Änderungen von V-10 zu V-10
Ursprüngliche Version: | V-10 (Version 1) |
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Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 23.10.2024, 11:22 |
Neue Version: | V-10 (Version 2) |
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Status: | Beschluss (vorläufig) |
Eingereicht: | 02.12.2024, 15:49 |
Titel
Islamismus: Bekämpfung und Prävention neu aufstellen
Zu:
Islamismus entschlossen und umfassend bekämpfen
Antragstext
Von Zeile 1 bis 31:
Zur Bekämpfung des Islamismus und zur Prävention islamistischer Beeinflussung und Agitation sollten mindestens folgende Maßnahmen umgesetzt werden:
Der Islamismus ist als Form des religiösen Extremismus eine Gefahr und Bedrohung für die offene und vielfältige Gesellschaft. Er steht im Kontrast zu unserem Wertefundament aufbauend auf Demokratie, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Selbstbestimmung und der Gleichstellung der Geschlechter. Bereits der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt des Berliner Breitscheidplatzes rückte die Bekämpfung islamistischen Terrors verstärkt in den Fokus der Sicherheitsbehörden. Genauso relevant war damit einhergehend, dass sich eine professionelle Trägerlandschaft im Bereich der Extremismusprävention und der Deradikalisierung etabliert hat. Die brutalen Morde an einem Polizisten in Mannheim und von drei Besucher*innen auf einem Fest der Vielfalt in Solingen haben uns erneut die reale Bedrohung des Islamismus vor Augen geführt. Auch in Berlin alarmieren uns die drastisch gestiegenen Zahlen der politisch motivierten Kriminalität im Kontext religiös-fundamentalistischer Ideologie sowie die Zunahme von Radikalisierungstendenzen und extremistischer Propaganda.
Die professionelle Trägerlandschaft im Bereich der Extremismusprävention und der Deradikalisierung in Berlin leistet gerade in diesen Zeiten wertvolle Arbeit. Der Diskurs zur Bekämpfung von Islamismus ist an vielen Stellen getrieben von Rassismus und Populismus. Das verschiebt den Fokus auf unterkomplexe Antworten, anstatt den Gefahren von Radikalisierung und Vereinnahmung durch extremistische Akteure ursachen- und zielgerichtet entgegenzuwirken. In der öffentlichen Debatte liegt der Fokus auf der Nennung bestimmter Stadtteile oder vermeintlich sinnbildlicher Orte. Die Präventions- und Deradikalisierungsarbeit wird aber in der ganzen Stadt gebraucht und wird erst durch die Arbeit mit den Menschen wirksam. Sei es in Schulen, Jugendeinrichtungen, aber genauso die Arbeit mit Erwachsenen oder mit verurteilten Straftätern. Präventions- und Deradikalisierungsarbeit hat unterschiedliche Ansatzpunkte und Bedarfe. Dazu gehört auch die Beratung von Angehörigen.
Die Arbeit gegen Islamismus steht auch angesichts der äußerst angespannten Haushaltslage vor großen Herausforderungen. Der nicht existierende Bundeshaushalt 2025 mit einer vorläufigen Haushaltsführung gefährdet die Weiterführung von Präventions- und Deradikalisierungsprojekten. In Berlin kommt aufgrund des Haushaltschaos der schwarz-roten Koalition die grundsätzliche Planungsunsicherheit hinzu. Stattdessen stellt die Berliner CDU die wertvolle Arbeit der Projekte im Bereich der Extremismusprävention und der Demokratieförderung in Frage.
Als Grüne setzen wir uns für ein Gesamtpaket an Maßnahmen zur Islamismusbekämpfung ein, das gut ausgestattete Präventions- und Deradikalisierungsarbeit genauso erfasst wie vernetzte nachrichtendienstliche Vorfeldaufklärung, effektive Gefahrenabwehr, konsequente Strafverfolgung und Resozialisiserungsanstrengungen. Verkürzte Antworten durch ausufernde Grundrechtseinschränkungen und dem Generalverdacht gegen ganze Bevölkerungsgruppen oder Religionsgemeinschaften dienen dabei nicht der Sicherheit, sondern verschärfen die Ursachen. Wir stehen an der Seite derjenigen, die seit Jahrzehnten ganz konkret wertvolle Arbeit leisten, um Radikalisierung vorzubeugen, Betroffenen zu helfen und Wege aus dem Extremismus zu ermöglichen. Genauso stärken wir denjenigen den Rücken, die sich oft unter hohem persönlichem Risiko, in der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung für die Durchsetzung des Rechtsstaates einsetzen. Deshalb fordern wir:
Im Bereich Prävention:
Die EvaluationDas schwarz-rote Haushaltschaos bedeutet für die finanzielle Situation der Träger Planungsunsicherheit undÜberarbeitungfaktische Kürzungen. Präventions- und Deradikalisierungsangebote dürfen nicht geschwächt, sondern müssen verstetigt und ausgebaut werden. Dazu gehört die Sicherung des Berliner Landesprogramms Radikalisierungsprävention. Angesichts der aktuellen Entwicklungen sind die Themenkomplexe der Radikalisierung durch antisemitischen Islamismus sowie des antimuslimischen Rassismus deutlich zu stärken. Eine Zweckentfremdung der Mittel für Präventions- und Deradikalisierungsmaßnahmen darf nicht stattfinden.
