Veranstaltung: | LDK am 30. November 2024 |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 9 Verschiedenes |
Antragsteller*in: | Shirin Kreße (KV Berlin-Mitte) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 25.10.2024, 23:43 |
V-19: Inklusion leben: Teilhabe für Menschen mit Behinderung in Parteistrukturen schaffen
Antragstext
Menschen mit Behinderung machen einen großen Anteil der Bevölkerung aus. Dennoch sind sie in
parteipolitischen Engagement unterrepräsentiert. Im Sinne der Förderung der Inklusion und
der Umsetzung des Anspruchs an Teilhabe für Menschen mit Behinderungen, fordern wir den
Landesvorstand auf folgende Maßnahmen umzusetzen:
Der Landesvorstand wird aufgefordert, einen Satzungsänderungsantrag vorzubereiten und zur
nächsten Landesdelegiertenversammlung einzubringen, der vorsieht, dass jeder fünfte
Listenplatz bei der Aufstellung der Listen für die Abgeordnetenhauswahlen Menschen mit
Behinderungen vorbehalten wird.
Darüber hinaus soll der Landesvorstand eine Mitgliederbefragung durchführen, die die
aktuellen Bedarfe von Menschen mit Behinderungen abfragt und daraus Maßnahmen ableitet, um
die Parteistrukturen inklusiver zu gestalten. Diese Maßnahmen müssen zeitnah umgesetzt
werden.
Mindestens allerdings müssen folgende Maßnahmen umgesetzt werden:
Ansprechperson bei Veranstaltungen: Bereitstellung einer Ansprechperson für Anliegen
von Menschen mit Behinderungen während allen Veranstaltungen.
Pausen bei langen Veranstaltungen: Einführung von regelmäßigen Pausen als Teil der
Tagesordnung bei längeren Veranstaltungen zur Ermöglichung von Erholung.
Begrenzung der Veranstaltungsdauer: Die Länge von Veranstaltungen muss begrenzt
werden, um Überlastung zu vermeiden. Maximal darf eine Veranstaltung nicht über 6
Stunden inhaltliche Arbeit hinausgehen.
Ruheräume: Einrichtung von Ruheräumen, die den Teilnehmer*innen die Möglichkeit
bieten, sich zurückzuziehen, ohne von der Veranstaltung abgeschnitten zu sein. Das
Abstimmen bei beispielsweise Anträgen muss weiterhin möglich sein.
Broadcast Signal Channel: Implementierung eines Broadcast Signal Channels für Updates
während der Veranstaltungen.
Digitaler Zugang: Bereitstellung eines digitalen Zugangs mit Livestream und
Untertiteln für alle Veranstaltungen.
Kopfhörer: Bereitstellung von Kopfhörern mit Noise Cancelling und angepasster Tonspur
für bessere Verständlichkeit.
Beleuchtung: Sicherstellung, dass die Beleuchtung in den Veranstaltungsräumen nicht
blendend ist.
Sitzmöglichkeiten: Bereitstellung von Sitzmöglichkeiten in den Ecken der Räume, nicht
nur in der Mitte.
Fond für barrierearme Veranstaltungen: Einrichtung eines Fonds zur Förderung
barrierearmer Veranstaltungen für die Kreisverbände und die baulichen Anpassungen für
barrierefreien Zugang zu Kreisgeschäftsstellen.
Detaillierte Informationen: Bereitstellung von genauen Informationen über Ort,
Umgebung, Anreise, Ablauf, Essensmöglichkeiten und Tagesordnung, inklusive einer
Beschreibung jedes Tagesordnungspunktes, vor den Veranstaltungen.
Wasserstationen: Einrichtung von Wasserstationen, an denen Teilnehmer kostenlos und
ohne soziale Interaktion Wasser entnehmen können.
Volldeklaration der Zutaten: Gut lesbare Volldeklaration der Zutaten im Essensangebot,
die bereits vor der Essensausgabe verfügbar ist.
