Veranstaltung: | LDK am 30. November 2024 |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 9 Verschiedenes |
Antragsteller*in: | LAG-Bildung (dort beschlossen am: 17.10.2024) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 20.10.2024, 15:26 |
V-6: Frühe Bildung stärken
Antragstext
Bildung erfolgt an vielen Orten: direkt in der Familie, durch das soziale Umfeld, in der
Kindertagesbetreuung oder Kindertagesstätte (Kitas). Dass neben finanziellen, sozialen und
gesundheitlichen Rahmenbedingungen qualitativ hochwertige öffentliche Bildungsangebote für
die Entwicklung unserer Kinder zentral sind, zeigt sich nicht zuletzt im Bereich der
sprachlichen Entwicklung. Nach Paragraph 55 Schulgesetz haben Kinder, die keine Kita
besuchen, ein Recht auf Sprachtestung und bei Defiziten auf gezielte Sprachförderung. Leider
haben wir hier ein großes Umsetzungsproblem. Nur grob die Hälfte der Kinder wird überhaupt
getestet und bei Bedarf sind Kitaplätze rar. Der Zustand in den eigens eingerichteten
Sprachlerngruppen ist oft nicht kindgerecht. Nicht nur deswegen bleibt der quantitative
Ausbau der Betreuungsplätze wichtig, reicht jedoch allein nicht aus: Obwohl der Staat jedes
Jahr mehr für Kinderbetreuung ausgibt, zeigen die Einschulungsuntersuchungen in unseren
Bezirken, dass es vielen Kinder vor Schuleintritt an Basiskompetenzen mangelt.
Um die Wirksamkeit des Berliner Bildungsprogramms zu erhöhen, wollen wir in Zukunft prüfen,
ob das Berliner Bildungsprogramm im pädagogischen Konzept der jeweiligen
Kindertageseinrichtung nicht nur aufgenommen, sondern tatsächlich umgesetzt wurde. Die
Prüfung soll anhand von zentral vorgegebenen aussagekräftigen Kriterien erfolgen, wobei zu
beachten ist, dass es in den Einrichtungen individuelle Konzepte geben kann und soll. Die
Umsetzung des Bildungsprogramms soll Voraussetzung für die öffentliche Förderung sein.
Gelingen kann dies nur mit motivierten und qualifizierten Fachkräften. Wir haben momentan
Fachkräfte im System, die dringend Fortbildungen benötigen. Dafür muss das Land Berlin eine
Qualifizierungsstrategie entwickeln. Analog zu den Schulen benötigen wir in den Kitas
multiprofessionelle Teams für eine qualifizierte Betreuung und Förderung, vor allem in den
Kiezen mit besonderen Herausforderungen.
Da sowohl im Schulgesetz als auch im Kindertagesstättenförderungsgesetz die beiden
Bildungsinstitutionen Schule und Kita nicht systematisch als Institutionen eines gemeinsamen
Bildungssystems in Beziehung gesetzt werden, sollen in beiden Gesetzen beide
Bildungsinstitutionen als Teile unseres dreistufigen Bildungssystems (Elementar-, Primar-
und Sekundarstufe) genannt werden.
Wir möchten das Kindertagesstättenförderungsgesetz so ändern, dass die Vorbereitung auf die
nächsten Lebensabschnitte der Kinder, die Schule und später die Arbeitswelt, ausdrücklich
genannt wird. Dabei möchten wir betonen, dass es uns als Bündnis 90/Die Grünen nicht um
bloße „Schulreadiness“ geht, sondern um die Stärkung der Kinder in allen im Bildungsprogramm
genannten Kompetenzen.
Die Ergebnisse der Sprachstandsfeststellungen in den Kitas müssen bei den betroffenen
Kindern wirksam werden. Für sie muss ein Sprachförderplan entwickelt und umgesetzt werden.
Nach einem Jahr soll eine erneute Sprachstandsfeststellung erfolgen, um die Entwicklung
beurteilen und die Förderung entsprechend anpassen zu können. Die Kitas sind personell so
aufzustellen,dass Kinder, die mindestens drei Jahre die Kita besucht haben, beim Übergang in
die Schule eine altersgemäße Sprachentwicklung erreicht haben.
Kinder ohne Kitaplatz bringen schlechtere Sprachkenntnisse, vor allem in deutscher Sprache,
mit als Kinder, die vorher eine Kita besucht haben. Das bestätigen viele Erhebungen. Dienach
§55 SchulG Pflicht zur Sprachstandsfeststellung und die evtl. notwendige Förderung muss
endlich ohne Einschränkungen umgesetzt werden.