- Die verstärkte Förderung politischer Bildung zu Erscheinungsformen und Zielen des Islamismus.
- Die Erstellung von Unterrichtsmaterialien für alle Schulformen, die die Schüler*innen in die Lage versetzen, islamistische Agitation zu erkennen und sich dagegen zu positionieren.
- Verstärkung der Bildungsinhalte, die die Gleichberechtigung und Gleichstellung von Mädchen und Frauen als gesamtgesellschaftliches Ziel betonen, sowie Angebote für gefährdete Zielgruppen, die eine moderne und gleichberechtigte Männlichkeit als lebbar aufzeigen.
- Gezielte Förderung von Projekten, die islamistische Agitation in den Sozialen Medien in den Fokus nehmen.
- Einstellung aller Förderungen von Maßnahmen und Projekten etc. von Trägern, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden und unter Verdacht stehen, islamistische und verfassungsfeindliche Bestrebungen zu verfolgen.
- Die Aufnahme der Kategorie religionsbezogene Diskriminierung und islamistisches Mobbing als eine Form der Diskriminierung bei der Antidiskriminierungsbeauftragen des Landes und bei den bezirklichen Antidiskriminierungsstellen sowie den staatlich geförderten Meldestellen.
- Die Erweiterung der von 2020 bis 2022 arbeitenden und 2024 erneut eingesetzten Expert*innenkommission antimuslimischer Rassismus Berlin um eine*n Expert*in für Islamismus, die/der u.a. mit der Aufgabe betraut wird, Phänomene, die als antimuslimischer Rassismus registriert werden, zu differenzieren von anti-islamistischen Haltungen und Aktionen.
- Sensibilisierung und Weiterbildung polizeilicher Stellen zu migrationsgesellschaftlicher Kompetenz, Muslimfeindlichkeit und Islamismus, die geeignet sind, kulturalistische Vorurteile abzubauen und Hinweise und Bedrohungen von Menschen mit muslimischem Hintergrund besser einzuordnen und ernst zu nehmen.
- Im Umgang mit Extremismus ob im Präventionsbereich, der Früherkennung oder der Strafverfolgung gilt: Listen to the science. Radikalisierung verändert sich, ist lokal bis international, persönlich und im Netz. Muster und Methoden werden oftmals auch gezielt zur Anwerbung durch extremistische Akteure eingesetzt. Analysen und evidenzbasierte Konzepte, sowie eine dauerhafte Förderung der unabhängigen Forschung sind Fundament einer wirksamen Extremismusbekämpfung.
- Demokratieförderung liefert einen fundamentalen Baustein zur Prävention von Islamismus. Wir fordern den Senat auf, endlich ein Demokratiefördergesetz vorzulegen. Die Ketten-Förderung von Projekten muss endlich ein Ende haben. Stattdessen wird in Berlin durch die Bildungsverwaltung die Schwächung der Landezentrale für politische Bildung vorangetrieben und ihre Unabhängigkeit in Frage gestellt. Das ist unverantwortlich, da gerade diese seit Jahren mit Demokratiebildung an viele Orte geht, die sonst nicht erreicht wurden. Auch im Bund lange versprochene Demokratiefördergesetz muss Realität werden.
- In vielen Einrichtungen und Behörden ist das Wissen im Umgang vom Erkennen bis zum Umgang mit Radikalisierungstendenzen nur rudimentär vorhanden. Nicht überall gibt es Expert*innen oder Fachdienststellen. Daher braucht es entsprechende Angebote der Vernetzung, Fortbildung und Beratung – von allgemeinen Fragen bis zur spezifischen Einzelfallberatung. Das gilt insbesondere für den Bildungsbereich die Sicherheitsbehörden und private Sicherheitsdienste.
- Schule muss ein Ort sein, an dem Aufklärung und Diskurs stattfinden muss. Oftmals fühlen sich Lehrer*innen nicht ausreichend unterstützt. Neben der Möglichkeit entsprechende Präventionsprojekte an die Schulen zu holen, braucht es den Zugang zu Fortbildungen, Handreichungen und Unterrichtshilfen, um Lehrkräfte in ihrer Arbeit mit Kindern und Jugendlichen besser zu unterstützen. Bildungseinrichtungen müssen gleichzeitig sichere Orte sein und dürfen Betroffene nicht alleine lassen. Für Konfliktfälle sollte es an den Schulen feste Vertrauenspersonen geben, die im geschützten Bereich für konkrete Vorfälle ansprechbar sind, Schlichtungs- und Vermittlungsarbeit leisten können oder sich externer Hilfe durch erfahrene Projektträger bedienen können.