Essenskontingent: Es muss bei langen Veranstaltungen wie Landesdelegiertenkonferenzen
oder Landesmitgliederversammlungen mindestens ein Kontingent an kostenlosem Essen zur
Verfügung stehen, das niedrigschwellig abrufbar ist für Menschen, die darauf
angewiesen sind.
Vernetzungstreffen: Durchführung von Vernetzungstreffen für Menschen mit Behinderungen
vor den Veranstaltungen, um den Austausch zu fördern.
Social Media: Bereitstellung von Schulungen für alle Verantwortlichen von Grünen
Parteiaccounts.
Barrierefreier Zugang: Die Landesgeschäftsstelle muss barrierefrei zugänglich gemacht
werden oder im Falle, dass dies nicht möglich ist, müssen alternative Räumlichkeiten
mit barrierefreiem Zugang gefunden werden.
Begründung
Laut UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) gehören zu der Gruppe von Menschen mit Behinderungen alle „Menschen die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können.“
Darüber hinaus definiert die Konvention: Die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen ist ein Menschenrecht, kein Akt der Fürsorge oder Gnade. Die UN-BRK stellt dies klar und konkretisiert damit grundlegende Menschenrechte für die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen. Sie erfasst Lebensbereiche wie Barrierefreiheit, persönliche Mobilität, Gesundheit, Bildung, Beschäftigung, Rehabilitation, Teilhabe am politischen Leben, Gleichberechtigung und Nichtdiskriminierung.
Zum Jahresende 2023 lebten in Deutschland rund 7,9 Millionen Menschen mit Schwerbehinderung. Als schwerbehindert gelten Personen, denen die Versorgungsämter einen Behinderungsgrad von mindestens 50 zuerkannt sowie einen gültigen Ausweis ausgehändigt haben. Bezogen auf die Gesamtbevölkerung zum Jahresende 2023 waren 9,3 % der Menschen in Deutschland schwerbehindert. Menschen mit einem Grad der Behinderung unter 50 werden nicht erfasst.
Diese Zahlen zeigen, dass ein erheblicher Anteil der Bevölkerung von Behinderung betroffen ist. Doch es gibt zahlreiche Hinweise darauf, dass die tatsächliche Zahl von Menschen mit Behinderungen höher ist – es gibt eine große Dunkelziffer, die in den offiziellen Statistiken nicht vollständig erfasst wird. Gründe hierfür sind mitunter hohe bürokratische Hürden der Antragstellung zum Grad der Behinderung und der oft langwierige Prozess, den angemessen Grad der Behinderung genehmigt zu bekommen.
Menschen mit Behinderungen sind extrem unterrepräsentiert in parlamentarischer Politik. Einen statistischen Beweis dafür bietet beispielsweise die Vielfaltsstudie der Heinrich-Böll-Stiftung von 2022, die bei einer Befragung unter Kommunalpolitiker*innen herausfand, dass nur 2% eine amtlich bestätigte Behinderung hatten. Dies liegt weit unter dem Anteil in der Bevölkerung.
Die Forderung nach einer strukturell festgelegten Teilhabe an politischen Mandaten in Form einer Quote für Menschen mit Behinderungen ist ein notwendiger Schritt hin zu einer inklusiveren Gesellschaft. Es ist der einzige Weg echte politische Teilhabe, ein durch die UN-BRK definiertes Menschenrecht, tatsächlich umzusetzen. Dies ist unumgänglich, solange die Strukturen unserer Partei diese Teilhabe noch nicht selbstständig schaffen. Wir wissen, dass nur durch die Perspektive Betroffener die Bedarfe von Menschen mit Behinderung authentisch vertreten werden können.
Die Forderung einer Quote geht über bloße Repräsentationsfragen hinaus. Sie ist das Anerkennen der konkreten Menschenrechte und der Gleichberechtigung von Menschen mit Behinderungen.
