlichen Personen auch für sie eine große Herausforderung
dar. Als am 29. August 2020 Reichsbürger*innen und andere Rechtsextreme zusammen mit einer
Mischung aus Querdenker*innen und Coronaleugner*innen den Reichstag stürmen wollten, standen
ihnen im letzten Moment nur noch drei Polizisten gegenüber, die die Herzkammer der
Demokratie verteidigten. Wenn Spitzenpolitiker*innen bedroht werden, so sind es die
Personenschützer*innen von LKA und BKA, die dafür sorgen, dass die Betroffenen dennoch
öffentliche Auftritte wahrnehmen können. Jeden Tag schützen Polizist*innen so – und auf
vielfältige andere Art und Weise – unsere Demokratie. Für uns ist klar: Polizist*innen sind
kein Einsatzmittel, sondern in erster Linie Menschen, die sich der Verteidigung der
Demokratie verpflichtet haben - und oft genug setzen sie dabei ihr eigenes Leben aufs Spiel.
Wir stärken all jenen den Rücken, die innerhalb und außerhalb der Behörde für
Rechtsstaatlichkeit und Demokratie eintreten.
Wir setzen uns für gute Arbeitsbedingungen, gute Ausstattung, den Abbau des Sanierungsstaus
sowie eine moderne, diverse und diskriminierungskritische Polizei ein. Wir schützen die
Sicherheitsbehörden vor politischer Vereinnahmung und den Unterwanderungsversuchen
rechtsextremer Kräfte.
Der Schutz der Demokratie ist eine der wichtigsten Aufgaben, die es im Staatsdienst zu
erfüllen gilt. Wir müssen diesen Beruf so attraktiv gestalten, dass sich hochqualifizierte
Menschen weiterhin dafür entscheiden. Dazu gehören selbstverständlich gute
Arbeitsbedingungen und ein attraktives Arbeitsumfeld. Die Instandsetzung von Polizeiwachen
ist deshalb kein nice to have, sondern elementar für die gute Arbeit der Polizei. Die vielen
Überstunden, die die Polizei jedes Jahr ansammelt, dürfen nicht zum Normalzustand werden.
Eine angemessene Work-Life-Balance und Familienfreundlichkeit machen den Beruf deutlich
attraktiver und entsprechen dem Anspruch der heutigen Arbeitswelt. Wir erwarten vom Senat
überdies, dass auch die seelische Gesundheit unserer Einsatzkräfte im Fokus steht. Wir
setzen uns für die Einrichtung struktureller psychotherapeutischer Maßnahmen für
Polizist*innen nach traumatisierenden Einsätzen ein.
Die Berliner Polizeiausbildung hat in den letzten Jahren deutlich an Qualität gewonnen.
Gerade in einer diversen Stadtgesellschaft wie der unseren, bleibt es zentral, dass sie
diskriminierungskritisch und diversitätssensibel ausgestaltet ist. Neben einem gesetzlichen
Verbot von Racial Profiling fordern wir die Einführung niedrigschwelliger und
unbürokratischer Nachweis- und Aufklärungspflichten (Kontrollquittung), so dass jede*r weiß,
warum sie*er kontrolliert worden ist und die Implementierung von Community-Policing-
Konzepten.
Für Spezialisierungen im Bereich des Staatsschutzes braucht es zudem einen organisierten
Wissenstransfer. Das gilt auch bei der Auswahl und Besetzung von Leitungsstellen im
polizeilichen Staatsschutz. Darüber hinaus muss er für den Phänomenbereich Rechtsextremismus
sowie im Bereich der Hasskriminalität gestärkt werden. Zur besseren Analysefähigkeit sollen
verstärkt Open Source Intelligence-Expert*innen zum Einsatz kommen.
Die Polizei als Behörde hat einen so hohen Stellenwert, da sie als ausführender Arm des
Gewaltmonopols des Staates besondere Verantwortung trägt. Dies ist ein hohes Privileg und
bringt große Macht mit sich. Dass in einem Rechtsstaat eine solche Übertragung immer mit
einer intensiven Kontrolle einhergehen muss, ist für uns selbstverständlich. Daher ist es
entscheidend, dass wir nicht die Augen davor verschließen, dass auch innerhalb der Berliner
Polizei Rechtsextremismus auftritt. Dies anzuerkennen ermöglicht es, verloren gegangenes
Vertrauen wiederherzustellen. Dafür braucht es auch strukturelle Änderungen. Daher ist es
gut, dass es neben internen Beschwerdestrukturen mit dem Polizei- und Bürgerbeauftragten nun
auch eine unabhängige Stelle gibt, die kontaktiert werden kann, wenn Fehlverhalten zutage
tritt. Denn gerade im Falle der Polizei als ausführendem Arm des staatlichen Gewaltmonopols
braucht es eine besondere Sensibilität für die Verantwortung und Vorbildwirkung in der
Gesellschaft. Der immer wieder erhobene Vorwurf des Generalverdachts ist fernab jeder Realität und erweist sich auch im zweiten Berichtsjahr des Berliner Bürger- und Polizeibeauftragten als populistische Stimmungsmache. Die Arbeit des Beauftragten stärkt nachweislich Vertrauen und Akzeptanz bei den Beschwerdeführenden. Der diesjährige Bericht zeugt gleichzeitig von erheblichem Verbesserungsbedarf der polizeiinternen Fehlerkultur. Wenn die Behörde Anfragen nicht nachkommt oder Berichte schönschreibt, ist das inakzeptabel. Perspektivisch braucht der Beauftragte mehr Kompetenzen, insbesondere um in laufenden Verfahren, in denen bisher Akteneinsicht verweigert wird, eine Schlichtung zu ermöglichen. Perspektivisch sollen auch Ermittlungsverfahren gegen Polizist*innen von einer unabhängigen Ermittlungsstelle geführt werden, wie dies in anderen europäischen Ländern bereits heute Standard ist. Die Polizei und die Innenverwaltung müssen sich mit dem Bericht gewissenhaft auseinandersetzen und die angesprochenen Probleme konsequent angehen. Fehlverhalten muss aufgeklärt und nachgegangen werden und Extremismus
entschieden entgegengetreten werden. Die Berliner Polizeistudie zeigt dabei strukturelle
Maßnahmen auf, die dazu beitragen, einen demokratiestärkenden Kulturwandel voranzutreiben
als auch den Anspruch eine modernen Hauptstadtpolizei in einer vielfältigen Weltmetropole zu
festigen.
Dass die Verfolgung und Aufklärung von über 380 rechtsextremer Straftaten beim Berliner LKA
jahrelang unbearbeitet blieben, darf sich nicht wiederholen. Die Polizei hat hier eine
besondere Verantwortung, diese Verschleppung detailliert aufzuklären und mögliche
Zusammenhänge mit dem sogenannten Neukölln-Komplex zu untersuchen. Sie muss außerdem
Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass ein solches mutmaßlich strukturelles Versagen
sich nicht wiederholt.
Die Verfassung schützen – Gefahren für die Demokratie erkennen
Die Rolle des Verfassungsschutzes wird zurecht kritisch betrachtet. Es ist kein Geheimnis,
dass er nicht nur im Rahmen des NSU-Komplexes versagt hat. Die Fehler rund um den Anschlag
am Breitscheidplatz, die rechtsextreme Anschlagsserie in Neukölln oder der Umgang mit
Feindeslisten oder illegalen Datenweitergaben – all das belegt, dass der Verfassungsschutz
in seiner jetzigen Form zu oft nicht funktioniert, die Aufgabe der Früherkennung in Teilen
sogar behindert hat. Tatsächlich mehren sich die Vorfälle, bei denen die Nicht-Weitergabe
von strafrechtlich relevanten Informationen durch den Verfassungsschutz und somit der Schutz
von Tätern dazu geführt hat, dass noch schlimmere Straftaten stattfanden. Ob eine so
grundlegende Reform möglich ist, um eine Behörde zu schaffen, die über jeden Zweifel erhaben
ist, ist sehr fraglich. Deshalb fordern wir, eine Alternative für den Verfassungsschutz zu
schaffen. Dem soll eine wissenschaftliche Untersuchung der Arbeitsweise des
Verfassungsschutzes vorausgehen, um Aufgaben, Prioritäten und Ressourcen der aktuellen
Herausforderungen neu justieren zu können.
Gleichwohl befinden wir uns derzeit in der herausfordernden Situation, dass die AfD den
Verfassungsschutz delegitimiert, weil er die Institution sein könnte, die entscheidende
Belege für ihre Verfassungsfeindlichkeit liefern könnte. Der Berliner Senat steht in der
Pflicht, die beim Verfassungsschutz vorliegenden Informationen in die Prüfung eines
Parteiverbotsverfahren einfließen zu lassen. Dazu gehört auch sicherzustellen, dass keine
Hinderungsgründe durch V-Leute, wie es beim ersten NPD-Verbotsverfahren der Fall war,
bestehen.
Rechtsextreme und kriminelle Strukturen aufdecken und austrocknen
Durch den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur rechtsextremen Anschlagsserie in
Neukölln zeigt sich: Es sind keine Einzelfälle. Rechtsextreme Netzwerke müssen bei
Ermittlungsbehörden und Staatsanwaltschaften als solche erkannt, analysiert und als
tatsächliche Gefahr anerkannt werden.
Um kurz- und mittelfristig Rechtsextremen die Möglichkeit zu nehmen, ihre
menschenverachtende Ideologie auch noch staatlich finanziert weiter zu verbreiten, müssen
wir alle Mittel nutzen, um ihre Strukturen aufzulösen. So sind parallel zur Prüfung des AfD-
Verbots Vereinsverbote beispielsweise gegen die Junge Alternative zu prüfen und
verfassungsfeindlich agierende Stiftungen und Vereine müssen von der öffentlichen
Finanzierung ausgeschlossen werden.
Bei der Finanzierung demokratiefeindlicher Bestrebungen sind Geldflüsse aus illegalen und
kriminellen Quellen stärker in den Blick zu nehmen. Gleiches gilt für ausländische Einflüsse
wie etwa Geldflüsse aus Russland, die überprüft und ausgetrocknet werden müssen; Gewerbe,
die mit Rechtsextremen und anderen Verfassungsfeinden in Zusammenhang stehen, müssen stärker
überprüft werden, auch um Geldwäsche zu verhindern.
Entscheidend ist auch die konsequente Entwaffnung von Demokratiefeind*innen. Es muss das
Ziel sein, dass weder legale noch illegale Waffen in die Hände von Rechtsextremist*innen
gelangen. Wir fordern dazu eine bundesrechtliche Verschärfung des Waffenrechts. Außerdem
muss der Senat die notwendigen Kapazitäten in der Berliner Waffenbehörde zur Durchführung
von Waffenkontrollen, Zuverlässigkeitsüberprüfungen und Erlaubniswiderrufe schaffen.
Abgeordnetenhaus und Verfassungsgericht resilienter machen
Berlin ist eine weltoffene Stadt; die Möglichkeit, dass Verfassungsfeinde die stärkste
Fraktion stellen, scheint hier und heute undenkbar. Dennoch muss das Parlament auch bei
einem Erstarken rechtsextremer Kräfte handlungsfähig bleiben und die Wahl einer*s
demokratischen Parlamentspräsidenten*in sicherstellen. Anders als das Grundgesetz sieht die
Landesverfassung bisher vor, dass die stärkste Fraktion das Vorschlagsrecht für die*den
Präsidenten*in hat. Eine Änderung sollte dagegen das freie Mandat der Abgeordneten in den
Vordergrund stellen. Auch die Leitung der konstituierenden Sitzung des Parlaments sollte
nicht länger dem ältesten (so bisher die Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses), sondern
wie im Bundestag dem Mitglied des Parlaments zufallen, das diesem am längsten angehört.
In anderen Staaten können wir beobachten, wie Gerichte von rechtspopulistischen und
rechtsextremen Kräften ausgehöhlt werden. Um die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichtshofs
zu sichern, sollten zentrale Regelungen in der Landesverfassung verankert werden: In Berlin
ist die Amtszeit der Richter*innen, die Bindungskraft ihrer Entscheidungen und die
Organisationshoheit des Gerichts bisher nur einfachgesetzlich geregelt. Auch die Aufgaben
des Verfassungsgerichts sind bisher nur unvollständig in der Landesverfassung geregelt – so
fehlt zum Beispiel die Wahlprüfung. Hier streben wir Verbesserungen an, um den Berliner
Verfassungsgerichtshof gegen antidemokratische Kräfte abzusichern - dazu werden wir mit den
demokratischen Parteien und Fraktionen ins Gespräch gehen.
Straftaten auch im Netz konsequent verfolgen und Cybersecurity ernst nehmen
Online-Hetze und -Mobbing, digitales Stalking, Doxing, Einschüchterung und das Hacken von
Accounts nehmen stetig zu. Frauenhass, Sexismus, Rassismus und extremistische Ideologien
sind häufige Ursachen für diese Taten.Unsere Gesellschaft und Demokratie stehen folglich
auch online unter Druck.
Mitarbeitende in Sicherheitsbehörden benötigen die nötige Ausbildung, um unsere Sicherheit
auch im digitalen Raum gewährleisten zu können. Mitarbeitende der Strafverfolgungsbehörden
müssen entsprechend weitergebildet und sensibilisiert werden und es braucht eine Stärkung
und engere Kooperation mit Betroffenenorganisationen wie zum Beispiel HateAid. Außerdem
setzen wir uns für eine Anpassung des rechtlichen Rahmens in Bezug auf Datenschutz und
Anerkennung von Hasskriminalität ein. Bereits fehlende Sensibilität beim Erfassen von
Straftaten kann dazu führen, dass politische Motive nicht erkannt werden oder als
vermeintlich kleine Straftaten abgetan werden.
Digitale Gewalt bedroht besonders Frauen und Mädchen, LSBTIQ*, Schwarze Menschen und People
of Color. Und auch Journalist*innen, ehrenamtlich politisch Aktive und Aktivist*innen
geraten zunehmend unter Druck.
Diese digitale Gewalt muss konsequent verfolgt werden. Dafür braucht es eine Modernisierung
der Strafverfolgung zum Beispiel über den Ausbau der Möglichkeit zur digitalen Anzeige, den
Aufbau einer Anlaufstelle, die nach dem erfolgreichen hessischen Vorbild “Hessen gegen
Hetze” als Kompetenzzentrum und Koordinationsstelle dienen soll, sowie
Schwerpunktstaatsanwaltschaften.
Darüber hinaus braucht es eine Strategie gegen Desinformation. Irreführende, falsche und
manipulative Informationen, Bilder und Videos sollen Menschen mit ihrer Wahrnehmung und
Haltung und damit die öffentliche Meinung beeinflussen. Gerade mit den gewachsenen
Möglichkeiten durch Künstliche Intelligenz stellt das eine massive Gefährdung für unsere
Demokratie dar - insbesondere, wenn Wahlen so beeinflusst werden.
Fake News destabilisieren das Fundament der Demokratie. Ihnen müssen wir entgegenwirken,
denn nur, wenn Bürger*innen sich unabhängig informieren können, können sie freie
Entscheidungen zum Beispiel im Rahmen demokratischer Wahlen treffen. Algorithmen müssen
transparent sein, damit die Sichtbarkeit von Inhalten und die öffentliche Meinungsbildung
nicht künstlich manipuliert wird.
Social Media Anbieter tragen hier eine hohe Verantwortung. Sie müssen verpflichtet werden,
stärker tätig zu werden, wenn Hass und Hetze oder Falschinformationen auf ihren Plattformen
verbreitet werden. Und es muss nachvollziehbar sein, wer auf diesen Netzwerken unterwegs
ist; für jede Onlinebestellung gelten strengere Anforderungen an Integrität und
Authentizität als für Social Media Plattformen. Deshalb braucht es hier höhere Standards und
bindende Regelungen für die großen Tech-Unternehmen in diesem Feld.
Wir fordern vom Senat massive Investitionen in digitale Aufklärung und Medienkompetenz sowie
Verzahnung und Förderung der Zusammenarbeit zwischen Verwaltungen, Technologieunternehmen
und Zivilgesellschaft, um Missbrauch über Bots so kleinteilig zu kontrollieren, wie er
auftritt. Sowohl im schulischen als auch im außerschulischen Kontext muss Medienbildung eine
größere Rolle spielen - nur wenn junge Menschen früh lernen, Fake News und Desinformation zu
erkennen, können sie als mündige Bürger*innen in der Demokratie freie Entscheidungen
treffen. Für die Entwicklung und Implementierung von KI-Systemen, die Bots erkennen und
bekämpfen, ist ein gezieltes Berliner Technologieförderprogramm notwendig. Der Senat muss
eine kontinuierliche Revision und Anpassung der Gesetze auf allen Ebenen sicherstellen, um
mit Technologie und Taktik der Manipulation Schritt zu halten und ihr besser vorbeugen zu
können.
