Antrag: | Islamismus: Bekämpfung und Prävention neu aufstellen |
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Antragsteller*in: | Vasili Franco (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg) |
Status: | Geprüft |
Eingereicht: | 19.11.2024, 13:25 |
V-10-001-2: Islamismus: Bekämpfung und Prävention neu aufstellen
Titel
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Extremismusprävention und Deradikalisierung bei der Islamismusbekämpfung nicht gefährden
Antragstext
Der Islamismus ist als Form des religiösen Extremismus eine Gefahr und Bedrohung für die offene und vielfältige Gesellschaft. In den letzten Jahren rückte die Bekämpfung islamistischen Terrors verstärkt in den Fokus der Sicherheitsbehörden. Genauso relevant war damit einhergehend die Etablierung einer professionellen Trägerlandschaft im Bereich der Extremismusprävention und der Deradikalisierung. Sie leisten gerade in diesen Zeiten wertvolle Arbeit. In der öffentlichen Debatte hingegen ist der Diskurs zur Prävention von Islamismus an vielen Stellen getrieben von Rassismus und Populismus. Das verschiebt den Fokus auf unterkomplexe Antworten, anstatt den Gefahren von Radikalisierung und Vereinnahmung durch extremistische Akteure ursachen- und zielgerichtet entgegenzuwirken. Als Grüne setzen wir uns für ein Gesamtpaket an Maßnahmen ein, das Prävention, Deradikalisierung genauso erfasst wie konsequente Strafverfolgung und Resozialisiserungsanstrenungen. Verkürzte Antworten durch ausufernde Grundrechtseinschränkungen und dem Generalverdacht gegen ganze Bevölkerungsgruppen oder Religionsgemeinschaften dienen dabei nicht der Sicherheit, sondern verschärfen die Ursachen.
Die Arbeit gegen Islamismus steht auch angesichts der äußerst angespannten Haushaltslage vor großen Herausforderungen. Der nicht existierende Bundeshaushalt 2025 mit einer vorläufigen Haushaltsführung gefährdet die Weiterführung von Präventions- und Deradikalisierungsprojekte. In Berlin kommt aufgrund des Haushaltschaos der schwarz-roten Koalition die grundsätzliche Planungsunsicherheit hinzu. Stattdessen stellt die Berliner CDU die wertvolle Arbeit der Projekte im Bereich der Extremismusprävention und der Demokratieförderung in Gänze in Frage. Als Grüne stehen wir an der Seite der Projekte und Träger die seit Jahrzehnten ganz konkret wertvolle Arbeit leisten, um Radikalisierung vorzubeugen, Betroffenen zu helfen und Wege aus dem Extremismus zu ermöglichen.
Die wichtige Arbeit bei der Extremismusprävention und Deradikalisierung muss gesichert werden. Es braucht einen Ansatz, der auf bestehendem Wissen aufbaut, aktuelle Tendenzen und Entwicklungen erkennt und begegnet. Dafür braucht es folgende Rahmenbedingungen:
- Das schwarz-rote Haushaltschaos bedeutet für die finanzielle Situation der Träger Planungsunsischerheit und faktische Kürzungen. Präventions- und Deradikalisierungsangebote dürfen nicht geschwächt, sondern müssen verstetigt und ausgebaut werden. Dazu gehört die Sicherung des Berliner Landesprogramms Radikalisierungsprävention. Angesichts der aktuellen Entwicklungen sind die Themenkomplexe der Radikalisierung durch antisemitischen Islamismus sowie des antimuslimischen Rassismus deutlich zu stärken. Eine Zweckentfremdung der Mittel für Präventions- und Deradikalisierungsmaßnahmen darf nicht stattfinden.
- Demokratieförderung liefert einen fundamentalen Baustein zur Prävention von Islamismus. Wir fordern den Senat auf, endlich ein Demokratiefördergesetz vorzulegen. Die Ketten-Förderung von Projekten muss endlich ein Ende haben. Stattdessen wird in Berlin durch die Bildungsverwaltung die Schwächung der Landezentrale für politische Bildung vorangetrieben und ihre Unabhängigkeit in Frage gestellt. Das ist unverantwortlich, da gerade diese seit Jahren mit Demokratiebildung an viele Orte geht, die sonst nicht erreicht wurden. Auch im Bund lange versprochene Demokratiefördergesetz muss Realität werden.
- In der öffentlichen Debatte liegt der Fokus auf der Nennung bestimmter Stadtteile oder vermeintlich sinnbildlicher Orte. Die Präventions- und Deradikalisierungsarbeit wird aber in der ganzen Stadt gebraucht und wird erst durch die Arbeit mit den Menschen wirksam. Sei es in Schulen, Jugendeinrichtungen, aber genauso die Arbeit mit Erwachsenen oder mit verurteilten Straftätern. Präventions- und Deradikalisierungsarbeit hat unterschiedliche Ansatzpunkte und Bedarfe. Dazu gehört auch die Beratung von Angehörigen.
- Im Umgang mit Extremismus ob im Präventionsbereich, der Früherkennung oder der Strafverfolgung gilt: Listen to the science. Radikalisierung verändert sich, ist lokal bis international, persönlich und im Netz. Muster und Methoden werden oftmals auch gezielt zur Anwerbung durch extremistische Akteure eingesetzt. Analysen und evidenzbasierte Konzepte, sowie eine dauerhafte Förderung der unabhängigen Forschung sind Fundament einer wirksamen Extremismusbekämpfung.