Es ist klar, dass eine Quote nie das Ziel, sondern nur ein Mittel zum Zweck ist, bis strukturelle Teilhabe realisiert wird. Deshalb ist die Durchführung einer Mitgliederbefragung essenziell, um die aktuellen Bedarfe von Menschen mit Behinderungen in unserer Partei zu ermitteln. Dadurch können geeignete Maßnahmen zur Verbesserung von Parteistrukturen entwickelt werden, in denen auch sichergestellt werden kann, dass die Lösungen den tatsächlichen Bedürfnissen der Mitglieder entsprechen. Um der Vielfältigkeit der Bedarfe von Menschen mit Behinderungen gerecht werden zu können, sollte eine regelmäßige Wiederholung der Befragung angestrebt werden.
Dennoch sind die bereits im Antrag aufgeführten Maßnahmen, welche durch Betroffene zusammengetragen wurden, ein erster Schritt Teilhabe zu verbessern. Zugang zu politischer Entscheidungsfindung beginnt bei Veranstaltungen. Die vorgeschlagenen Maßnahmen zielen darauf ab, Barrieren abzubauen, damit eine Teilhabe an Parteiveranstaltungen überhaupt möglich wird.
Durch die Umsetzung dieser Maßnahmen kann unsere Partei nicht nur als Vorbild für Inklusion fungieren, sondern auch die Lebensrealitäten von Menschen mit Behinderungen aktiv verbessern. Dies ist nicht nur eine moralische Verpflichtung, sondern ein notwendiger Schritt hin zu einer gerechteren und demokratischeren Gesellschaft.
Es ist an der Zeit, dass unsere politischen Strukturen die Vielfalt unserer Gesellschaft widerspiegeln. Lasst es uns angehen!
Unterstützer*innen
- Hacer Aydemir (KV Berlin-Mitte)
- Catrin Wahlen (KV Berlin-Treptow/Köpenick)
- Annkatrin Esser (KV Berlin-Treptow/Köpenick)
- Jenny Laube (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Lilly Aepfelbach (KV Berlin-Reinickendorf)
- Sven Drebes (KV Berlin-Mitte)
- Jian Omar (KV Berlin-Mitte)
- Jan Schmid (KV Berlin-Tempelhof/Schöneberg)
- Christoph Lorenz (KV Berlin-Steglitz/Zehlendorf)
- Sophie Alice Grebner (LV Grüne Jugend Berlin)
- Moritz Wiechern (KV Berlin-Reinickendorf)
- Elisabeth Giesemann (KV Berlin-Lichtenberg)
- Tobias Jahn (KV Berlin-Mitte)
- Chantal Münster (KV Berlin-Kreisfrei)
- Johannes Mihram (KV Berlin-Mitte)
- Louis Krüger (KV Berlin-Pankow)
- Lars Klaus Aßhauer (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Birger Dölling (KV Berlin-Mitte)
- Lela Sisauri (KV Berlin-Mitte)
- Silas Rooß (KV Berlin-Mitte)
- Janine Räthke (KV Berlin-Mitte)
- Jelena Gregorius (KV Berlin-Mitte)
- Wolfgang Schmidt (KV Berlin-Kreisfrei)
- Mascha Brammer (KV Berlin-Mitte)
- Friederike Schwebler (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Barbara Wünsche (KV Berlin-Lichtenberg)
- Dante Esteban Davis (KV Berlin-Lichtenberg)
- Linda Guzzetti (KV Berlin-Kreisfrei)
- Joana Zühlke (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Jonas Graeber (KV Berlin-Kreisfrei)
- Merieme Benali-Jockers (KV Berlin-Reinickendorf)
- Teresa Krause (KV Berlin-Steglitz/Zehlendorf)
- Luisa Böldt (LV Grüne Jugend Berlin)
- Leonie Wingerath (KV Berlin-Neukölln)