Die Bedrohung durch Cyberangriffe und Cybercrime wächst - sowohl durch Kriminelle als auch
durch ausländische staatliche Akteure wie beispielsweise Russland. Der Berliner Senat muss
die Integrität der digitalen Infrastruktur sicherstellen. Angriffe von Hackern auf
öffentliche und private IT-Systeme müssen abgewehrt werden; die Daten der Bürger*innen
müssen geschützt bleiben. Für das Worst Case Szenario eines erfolgreichen Cyberangriffs gilt
es vorbereitet zu sein. Die Maxime ist, mutmaßliche Angriffe so schnell wie möglich zu
erkennen, den Schaden so gering wie möglich zu halten und eine möglichst kurze
Wiederanlaufzeit der Systeme zu haben. Hierzu gehört, dass alle Berliner Behörden
entsprechende Vorbereitungsmaßnahmen treffen und gängige IT-Sicherheits-Standards einhalten.
Zudem sollen Cybersicherheitsübungen etabliert werden. Dabei hat der Schutz der Bürger*innen
höchste Priorität. Für die Verwaltung und besonders die kritische Infrastruktur (KRITIS) ist
die Bedrohung besonders groß: die erhebliche Reichweite und Auswirkung eines Angriffs machen
sie zu einem besonders lohnenden Ziel und gleichzeitig sind die IT-Strukturen der Verwaltung
in einem unzeitgemäßen Zustand. Es drohen der Verlust von sensiblen, persönlichen Daten,
Identitätsdiebstähle, Spionage und der Zusammenbruch von Dienstleistungen. Damit droht nicht
zuletzt auch ein massiver Vertrauensverlust der Bürger*innen in die Verwaltung und damit in
den Staat und den staatlichen Schutz.
Pressefreiheit stärken und den ÖRR schützen
Nicht nur online steht die freie Presse unter Druck. Übergriffe auf Journalist*innen haben
in den vergangenen Jahren zugenommen - wer von Querdenker*innen-Demos während der Coronazeit
berichtet hat, musste damit rechnen, beleidigt oder gar körperlich attackiert zu werden.
Diese Übergriffe sind eine ernsthafte Gefahr für unabhängige Berichterstattung und insgesamt
für eine unabhängige Presse - und damit für unsere Demokratie; denn Demokratie lebt von
unterschiedlichen Meinungen und einer freien Presse, die darüber berichtet, damit
Bürger*innen eine informierte Entscheidung treffen können. Deutschland ist aufgrund dieser
Entwicklung im internationalen Pressefreiheit-Ranking von Reporter ohne Grenzen auf Platz 21
abgerutscht. Nach Sachsen war Berlin das Bundesland, das am zweitstärksten betroffen war.
Diese Entwicklung nehmen wir nicht hin. Pressevertreter*innen müssen frei und unabhängig
ihren Job machen können. Übergriffe auf Demos müssen genauso konsequent bekämpft werden wie
digitale Gewalt gegen Journalist*innen!
Zum Schutz der Unabhängigkeit des Journalismus gehört auch der Schutz des öffentlich-
rechtlichen Rundfunks. Auch dieser steht zunehmend unter Druck von rechts außen. Um ihn
besser zu schützen, sollte der Medienstaatsvertrag durch eine Zustimmungspflicht des
Abgeordnetenhauses auch bei Kündigung von Staatsverträgen zusätzlich abgesichert werden.
Vertrauen in die Demokratie stärken, Bildung und Prävention ausbauen
Politische Bildung spielt eine essenzielle Rolle dabei, das Vertrauen in die demokratischen
Institutionen zu stärken. Dabei geht es nicht nur um Politik als eigenständiges Schulfach,
sondern auch darum, wie Schüler*innen bereits im Schulkontext Demokratie erleben.
Schüler*innenvertretungen, die vom Lehrkörper ernst genommen werden, ein Begegnen auf
Augenhöhe und echte Mitbestimmungsmöglichkeiten in der Schule, die Selbstwirksamkeit
erfahren lassen, sind dabei von unschätzbarem Wert. Beteiligungskonzepte sollten in allen
Berliner Kitas konsequent umgesetzt werden; das hierfür notwendige Fachpersonal muss zeitnah
ausgebildet, der Kind-Fachkraft-Schlüssel entsprechend angepasst werden. Denn wenn Kinder
frühzeitig lernen, dass die eigene Stimme etwas zählt, sind sie später weniger anfällig für
autokratische Strukturen und werden zu mündigen Bürger*innen, die die Demokratie
wertschätzen.
Die Landeszentrale für politische Bildung muss gestärkt werden, um ihrem Bildungsauftrag
auch weiterhin gerecht werden zu können. Besonders für den Bereich der Erwachsenen- und
außerschulischen Bildung braucht es noch mehr Materialien und Konzepte, um auch die Menschen
zu erreichen, die nicht mehr zur Schule gehen.
Generell gilt es, alle direktdemokratischen Instrumente und den Einfluss der
Zivilgesellschaft zu stärken und so deutlich zu machen, dass jede Stimme zählt. Dabei ist
aber entscheidend, dass die richtigen Instrumente zur richtigen Zeit eingesetzt werden. Ein
Ja-Nein-Volksentscheid macht dann Sinne, wenn es in einem abgesteckten Rahmen etwas zu
entscheiden gibt, Bürger*innenräte können bei grundsätzlichen Problemen komplexe Lösungen
erarbeiten. Genauso dürfen Menschen- und Minderheitenrechte niemals Gegenstand einer
Mehrheitsabstimmung sein. Einen Volksentscheid von oben lehnen wir ab, da er von der
Regierung vor allem genutzt werden kann, um mit suggestiven und sehr offenen Fragen ihren
Handlungsspielraum zu vergrößern, statt wirklichen Einfluss zu ermöglichen. Stattdessen
sprechen wir uns für niedrigere Quoren für Widerspruchsvolksentscheide aus.
Demokratie braucht Feminismus
Die Rechte von Frauen, inter, nicht-binären, trans* und agender Personen (FINTA) sind ein
Gradmesser der Demokratie, denn autokratische und diktatorische Regime unterdrücken FINTA-
Rechte systematisch. Intersektionaler Queerfeminismus steht für Gerechtigkeit und wo FINTA-
Rechte durchgesetzt werden, nutzt das der gesamten Gesellschaft und trägt zu mehr
Gleichberechtigung nicht nur zwischen den Geschlechtern bei. Deshalb setzen wir uns
strukturell für mehr Gleichberechtigung ein: wir unterstützen die Arbeit der
Gleichstellungsbeauftragten und der Organisationen, die sich für Gleichstellung einsetzen.
Wo FINTA selbstbestimmt leben, stärkt dies die Demokratie. Dazu gehört auch das Recht, über
den eigenen Körper frei zu entscheiden. Das Recht auf Abtreibung gehört hier genauso dazu,
wie die Entscheidung über die geschlechtliche Identität selbstbestimmt treffen zu können.
Wir begrüßen den Vorstoß der Unabhängigen Beauftragten für Antidiskriminierung des Bundes,
Ferda Ataman, zur Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) auf Bundesebene –
es ist höchste Zeit, dass sexuelle Belästigung nach dem AGG auch im Zivilrecht verboten wird
und etwa sexuelle Belästigungen im Fitness-Studio berücksichtigt werden.
Antifeminismus ist der gemeinsame Nenner und eine der tragenden Säulen des
Rechtsextremismus. Er schwächt den gesellschaftlichen Zusammenhalt und untergräbt die
Demokratie. Es ist deshalb keine Überraschung, dass rechtsextreme Gruppen Antifeminismus
gezielt verbreiten und ihn als Einflugschneise für autoritäre Ideologien nutzen. Dabei geht
es vor allem um die Vorstellung, dass in einer sogenannten 'natürlichen Ordnung' einer
binärgeschlechtlichen Welt Frauen Männern untergeordnet seien. Erschreckend ist, wie weit
inzwischen antifeministische Einstellungen verbreitet sind und auf sozialen Netzwerken wie
Tiktok an Reichweite gewinnen. Dem stellen wir uns klar entgegen – der Kampf für FINTA-
Rechte ist der Kampf für unsere Demokratie!
Aufarbeitung und Erinnerungsarbeit stärken
Wir haben in Deutschland mehrfach erlebt, was passiert, wenn rassistische Denkmuster nicht
rechtzeitig erkannt werden oder wenn Menschen sich immer weiter radikalisieren. Die Morde
des NSU, die Anschläge von Halle oder Hanau sind mit die schlimmsten, aber nicht die
einzigen Beispiele dafür. Die Erinnerung an die Menschen, die von Rassist*innen und
Antisemit*innen ermordet wurden, wach zu halten, ist unser aller Aufgabe. Wir sind als Staat
und als Bürger*innen dazu verpflichtet, diese Taten und den Umgang der Ermittlungsbehörden
und der Öffentlichkeit damit aufzuarbeiten und Konsequenzen zu ziehen. Historisches Unrecht
müssen wir überdies nachhaltig kritisch erinnern. Erinnerungs- und Gedenkstätten sowie
Museen, die sich mit den Gräueln des NS-Terrors auseinandersetzen, historische und
antifaschistische Bildungsarbeit leisten, wollen wir stärken. Erinnerungsarbeit bedeutet in
Berlin zudem, die Spuren der diversen Stadtgesellschaft in den Museen und im öffentlichen
Raum abzubilden und die Stadtgeschichte multiperspektivisch und transnational zu erzählen.
Das von uns initiierte gesamtstädtische Konzept für die Aufarbeitung und Erinnerung der
deutschen Kolonialvergangenheit ist ein Meilenstein und muss fortgeführt und verstetigt
werden. Der Prozess der Dekolonisierung ist auch ein Prozess zur Bekämpfung von Rassismus
heute. Er kann dabei nur im engen Dialog mit den postmigrantisch-diasporischen Communitys
und den Nachkommen der Menschen in den ehemaligen Kolonien gelingen.
Antidiskriminierungsstrukturen neu aufsetzen
Von 2016 bis 2023 war Berlin mit der rot-grün-roten Koalition bundesweit Vorreiterin für
eine progressive Antidiskriminierungspolitik. Das Landesantidiskriminierungsgesetz und das
Landesprogramm Diversity sind dafür die bekanntesten Beispiele, die auch deutschlandweit
eine Vorbildfunktion entwickelt haben. Diese Vorbildfunktion droht nun unter Schwarz-Rot
verspielt zu werden. Dagegen stemmen wir uns mit aller Kraft - gemeinsam mit der
Zivilgesellschaft!
Stärkung der Demokratie bedeutet nicht nur, sich gegen rechtsextreme Tendenzen zu stellen,
sondern die offene Gesellschaft für alle Menschen zu verteidigen, Diskriminierung aktiv zu
bekämpfen und Diversität zu fördern. Wir setzen uns dafür ein, dass Berlin eine
gesamtgesellschaftliche Antidiskriminierungs- und Diversitätsstrategie entwickelt – unter
konsequenter Einbindung von Wissenschaft und den zivilgesellschaftlichen Akteur*innen. Dabei
müssen alle Formen von Diskriminierung – insbesondere in ihren institutionellen und
strukturellen Dimensionen – Berücksichtigung finden. Gesellschaftliche Handlungsfelder und
Institutionen sind kritisch zu analysieren und jeweils darauf bezogene Antidiskriminierungs-
und Diversitätsmaßnahmen mit konkreten Bearbeitungs- und Umsetzungsempfehlungen (weiter) zu
entwickeln. Ausgangspunkt hierfür muss dabei das bestehende zivilgesellschaftliche Wissen
und die bestehende zivilgesellschaftliche Arbeit gegen Diskriminierung sein. Dabei ist
unsere Antidiskriminierungspolitik immer queerfeministisch und intersektional.
Für die Umsetzung der Antidiskriminierungs- und Diversitätsstrategie braucht es auf Landes-
wie Bezirksebene klare Zuständigkeiten in überfachlicher Verantwortung und Zusammenarbeit,
die Bereitstellung der notwendigen Ressourcen und Finanzmittel und in der Begleitung und
Evaluation ein unabhängiges Expert*innen-Monitoring. Auch in Zeiten knapper Kassen muss
gelten: Maßnahmen gegen Diskriminierung und Ungleichbehandlung haben hohe Priorität!
Zentral für eine Berliner Gesamtstrategie werden weiterhin das
Landesantidiskriminierungsgesetz und das Landesprogramm Diversity sein. Beides sind
Erfolgsgeschichten aus grüner Feder. Wir wollen eine Evaluation und Weiterentwicklung, damit
sie noch breiter Anwendung finden. Beim Landesantidiskriminierungsgesetz wollen wir den
Schutzkreis durch die Aufnahme weiterer Diskriminierungsmerkmale erweitern und es
verbindlicher für die landeseigenen Unternehmen zur Anwendung bringen. Maßnahmen des
Landesprogramm Diversity – wie die Einführung positiver Maßnahmen zur Bekämpfung von
Ungleichbehandlung – wollen wir eine gesetzliche Grundlage geben. Die LADG-Ombudsstelle muss
endlich personell gestärkt werden. Wir wollen, dass sie auch in der personellen Ausstattung
als eigene Behörde nach dem Vorbild der Datenschutz- oder des Polizeibeauftragten
aufgestellt wird.
Wir stellen uns entschieden gegen jeden Antisemitismus, gegen alle Formen von Rassismus und
Diskriminierung. Im Kampf gegen Diskriminierung gibt es weniger ein Erkenntnis- als ein
Umsetzungsproblem. Wir wollen, dass das noch in der vergangenen Wahlperiode beschlossene
„Berliner Landeskonzept zur Weiterentwicklung der Antisemitismus-Prävention“ konsequent für
alle Bereiche angewandt wird – und wo Schutzlücken bestehen, diese konzeptionell geschlossen
werden. Dazu gehören insbesondere die Bereiche Bildung und Schule, Hochschule sowie
Opferschutz und Prävention. Hier braucht es verlässliche Strukturen gegen Diskriminierung,
die Antisemitismus besonders berücksichtigen. Die schwarz-rote Koalition verliert sich hier
in Symboldebatten, statt die grundsätzliche Arbeit gegen Antisemitismus zu stärken und
auszubauen. Trotz vollmundiger Ankündigungen hat die Koalition die zivilgesellschaftlichen
Beratungs-, Anlauf- und Präventionsprojekte gegen Antisemitismus bislang im Regen stehen
lassen. Seit dem 7. Oktober 2023 leisten sie noch einmal vermehrt Beratung und
Aufklärungsarbeit an Schulen oder beraten für von Antisemitismus Betroffene als
Anlaufstellen, oftmals mit immensen Überstunden oder sogar unbezahlt. Sie benötigen dringend
eine Aufstockung ihrer Förderung, damit die erhebliche Mehrarbeit unterstützt und gewürdigt
wird. Das Beratungs- und Empowerment-Angebot wollen wir im engen Austausch mit der
Zivilgesellschaft weiterentwickeln. Dabei nehmen wir insbesondere den Umgang mit sozialer
Ausgrenzung, Klassismus und Diskriminierung im digitalen Kontext, etwa im Zuge des Einsatzes
von Algorithmen und Künstlicher Intelligenz, in den Blick und begegnen auch den (psycho-
)sozialen und gesundheitlichen Auswirkungen von Diskriminierung systematisch.
Bestimmte Formen der Diskriminierung von gesellschaftlichen Gruppen haben bislang zu wenig
Aufmerksamkeit erfahren. Hier wollen wir Erkenntnislücken durch Studien und den Berlin
Monitor schließen – und zivilgesellschaftliche Empowerment- und Beratungsstrukturen
einrichten. Dazu gehören asiatisch gelesene Menschen oder bisexuelle Berliner*innen. Hinzu
kommen Programme, die besonders marginalisierte Gruppen stärken, wie der Aktionsplan zur
Einbeziehung ausländischer Rom*nja oder die Initiative geschlechtliche und sexuelle Vielfalt
(IGSV). Wir erwarten vom Senat auch ein stärkeres und entschiedeneres Handeln gegen
Rassismus. Dazu fordern wir die zeitnahe Einsetzung eine*r Beauftragten gegen Antiziganismus
sowie die Schaffung der Stelle einer*eines Beauftragten gegen antimuslimischen sowie gegen
anti-Schwarzen Rassismus. Außerdem fordern wir die zeitnahe und senatsübergreifend
koordinierte Umsetzung der Handlungsempfehlungen der Expert*innenkommission Antimuslimischer
Rassismus, wie z.B. die Abschaffung des Neutralitätsgesetzes.
Wir wollen die Antidiskriminierungsarbeit stärker horizontal ausrichten und intersektional
um neue gesellschaftliche Handlungsfelder erweitern. Mit der Fachstelle gegen
Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt „FairMieten – FairWohnen“ haben wir Bündnisgrüne dafür
in der letzten Wahlperiode ein Modellprojekt etabliert. Eine entsprechende Forschungs-,
Dokumentations- und Beratungsstelle fordern wir nun auch für den Gesundheits- und
Pflegebereich, für den Hochschul- und Wissenschaftsbereich und für den Bereich der KI-
Anwendungen ein. Zudem muss endlich die zivilgesellschaftliche Forderung nach Einrichtung
einer „Unabhängigen Beschwerdestelle gegen Diskriminierung an Schule“ (UBS) erfüllt werden.