- Statt diskursiver Abschottung braucht es Dialogräume. Statt Ressentiments zu schüren, gilt es Dialog und Diskurs aufzubauen und zu fördern. Ein besonderer Fokus braucht dabei die aktive Förderung des Dialogs zwischen jüdischen und muslimischen Gemeinschaften. Insbesondere im Kontext der Auswirkungen des Nahostkonflikts sollten Partnerschaften mit religiösen Gemeinschaften nun umgesetzt werden. Kürzungen im Bereich des Interreligiösen Dialogs lehnen wir ab – zumal die Sondermittel im Haushalt 2024/25 ausdrücklich auch dafür vorgesehen sind.
- Die akteursübergreifende Zusammenarbeit muss – im Bewusstsein der unterschiedlichen, sich ergänzenden Rollen - gefördert werden. Dies erfordert die enge Kooperation von Bildungseinrichtungen, zivilgesellschaftlichen Organisationen, religiösen Gemeinschaften und Sicherheitsbehörden, um gemeinsam effektiv auf die Herausforderungen des Konflikts zu reagieren und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu sichern.
- In vielen Einrichtungen und Behörden ist das Wissen im Umgang vom Erkennen bis zum Umgang mit Radikalisierungstendenzen nur rudimentär vorhanden. Nicht überall gibt es Expert*innen oder Fachdienststellen. Daher braucht es entsprechende Angebote der Vernetzung, Fortbildung und Beratung – von allgemeinen Fragen bis zur spezifischen Einzelfallberatung. Das gilt insbesondere für den Bildungsbereich und die Sicherheitsbehörden.
- Radikalisierungsprozesse finden zunehmend durch den Konsum von Inhalten in den Sozialen Medien statt. Islamistische Akteure nutzen diese gezielt um besonders junge, nach Orientierung suchende Menschen an sich zu binden. Medienkompetenzen sind ein grundlegender Baustein, aber genauso Aufklärungsarbeit sowie Auseinandersetzung. Die Strategien von extremistischen Akteuren Diskurse zu befeuern und aus Spaltung Profit zu schlagen bis zur individuellen Anwerbung müssen stärker in den Blick genommen werden. Maßnahmen müssen darauf ausgerichtet sein, dass der Weg der Algorithmen nicht in ein antidemokratisches und radikalisierendes Rabbit-Hole führt.
- Nicht zu unterschätzen sind Radikalisierungsprozesse ist der Zeit, die Menschen in Gefängnissen verbringen. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Radikalisierung durch den Gefängnisaufenhtalt und Straftätern, bei denen die Radikalisierung bzw. die extremistische Einstellung (mit-)ursächlich für das Begehen der Tat war. Dies muss in Präventionskonzepten der Justizvollzugsanstalten angemessen berücksichtigt werden, genauso in Aus- und Fortbildungen in der Justiz. Im Umgang mit konkreten Fällen muss weiterhin die Arbeit durch professionelle Präventions- bzw. Deradikalisierungsprojekte gewährleistet bleiben.
- Auch bei der polizeilichen Arbeit zur Erkennung relevanter und sicherheitsgefährdender Akteure muss ein Schwerpunkt auf der Aufdeckung von Finanzströmen liegen. Das bedeutet aber eben nicht, erfahrene Träger im Präventionsbereich oder muslimische Gemeinden unter Generalverdacht zu stellen, sondern die verdeckte Finanzierung islamistischer Akteure sowie mögliche Verbindungen in die organisierte Kriminalität aufzudecken. Es gilt Geldflüsse in terroristische Planungen oder beispielsweise zum IS zu verhindern. Diese sind aufzudecken und zu unterbinden.
- Das Verbot von Hamas und Samidoun in Deutschland war ein notwendiger und überfälliger Schritt. Verbote alleine beenden allerdings nicht das vorhandene Gedankengut, daher muss vor allem darauf geachtet werden, dass die zum Teil immer noch bestehenden Netzwerke sowie die Folgestrukturen nicht aus dem Blick verloren werden.
Unterstützer*innen
- Sebastian Walter (KV Berlin-Tempelhof/Schöneberg)
- Susanna Kahlefeld (KV Berlin-Neukölln)
- Daniel Eliasson (KV Berlin-Steglitz/Zehlendorf)
- Santiago Rodriguez Salgado (LV Grüne Jugend Berlin)
- Tuba Bozkurt (KV Berlin-Mitte)
- Louis Krüger (KV Berlin-Pankow)
- Jonathan Philip Aus (KV Berlin-Neukölln)
- Johannes Mihram (KV Berlin-Mitte)
- Carola Scheibe-Köster (KV Berlin-Neukölln)
- Teresa Krause (KV Berlin-Steglitz/Zehlendorf)
- Svenja Borgschulte (KV Berlin-Pankow)
- Malte Spielmann (KV Berlin-Neukölln)
- Stefanie Klank-Podlich (KV Berlin-Kreisfrei)
- Henrik Rubner (KV Berlin-Kreisfrei)
- Stefan Taschner (KV Berlin-Lichtenberg)
- Ronald Wenke (KV Berlin-Steglitz/Zehlendorf)
- Birgit Vasiliades (KV Berlin-Steglitz/Zehlendorf)
- Jonas Prade (KV Berlin-Reinickendorf)
- Mirjam Michel (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
- Ulrike Kipf (KV Berlin-Steglitz/Zehlendorf)
- Marei Zylka (KV Berlin-Reinickendorf)
- Alexander Kräß (KV Berlin-Steglitz/Zehlendorf)
- Maximilian-Lukas Linke (KV Berlin-Marzahn/Hellersdorf)