Veranstaltung: | LDK am 04. Mai 2024 |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 10 Verschiedenes |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landesdelegiertenkonferenz |
Beschlossen am: | 04.05.2024 |
Antragshistorie: | Version 2 |
Wasserversorgung in Berlin sichern: sofortige Maßnahmen gegen PFAS im Wasserwerk Tegel einleiten
Beschlusstext
Die ernsthafte Problematik der PFAS-Kontamination im Grundwassereinzugsgebiet
des Wasserwerks Tegel stellt nicht nur eine direkte Bedrohung für die
Trinkwasserversorgung dar, sondern hat auch weitreichende Auswirkungen auf die
lokale Umweltgesundheit.
PFAS (per- und polyfluorierte Alkylverbindungen) sind als sogenannte
Ewigkeitschemikalien bekannt dafür, sich in der Natur nicht abzubauen. Diese
Chemikalien stehen seit einiger Zeit im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit,
da sie sich nachweislich in Blut, Leber oder Niere anreichern und dort toxisch
wirken. Sie vermindern die Impfansprache vor allem bei Kleinkindern und haben
auch einen negativen Einfluss auf das Geburtsgewicht von Neugeboren. Des
Weiteren stehen sie unter anderem im Verdacht, Hormone der Schilddrüse zu
beeinflussen sowie Krankheiten wie Parkinson und Alzheimer zu begünstigen. Es
gibt zahlreiche weitere Verdachtsfolgen.
Die Verwendung von PFAS in verschiedenen Produkten wie Textilien, Löschschäumen,
Kälte- und Treibmitteln sowie bestimmten Papier- und Druckerzeugnissen hat zu
einer weitverbreiteten Kontamination von Oberflächenwasser in Deutschland
geführt. Die EU-Chemikalienstrategie verlangt seit Oktober 2021 das Verbot von
PFAS in verschiedenen Anwendungen, darunter auch in Feuerlöschschäumen. Daran
anschließend trat im Februar 2023 innerhalb der EU ein Verbot für etwa 200 PFAS
gemäß der geänderten REACH-Verordnung in Kraft.
Situation im Wasserwerk Tegel
Die Situation im Wasserwerk Tegel ist äußerst besorgniserregend. Durch sensible
Analysetechnik wurden 2021 stark erhöhte PFAS-Werte in 42 von 131 Brunnen
detektiert, was 30% der Gesamtfördermenge des Wasserwerks entspricht. Die
gemessenen Werte liegen zwar noch unterhalb des aktuellen Leitwerts von 100 ng/l
des Umweltbundesamts (UBA). Allerdings wurde im Juni 2023 eine neue
Trinkwasserverordnung erlassen, die einen deutlich niedrigeren Grenzwert für
PFAS-4 von 20 ng/l festlegt, der ab Januar 2028 gelten wird.
Eintragsquellen sind diverse Standorte auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens
Tegel. Als Hauptquelle der Kontamination wurde ein ehemaliges Löschübungsbecken
auf dem militärisch genutzten Teil des ehemaligen Flughafens Tegel
identifiziert. Dort führte die Flughafenfeuerwehr von 1976 bis 1999 Löschübungen
durch, bei denen PFAS-haltige Feuerlöschschäume verwendet wurden. Der
zweithöchste Eintrag fand auf dem zivilen Geländeareal an der Feuerwache Süd
statt. Nach aktuellem Wissenstand sind die sanierungspflichtigen Zustandsstörer
die Bundeswehr bzw. Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Löschübungsbecken) und
die Tegel Projekt GmbH bzw. das Land Berlin (Feuerwache Süd).
Schon im Jahr 2014 informierten die Berliner Wasserbetriebe erstmals die
Altlastenbehörde über nachgewiesene PFAS-Belastungen im Grundwasseranstrom des
Wasserwerks Tegel aus Richtung des ehemaligen Flughafengeländes. Trotz dieses
langjährigen Wissens wurden bisher weder von den Verursachern der Kontamination
(Bundeswehr und Tegel Projekt GmbH) noch von der Altlastenbehörde als
zuständiger Landesbehörde angemessene Schritte unternommen, um die PFAS-
Kontamination zu beseitigen. Da außerdem keine Sicherungs- oder
Sanierungsmaßnahmen im Vorfeld des Wasserwerks bestehen, strömt das
kontaminierte Grundwasser weiterhin ungehindert auf die Brunnen der Berliner
Wasserbetriebe zu.
Die Berliner Wasserbetriebe haben zwar reagiert und erste Maßnahmen ergriffen,
darunter das verstärkte Betreiben bestimmter Brunnen zur Fokussierung der
Schadstofffahne und der Betrieb einer Aufbereitungsanlage mit Aktivkohle zur
Adsorption von PFAS aus dem Grundwasser. Die Anlage bietet aber keine
langfristige Lösung. Denn weiterhin kommt es in 34 Brunnen zur Überschreitung
des künftigen Grenzwertes, ab 2028 ist dies aber nicht mehr zulässig. Besonders
in den Sommermonaten sind die Berliner Wasserbetriebe auf diese Brunnen
angewiesen, um den Wasserbedarf der Bevölkerung zu decken. Deshalb ist die
Wasserversorgung Berlins akut gefährdet.
Erforderliche Maßnahmen, um das Problem langfristig zu lösen, sind:
- Erstens bedarf es einer umfassenden Bodensanierung der identifizierten
Hotspots.
- Zweitens ist die Errichtung eines "Schutzwalls" dringend notwendig. Dieser
soll aus Abwehrbrunnen und Aufbereitungsanlagen bestehen. Ziel ist es, die
Brunnengalerie des Wasserwerks Tegel effektiv zu schützen.
- Drittens müssen weitere Messstellen im Vorfeld der Brunnengalerien gebaut
werden, damit weitere erforderliche Standorte für Abwehrbrunnen bzw.
Aufbereitungen identifiziert werden.
Forderungen:
Wir fordern daher die Altlastenbehörde auf, die Verantwortlichkeit der
Bundeswehr sowie der Tegel Projekt GmbH für die PFAS-Kontamination offiziell
festzustellen und rechtliche Schritte zur Haftbarmachung einzuleiten.
Des Weiteren fordern wir die Altlastenbehörde, die Senatsverwaltung für
Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt sowie den gesamten Senat auf,
schnellstmöglich die nötigen Schritte (s.o.) einzuleiten.
Es ist von höchster Wichtigkeit, dass alle relevanten Parteien kooperieren, um
die Wasserversorgung Berlins nachhaltig zu schützen und insbesondere die PFAS-
Kontamination am Wasserwerk Tegel effektiv zu bewältigen.
Des Weiteren muss das Thema PFAS mit höherer Priorität behandelt werden. Hierfür
ist ein umfangreiches Monitoring im gesamten Einzugsgebiet der Berliner
Wasserbetriebe erforderlich, um weitere PFAS-Hotspots zu identifizieren. Im
Anschluss müssen geeignete Maßnahmen ergriffen werden, um diese Altlasten zu
beseitigen.