Die Ziele der „UN-Dekade für Menschen afrikanischer Herkunft“ müssen auch über 2024 hinaus
verstetigt und umgesetzt werden. Wir fordern die Verlängerung des Umsetzungszeitraums dieser
Dekade, die aufgrund von coronabedingten Einschränkungen nicht vollends ausgeschöpft wurde.
Der Maßnahmenplan aus dem zivilgesellschaftlich getragenen Konsultationsprozess,
insbesondere die Einrichtung eines Studiengangs Black European Intersectional Studies, muss
umgesetzt werden.
Die Verteidigung der Demokratie: eine Aufgabe für die ganze Gesellschaft!
Wir wissen, um unser aller Demokratie zu verteidigen, braucht es ein Bündel von Maßnahmen.
Jede*r von uns steht in der Pflicht, sich für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung
einzusetzen: auf der Straße, am Arbeitsplatz, in der Schule, im Sportverein – aber auch in
der Politik und der Verwaltung. Berlin ist eine weltoffene Stadt, die von der Vielfalt der
Menschen lebt. Wir bekennen sich klar zu dieser Vielfalt und stellen uns rechtsextremen
Strukturen entgegen. Nur ein sicheres Berlin für alle ist ein gerechtes Berlin.
Antragstext
Von Zeile 176 bis 178 einfügen:
braucht es eine besondere Sensibilität für die Verantwortung und Vorbildwirkung in der Gesellschaft. Der immer wieder erhobene Vorwurf des Generalverdachts ist fernab jeder Realität und erweist sich auch im zweiten Berichtsjahr des Berliner Bürger- und Polizeibeauftragten als populistische Stimmungsmache. Die Arbeit des Beauftragten stärkt nachweislich Vertrauen und Akzeptanz bei den Beschwerdeführenden. Der diesjährige Bericht zeugt gleichzeitig von erheblichem Verbesserungsbedarf der polizeiinternen Fehlerkultur. Wenn die Behörde Anfragen nicht nachkommt oder Berichte schönschreibt, ist das inakzeptabel. Perspektivisch braucht der Beauftragte mehr Kompetenzen, insbesondere um in laufenden Verfahren, in denen bisher systematisch Akteneinsicht verweigert wird, eine Schlichtung zu ermöglichen. Perspektivisch sollen auch Ermittlungsverfahren gegen Polizist*innen von einer unabhängigen Ermittlungsstelle geführt werden, wie dies in anderen europäischen Ländern bereits heute Standard ist. Die Polizei und die Innenverwaltung müssen sich mit dem Bericht gewissenhaft auseinandersetzen und die angesprochenen Probleme konsequent angehen. Fehlverhalten muss aufgeklärt und nachgegangen werden und Extremismus entschieden entgegengetreten werden. Die Berliner Polizeistudie zeigt dabei strukturelle
Berlin: für viele die Stadt der Freiheit. Weltoffenheit, Vielfalt, Selbstbestimmung – das
sind Versprechen unserer Stadt, wegen derer viele Menschen gerne herkommen, wegen derer
Menschen gerne hier leben.
Es ist unser aller Aufgabe, dieses Versprechen zu schützen und einzulösen. Denn zu Berliner
Realität gehört auch, dass viele Menschen sich in unserer Stadt nicht sicher fühlen – weil
sie aufgrund ihrer (zugeschriebenen) Herkunft oder ihrer Religion, aufgrund äußerlicher
Merkmale oder einer Behinderung, aufgrund von sexueller Orientierung oder geschlechtlicher
Identität diskriminiert, beleidigt und körperlich angegriffen werden. Rassismus,
Antisemitismus, Antifeminismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit nehmen zu; immer
mehr rechtsextreme Gewalttaten verunsichern und bedrohen die Menschen in unserer Stadt. Die
Polizei Berlin registrierte eine Zunahme rechtsextrem politisch motivierter Delikte um 4,5%
auf 2981 im Jahr 2022. Das sind im Schnitt mehr als acht dokumentierte rechtsextremistische
Straftaten pro Tag. Die Opferberatungsstelle ReachOut dokumentierte für dasselbe Jahr 336
rechtsextreme, rassistische und antisemitische tätliche Angriffe in Berlin. Es ist ganz
deutlich: die größte Bedrohung unserer Demokratie kommt von der extremen Rechten. Und das
ist insbesondere für betroffene Menschen nicht neu. In unserer Gesellschaft ist
rassistisches, antisemitisches, antimuslimisches und antifeministisches Gedankengut schon
sehr lange weit verbreitet und für viele Menschen eine reale und große Bedrohung.
Multiple Krisen verstärken die Verunsicherung bei vielen Menschen: die Folgen der Coronazeit
waren noch nicht ausgestanden, als Russland seinen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf
die Ukraine startete, dessen Auswirkungen auch in Deutschland und Berlin deutlich zu spüren
waren. Insbesondere die gestiegenen Lebenshaltungskosten waren und sind für viele
Berliner*innen eine Herausforderung. Und über all dem schwebt gleichzeitig die Klimakrise,
die unser aller Lebensgrundlagen bedroht. Von alldem sind vulnerable Menschen und Gruppen
besonders betroffen. Und dennoch liefern sich manche Parteien einen populistischen
Überbietungswettbewerb und versuchen, die verletzlichsten Gruppen gegeneinander
auszuspielen, im Glauben, mit einfachen Versprechungen und Parolen Wähler*innen zu gewinnen.
Das hilft den Rechtsextremist*innen, die versuchen, diese krisenbehaftete Zeit zu nutzen, um
ihre Ideologie weiter zu verbreiten, gegen Minderheiten zu hetzen und die Demokratie zu
destabilisieren. Doch komplexe Probleme können nicht mit einfachen Antworten gelöst werden.
Es ist Aufgabe aller demokratischen Parteien, diesem Angriff auf unsere freiheitlich-
demokratische Grundordnung etwas entgegenzusetzen. Unsere Demokratie ist wehrhaft und kann
und muss sich gegen Verfassungsfeinde verteidigen. Nicht umsonst haben die Mütter und Väter
des Grundgesetzes die Möglichkeit eines Parteiverbots vorgesehen; zu eindrücklich hatten sie
noch das Ende der Weimarer Republik vor Augen.
Wir suchen den Schulterschluss mit der engagierten Stadt- und Zivilgesellschaft, die in
Initiativen, Vereinen und auf der Straße Haltung zeigt. Die breite Reaktion auf die
Veröffentlichung der Correctiv-Recherche, die vielen Demonstrationen der letzten Wochen und
Monate mit Millionen von Menschen haben gezeigt: dieses Land und diese Stadt wollen nichts
von den Deportationsplänen der AfD und anderer Rechtsextremist*innen wissen und zeigt
deutlich: Nie wieder ist jetzt! Viele Vereine, NGOs, zivilgesellschaftliche Bündnisse und
Migrant*innenselbstorganisationen leisten hier seit Jahren eine wichtige und hervorragende
Arbeit; sie weiter zu unterstützen ist essenziell und muss im Berliner Landeshaushalt eine
Selbstverständlichkeit sein! Und unsere wehrhafte Demokratie ist nur dann wirklich wehrhaft,
wenn diejenigen, die sie schützen, gut arbeiten können. Statt nur laut Law and Order zu
schreien, muss der schwarz-rote Senat endlich Konzepte entwickeln, wie Prävention und
Bekämpfung von Rechtsextremismus in unserer Stadt besser funktionieren kann! Der Schutz der
Demokratie darf gerade in Zeiten wie diesen nicht finanziell unter die Räder geraten. Auch
wenn Einsparungen im Landeshaushalt nötig werden, darf hier nicht der Rotstift angesetzt
werden.
Zivilgesellschaft: wichtiges Standbein der Demokratie
Eine engagierte Zivilgesellschaft ist eine wichtige Partnerin beim Schutz der Demokratie. Es
ist unsere Aufgabe, sie in ihrer Arbeit zu stärken. Deshalb begrüßen wir, dass
Bundesministerin Lisa Paus ein Demokratiefördergesetz vorgelegt hat. Mit diesem Gesetz zur
Stärkung von Maßnahmen zur Demokratieförderung, Vielfaltgestaltung, Extremismusprävention
und politischen Bildung soll der Bund den gesetzlichen Auftrag zur Förderung von Demokratie
und zur Extremismusprävention bekommen und sich dem Kampf gegen Rassismus, Extremismus und
Menschenfeindlichkeit verpflichten. Ziel des Demokratiefördergesetzes ist eine verlässliche
und bedarfsorientierte Förderung von Projekten zur Stärkung von Demokratie und
gesellschaftlicher Vielfalt. Zivilgesellschaftliche Initiativen erhalten damit für ihre
Arbeit mehr Planungssicherheit und eine langfristige Perspektive.
Um zivilgesellschaftliche Strukturen und Bündnisse in Berlin nachhaltig zu stärken, braucht
es auch auf Landesebene ein Demokratiefördergesetz. Die bündnisgrüne Fraktion im
Abgeordnetenhaus hat mit der Vorlage ihres Demokratiestärkungspakets gezeigt, wo der Fokus
liegen muss: Mit 16 Millionen Euro sollten damit in den Jahren 2024 und 2025 Maßnahmen im
Kampf gegen Antisemitismus, Rassismus, Antifeminismus und Queerfeindlichkeit gebündelt
werden; der schwarz-rote Senat setzt im Rahmen des Doppelhaushalts allerdings die falschen
Prioritäten. Die anhaltende Unsicherheit bei allen Initiativen, ob die im Haushalt
ausgewiesenen finanziellen Mittel wirklich gezahlt werden oder doch wegen des Sparzwangs
noch gestrichen werden, ist eine nicht hinnehmbare Situation und gefährdet auch zunehmend
den Kampf für unsere Demokratie. Demokratiefördernde Projekte müssen gerade jetzt
ausreichend finanziert werden. Der Senat muss endlich Klarheit schaffen, wo er sein
Milliardendefizit einsparen wird, und darf nicht länger die Initiativen dieser Stadt am
ausgestreckten Arm verhungern lassen.
Viele Ehrenamtliche fühlen sich deshalb – nicht überraschend – von Schwarz-Rot im Stich
gelassen. Gerade in einer Zeit, in der die Angriffe auf zivilgesellschaftliche Projekte
zunehmen, in der Ehrenamtliche ihr Engagement nicht mehr angstfrei ausüben können, ist das
genau das falsche Signal. Auch Ehrenamtliche in der Kommunalpolitik, zum Beispiel in den
BVVen, geraten zunehmend unter Druck. Journalist*innen und Künstler*innen sind genauso im
Visier der Rechtsextremen wie demokratische Mandatsträger*innen. Hier sind alle
demokratischen Parteien gefordert, geschlossen zueinander zu stehen. Und der Berliner Senat
ist in der Pflicht, dass niemand allein gelassen wird, der*die einem rechtsextremen Angriff
zum Opfer gefallen ist oder von Rechtsextremen unter Druck gesetzt wird. Die Anlaufstellen
für Opfer rechtsextremer Gewalt müssen deshalb dringend abgesichert und besser ausgestattet
werden. Außerdem braucht es eine Stärkung der Aussteigerprogramme für Menschen, die dem
rechtsextremen Milieu den Rücken kehren wollen.
Die wehrhafte Demokratie verteidigen
Es ist unsere Verantwortung, alle uns zur Verfügung stehenden Mittel im Kampf gegen
Verfassungsfeinde zu nutzen; wir fordern die Verfassungsorgane auf, ein AfD-Verbotsverfahren
auf den Weg zu bringen. Der Berliner Senat sollte dies im Bundesrat anstoßen. Dies ist und
bleibt ein entscheidendes Puzzlestück, um unsere Demokratie zu retten. Uns ist jedoch auch
bewusst, dass sich rechtsextremes Gedankengut nicht auf Knopfdruck verbieten lässt. Es
braucht ein Bündel von Maßnahmen, die kurz-, mittel- und langfristig wirken müssen. Neben
einer resilienten Zivilgesellschaft und guter Bildung und Prävention braucht es deshalb auch
deutliche Schritte in der Justiz, der Polizei und beim Verfassungsschutz. Rechtsextremismus
im öffentlichen Dienst muss konsequent geahndet werden und in allen Verwaltungen muss die
Entfernung rechtsextremer Beamt*innen aus dem Staatsdienst konsequent verfolgt werden. Wir
wollen prüfen, ob eine Verschärfung des Disziplinarrechts nach dem Vorbild des „Gesetzes zur
Beschleunigung von Disziplinarverfahren in der Bundesverwaltung“ auch für das Land Berlin
geboten ist, sowie die Fristen verlängern für das Disziplinarmaßnahmenverbot und
Verwertungsgebot bei Verstößen gegen die beamtenrechtliche Verfassungstreuepflicht und gegen
das politische Mäßigungsgebot.
Keine Demokratiefeind*innen in der Berliner Justiz!
Das Beispiel der rechtsextremen AfD-Politikerin Malsack-Winkemann, die als ehemalige
Bundestagsabgeordnete einen gewalttätigen Umsturz plante, ist wohl das bekannteste Beispiel
für Rechtsextreme im Richter*innenamt. Dass Menschen mit klar rechtsextremer Grundhaltung in
Berlin Recht sprechen dürfen, wäre nicht hinnehmbar und insbesondere für Menschen, die nicht
ins Weltbild der AfD passen, eine echte Bedrohung.
Zu einer starken, unabhängigen Justiz gehört, dass Richter*innen sich zur freiheitlich
demokratischen Grundordnung bekennen. Die Neutralität und Unvoreingenommenheit von
Richter*innen ist ein zentrales Prinzip unseres Rechtsstaats. In Berlin setzen wir uns dafür
ein das Instrument der Richteranklage einzuführen, das es in anderen Bundesländern schon
gibt. Dieses Instrument eröffnet dem Parlament die Möglichkeit, mit einem Antrag an das
Bundesverfassungsgericht die Integrität eines Richters oder einer Richterin überprüfen zu
lassen, wenn offensichtlich wird, dass er oder sie den Boden des Grundgesetzes verlassen hat
und sich offen demokratiefeindlich verhält. Verfassungsfeind*innen haben an Berliner
Gerichten nichts zu suchen!
Rechtsextreme haben in ihren Netzwerken offensiv aufgerufen, sich für das Schöffenamt zu
bewerben und so das Justizsystem zu unterwandern. Auch hier braucht es klare Regelungen, um
zu verhindern, dass Demokratiefeind*innen Recht sprechen.
Eine demokratisch aufgestellte Polizei schützt den Rechtsstaat - auch in den eigenen Reihen
Die Sicherheitsbehörden sind ein unverzichtbarer Teil der Sicherheitsarchitektur. Wenn die
Demokratie systematisch durch Bedrohung und Gewalt unter Druck gesetzt wird, sind wir auf
handlungsfähige Behörden angewiesen, die die Gesellschaft, den Rechtsstaat und seine
Institutionen schützen. Dabei stellen die politisch motivierte Gewalt im Bereich
Rechtsextremismus, die zunehmende Hasskriminalität, der erhöhte Sicherheitsbedarf von
Politiker*innen und weiteren öffentlichen Personen auch für sie eine große Herausforderung
dar. Als am 29. August 2020 Reichsbürger*innen und andere Rechtsextreme zusammen mit einer
Mischung aus Querdenker*innen und Coronaleugner*innen den Reichstag stürmen wollten, standen
ihnen im letzten Moment nur noch drei Polizisten gegenüber, die die Herzkammer der
Demokratie verteidigten. Wenn Spitzenpolitiker*innen bedroht werden, so sind es die
Personenschützer*innen von LKA und BKA, die dafür sorgen, dass die Betroffenen dennoch
öffentliche Auftritte wahrnehmen können. Jeden Tag schützen Polizist*innen so – und auf
vielfältige andere Art und Weise – unsere Demokratie. Für uns ist klar: Polizist*innen sind
kein Einsatzmittel, sondern in erster Linie Menschen, die sich der Verteidigung der
Demokratie verpflichtet haben - und oft genug setzen sie dabei ihr eigenes Leben aufs Spiel.
Wir stärken all jenen den Rücken, die innerhalb und außerhalb der Behörde für
Rechtsstaatlichkeit und Demokratie eintreten.
Wir setzen uns für gute Arbeitsbedingungen, gute Ausstattung, den Abbau des Sanierungsstaus
sowie eine moderne, diverse und diskriminierungskritische Polizei ein. Wir schützen die
Sicherheitsbehörden vor politischer Vereinnahmung und den Unterwanderungsversuchen
rechtsextremer Kräfte.
