Dieser Änderungsantrag ist im Zusammenhang mit dem Änderungsantrag L-1-202-2 zu verstehen.
Der Verfassungsschutz leistet einen unverzichtbaren Beitrag zum Schutz unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Seinen Auftrag hat der Verfassungsgesetzgeber im Grundgesetz selbst geregelt. Die Möglichkeit nachrichtendienstlicher Beobachtung verfassungsfeindlicher Bestrebungen ist dabei Ausfluss des Prinzips der „streitbaren“ oder „wehrhaften Demokratie“, das gewährleisten soll, dass Verfassungsfeinde nicht unter Berufung auf die Freiheiten, die das Grundgesetz gewährt, und unter ihrem Schutz die Verfassungsordnung oder den Bestand des Staates gefährden, beeinträchtigen oder zerstören (vgl. BVerfGE 2, 1 <11 ff.>; 5, 85 <138 f.>; 28, 36 <48>; 30, 1 <18 f.>; 40, 287 <292>; 134, 141 <179 ff. Rn. 109-117>).
Diesem Auftrag kommt der Verfassungsschutz nach.
So bildeten seine Informationen beispielsweise die Grundlage für zahlreiche Vereinsverbote. Seit 1990 wurden allein 19 Verbote im Phänomenbereich Rechtsextremismus ausgesprochen. Die Diskussion über ein mögliches Verbot der AfD zeigt zusätzlich, wie zentral die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes sind. Es ist hoch relevant für politische Entscheider, ob die Verfassungsschutzämter die Partei als Verdachtsfall oder als gesichert rechtsextrem einstufen.
Auch konkrete Gefahren für die Menschen, die in Deutschland leben, konnten durch das Handeln des Verfassungsschutzes abgewendet werden. Nach Angaben des BKA verhinderten die Sicherheitsbehörden zwischen 2010 und 2023 allein achtzehn islamistische Anschläge in Deutschland. Im Zeitraum vom 1. Januar 2022 bis zum 20. Januar 2024 verhinderten die Sicherheitsbehörden nach restriktiver Zählweise mindestens vier terroristischen Anschläge - einen aus dem rechtsextremen Spektrum und drei aus dem Spektrum der religiösen Ideologie (BTDrs. 20/10396, S.3).
Die über zehn Jahren andauernden völkerrechtswidrigen Kriegshandlungen Russlands gegen die Ukraine und Russlands vollumfänglicher völkerrechtswidriger Angriffskrieg haben die Sicherheitslage auch in Deutschland verschärft. Auch diesbezüglich ist der Verfassungsschutzverbund aktiv: Seine Erkenntnisse der Spionageabwehr bildeten die Grundlage für die Ausweisung zahlreicher russischer Geheimdienstmitarbeiter. Auch die vielen strafrechtlichen Verfahren wegen russischer Spionagevorwürfe wären ohne die Aufklärungsarbeit der Verfassungsschutzämter nicht denkbar. Wie ernst die Gefahr ist, belegen die Berichte über die Festnahme zweier Männer in Bayreuth im April dieses Jahres, denen vorgeworfen wird, Vorbereitungen für Anschläge getroffen zu haben. Cyberangriffe und Desinformationskampagnen nehmen in diesem Zusammenhang ebenfalls zu. Auch hier leistet der Verfassungsschutz einen Beitrag, diesen Gefahren frühzeitig zu begegnen.
Doch dem Verfassungsschutz sind in der Vergangenheit teils schwere Fehler unterlaufen - die jahrelang unerkannte rechtsterroristische Mordserie des NSU und der nicht verhinderte islamistische Anschlag am Breitscheidplatz sind die wohl gravierendsten Fälle des Versagens. Dass zudem eine nunmehr wohl selbst vom Verfassungsschutz beobachtete Person langjährig als Präsident an der Spitze des Bundesamtes stand, ist schlicht erschreckend.
Diese Fehler haben zu - teils weitreichenden - Veränderungen organisatorischer, personeller und rechtlicher Art geführt. So wurde etwa die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste ausgebaut, der Einsatz von V-Leuten neu ausgestaltet, eine intensivere Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden angestoßen und die „interkulturelle Kompetenz“ bei Verfassungsschutz und Polizei gestärkt. Auch ein neues Bewertungstool zur Einstufung von Gefährdern wurde eingeführt und das Gemeinsame Terrorabwehrzentrum reformiert. Wir sehen aber weiteren Reformbedarf. In Berlin fehlt insbesondere ein Gesetz, in dem die parlamentarischen Kontrollrechte klar und umfassend geregelt werden. Nur eine starke parlamentarische Kontrolle kann aber die demokratische Legitimation der Arbeit des Berliner Verfassungsschutzes gewährleisten.
Den Verfassungsschutz abzuschaffen, wäre demgegenüber eine sicherheitspolitisch gefährliche Fehlentscheidung. Denn wenn man die Behörde abschafft, die für die Früherkennung extremistischer Gefahren zuständig ist, stünde bereits zu diesem Zeitpunkt fest, dass der nächste NSU nicht frühzeitig erkannt wird. Dies wäre dann aber kein Versagen der Sicherheitsbehörden, sondern die Verantwortung des Gesetzgebers.