Die von der Schwarzroten Koalition beschlossene Reform, die Zahl der Sprachförderstunden von
fünf auf sieben zu erhöhen, ist hierfür bei weitem nicht ausreichend und verdient den Namen
„Kitachancenjahr“ nicht. Der Zeitpunkt der Sprachstandsfeststellung muss weiter vorgezogen
und die Eltern besser aufgeklärt werden.
Migrant*innen-Communities sollen konzeptionell und praktisch an der Sprachförderung in den
Kitas beteiligt werden. Vor allem braucht es für die Kinder mit Sprachförderbedarf
ausreichend Kitaplätze mit zusätzlicher Sprachförderung, die die nicht kindgerechten
Sprachfördergruppen, die aus Platzmangel entstanden sind, ersetzen.
Zur Förderung der Mehrsprachigkeit möchte Bündnis 90/DIE GRÜNEN Berlin, dass die
Erstsprachen incl. der Gebärdensprache in allen Berliner Kitas systematisch erfasst werden.
Es braucht Methoden zur systematischen Förderung der Erstsprachen, z.B. Translanguaging,
sowie die Anwendung der Fördermethoden der Sprach-Kitas auch für die nicht-deutschen
Erstsprachen in der Kita-Praxis. Wir möchten die Zahl echter bilingualer Kitas in
staatlicher Trägerschaft erweitern und dass die Sprachstandsfeststellungen auch für die
nicht-deutschen Erstsprachen durchgeführt werden.
Kita-Sozialarbeit und die Bündelung von familienunterstützenden Angeboten und frühen Hilfen
an Kita-Standorten nutzt die Ressourcen der Sozialräume in unseren Kiezen und fördert
Chancengerechtigkeit. Wir fordern daher einen weiteren zielgerichteten Ausbau der Kita-
Sozialarbeit in den sozial herausfordernden Lagen und Kiezen der Stadt.
Die räumliche Bündelung von verschiedenen Unterstützungsangeboten, wie der sozialen
Beratung, der Erziehungsberatung, Gesundheitsangeboten und Angeboten der frühen Hilfen und
der Stadtteilmütter in der Nähe oder gekoppelt an Kita-Standorte baut dabei
Zugangshindernisse und Hemmschwellen ab und führt zu einer höheren Akzeptanz des
Tagesbetreuungsangebot.
Der quantitative Kitaplatzausbau der vergangenen Jahre ist eine wichtige bildungs- und
familienpolitische Errungenschaft und sorgt zusammen mit der zurückgehenden Geburtenrate in
manchen Bezirken für einen allmählichen Rückgang des Platzmangels. Die bleibenden Engpässe
stellen Berliner Eltern jedoch nach wie vor tagtäglich vor Herausforderungen: Sie klagen
über Ausfall, überlastete Fachkräfte und generell Schwierigkeiten, einen Platz zu finden.
Um im Sinne des Kita-Entwicklungsplans einen niedrigschwelligen Zugang zu Kitaplätzen zu
gewährleisten, müssen die bestehenden Hürden bei der Suche nach einem Kitaplatz weiter
abgebaut werden. Dies gilt insbesondere für Familien in schwierigen Lagen. Die Unterstützung
z.B. durch Stadtteilmütter, frühe Hilfen, den Kinder- und Jugendgesundheitsdienst sowie
Angebote der Familienzentren und Familienservicebüros muss ausgebaut und besser bekannt
gemacht werden. Zudem muss sichergestellt werden, dass Familien bei Bedarf Unterstützung bei
der Antragstellung auch in ihrer Herkunftssprache erhalten.
Die Vergabe von Kita-Gutscheinen mussdurchEntbürokratisierung und Digitalisierung
vereinfacht werden. Anders als der CDU-Senat wollen wir den Kita-Gutschein schon zum ersten
Geburtstag automatisch allen Eltern zugehen lassen. Es muss sichergestellt werden, dass
Familien mit einem Teilzeitgutschein gegenüber Familien mit einem Vollzeitgutschein bei der
Kitaplatzsuche nicht benachteiligt werden.
Insbesondere in Bezirken in herausfordernden sozialen Lagen müssen zudem Plätze weiter
ausgebaut werden. Es kann nicht sein, dass gerade in den Stadtteilen, in denen die meisten
benachteiligten Eltern wohnen, die Kitaplätze am rarsten gesät sind.Nötig sind weitere
Hilfen und spezielle Maßnahmen, um die Barrierefreiheit und die Verfügbarkeit von Plätzen
für Kinder mit Behinderungen zu gewährleisten.
Der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz ab dem vollendeten erstenLebensjahr gilt auch für
Kinder, die nicht im Sommer geboren sind, sondern z.B. ab Januar einen Platz benötigen.
Dafür müssen die einkalkulierten Vakanzen so festgelegt und gegenfinanziert werden, dass der
Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz auch bei unterjährigem Betreuungsbeginn gewährleistet
ist.