Der Schutz der Demokratie ist eine der wichtigsten Aufgaben, die es im Staatsdienst zu
erfüllen gilt. Wir müssen diesen Beruf so attraktiv gestalten, dass sich hochqualifizierte
Menschen weiterhin dafür entscheiden. Dazu gehören selbstverständlich gute
Arbeitsbedingungen und ein attraktives Arbeitsumfeld. Die Instandsetzung von Polizeiwachen
ist deshalb kein nice to have, sondern elementar für die gute Arbeit der Polizei. Die vielen
Überstunden, die die Polizei jedes Jahr ansammelt, dürfen nicht zum Normalzustand werden.
Eine angemessene Work-Life-Balance und Familienfreundlichkeit machen den Beruf deutlich
attraktiver und entsprechen dem Anspruch der heutigen Arbeitswelt. Wir erwarten vom Senat
überdies, dass auch die seelische Gesundheit unserer Einsatzkräfte im Fokus steht. Wir
setzen uns für die Einrichtung struktureller psychotherapeutischer Maßnahmen für
Polizist*innen nach traumatisierenden Einsätzen ein.
Die Berliner Polizeiausbildung hat in den letzten Jahren deutlich an Qualität gewonnen.
Gerade in einer diversen Stadtgesellschaft wie der unseren, bleibt es zentral, dass sie
diskriminierungskritisch und diversitätssensibel ausgestaltet ist. Neben einem gesetzlichen
Verbot von Racial Profiling fordern wir die Einführung niedrigschwelliger und
unbürokratischer Nachweis- und Aufklärungspflichten (Kontrollquittung), so dass jede*r weiß,
warum sie*er kontrolliert worden ist und die Implementierung von Community-Policing-
Konzepten.
Für Spezialisierungen im Bereich des Staatsschutzes braucht es zudem einen organisierten
Wissenstransfer. Das gilt auch bei der Auswahl und Besetzung von Leitungsstellen im
polizeilichen Staatsschutz. Darüber hinaus muss er für den Phänomenbereich Rechtsextremismus
sowie im Bereich der Hasskriminalität gestärkt werden. Zur besseren Analysefähigkeit sollen
verstärkt Open Source Intelligence-Expert*innen zum Einsatz kommen.
Die Polizei als Behörde hat einen so hohen Stellenwert, da sie als ausführender Arm des
Gewaltmonopols des Staates besondere Verantwortung trägt. Dies ist ein hohes Privileg und
bringt große Macht mit sich. Dass in einem Rechtsstaat eine solche Übertragung immer mit
einer intensiven Kontrolle einhergehen muss, ist für uns selbstverständlich. Daher ist es
entscheidend, dass wir nicht die Augen davor verschließen, dass auch innerhalb der Berliner
Polizei Rechtsextremismus auftritt. Dies anzuerkennen ermöglicht es, verloren gegangenes
Vertrauen wiederherzustellen. Dafür braucht es auch strukturelle Änderungen. Daher ist es
gut, dass es neben internen Beschwerdestrukturen mit dem Polizei- und Bürgerbeauftragten nun
auch eine unabhängige Stelle gibt, die kontaktiert werden kann, wenn Fehlverhalten zutage
tritt. Denn gerade im Falle der Polizei als ausführendem Arm des staatlichen Gewaltmonopols
braucht es eine besondere Sensibilität für die Verantwortung und Vorbildwirkung in der
Gesellschaft. Der immer wieder erhobene Vorwurf des Generalverdachts ist fernab jeder Realität und erweist sich auch im zweiten Berichtsjahr des Berliner Bürger- und Polizeibeauftragten als populistische Stimmungsmache. Die Arbeit des Beauftragten stärkt nachweislich Vertrauen und Akzeptanz bei den Beschwerdeführenden. Der diesjährige Bericht zeugt gleichzeitig von erheblichem Verbesserungsbedarf der polizeiinternen Fehlerkultur. Wenn die Behörde Anfragen nicht nachkommt oder Berichte schönschreibt, ist das inakzeptabel. Perspektivisch braucht der Beauftragte mehr Kompetenzen, insbesondere um in laufenden Verfahren, in denen bisher systematisch Akteneinsicht verweigert wird, eine Schlichtung zu ermöglichen. Perspektivisch sollen auch Ermittlungsverfahren gegen Polizist*innen von einer unabhängigen Ermittlungsstelle geführt werden, wie dies in anderen europäischen Ländern bereits heute Standard ist. Die Polizei und die Innenverwaltung müssen sich mit dem Bericht gewissenhaft auseinandersetzen und die angesprochenen Probleme konsequent angehen. Fehlverhalten muss aufgeklärt und nachgegangen werden und Extremismus
entschieden entgegengetreten werden. Die Berliner Polizeistudie zeigt dabei strukturelle
Maßnahmen auf, die dazu beitragen, einen demokratiestärkenden Kulturwandel voranzutreiben
als auch den Anspruch eine modernen Hauptstadtpolizei in einer vielfältigen Weltmetropole zu
festigen.
Dass die Verfolgung und Aufklärung von über 380 rechtsextremer Straftaten beim Berliner LKA
jahrelang unbearbeitet blieben, darf sich nicht wiederholen. Die Polizei hat hier eine
besondere Verantwortung, diese Verschleppung detailliert aufzuklären und mögliche
Zusammenhänge mit dem sogenannten Neukölln-Komplex zu untersuchen. Sie muss außerdem
Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass ein solches mutmaßlich strukturelles Versagen
sich nicht wiederholt.
Die Verfassung schützen – Gefahren für die Demokratie erkennen
Die Rolle des Verfassungsschutzes wird zurecht kritisch betrachtet. Es ist kein Geheimnis,
dass er nicht nur im Rahmen des NSU-Komplexes versagt hat. Die Fehler rund um den Anschlag
am Breitscheidplatz, die rechtsextreme Anschlagsserie in Neukölln oder der Umgang mit
Feindeslisten oder illegalen Datenweitergaben – all das belegt, dass der Verfassungsschutz
in seiner jetzigen Form zu oft nicht funktioniert, die Aufgabe der Früherkennung in Teilen
sogar behindert hat. Tatsächlich mehren sich die Vorfälle, bei denen die Nicht-Weitergabe
von strafrechtlich relevanten Informationen durch den Verfassungsschutz und somit der Schutz
von Tätern dazu geführt hat, dass noch schlimmere Straftaten stattfanden. Ob eine so
grundlegende Reform möglich ist, um eine Behörde zu schaffen, die über jeden Zweifel erhaben
ist, ist sehr fraglich. Deshalb fordern wir, eine Alternative für den Verfassungsschutz zu
schaffen. Dem soll eine wissenschaftliche Untersuchung der Arbeitsweise des
Verfassungsschutzes vorausgehen, um Aufgaben, Prioritäten und Ressourcen der aktuellen
Herausforderungen neu justieren zu können.
Gleichwohl befinden wir uns derzeit in der herausfordernden Situation, dass die AfD den
Verfassungsschutz delegitimiert, weil er die Institution sein könnte, die entscheidende
Belege für ihre Verfassungsfeindlichkeit liefern könnte. Der Berliner Senat steht in der
Pflicht, die beim Verfassungsschutz vorliegenden Informationen in die Prüfung eines
Parteiverbotsverfahren einfließen zu lassen. Dazu gehört auch sicherzustellen, dass keine
Hinderungsgründe durch V-Leute, wie es beim ersten NPD-Verbotsverfahren der Fall war,
bestehen.
Rechtsextreme und kriminelle Strukturen aufdecken und austrocknen
Durch den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur rechtsextremen Anschlagsserie in
Neukölln zeigt sich: Es sind keine Einzelfälle. Rechtsextreme Netzwerke müssen bei
Ermittlungsbehörden und Staatsanwaltschaften als solche erkannt, analysiert und als
tatsächliche Gefahr anerkannt werden.
Um kurz- und mittelfristig Rechtsextremen die Möglichkeit zu nehmen, ihre
menschenverachtende Ideologie auch noch staatlich finanziert weiter zu verbreiten, müssen
wir alle Mittel nutzen, um ihre Strukturen aufzulösen. So sind parallel zur Prüfung des AfD-
Verbots Vereinsverbote beispielsweise gegen die Junge Alternative zu prüfen und
verfassungsfeindlich agierende Stiftungen und Vereine müssen von der öffentlichen
Finanzierung ausgeschlossen werden.
Bei der Finanzierung demokratiefeindlicher Bestrebungen sind Geldflüsse aus illegalen und
kriminellen Quellen stärker in den Blick zu nehmen. Gleiches gilt für ausländische Einflüsse
wie etwa Geldflüsse aus Russland, die überprüft und ausgetrocknet werden müssen; Gewerbe,
die mit Rechtsextremen und anderen Verfassungsfeinden in Zusammenhang stehen, müssen stärker
überprüft werden, auch um Geldwäsche zu verhindern.
Entscheidend ist auch die konsequente Entwaffnung von Demokratiefeind*innen. Es muss das
Ziel sein, dass weder legale noch illegale Waffen in die Hände von Rechtsextremist*innen
gelangen. Wir fordern dazu eine bundesrechtliche Verschärfung des Waffenrechts. Außerdem
muss der Senat die notwendigen Kapazitäten in der Berliner Waffenbehörde zur Durchführung
von Waffenkontrollen, Zuverlässigkeitsüberprüfungen und Erlaubniswiderrufe schaffen.
Abgeordnetenhaus und Verfassungsgericht resilienter machen
Berlin ist eine weltoffene Stadt; die Möglichkeit, dass Verfassungsfeinde die stärkste
Fraktion stellen, scheint hier und heute undenkbar. Dennoch muss das Parlament auch bei
einem Erstarken rechtsextremer Kräfte handlungsfähig bleiben und die Wahl einer*s
demokratischen Parlamentspräsidenten*in sicherstellen. Anders als das Grundgesetz sieht die
Landesverfassung bisher vor, dass die stärkste Fraktion das Vorschlagsrecht für die*den
Präsidenten*in hat. Eine Änderung sollte dagegen das freie Mandat der Abgeordneten in den
Vordergrund stellen. Auch die Leitung der konstituierenden Sitzung des Parlaments sollte
nicht länger dem ältesten (so bisher die Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses), sondern
wie im Bundestag dem Mitglied des Parlaments zufallen, das diesem am längsten angehört.
In anderen Staaten können wir beobachten, wie Gerichte von rechtspopulistischen und
rechtsextremen Kräften ausgehöhlt werden. Um die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichtshofs
zu sichern, sollten zentrale Regelungen in der Landesverfassung verankert werden: In Berlin
ist die Amtszeit der Richter*innen, die Bindungskraft ihrer Entscheidungen und die
Organisationshoheit des Gerichts bisher nur einfachgesetzlich geregelt. Auch die Aufgaben
des Verfassungsgerichts sind bisher nur unvollständig in der Landesverfassung geregelt – so
fehlt zum Beispiel die Wahlprüfung. Hier streben wir Verbesserungen an, um den Berliner
Verfassungsgerichtshof gegen antidemokratische Kräfte abzusichern - dazu werden wir mit den
demokratischen Parteien und Fraktionen ins Gespräch gehen.
Straftaten auch im Netz konsequent verfolgen und Cybersecurity ernst nehmen
Online-Hetze und -Mobbing, digitales Stalking, Doxing, Einschüchterung und das Hacken von
Accounts nehmen stetig zu. Frauenhass, Sexismus, Rassismus und extremistische Ideologien
sind häufige Ursachen für diese Taten.Unsere Gesellschaft und Demokratie stehen folglich
auch online unter Druck.
Mitarbeitende in Sicherheitsbehörden benötigen die nötige Ausbildung, um unsere Sicherheit
auch im digitalen Raum gewährleisten zu können. Mitarbeitende der Strafverfolgungsbehörden
müssen entsprechend weitergebildet und sensibilisiert werden und es braucht eine Stärkung
und engere Kooperation mit Betroffenenorganisationen wie zum Beispiel HateAid. Außerdem
setzen wir uns für eine Anpassung des rechtlichen Rahmens in Bezug auf Datenschutz und
Anerkennung von Hasskriminalität ein. Bereits fehlende Sensibilität beim Erfassen von
Straftaten kann dazu führen, dass politische Motive nicht erkannt werden oder als
vermeintlich kleine Straftaten abgetan werden.
Digitale Gewalt bedroht besonders Frauen und Mädchen, LSBTIQ*, Schwarze Menschen und People
of Color. Und auch Journalist*innen, ehrenamtlich politisch Aktive und Aktivist*innen
geraten zunehmend unter Druck.
Diese digitale Gewalt muss konsequent verfolgt werden. Dafür braucht es eine Modernisierung
der Strafverfolgung zum Beispiel über den Ausbau der Möglichkeit zur digitalen Anzeige, den
Aufbau einer Anlaufstelle, die nach dem erfolgreichen hessischen Vorbild “Hessen gegen
Hetze” als Kompetenzzentrum und Koordinationsstelle dienen soll, sowie
Schwerpunktstaatsanwaltschaften.
Darüber hinaus braucht es eine Strategie gegen Desinformation. Irreführende, falsche und
manipulative Informationen, Bilder und Videos sollen Menschen mit ihrer Wahrnehmung und
Haltung und damit die öffentliche Meinung beeinflussen. Gerade mit den gewachsenen
Möglichkeiten durch Künstliche Intelligenz stellt das eine massive Gefährdung für unsere
Demokratie dar - insbesondere, wenn Wahlen so beeinflusst werden.
Fake News destabilisieren das Fundament der Demokratie. Ihnen müssen wir entgegenwirken,
denn nur, wenn Bürger*innen sich unabhängig informieren können, können sie freie
Entscheidungen zum Beispiel im Rahmen demokratischer Wahlen treffen. Algorithmen müssen
transparent sein, damit die Sichtbarkeit von Inhalten und die öffentliche Meinungsbildung
nicht künstlich manipuliert wird.
Social Media Anbieter tragen hier eine hohe Verantwortung. Sie müssen verpflichtet werden,
stärker tätig zu werden, wenn Hass und Hetze oder Falschinformationen auf ihren Plattformen
verbreitet werden. Und es muss nachvollziehbar sein, wer auf diesen Netzwerken unterwegs
ist; für jede Onlinebestellung gelten strengere Anforderungen an Integrität und
Authentizität als für Social Media Plattformen. Deshalb braucht es hier höhere Standards und
bindende Regelungen für die großen Tech-Unternehmen in diesem Feld.
Wir fordern vom Senat massive Investitionen in digitale Aufklärung und Medienkompetenz sowie
Verzahnung und Förderung der Zusammenarbeit zwischen Verwaltungen, Technologieunternehmen
und Zivilgesellschaft, um Missbrauch über Bots so kleinteilig zu kontrollieren, wie er
auftritt. Sowohl im schulischen als auch im außerschulischen Kontext muss Medienbildung eine
größere Rolle spielen - nur wenn junge Menschen früh lernen, Fake News und Desinformation zu
erkennen, können sie als mündige Bürger*innen in der Demokratie freie Entscheidungen
treffen. Für die Entwicklung und Implementierung von KI-Systemen, die Bots erkennen und
bekämpfen, ist ein gezieltes Berliner Technologieförderprogramm notwendig. Der Senat muss
eine kontinuierliche Revision und Anpassung der Gesetze auf allen Ebenen sicherstellen, um
mit Technologie und Taktik der Manipulation Schritt zu halten und ihr besser vorbeugen zu
können.
Die Bedrohung durch Cyberangriffe und Cybercrime wächst - sowohl durch Kriminelle als auch
durch ausländische staatliche Akteure wie beispielsweise Russland. Der Berliner Senat muss
die Integrität der digitalen Infrastruktur sicherstellen. Angriffe von Hackern auf
öffentliche und private IT-Systeme müssen abgewehrt werden; die Daten der Bürger*innen
müssen geschützt bleiben. Für das Worst Case Szenario eines erfolgreichen Cyberangriffs gilt
es vorbereitet zu sein. Die Maxime ist, mutmaßliche Angriffe so schnell wie möglich zu
erkennen, den Schaden so gering wie möglich zu halten und eine möglichst kurze
Wiederanlaufzeit der Systeme zu haben. Hierzu gehört, dass alle Berliner Behörden
entsprechende Vorbereitungsmaßnahmen treffen und gängige IT-Sicherheits-Standards einhalten.
Zudem sollen Cybersicherheitsübungen etabliert werden. Dabei hat der Schutz der Bürger*innen
höchste Priorität. Für die Verwaltung und besonders die kritische Infrastruktur (KRITIS) ist
die Bedrohung besonders groß: die erhebliche Reichweite und Auswirkung eines Angriffs machen
sie zu einem besonders lohnenden Ziel und gleichzeitig sind die IT-Strukturen der Verwaltung
in einem unzeitgemäßen Zustand. Es drohen der Verlust von sensiblen, persönlichen Daten,
Identitätsdiebstähle, Spionage und der Zusammenbruch von Dienstleistungen. Damit droht nicht
zuletzt auch ein massiver Vertrauensverlust der Bürger*innen in die Verwaltung und damit in
den Staat und den staatlichen Schutz.
Pressefreiheit stärken und den ÖRR schützen
Nicht nur online steht die freie Presse unter Druck. Übergriffe auf Journalist*innen haben
in den vergangenen Jahren zugenommen - wer von Querdenker*innen-Demos während der Coronazeit
berichtet hat, musste damit rechnen, beleidigt oder gar körperlich attackiert zu werden.
Diese Übergriffe sind eine ernsthafte Gefahr für unabhängige Berichterstattung und insgesamt
für eine unabhängige Presse - und damit für unsere Demokratie; denn Demokratie lebt von
unterschiedlichen Meinungen und einer freien Presse, die darüber berichtet, damit
Bürger*innen eine informierte Entscheidung treffen können. Deutschland ist aufgrund dieser
Entwicklung im internationalen Pressefreiheit-Ranking von Reporter ohne Grenzen auf Platz 21
abgerutscht. Nach Sachsen war Berlin das Bundesland, das am zweitstärksten betroffen war.
Diese Entwicklung nehmen wir nicht hin. Pressevertreter*innen müssen frei und unabhängig
ihren Job machen können. Übergriffe auf Demos müssen genauso konsequent bekämpft werden wie
digitale Gewalt gegen Journalist*innen!
Zum Schutz der Unabhängigkeit des Journalismus gehört auch der Schutz des öffentlich-
rechtlichen Rundfunks. Auch dieser steht zunehmend unter Druck von rechts außen. Um ihn
besser zu schützen, sollte der Medienstaatsvertrag durch eine Zustimmungspflicht des
Abgeordnetenhauses auch bei Kündigung von Staatsverträgen zusätzlich abgesichert werden.
Vertrauen in die Demokratie stärken, Bildung und Prävention ausbauen
Politische Bildung spielt eine essenzielle Rolle dabei, das Vertrauen in die demokratischen
Institutionen zu stärken. Dabei geht es nicht nur um Politik als eigenständiges Schulfach,
sondern auch darum, wie Schüler*innen bereits im Schulkontext Demokratie erleben.
Schüler*innenvertretungen, die vom Lehrkörper ernst genommen werden, ein Begegnen auf
Augenhöhe und echte Mitbestimmungsmöglichkeiten in der Schule, die Selbstwirksamkeit
erfahren lassen, sind dabei von unschätzbarem Wert. Beteiligungskonzepte sollten in allen
Berliner Kitas konsequent umgesetzt werden; das hierfür notwendige Fachpersonal muss zeitnah
ausgebildet, der Kind-Fachkraft-Schlüssel entsprechend angepasst werden. Denn wenn Kinder
frühzeitig lernen, dass die eigene Stimme etwas zählt, sind sie später weniger anfällig für
autokratische Strukturen und werden zu mündigen Bürger*innen, die die Demokratie
wertschätzen.
Die Landeszentrale für politische Bildung muss gestärkt werden, um ihrem Bildungsauftrag
auch weiterhin gerecht werden zu können. Besonders für den Bereich der Erwachsenen- und
außerschulischen Bildung braucht es noch mehr Materialien und Konzepte, um auch die Menschen
zu erreichen, die nicht mehr zur Schule gehen.
Generell gilt es, alle direktdemokratischen Instrumente und den Einfluss der
Zivilgesellschaft zu stärken und so deutlich zu machen, dass jede Stimme zählt. Dabei ist
aber entscheidend, dass die richtigen Instrumente zur richtigen Zeit eingesetzt werden. Ein
Ja-Nein-Volksentscheid macht dann Sinne, wenn es in einem abgesteckten Rahmen etwas zu
entscheiden gibt, Bürger*innenräte können bei grundsätzlichen Problemen komplexe Lösungen
erarbeiten. Genauso dürfen Menschen- und Minderheitenrechte niemals Gegenstand einer
Mehrheitsabstimmung sein. Einen Volksentscheid von oben lehnen wir ab, da er von der
Regierung vor allem genutzt werden kann, um mit suggestiven und sehr offenen Fragen ihren
Handlungsspielraum zu vergrößern, statt wirklichen Einfluss zu ermöglichen. Stattdessen
sprechen wir uns für niedrigere Quoren für Widerspruchsvolksentscheide aus.
Demokratie braucht Feminismus
Die Rechte von Frauen, inter, nicht-binären, trans* und agender Personen (FINTA) sind ein
Gradmesser der Demokratie, denn autokratische und diktatorische Regime unterdrücken FINTA-
Rechte systematisch. Intersektionaler Queerfeminismus steht für Gerechtigkeit und wo FINTA-
Rechte durchgesetzt werden, nutzt das der gesamten Gesellschaft und trägt zu mehr
Gleichberechtigung nicht nur zwischen den Geschlechtern bei. Deshalb setzen wir uns
strukturell für mehr Gleichberechtigung ein: wir unterstützen die Arbeit der
Gleichstellungsbeauftragten und der Organisationen, die sich für Gleichstellung einsetzen.
Wo FINTA selbstbestimmt leben, stärkt dies die Demokratie. Dazu gehört auch das Recht, über
den eigenen Körper frei zu entscheiden. Das Recht auf Abtreibung gehört hier genauso dazu,
wie die Entscheidung über die geschlechtliche Identität selbstbestimmt treffen zu können.
Wir begrüßen den Vorstoß der Unabhängigen Beauftragten für Antidiskriminierung des Bundes,
Ferda Ataman, zur Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) auf Bundesebene –
es ist höchste Zeit, dass sexuelle Belästigung nach dem AGG auch im Zivilrecht verboten wird
und etwa sexuelle Belästigungen im Fitness-Studio berücksichtigt werden.
Antifeminismus ist der gemeinsame Nenner und eine der tragenden Säulen des
Rechtsextremismus. Er schwächt den gesellschaftlichen Zusammenhalt und untergräbt die
Demokratie. Es ist deshalb keine Überraschung, dass rechtsextreme Gruppen Antifeminismus
gezielt verbreiten und ihn als Einflugschneise für autoritäre Ideologien nutzen. Dabei geht
es vor allem um die Vorstellung, dass in einer sogenannten 'natürlichen Ordnung' einer
binärgeschlechtlichen Welt Frauen Männern untergeordnet seien. Erschreckend ist, wie weit
inzwischen antifeministische Einstellungen verbreitet sind und auf sozialen Netzwerken wie
Tiktok an Reichweite gewinnen. Dem stellen wir uns klar entgegen – der Kampf für FINTA-
Rechte ist der Kampf für unsere Demokratie!
Aufarbeitung und Erinnerungsarbeit stärken
Wir haben in Deutschland mehrfach erlebt, was passiert, wenn rassistische Denkmuster nicht
rechtzeitig erkannt werden oder wenn Menschen sich immer weiter radikalisieren. Die Morde
des NSU, die Anschläge von Halle oder Hanau sind mit die schlimmsten, aber nicht die
einzigen Beispiele dafür. Die Erinnerung an die Menschen, die von Rassist*innen und
Antisemit*innen ermordet wurden, wach zu halten, ist unser aller Aufgabe. Wir sind als Staat
und als Bürger*innen dazu verpflichtet, diese Taten und den Umgang der Ermittlungsbehörden
und der Öffentlichkeit damit aufzuarbeiten und Konsequenzen zu ziehen. Historisches Unrecht
müssen wir überdies nachhaltig kritisch erinnern. Erinnerungs- und Gedenkstätten sowie
Museen, die sich mit den Gräueln des NS-Terrors auseinandersetzen, historische und
antifaschistische Bildungsarbeit leisten, wollen wir stärken. Erinnerungsarbeit bedeutet in
Berlin zudem, die Spuren der diversen Stadtgesellschaft in den Museen und im öffentlichen
Raum abzubilden und die Stadtgeschichte multiperspektivisch und transnational zu erzählen.
Das von uns initiierte gesamtstädtische Konzept für die Aufarbeitung und Erinnerung der
deutschen Kolonialvergangenheit ist ein Meilenstein und muss fortgeführt und verstetigt
werden. Der Prozess der Dekolonisierung ist auch ein Prozess zur Bekämpfung von Rassismus
heute. Er kann dabei nur im engen Dialog mit den postmigrantisch-diasporischen Communitys
und den Nachkommen der Menschen in den ehemaligen Kolonien gelingen.
Antidiskriminierungsstrukturen neu aufsetzen
Von 2016 bis 2023 war Berlin mit der rot-grün-roten Koalition bundesweit Vorreiterin für
eine progressive Antidiskriminierungspolitik. Das Landesantidiskriminierungsgesetz und das
Landesprogramm Diversity sind dafür die bekanntesten Beispiele, die auch deutschlandweit
eine Vorbildfunktion entwickelt haben. Diese Vorbildfunktion droht nun unter Schwarz-Rot
verspielt zu werden. Dagegen stemmen wir uns mit aller Kraft - gemeinsam mit der
Zivilgesellschaft!
Stärkung der Demokratie bedeutet nicht nur, sich gegen rechtsextreme Tendenzen zu stellen,
sondern die offene Gesellschaft für alle Menschen zu verteidigen, Diskriminierung aktiv zu
bekämpfen und Diversität zu fördern. Wir setzen uns dafür ein, dass Berlin eine
gesamtgesellschaftliche Antidiskriminierungs- und Diversitätsstrategie entwickelt – unter
konsequenter Einbindung von Wissenschaft und den zivilgesellschaftlichen Akteur*innen. Dabei
müssen alle Formen von Diskriminierung – insbesondere in ihren institutionellen und
strukturellen Dimensionen – Berücksichtigung finden. Gesellschaftliche Handlungsfelder und
Institutionen sind kritisch zu analysieren und jeweils darauf bezogene Antidiskriminierungs-
und Diversitätsmaßnahmen mit konkreten Bearbeitungs- und Umsetzungsempfehlungen (weiter) zu
entwickeln. Ausgangspunkt hierfür muss dabei das bestehende zivilgesellschaftliche Wissen
und die bestehende zivilgesellschaftliche Arbeit gegen Diskriminierung sein. Dabei ist
unsere Antidiskriminierungspolitik immer queerfeministisch und intersektional.
Für die Umsetzung der Antidiskriminierungs- und Diversitätsstrategie braucht es auf Landes-
wie Bezirksebene klare Zuständigkeiten in überfachlicher Verantwortung und Zusammenarbeit,
die Bereitstellung der notwendigen Ressourcen und Finanzmittel und in der Begleitung und
Evaluation ein unabhängiges Expert*innen-Monitoring. Auch in Zeiten knapper Kassen muss
gelten: Maßnahmen gegen Diskriminierung und Ungleichbehandlung haben hohe Priorität!
Zentral für eine Berliner Gesamtstrategie werden weiterhin das
Landesantidiskriminierungsgesetz und das Landesprogramm Diversity sein. Beides sind
Erfolgsgeschichten aus grüner Feder. Wir wollen eine Evaluation und Weiterentwicklung, damit
sie noch breiter Anwendung finden. Beim Landesantidiskriminierungsgesetz wollen wir den
Schutzkreis durch die Aufnahme weiterer Diskriminierungsmerkmale erweitern und es
verbindlicher für die landeseigenen Unternehmen zur Anwendung bringen. Maßnahmen des
Landesprogramm Diversity – wie die Einführung positiver Maßnahmen zur Bekämpfung von
Ungleichbehandlung – wollen wir eine gesetzliche Grundlage geben. Die LADG-Ombudsstelle muss
endlich personell gestärkt werden. Wir wollen, dass sie auch in der personellen Ausstattung
als eigene Behörde nach dem Vorbild der Datenschutz- oder des Polizeibeauftragten
aufgestellt wird.
Wir stellen uns entschieden gegen jeden Antisemitismus, gegen alle Formen von Rassismus und
Diskriminierung. Im Kampf gegen Diskriminierung gibt es weniger ein Erkenntnis- als ein
Umsetzungsproblem. Wir wollen, dass das noch in der vergangenen Wahlperiode beschlossene
„Berliner Landeskonzept zur Weiterentwicklung der Antisemitismus-Prävention“ konsequent für
alle Bereiche angewandt wird – und wo Schutzlücken bestehen, diese konzeptionell geschlossen
werden. Dazu gehören insbesondere die Bereiche Bildung und Schule, Hochschule sowie
Opferschutz und Prävention. Hier braucht es verlässliche Strukturen gegen Diskriminierung,
die Antisemitismus besonders berücksichtigen. Die schwarz-rote Koalition verliert sich hier
in Symboldebatten, statt die grundsätzliche Arbeit gegen Antisemitismus zu stärken und
auszubauen. Trotz vollmundiger Ankündigungen hat die Koalition die zivilgesellschaftlichen
Beratungs-, Anlauf- und Präventionsprojekte gegen Antisemitismus bislang im Regen stehen
lassen. Seit dem 7. Oktober 2023 leisten sie noch einmal vermehrt Beratung und
Aufklärungsarbeit an Schulen oder beraten für von Antisemitismus Betroffene als
Anlaufstellen, oftmals mit immensen Überstunden oder sogar unbezahlt. Sie benötigen dringend
eine Aufstockung ihrer Förderung, damit die erhebliche Mehrarbeit unterstützt und gewürdigt
wird. Das Beratungs- und Empowerment-Angebot wollen wir im engen Austausch mit der
Zivilgesellschaft weiterentwickeln. Dabei nehmen wir insbesondere den Umgang mit sozialer
Ausgrenzung, Klassismus und Diskriminierung im digitalen Kontext, etwa im Zuge des Einsatzes
von Algorithmen und Künstlicher Intelligenz, in den Blick und begegnen auch den (psycho-
)sozialen und gesundheitlichen Auswirkungen von Diskriminierung systematisch.
Bestimmte Formen der Diskriminierung von gesellschaftlichen Gruppen haben bislang zu wenig
Aufmerksamkeit erfahren. Hier wollen wir Erkenntnislücken durch Studien und den Berlin
Monitor schließen – und zivilgesellschaftliche Empowerment- und Beratungsstrukturen
einrichten. Dazu gehören asiatisch gelesene Menschen oder bisexuelle Berliner*innen. Hinzu
kommen Programme, die besonders marginalisierte Gruppen stärken, wie der Aktionsplan zur
Einbeziehung ausländischer Rom*nja oder die Initiative geschlechtliche und sexuelle Vielfalt
(IGSV). Wir erwarten vom Senat auch ein stärkeres und entschiedeneres Handeln gegen
Rassismus. Dazu fordern wir die zeitnahe Einsetzung eine*r Beauftragten gegen Antiziganismus
sowie die Schaffung der Stelle einer*eines Beauftragten gegen antimuslimischen sowie gegen
anti-Schwarzen Rassismus. Außerdem fordern wir die zeitnahe und senatsübergreifend
koordinierte Umsetzung der Handlungsempfehlungen der Expert*innenkommission Antimuslimischer
Rassismus, wie z.B. die Abschaffung des Neutralitätsgesetzes.
Wir wollen die Antidiskriminierungsarbeit stärker horizontal ausrichten und intersektional
um neue gesellschaftliche Handlungsfelder erweitern. Mit der Fachstelle gegen
Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt „FairMieten – FairWohnen“ haben wir Bündnisgrüne dafür
in der letzten Wahlperiode ein Modellprojekt etabliert. Eine entsprechende Forschungs-,
Dokumentations- und Beratungsstelle fordern wir nun auch für den Gesundheits- und
Pflegebereich, für den Hochschul- und Wissenschaftsbereich und für den Bereich der KI-
Anwendungen ein. Zudem muss endlich die zivilgesellschaftliche Forderung nach Einrichtung
einer „Unabhängigen Beschwerdestelle gegen Diskriminierung an Schule“ (UBS) erfüllt werden.
Die Ziele der „UN-Dekade für Menschen afrikanischer Herkunft“ müssen auch über 2024 hinaus
verstetigt und umgesetzt werden. Wir fordern die Verlängerung des Umsetzungszeitraums dieser
Dekade, die aufgrund von coronabedingten Einschränkungen nicht vollends ausgeschöpft wurde.
Der Maßnahmenplan aus dem zivilgesellschaftlich getragenen Konsultationsprozess,
insbesondere die Einrichtung eines Studiengangs Black European Intersectional Studies, muss
umgesetzt werden.
Die Verteidigung der Demokratie: eine Aufgabe für die ganze Gesellschaft!
Wir wissen, um unser aller Demokratie zu verteidigen, braucht es ein Bündel von Maßnahmen.
Jede*r von uns steht in der Pflicht, sich für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung
einzusetzen: auf der Straße, am Arbeitsplatz, in der Schule, im Sportverein – aber auch in
der Politik und der Verwaltung. Berlin ist eine weltoffene Stadt, die von der Vielfalt der
Menschen lebt. Wir bekennen sich klar zu dieser Vielfalt und stellen uns rechtsextremen
Strukturen entgegen. Nur ein sicheres Berlin für alle ist ein gerechtes Berlin.
Unterstützer*innen
- Catrin Wahlen (KV Berlin-Treptow/Köpenick)
- Catherina Pieroth-Manelli (KV Berlin-Tempelhof/Schöneberg)
- Christoph Wapler (KV Berlin-Charlottenburg/Wilmersdorf)
- Susanna Kahlefeld (KV Berlin-Neukölln)
- Stefan Taschner (KV Berlin-Lichtenberg)
- Daniela Ehlers (KV Berlin-Lichtenberg)
- Jenny Laube (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Johannes Mihram (KV Berlin-Mitte)
- Christoph Lorenz (KV Berlin-Steglitz/Zehlendorf)
- Jan Schmid (KV Berlin-Tempelhof/Schöneberg)
- Birgit Vasiliades (KV Berlin-Steglitz/Zehlendorf)
- Daniel Eliasson (KV Berlin-Steglitz/Zehlendorf)
- Tobias Jahn (KV Berlin-Mitte)
- Michael Servatius (KV Berlin-Mitte)
- Jonathan Morsch (KV Berlin-Steglitz/Zehlendorf)
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braucht es eine besondere Sensibilität für die Verantwortung und Vorbildwirkung in der Gesellschaft. Der immer wieder erhobene Vorwurf des Generalverdachts ist fernab jeder Realität und erweist sich auch im zweiten Berichtsjahr des Berliner Bürger- und Polizeibeauftragten als populistische Stimmungsmache. Die Arbeit des Beauftragten stärkt nachweislich Vertrauen und Akzeptanz bei den Beschwerdeführenden. Der diesjährige Bericht zeugt gleichzeitig von erheblichem Verbesserungsbedarf der polizeiinternen Fehlerkultur. Wenn die Behörde Anfragen nicht nachkommt oder Berichte schönschreibt, ist das inakzeptabel. Perspektivisch braucht der Beauftragte mehr Kompetenzen, insbesondere um in laufenden Verfahren, in denen bisher systematisch Akteneinsicht verweigert wird, eine Schlichtung zu ermöglichen. Perspektivisch sollen auch Ermittlungsverfahren gegen Polizist*innen von einer unabhängigen Ermittlungsstelle geführt werden, wie dies in anderen europäischen Ländern bereits heute Standard ist. Die Polizei und die Innenverwaltung müssen sich mit dem Bericht gewissenhaft auseinandersetzen und die angesprochenen Probleme konsequent angehen. Fehlverhalten muss aufgeklärt und nachgegangen werden und Extremismus entschieden entgegengetreten werden. Die Berliner Polizeistudie zeigt dabei strukturelle
Berlin: für viele die Stadt der Freiheit. Weltoffenheit, Vielfalt, Selbstbestimmung – das
sind Versprechen unserer Stadt, wegen derer viele Menschen gerne herkommen, wegen derer
Menschen gerne hier leben.
Es ist unser aller Aufgabe, dieses Versprechen zu schützen und einzulösen. Denn zu Berliner
Realität gehört auch, dass viele Menschen sich in unserer Stadt nicht sicher fühlen – weil
sie aufgrund ihrer (zugeschriebenen) Herkunft oder ihrer Religion, aufgrund äußerlicher
Merkmale oder einer Behinderung, aufgrund von sexueller Orientierung oder geschlechtlicher
Identität diskriminiert, beleidigt und körperlich angegriffen werden. Rassismus,
Antisemitismus, Antifeminismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit nehmen zu; immer
mehr rechtsextreme Gewalttaten verunsichern und bedrohen die Menschen in unserer Stadt. Die
Polizei Berlin registrierte eine Zunahme rechtsextrem politisch motivierter Delikte um 4,5%
auf 2981 im Jahr 2022. Das sind im Schnitt mehr als acht dokumentierte rechtsextremistische
Straftaten pro Tag. Die Opferberatungsstelle ReachOut dokumentierte für dasselbe Jahr 336
rechtsextreme, rassistische und antisemitische tätliche Angriffe in Berlin. Es ist ganz
deutlich: die größte Bedrohung unserer Demokratie kommt von der extremen Rechten. Und das
ist insbesondere für betroffene Menschen nicht neu. In unserer Gesellschaft ist
rassistisches, antisemitisches, antimuslimisches und antifeministisches Gedankengut schon
sehr lange weit verbreitet und für viele Menschen eine reale und große Bedrohung.
Multiple Krisen verstärken die Verunsicherung bei vielen Menschen: die Folgen der Coronazeit
waren noch nicht ausgestanden, als Russland seinen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf
die Ukraine startete, dessen Auswirkungen auch in Deutschland und Berlin deutlich zu spüren
waren. Insbesondere die gestiegenen Lebenshaltungskosten waren und sind für viele
Berliner*innen eine Herausforderung. Und über all dem schwebt gleichzeitig die Klimakrise,
die unser aller Lebensgrundlagen bedroht. Von alldem sind vulnerable Menschen und Gruppen
besonders betroffen. Und dennoch liefern sich manche Parteien einen populistischen
Überbietungswettbewerb und versuchen, die verletzlichsten Gruppen gegeneinander
auszuspielen, im Glauben, mit einfachen Versprechungen und Parolen Wähler*innen zu gewinnen.
Das hilft den Rechtsextremist*innen, die versuchen, diese krisenbehaftete Zeit zu nutzen, um
ihre Ideologie weiter zu verbreiten, gegen Minderheiten zu hetzen und die Demokratie zu
destabilisieren. Doch komplexe Probleme können nicht mit einfachen Antworten gelöst werden.
Es ist Aufgabe aller demokratischen Parteien, diesem Angriff auf unsere freiheitlich-
demokratische Grundordnung etwas entgegenzusetzen. Unsere Demokratie ist wehrhaft und kann
und muss sich gegen Verfassungsfeinde verteidigen. Nicht umsonst haben die Mütter und Väter
des Grundgesetzes die Möglichkeit eines Parteiverbots vorgesehen; zu eindrücklich hatten sie
noch das Ende der Weimarer Republik vor Augen.
Wir suchen den Schulterschluss mit der engagierten Stadt- und Zivilgesellschaft, die in
Initiativen, Vereinen und auf der Straße Haltung zeigt. Die breite Reaktion auf die
Veröffentlichung der Correctiv-Recherche, die vielen Demonstrationen der letzten Wochen und
Monate mit Millionen von Menschen haben gezeigt: dieses Land und diese Stadt wollen nichts
von den Deportationsplänen der AfD und anderer Rechtsextremist*innen wissen und zeigt
deutlich: Nie wieder ist jetzt! Viele Vereine, NGOs, zivilgesellschaftliche Bündnisse und
Migrant*innenselbstorganisationen leisten hier seit Jahren eine wichtige und hervorragende
Arbeit; sie weiter zu unterstützen ist essenziell und muss im Berliner Landeshaushalt eine
Selbstverständlichkeit sein! Und unsere wehrhafte Demokratie ist nur dann wirklich wehrhaft,
wenn diejenigen, die sie schützen, gut arbeiten können. Statt nur laut Law and Order zu
schreien, muss der schwarz-rote Senat endlich Konzepte entwickeln, wie Prävention und
Bekämpfung von Rechtsextremismus in unserer Stadt besser funktionieren kann! Der Schutz der
Demokratie darf gerade in Zeiten wie diesen nicht finanziell unter die Räder geraten. Auch
wenn Einsparungen im Landeshaushalt nötig werden, darf hier nicht der Rotstift angesetzt
werden.
Zivilgesellschaft: wichtiges Standbein der Demokratie
Eine engagierte Zivilgesellschaft ist eine wichtige Partnerin beim Schutz der Demokratie. Es
ist unsere Aufgabe, sie in ihrer Arbeit zu stärken. Deshalb begrüßen wir, dass
Bundesministerin Lisa Paus ein Demokratiefördergesetz vorgelegt hat. Mit diesem Gesetz zur
Stärkung von Maßnahmen zur Demokratieförderung, Vielfaltgestaltung, Extremismusprävention
und politischen Bildung soll der Bund den gesetzlichen Auftrag zur Förderung von Demokratie
und zur Extremismusprävention bekommen und sich dem Kampf gegen Rassismus, Extremismus und
Menschenfeindlichkeit verpflichten. Ziel des Demokratiefördergesetzes ist eine verlässliche
und bedarfsorientierte Förderung von Projekten zur Stärkung von Demokratie und
gesellschaftlicher Vielfalt. Zivilgesellschaftliche Initiativen erhalten damit für ihre
Arbeit mehr Planungssicherheit und eine langfristige Perspektive.
Um zivilgesellschaftliche Strukturen und Bündnisse in Berlin nachhaltig zu stärken, braucht
es auch auf Landesebene ein Demokratiefördergesetz. Die bündnisgrüne Fraktion im
Abgeordnetenhaus hat mit der Vorlage ihres Demokratiestärkungspakets gezeigt, wo der Fokus
liegen muss: Mit 16 Millionen Euro sollten damit in den Jahren 2024 und 2025 Maßnahmen im
Kampf gegen Antisemitismus, Rassismus, Antifeminismus und Queerfeindlichkeit gebündelt
werden; der schwarz-rote Senat setzt im Rahmen des Doppelhaushalts allerdings die falschen
Prioritäten. Die anhaltende Unsicherheit bei allen Initiativen, ob die im Haushalt
ausgewiesenen finanziellen Mittel wirklich gezahlt werden oder doch wegen des Sparzwangs
noch gestrichen werden, ist eine nicht hinnehmbare Situation und gefährdet auch zunehmend
den Kampf für unsere Demokratie. Demokratiefördernde Projekte müssen gerade jetzt
ausreichend finanziert werden. Der Senat muss endlich Klarheit schaffen, wo er sein
Milliardendefizit einsparen wird, und darf nicht länger die Initiativen dieser Stadt am
ausgestreckten Arm verhungern lassen.
Viele Ehrenamtliche fühlen sich deshalb – nicht überraschend – von Schwarz-Rot im Stich
gelassen. Gerade in einer Zeit, in der die Angriffe auf zivilgesellschaftliche Projekte
zunehmen, in der Ehrenamtliche ihr Engagement nicht mehr angstfrei ausüben können, ist das
genau das falsche Signal. Auch Ehrenamtliche in der Kommunalpolitik, zum Beispiel in den
BVVen, geraten zunehmend unter Druck. Journalist*innen und Künstler*innen sind genauso im
Visier der Rechtsextremen wie demokratische Mandatsträger*innen. Hier sind alle
demokratischen Parteien gefordert, geschlossen zueinander zu stehen. Und der Berliner Senat
ist in der Pflicht, dass niemand allein gelassen wird, der*die einem rechtsextremen Angriff
zum Opfer gefallen ist oder von Rechtsextremen unter Druck gesetzt wird. Die Anlaufstellen
für Opfer rechtsextremer Gewalt müssen deshalb dringend abgesichert und besser ausgestattet
werden. Außerdem braucht es eine Stärkung der Aussteigerprogramme für Menschen, die dem
rechtsextremen Milieu den Rücken kehren wollen.
Die wehrhafte Demokratie verteidigen
Es ist unsere Verantwortung, alle uns zur Verfügung stehenden Mittel im Kampf gegen
Verfassungsfeinde zu nutzen; wir fordern die Verfassungsorgane auf, ein AfD-Verbotsverfahren
auf den Weg zu bringen. Der Berliner Senat sollte dies im Bundesrat anstoßen. Dies ist und
bleibt ein entscheidendes Puzzlestück, um unsere Demokratie zu retten. Uns ist jedoch auch
bewusst, dass sich rechtsextremes Gedankengut nicht auf Knopfdruck verbieten lässt. Es
braucht ein Bündel von Maßnahmen, die kurz-, mittel- und langfristig wirken müssen. Neben
einer resilienten Zivilgesellschaft und guter Bildung und Prävention braucht es deshalb auch
deutliche Schritte in der Justiz, der Polizei und beim Verfassungsschutz. Rechtsextremismus
im öffentlichen Dienst muss konsequent geahndet werden und in allen Verwaltungen muss die
Entfernung rechtsextremer Beamt*innen aus dem Staatsdienst konsequent verfolgt werden. Wir
wollen prüfen, ob eine Verschärfung des Disziplinarrechts nach dem Vorbild des „Gesetzes zur
Beschleunigung von Disziplinarverfahren in der Bundesverwaltung“ auch für das Land Berlin
geboten ist, sowie die Fristen verlängern für das Disziplinarmaßnahmenverbot und
Verwertungsgebot bei Verstößen gegen die beamtenrechtliche Verfassungstreuepflicht und gegen
das politische Mäßigungsgebot.
Keine Demokratiefeind*innen in der Berliner Justiz!
Das Beispiel der rechtsextremen AfD-Politikerin Malsack-Winkemann, die als ehemalige
Bundestagsabgeordnete einen gewalttätigen Umsturz plante, ist wohl das bekannteste Beispiel
für Rechtsextreme im Richter*innenamt. Dass Menschen mit klar rechtsextremer Grundhaltung in
Berlin Recht sprechen dürfen, wäre nicht hinnehmbar und insbesondere für Menschen, die nicht
ins Weltbild der AfD passen, eine echte Bedrohung.
Zu einer starken, unabhängigen Justiz gehört, dass Richter*innen sich zur freiheitlich
demokratischen Grundordnung bekennen. Die Neutralität und Unvoreingenommenheit von
Richter*innen ist ein zentrales Prinzip unseres Rechtsstaats. In Berlin setzen wir uns dafür
ein das Instrument der Richteranklage einzuführen, das es in anderen Bundesländern schon
gibt. Dieses Instrument eröffnet dem Parlament die Möglichkeit, mit einem Antrag an das
Bundesverfassungsgericht die Integrität eines Richters oder einer Richterin überprüfen zu
lassen, wenn offensichtlich wird, dass er oder sie den Boden des Grundgesetzes verlassen hat
und sich offen demokratiefeindlich verhält. Verfassungsfeind*innen haben an Berliner
Gerichten nichts zu suchen!
Rechtsextreme haben in ihren Netzwerken offensiv aufgerufen, sich für das Schöffenamt zu
bewerben und so das Justizsystem zu unterwandern. Auch hier braucht es klare Regelungen, um
zu verhindern, dass Demokratiefeind*innen Recht sprechen.
Eine demokratisch aufgestellte Polizei schützt den Rechtsstaat - auch in den eigenen Reihen
Die Sicherheitsbehörden sind ein unverzichtbarer Teil der Sicherheitsarchitektur. Wenn die
Demokratie systematisch durch Bedrohung und Gewalt unter Druck gesetzt wird, sind wir auf
handlungsfähige Behörden angewiesen, die die Gesellschaft, den Rechtsstaat und seine
Institutionen schützen. Dabei stellen die politisch motivierte Gewalt im Bereich
Rechtsextremismus, die zunehmende Hasskriminalität, der erhöhte Sicherheitsbedarf von
Politiker*innen und weiteren öffentlichen Personen auch für sie eine große Herausforderung
dar. Als am 29. August 2020 Reichsbürger*innen und andere Rechtsextreme zusammen mit einer
Mischung aus Querdenker*innen und Coronaleugner*innen den Reichstag stürmen wollten, standen
ihnen im letzten Moment nur noch drei Polizisten gegenüber, die die Herzkammer der
Demokratie verteidigten. Wenn Spitzenpolitiker*innen bedroht werden, so sind es die
Personenschützer*innen von LKA und BKA, die dafür sorgen, dass die Betroffenen dennoch
öffentliche Auftritte wahrnehmen können. Jeden Tag schützen Polizist*innen so – und auf
vielfältige andere Art und Weise – unsere Demokratie. Für uns ist klar: Polizist*innen sind
kein Einsatzmittel, sondern in erster Linie Menschen, die sich der Verteidigung der
Demokratie verpflichtet haben - und oft genug setzen sie dabei ihr eigenes Leben aufs Spiel.
Wir stärken all jenen den Rücken, die innerhalb und außerhalb der Behörde für
Rechtsstaatlichkeit und Demokratie eintreten.
Wir setzen uns für gute Arbeitsbedingungen, gute Ausstattung, den Abbau des Sanierungsstaus
sowie eine moderne, diverse und diskriminierungskritische Polizei ein. Wir schützen die
Sicherheitsbehörden vor politischer Vereinnahmung und den Unterwanderungsversuchen
rechtsextremer Kräfte.
Der Schutz der Demokratie ist eine der wichtigsten Aufgaben, die es im Staatsdienst zu
erfüllen gilt. Wir müssen diesen Beruf so attraktiv gestalten, dass sich hochqualifizierte
Menschen weiterhin dafür entscheiden. Dazu gehören selbstverständlich gute
Arbeitsbedingungen und ein attraktives Arbeitsumfeld. Die Instandsetzung von Polizeiwachen
ist deshalb kein nice to have, sondern elementar für die gute Arbeit der Polizei. Die vielen
Überstunden, die die Polizei jedes Jahr ansammelt, dürfen nicht zum Normalzustand werden.
Eine angemessene Work-Life-Balance und Familienfreundlichkeit machen den Beruf deutlich
attraktiver und entsprechen dem Anspruch der heutigen Arbeitswelt. Wir erwarten vom Senat
überdies, dass auch die seelische Gesundheit unserer Einsatzkräfte im Fokus steht. Wir
setzen uns für die Einrichtung struktureller psychotherapeutischer Maßnahmen für
Polizist*innen nach traumatisierenden Einsätzen ein.
Die Berliner Polizeiausbildung hat in den letzten Jahren deutlich an Qualität gewonnen.
Gerade in einer diversen Stadtgesellschaft wie der unseren, bleibt es zentral, dass sie
diskriminierungskritisch und diversitätssensibel ausgestaltet ist. Neben einem gesetzlichen
Verbot von Racial Profiling fordern wir die Einführung niedrigschwelliger und
unbürokratischer Nachweis- und Aufklärungspflichten (Kontrollquittung), so dass jede*r weiß,
warum sie*er kontrolliert worden ist und die Implementierung von Community-Policing-
Konzepten.
Für Spezialisierungen im Bereich des Staatsschutzes braucht es zudem einen organisierten
Wissenstransfer. Das gilt auch bei der Auswahl und Besetzung von Leitungsstellen im
polizeilichen Staatsschutz. Darüber hinaus muss er für den Phänomenbereich Rechtsextremismus
sowie im Bereich der Hasskriminalität gestärkt werden. Zur besseren Analysefähigkeit sollen
verstärkt Open Source Intelligence-Expert*innen zum Einsatz kommen.
Die Polizei als Behörde hat einen so hohen Stellenwert, da sie als ausführender Arm des
Gewaltmonopols des Staates besondere Verantwortung trägt. Dies ist ein hohes Privileg und
bringt große Macht mit sich. Dass in einem Rechtsstaat eine solche Übertragung immer mit
einer intensiven Kontrolle einhergehen muss, ist für uns selbstverständlich. Daher ist es
entscheidend, dass wir nicht die Augen davor verschließen, dass auch innerhalb der Berliner
Polizei Rechtsextremismus auftritt. Dies anzuerkennen ermöglicht es, verloren gegangenes
Vertrauen wiederherzustellen. Dafür braucht es auch strukturelle Änderungen. Daher ist es
gut, dass es neben internen Beschwerdestrukturen mit dem Polizei- und Bürgerbeauftragten nun
auch eine unabhängige Stelle gibt, die kontaktiert werden kann, wenn Fehlverhalten zutage
tritt. Denn gerade im Falle der Polizei als ausführendem Arm des staatlichen Gewaltmonopols
braucht es eine besondere Sensibilität für die Verantwortung und Vorbildwirkung in der
Gesellschaft. Der immer wieder erhobene Vorwurf des Generalverdachts ist fernab jeder Realität und erweist sich auch im zweiten Berichtsjahr des Berliner Bürger- und Polizeibeauftragten als populistische Stimmungsmache. Die Arbeit des Beauftragten stärkt nachweislich Vertrauen und Akzeptanz bei den Beschwerdeführenden. Der diesjährige Bericht zeugt gleichzeitig von erheblichem Verbesserungsbedarf der polizeiinternen Fehlerkultur. Wenn die Behörde Anfragen nicht nachkommt oder Berichte schönschreibt, ist das inakzeptabel. Perspektivisch braucht der Beauftragte mehr Kompetenzen, insbesondere um in laufenden Verfahren, in denen bisher systematisch Akteneinsicht verweigert wird, eine Schlichtung zu ermöglichen. Perspektivisch sollen auch Ermittlungsverfahren gegen Polizist*innen von einer unabhängigen Ermittlungsstelle geführt werden, wie dies in anderen europäischen Ländern bereits heute Standard ist. Die Polizei und die Innenverwaltung müssen sich mit dem Bericht gewissenhaft auseinandersetzen und die angesprochenen Probleme konsequent angehen. Fehlverhalten muss aufgeklärt und nachgegangen werden und Extremismus
entschieden entgegengetreten werden. Die Berliner Polizeistudie zeigt dabei strukturelle
Maßnahmen auf, die dazu beitragen, einen demokratiestärkenden Kulturwandel voranzutreiben
als auch den Anspruch eine modernen Hauptstadtpolizei in einer vielfältigen Weltmetropole zu
festigen.
Dass die Verfolgung und Aufklärung von über 380 rechtsextremer Straftaten beim Berliner LKA
jahrelang unbearbeitet blieben, darf sich nicht wiederholen. Die Polizei hat hier eine
besondere Verantwortung, diese Verschleppung detailliert aufzuklären und mögliche
Zusammenhänge mit dem sogenannten Neukölln-Komplex zu untersuchen. Sie muss außerdem
Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass ein solches mutmaßlich strukturelles Versagen
sich nicht wiederholt.
Die Verfassung schützen – Gefahren für die Demokratie erkennen
Die Rolle des Verfassungsschutzes wird zurecht kritisch betrachtet. Es ist kein Geheimnis,
dass er nicht nur im Rahmen des NSU-Komplexes versagt hat. Die Fehler rund um den Anschlag
am Breitscheidplatz, die rechtsextreme Anschlagsserie in Neukölln oder der Umgang mit
Feindeslisten oder illegalen Datenweitergaben – all das belegt, dass der Verfassungsschutz
in seiner jetzigen Form zu oft nicht funktioniert, die Aufgabe der Früherkennung in Teilen
sogar behindert hat. Tatsächlich mehren sich die Vorfälle, bei denen die Nicht-Weitergabe
von strafrechtlich relevanten Informationen durch den Verfassungsschutz und somit der Schutz
von Tätern dazu geführt hat, dass noch schlimmere Straftaten stattfanden. Ob eine so
grundlegende Reform möglich ist, um eine Behörde zu schaffen, die über jeden Zweifel erhaben
ist, ist sehr fraglich. Deshalb fordern wir, eine Alternative für den Verfassungsschutz zu
schaffen. Dem soll eine wissenschaftliche Untersuchung der Arbeitsweise des
Verfassungsschutzes vorausgehen, um Aufgaben, Prioritäten und Ressourcen der aktuellen
Herausforderungen neu justieren zu können.
Gleichwohl befinden wir uns derzeit in der herausfordernden Situation, dass die AfD den
Verfassungsschutz delegitimiert, weil er die Institution sein könnte, die entscheidende
Belege für ihre Verfassungsfeindlichkeit liefern könnte. Der Berliner Senat steht in der
Pflicht, die beim Verfassungsschutz vorliegenden Informationen in die Prüfung eines
Parteiverbotsverfahren einfließen zu lassen. Dazu gehört auch sicherzustellen, dass keine
Hinderungsgründe durch V-Leute, wie es beim ersten NPD-Verbotsverfahren der Fall war,
bestehen.
Rechtsextreme und kriminelle Strukturen aufdecken und austrocknen
Durch den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur rechtsextremen Anschlagsserie in
Neukölln zeigt sich: Es sind keine Einzelfälle. Rechtsextreme Netzwerke müssen bei
Ermittlungsbehörden und Staatsanwaltschaften als solche erkannt, analysiert und als
tatsächliche Gefahr anerkannt werden.
Um kurz- und mittelfristig Rechtsextremen die Möglichkeit zu nehmen, ihre
menschenverachtende Ideologie auch noch staatlich finanziert weiter zu verbreiten, müssen
wir alle Mittel nutzen, um ihre Strukturen aufzulösen. So sind parallel zur Prüfung des AfD-
Verbots Vereinsverbote beispielsweise gegen die Junge Alternative zu prüfen und
verfassungsfeindlich agierende Stiftungen und Vereine müssen von der öffentlichen
Finanzierung ausgeschlossen werden.
Bei der Finanzierung demokratiefeindlicher Bestrebungen sind Geldflüsse aus illegalen und
kriminellen Quellen stärker in den Blick zu nehmen. Gleiches gilt für ausländische Einflüsse
wie etwa Geldflüsse aus Russland, die überprüft und ausgetrocknet werden müssen; Gewerbe,
die mit Rechtsextremen und anderen Verfassungsfeinden in Zusammenhang stehen, müssen stärker
überprüft werden, auch um Geldwäsche zu verhindern.
Entscheidend ist auch die konsequente Entwaffnung von Demokratiefeind*innen. Es muss das
Ziel sein, dass weder legale noch illegale Waffen in die Hände von Rechtsextremist*innen
gelangen. Wir fordern dazu eine bundesrechtliche Verschärfung des Waffenrechts. Außerdem
muss der Senat die notwendigen Kapazitäten in der Berliner Waffenbehörde zur Durchführung
von Waffenkontrollen, Zuverlässigkeitsüberprüfungen und Erlaubniswiderrufe schaffen.
Abgeordnetenhaus und Verfassungsgericht resilienter machen
Berlin ist eine weltoffene Stadt; die Möglichkeit, dass Verfassungsfeinde die stärkste
Fraktion stellen, scheint hier und heute undenkbar. Dennoch muss das Parlament auch bei
einem Erstarken rechtsextremer Kräfte handlungsfähig bleiben und die Wahl einer*s
demokratischen Parlamentspräsidenten*in sicherstellen. Anders als das Grundgesetz sieht die
Landesverfassung bisher vor, dass die stärkste Fraktion das Vorschlagsrecht für die*den
Präsidenten*in hat. Eine Änderung sollte dagegen das freie Mandat der Abgeordneten in den
Vordergrund stellen. Auch die Leitung der konstituierenden Sitzung des Parlaments sollte
nicht länger dem ältesten (so bisher die Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses), sondern
wie im Bundestag dem Mitglied des Parlaments zufallen, das diesem am längsten angehört.
In anderen Staaten können wir beobachten, wie Gerichte von rechtspopulistischen und
rechtsextremen Kräften ausgehöhlt werden. Um die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichtshofs
zu sichern, sollten zentrale Regelungen in der Landesverfassung verankert werden: In Berlin
ist die Amtszeit der Richter*innen, die Bindungskraft ihrer Entscheidungen und die
Organisationshoheit des Gerichts bisher nur einfachgesetzlich geregelt. Auch die Aufgaben
des Verfassungsgerichts sind bisher nur unvollständig in der Landesverfassung geregelt – so
fehlt zum Beispiel die Wahlprüfung. Hier streben wir Verbesserungen an, um den Berliner
Verfassungsgerichtshof gegen antidemokratische Kräfte abzusichern - dazu werden wir mit den
demokratischen Parteien und Fraktionen ins Gespräch gehen.
Straftaten auch im Netz konsequent verfolgen und Cybersecurity ernst nehmen
Online-Hetze und -Mobbing, digitales Stalking, Doxing, Einschüchterung und das Hacken von
Accounts nehmen stetig zu. Frauenhass, Sexismus, Rassismus und extremistische Ideologien
sind häufige Ursachen für diese Taten.Unsere Gesellschaft und Demokratie stehen folglich
auch online unter Druck.
Mitarbeitende in Sicherheitsbehörden benötigen die nötige Ausbildung, um unsere Sicherheit
auch im digitalen Raum gewährleisten zu können. Mitarbeitende der Strafverfolgungsbehörden
müssen entsprechend weitergebildet und sensibilisiert werden und es braucht eine Stärkung
und engere Kooperation mit Betroffenenorganisationen wie zum Beispiel HateAid. Außerdem
setzen wir uns für eine Anpassung des rechtlichen Rahmens in Bezug auf Datenschutz und
Anerkennung von Hasskriminalität ein. Bereits fehlende Sensibilität beim Erfassen von
Straftaten kann dazu führen, dass politische Motive nicht erkannt werden oder als
vermeintlich kleine Straftaten abgetan werden.
Digitale Gewalt bedroht besonders Frauen und Mädchen, LSBTIQ*, Schwarze Menschen und People
of Color. Und auch Journalist*innen, ehrenamtlich politisch Aktive und Aktivist*innen
geraten zunehmend unter Druck.
Diese digitale Gewalt muss konsequent verfolgt werden. Dafür braucht es eine Modernisierung
der Strafverfolgung zum Beispiel über den Ausbau der Möglichkeit zur digitalen Anzeige, den
Aufbau einer Anlaufstelle, die nach dem erfolgreichen hessischen Vorbild “Hessen gegen
Hetze” als Kompetenzzentrum und Koordinationsstelle dienen soll, sowie
Schwerpunktstaatsanwaltschaften.
Darüber hinaus braucht es eine Strategie gegen Desinformation. Irreführende, falsche und
manipulative Informationen, Bilder und Videos sollen Menschen mit ihrer Wahrnehmung und
Haltung und damit die öffentliche Meinung beeinflussen. Gerade mit den gewachsenen
Möglichkeiten durch Künstliche Intelligenz stellt das eine massive Gefährdung für unsere
Demokratie dar - insbesondere, wenn Wahlen so beeinflusst werden.
Fake News destabilisieren das Fundament der Demokratie. Ihnen müssen wir entgegenwirken,
denn nur, wenn Bürger*innen sich unabhängig informieren können, können sie freie
Entscheidungen zum Beispiel im Rahmen demokratischer Wahlen treffen. Algorithmen müssen
transparent sein, damit die Sichtbarkeit von Inhalten und die öffentliche Meinungsbildung
nicht künstlich manipuliert wird.
Social Media Anbieter tragen hier eine hohe Verantwortung. Sie müssen verpflichtet werden,
stärker tätig zu werden, wenn Hass und Hetze oder Falschinformationen auf ihren Plattformen
verbreitet werden. Und es muss nachvollziehbar sein, wer auf diesen Netzwerken unterwegs
ist; für jede Onlinebestellung gelten strengere Anforderungen an Integrität und
Authentizität als für Social Media Plattformen. Deshalb braucht es hier höhere Standards und
bindende Regelungen für die großen Tech-Unternehmen in diesem Feld.
Wir fordern vom Senat massive Investitionen in digitale Aufklärung und Medienkompetenz sowie
Verzahnung und Förderung der Zusammenarbeit zwischen Verwaltungen, Technologieunternehmen
und Zivilgesellschaft, um Missbrauch über Bots so kleinteilig zu kontrollieren, wie er
auftritt. Sowohl im schulischen als auch im außerschulischen Kontext muss Medienbildung eine
größere Rolle spielen - nur wenn junge Menschen früh lernen, Fake News und Desinformation zu
erkennen, können sie als mündige Bürger*innen in der Demokratie freie Entscheidungen
treffen. Für die Entwicklung und Implementierung von KI-Systemen, die Bots erkennen und
bekämpfen, ist ein gezieltes Berliner Technologieförderprogramm notwendig. Der Senat muss
eine kontinuierliche Revision und Anpassung der Gesetze auf allen Ebenen sicherstellen, um
mit Technologie und Taktik der Manipulation Schritt zu halten und ihr besser vorbeugen zu
können.
Die Bedrohung durch Cyberangriffe und Cybercrime wächst - sowohl durch Kriminelle als auch
durch ausländische staatliche Akteure wie beispielsweise Russland. Der Berliner Senat muss
die Integrität der digitalen Infrastruktur sicherstellen. Angriffe von Hackern auf
öffentliche und private IT-Systeme müssen abgewehrt werden; die Daten der Bürger*innen
müssen geschützt bleiben. Für das Worst Case Szenario eines erfolgreichen Cyberangriffs gilt
es vorbereitet zu sein. Die Maxime ist, mutmaßliche Angriffe so schnell wie möglich zu
erkennen, den Schaden so gering wie möglich zu halten und eine möglichst kurze
Wiederanlaufzeit der Systeme zu haben. Hierzu gehört, dass alle Berliner Behörden
entsprechende Vorbereitungsmaßnahmen treffen und gängige IT-Sicherheits-Standards einhalten.
Zudem sollen Cybersicherheitsübungen etabliert werden. Dabei hat der Schutz der Bürger*innen
höchste Priorität. Für die Verwaltung und besonders die kritische Infrastruktur (KRITIS) ist
die Bedrohung besonders groß: die erhebliche Reichweite und Auswirkung eines Angriffs machen
sie zu einem besonders lohnenden Ziel und gleichzeitig sind die IT-Strukturen der Verwaltung
in einem unzeitgemäßen Zustand. Es drohen der Verlust von sensiblen, persönlichen Daten,
Identitätsdiebstähle, Spionage und der Zusammenbruch von Dienstleistungen. Damit droht nicht
zuletzt auch ein massiver Vertrauensverlust der Bürger*innen in die Verwaltung und damit in
den Staat und den staatlichen Schutz.
Pressefreiheit stärken und den ÖRR schützen
Nicht nur online steht die freie Presse unter Druck. Übergriffe auf Journalist*innen haben
in den vergangenen Jahren zugenommen - wer von Querdenker*innen-Demos während der Coronazeit
berichtet hat, musste damit rechnen, beleidigt oder gar körperlich attackiert zu werden.
Diese Übergriffe sind eine ernsthafte Gefahr für unabhängige Berichterstattung und insgesamt
für eine unabhängige Presse - und damit für unsere Demokratie; denn Demokratie lebt von
unterschiedlichen Meinungen und einer freien Presse, die darüber berichtet, damit
Bürger*innen eine informierte Entscheidung treffen können. Deutschland ist aufgrund dieser
Entwicklung im internationalen Pressefreiheit-Ranking von Reporter ohne Grenzen auf Platz 21
abgerutscht. Nach Sachsen war Berlin das Bundesland, das am zweitstärksten betroffen war.
Diese Entwicklung nehmen wir nicht hin. Pressevertreter*innen müssen frei und unabhängig
ihren Job machen können. Übergriffe auf Demos müssen genauso konsequent bekämpft werden wie
digitale Gewalt gegen Journalist*innen!
Zum Schutz der Unabhängigkeit des Journalismus gehört auch der Schutz des öffentlich-
rechtlichen Rundfunks. Auch dieser steht zunehmend unter Druck von rechts außen. Um ihn
besser zu schützen, sollte der Medienstaatsvertrag durch eine Zustimmungspflicht des
Abgeordnetenhauses auch bei Kündigung von Staatsverträgen zusätzlich abgesichert werden.
Vertrauen in die Demokratie stärken, Bildung und Prävention ausbauen
Politische Bildung spielt eine essenzielle Rolle dabei, das Vertrauen in die demokratischen
Institutionen zu stärken. Dabei geht es nicht nur um Politik als eigenständiges Schulfach,
sondern auch darum, wie Schüler*innen bereits im Schulkontext Demokratie erleben.
Schüler*innenvertretungen, die vom Lehrkörper ernst genommen werden, ein Begegnen auf
Augenhöhe und echte Mitbestimmungsmöglichkeiten in der Schule, die Selbstwirksamkeit
erfahren lassen, sind dabei von unschätzbarem Wert. Beteiligungskonzepte sollten in allen
Berliner Kitas konsequent umgesetzt werden; das hierfür notwendige Fachpersonal muss zeitnah
ausgebildet, der Kind-Fachkraft-Schlüssel entsprechend angepasst werden. Denn wenn Kinder
frühzeitig lernen, dass die eigene Stimme etwas zählt, sind sie später weniger anfällig für
autokratische Strukturen und werden zu mündigen Bürger*innen, die die Demokratie
wertschätzen.
Die Landeszentrale für politische Bildung muss gestärkt werden, um ihrem Bildungsauftrag
auch weiterhin gerecht werden zu können. Besonders für den Bereich der Erwachsenen- und
außerschulischen Bildung braucht es noch mehr Materialien und Konzepte, um auch die Menschen
zu erreichen, die nicht mehr zur Schule gehen.
Generell gilt es, alle direktdemokratischen Instrumente und den Einfluss der
Zivilgesellschaft zu stärken und so deutlich zu machen, dass jede Stimme zählt. Dabei ist
aber entscheidend, dass die richtigen Instrumente zur richtigen Zeit eingesetzt werden. Ein
Ja-Nein-Volksentscheid macht dann Sinne, wenn es in einem abgesteckten Rahmen etwas zu
entscheiden gibt, Bürger*innenräte können bei grundsätzlichen Problemen komplexe Lösungen
erarbeiten. Genauso dürfen Menschen- und Minderheitenrechte niemals Gegenstand einer
Mehrheitsabstimmung sein. Einen Volksentscheid von oben lehnen wir ab, da er von der
Regierung vor allem genutzt werden kann, um mit suggestiven und sehr offenen Fragen ihren
Handlungsspielraum zu vergrößern, statt wirklichen Einfluss zu ermöglichen. Stattdessen
sprechen wir uns für niedrigere Quoren für Widerspruchsvolksentscheide aus.
Demokratie braucht Feminismus
Die Rechte von Frauen, inter, nicht-binären, trans* und agender Personen (FINTA) sind ein
Gradmesser der Demokratie, denn autokratische und diktatorische Regime unterdrücken FINTA-
Rechte systematisch. Intersektionaler Queerfeminismus steht für Gerechtigkeit und wo FINTA-
Rechte durchgesetzt werden, nutzt das der gesamten Gesellschaft und trägt zu mehr
Gleichberechtigung nicht nur zwischen den Geschlechtern bei. Deshalb setzen wir uns
strukturell für mehr Gleichberechtigung ein: wir unterstützen die Arbeit der
Gleichstellungsbeauftragten und der Organisationen, die sich für Gleichstellung einsetzen.
Wo FINTA selbstbestimmt leben, stärkt dies die Demokratie. Dazu gehört auch das Recht, über
den eigenen Körper frei zu entscheiden. Das Recht auf Abtreibung gehört hier genauso dazu,
wie die Entscheidung über die geschlechtliche Identität selbstbestimmt treffen zu können.
Wir begrüßen den Vorstoß der Unabhängigen Beauftragten für Antidiskriminierung des Bundes,
Ferda Ataman, zur Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) auf Bundesebene –
es ist höchste Zeit, dass sexuelle Belästigung nach dem AGG auch im Zivilrecht verboten wird
und etwa sexuelle Belästigungen im Fitness-Studio berücksichtigt werden.
Antifeminismus ist der gemeinsame Nenner und eine der tragenden Säulen des
Rechtsextremismus. Er schwächt den gesellschaftlichen Zusammenhalt und untergräbt die
Demokratie. Es ist deshalb keine Überraschung, dass rechtsextreme Gruppen Antifeminismus
gezielt verbreiten und ihn als Einflugschneise für autoritäre Ideologien nutzen. Dabei geht
es vor allem um die Vorstellung, dass in einer sogenannten 'natürlichen Ordnung' einer
binärgeschlechtlichen Welt Frauen Männern untergeordnet seien. Erschreckend ist, wie weit
inzwischen antifeministische Einstellungen verbreitet sind und auf sozialen Netzwerken wie
Tiktok an Reichweite gewinnen. Dem stellen wir uns klar entgegen – der Kampf für FINTA-
Rechte ist der Kampf für unsere Demokratie!
Aufarbeitung und Erinnerungsarbeit stärken
Wir haben in Deutschland mehrfach erlebt, was passiert, wenn rassistische Denkmuster nicht
rechtzeitig erkannt werden oder wenn Menschen sich immer weiter radikalisieren. Die Morde
des NSU, die Anschläge von Halle oder Hanau sind mit die schlimmsten, aber nicht die
einzigen Beispiele dafür. Die Erinnerung an die Menschen, die von Rassist*innen und
Antisemit*innen ermordet wurden, wach zu halten, ist unser aller Aufgabe. Wir sind als Staat
und als Bürger*innen dazu verpflichtet, diese Taten und den Umgang der Ermittlungsbehörden
und der Öffentlichkeit damit aufzuarbeiten und Konsequenzen zu ziehen. Historisches Unrecht
müssen wir überdies nachhaltig kritisch erinnern. Erinnerungs- und Gedenkstätten sowie
Museen, die sich mit den Gräueln des NS-Terrors auseinandersetzen, historische und
antifaschistische Bildungsarbeit leisten, wollen wir stärken. Erinnerungsarbeit bedeutet in
Berlin zudem, die Spuren der diversen Stadtgesellschaft in den Museen und im öffentlichen
Raum abzubilden und die Stadtgeschichte multiperspektivisch und transnational zu erzählen.
Das von uns initiierte gesamtstädtische Konzept für die Aufarbeitung und Erinnerung der
deutschen Kolonialvergangenheit ist ein Meilenstein und muss fortgeführt und verstetigt
werden. Der Prozess der Dekolonisierung ist auch ein Prozess zur Bekämpfung von Rassismus
heute. Er kann dabei nur im engen Dialog mit den postmigrantisch-diasporischen Communitys
und den Nachkommen der Menschen in den ehemaligen Kolonien gelingen.
Antidiskriminierungsstrukturen neu aufsetzen
Von 2016 bis 2023 war Berlin mit der rot-grün-roten Koalition bundesweit Vorreiterin für
eine progressive Antidiskriminierungspolitik. Das Landesantidiskriminierungsgesetz und das
Landesprogramm Diversity sind dafür die bekanntesten Beispiele, die auch deutschlandweit
eine Vorbildfunktion entwickelt haben. Diese Vorbildfunktion droht nun unter Schwarz-Rot
verspielt zu werden. Dagegen stemmen wir uns mit aller Kraft - gemeinsam mit der
Zivilgesellschaft!
Stärkung der Demokratie bedeutet nicht nur, sich gegen rechtsextreme Tendenzen zu stellen,
sondern die offene Gesellschaft für alle Menschen zu verteidigen, Diskriminierung aktiv zu
bekämpfen und Diversität zu fördern. Wir setzen uns dafür ein, dass Berlin eine
gesamtgesellschaftliche Antidiskriminierungs- und Diversitätsstrategie entwickelt – unter
konsequenter Einbindung von Wissenschaft und den zivilgesellschaftlichen Akteur*innen. Dabei
müssen alle Formen von Diskriminierung – insbesondere in ihren institutionellen und
strukturellen Dimensionen – Berücksichtigung finden. Gesellschaftliche Handlungsfelder und
Institutionen sind kritisch zu analysieren und jeweils darauf bezogene Antidiskriminierungs-
und Diversitätsmaßnahmen mit konkreten Bearbeitungs- und Umsetzungsempfehlungen (weiter) zu
entwickeln. Ausgangspunkt hierfür muss dabei das bestehende zivilgesellschaftliche Wissen
und die bestehende zivilgesellschaftliche Arbeit gegen Diskriminierung sein. Dabei ist
unsere Antidiskriminierungspolitik immer queerfeministisch und intersektional.
Für die Umsetzung der Antidiskriminierungs- und Diversitätsstrategie braucht es auf Landes-
wie Bezirksebene klare Zuständigkeiten in überfachlicher Verantwortung und Zusammenarbeit,
die Bereitstellung der notwendigen Ressourcen und Finanzmittel und in der Begleitung und
Evaluation ein unabhängiges Expert*innen-Monitoring. Auch in Zeiten knapper Kassen muss
gelten: Maßnahmen gegen Diskriminierung und Ungleichbehandlung haben hohe Priorität!
Zentral für eine Berliner Gesamtstrategie werden weiterhin das
Landesantidiskriminierungsgesetz und das Landesprogramm Diversity sein. Beides sind
Erfolgsgeschichten aus grüner Feder. Wir wollen eine Evaluation und Weiterentwicklung, damit
sie noch breiter Anwendung finden. Beim Landesantidiskriminierungsgesetz wollen wir den
Schutzkreis durch die Aufnahme weiterer Diskriminierungsmerkmale erweitern und es
verbindlicher für die landeseigenen Unternehmen zur Anwendung bringen. Maßnahmen des
Landesprogramm Diversity – wie die Einführung positiver Maßnahmen zur Bekämpfung von
Ungleichbehandlung – wollen wir eine gesetzliche Grundlage geben. Die LADG-Ombudsstelle muss
endlich personell gestärkt werden. Wir wollen, dass sie auch in der personellen Ausstattung
als eigene Behörde nach dem Vorbild der Datenschutz- oder des Polizeibeauftragten
aufgestellt wird.
Wir stellen uns entschieden gegen jeden Antisemitismus, gegen alle Formen von Rassismus und
Diskriminierung. Im Kampf gegen Diskriminierung gibt es weniger ein Erkenntnis- als ein
Umsetzungsproblem. Wir wollen, dass das noch in der vergangenen Wahlperiode beschlossene
„Berliner Landeskonzept zur Weiterentwicklung der Antisemitismus-Prävention“ konsequent für
alle Bereiche angewandt wird – und wo Schutzlücken bestehen, diese konzeptionell geschlossen
werden. Dazu gehören insbesondere die Bereiche Bildung und Schule, Hochschule sowie
Opferschutz und Prävention. Hier braucht es verlässliche Strukturen gegen Diskriminierung,
die Antisemitismus besonders berücksichtigen. Die schwarz-rote Koalition verliert sich hier
in Symboldebatten, statt die grundsätzliche Arbeit gegen Antisemitismus zu stärken und
auszubauen. Trotz vollmundiger Ankündigungen hat die Koalition die zivilgesellschaftlichen
Beratungs-, Anlauf- und Präventionsprojekte gegen Antisemitismus bislang im Regen stehen
lassen. Seit dem 7. Oktober 2023 leisten sie noch einmal vermehrt Beratung und
Aufklärungsarbeit an Schulen oder beraten für von Antisemitismus Betroffene als
Anlaufstellen, oftmals mit immensen Überstunden oder sogar unbezahlt. Sie benötigen dringend
eine Aufstockung ihrer Förderung, damit die erhebliche Mehrarbeit unterstützt und gewürdigt
wird. Das Beratungs- und Empowerment-Angebot wollen wir im engen Austausch mit der
Zivilgesellschaft weiterentwickeln. Dabei nehmen wir insbesondere den Umgang mit sozialer
Ausgrenzung, Klassismus und Diskriminierung im digitalen Kontext, etwa im Zuge des Einsatzes
von Algorithmen und Künstlicher Intelligenz, in den Blick und begegnen auch den (psycho-
)sozialen und gesundheitlichen Auswirkungen von Diskriminierung systematisch.
Bestimmte Formen der Diskriminierung von gesellschaftlichen Gruppen haben bislang zu wenig
Aufmerksamkeit erfahren. Hier wollen wir Erkenntnislücken durch Studien und den Berlin
Monitor schließen – und zivilgesellschaftliche Empowerment- und Beratungsstrukturen
einrichten. Dazu gehören asiatisch gelesene Menschen oder bisexuelle Berliner*innen. Hinzu
kommen Programme, die besonders marginalisierte Gruppen stärken, wie der Aktionsplan zur
Einbeziehung ausländischer Rom*nja oder die Initiative geschlechtliche und sexuelle Vielfalt
(IGSV). Wir erwarten vom Senat auch ein stärkeres und entschiedeneres Handeln gegen
Rassismus. Dazu fordern wir die zeitnahe Einsetzung eine*r Beauftragten gegen Antiziganismus
sowie die Schaffung der Stelle einer*eines Beauftragten gegen antimuslimischen sowie gegen
anti-Schwarzen Rassismus. Außerdem fordern wir die zeitnahe und senatsübergreifend
koordinierte Umsetzung der Handlungsempfehlungen der Expert*innenkommission Antimuslimischer
Rassismus, wie z.B. die Abschaffung des Neutralitätsgesetzes.
Wir wollen die Antidiskriminierungsarbeit stärker horizontal ausrichten und intersektional
um neue gesellschaftliche Handlungsfelder erweitern. Mit der Fachstelle gegen
Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt „FairMieten – FairWohnen“ haben wir Bündnisgrüne dafür
in der letzten Wahlperiode ein Modellprojekt etabliert. Eine entsprechende Forschungs-,
Dokumentations- und Beratungsstelle fordern wir nun auch für den Gesundheits- und
Pflegebereich, für den Hochschul- und Wissenschaftsbereich und für den Bereich der KI-
Anwendungen ein. Zudem muss endlich die zivilgesellschaftliche Forderung nach Einrichtung
einer „Unabhängigen Beschwerdestelle gegen Diskriminierung an Schule“ (UBS) erfüllt werden.
Die Ziele der „UN-Dekade für Menschen afrikanischer Herkunft“ müssen auch über 2024 hinaus
verstetigt und umgesetzt werden. Wir fordern die Verlängerung des Umsetzungszeitraums dieser
Dekade, die aufgrund von coronabedingten Einschränkungen nicht vollends ausgeschöpft wurde.
Der Maßnahmenplan aus dem zivilgesellschaftlich getragenen Konsultationsprozess,
insbesondere die Einrichtung eines Studiengangs Black European Intersectional Studies, muss
umgesetzt werden.
Die Verteidigung der Demokratie: eine Aufgabe für die ganze Gesellschaft!
Wir wissen, um unser aller Demokratie zu verteidigen, braucht es ein Bündel von Maßnahmen.
Jede*r von uns steht in der Pflicht, sich für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung
einzusetzen: auf der Straße, am Arbeitsplatz, in der Schule, im Sportverein – aber auch in
der Politik und der Verwaltung. Berlin ist eine weltoffene Stadt, die von der Vielfalt der
Menschen lebt. Wir bekennen sich klar zu dieser Vielfalt und stellen uns rechtsextremen
Strukturen entgegen. Nur ein sicheres Berlin für alle ist ein gerechtes Berlin.
Unterstützer*innen
- Catrin Wahlen (KV Berlin-Treptow/Köpenick)
- Catherina Pieroth-Manelli (KV Berlin-Tempelhof/Schöneberg)
- Christoph Wapler (KV Berlin-Charlottenburg/Wilmersdorf)
- Susanna Kahlefeld (KV Berlin-Neukölln)
- Stefan Taschner (KV Berlin-Lichtenberg)
- Daniela Ehlers (KV Berlin-Lichtenberg)
- Jenny Laube (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Johannes Mihram (KV Berlin-Mitte)
- Christoph Lorenz (KV Berlin-Steglitz/Zehlendorf)
- Jan Schmid (KV Berlin-Tempelhof/Schöneberg)
- Birgit Vasiliades (KV Berlin-Steglitz/Zehlendorf)
- Daniel Eliasson (KV Berlin-Steglitz/Zehlendorf)
- Tobias Jahn (KV Berlin-Mitte)
- Michael Servatius (KV Berlin-Mitte)
- Jonathan Morsch (KV Berlin-Steglitz/Zehlendorf)