- Die Antidiskriminierungsarbeit ob auf Landes- oder Bezirksebene, insbesondere im Bereich der Hochschulen und der Schulen, ist für Betroffene oftmals eine Anlaufstelle. Wir unterstützen diese Anlaufstellen, da sie oftmals auch als Frühwarnsystem fungieren können. Diskriminierung aufgrund der Religion und Weltanschauung trifft häufig auch Menschen, die sich zwar selbst als religiös definieren, sich aber streng religiösen Auslegungen ihrer Religion widersetzen und deshalb als Ungläubige beschimpft, gemobbt und angegriffen werden. Betroffene dürfen nicht alleine gelassen werden. Entsprechende Expertise ist auf Grundlage fachlicher Standards auszugestalten.
- Radikalisierungsprozesse finden zunehmend durch den Konsum von Inhalten in den Sozialen Medien statt. Islamistische Akteure nutzen diese gezielt um besonders junge, nach Orientierung suchende Menschen an sich zu binden. Medienkompetenzen sind ein grundlegender Baustein, aber genauso Aufklärungsarbeit sowie Auseinandersetzung. Die Strategien von extremistischen Akteuren Diskurse zu befeuern und aus Spaltung Profit zu schlagen bis zur individuellen Anwerbung müssen stärker in den Blick genommen werden. Maßnahmen müssen darauf ausgerichtet sein, dass der Weg der Algorithmen nicht in ein antidemokratisches und radikalisierendes Rabbit-Hole führt.
- Die akteursübergreifende Zusammenarbeit muss – im Bewusstsein der unterschiedlichen, sich ergänzenden Rollen - gefördert werden. Dies erfordert die enge Kooperation von Bildungseinrichtungen, zivilgesellschaftlichen Organisationen, religiösen Gemeinschaften, Sicherheitsbehörden und anderen beteiligten Akteuren, um gemeinsam effektiv auf die Herausforderungen des Konflikts zu reagieren und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu sichern.
- Statt diskursiver Abschottung braucht es Dialogräume. Statt Ressentiments zu schüren, gilt es Dialog und Diskurs aufzubauen und zu fördern. Das beinhaltet die aktive Förderung des Dialogs zwischen jüdischen und muslimischen Gemeinschaften. Insbesondere im Kontext der Auswirkungen des Nahostkonflikts sollten Partnerschaften mit religiösen Gemeinschaften nun umgesetzt werden. Kürzungen im Bereich des Interreligiösen Dialogs lehnen wir ab – zumal die Sondermittel im Haushalt 2024/25 ausdrücklich auch dafür vorgesehen sind.
- Im Bereich der nachrichtendienstlichen Früherkennung:
- Die Zusammenarbeit des Berliner Verfassungsschutzes mit Akteuren der Wissenschaft und Zivilgesellschaft muss verbessert werden. Dadurch soll dort vorhandenes Wissen systematisch genutzt werden um Warnzeichen für Radikalisierungsmuster und Agitationsmethodiken zu erkennen, bevor Menschen zu Gefährdern werden. Dem Berliner Verfassungsschutz muss es ermöglicht werden, bereits zu islamistischen Verdachtsfällen transparent zu berichten.
- Auch bei der Arbeit zur Erkennung relevanter und sicherheitsgefährdender Akteure muss ein Schwerpunkt auf der Aufdeckung von Finanzströmen liegen. Das bedeutet nicht, erfahrene Träger im Präventionsbereich oder muslimische Gemeinden unter Generalverdacht zu stellen, sondern die verdeckte Finanzierung islamistischer Akteure sowie mögliche Verbindungen in die organisierte Kriminalität aufzudecken. Es gilt Geldflüsse in terroristische Planungen oder beispielsweise zum IS zu verhindern. Diese sind aufzudecken und zu unterbinden.
- Im Bereich der Gefahrenabwehr:
- Im Netz geraten insbesondere Jugendliche und junge Erwachsene in Kontakt mit radikalen Islamisten, die in den sogenannten Sozialen Medien nach potentiellen neuen Rekruten suchen. Um islamistische Strukturen und Propagandadelikte erkennen und Straftaten vorbeugen und ahnden zu können, braucht es den Ausbau der IT-Infrastruktur und die Stärkung von Internetermittelnden und IT-geschulten Beschäftigten bei der Polizei.
- Das Verbot von Hamas und Samidoun in Deutschland war ein notwendiger und überfälliger Schritt. Bei hinreichendem Anfangsverdacht auf islamistische Vereine oder Teilvereine in Berlin, sind die die Voraussetzungen eines Vereinsverbots zu prüfen. Liegen die Voraussetzungen vor, müssen entsprechende Verbote konsequent ausgesprochen und durchgesetzt werden. Verfassungsfeindliche Strukturen sind so schnellstmöglich zu zerschlagen. Verbote alleine beenden allerdings nicht das vorhandene Gedankengut, daher muss vor allem darauf geachtet werden, dass die zum Teil immer noch bestehenden Netzwerke sowie die Folgestrukturen nicht aus dem Blick verloren werden.
- Terrorverherrlichung und Hasspropaganda müssen auch auf Demonstrationen unterbunden und konsequent verfolgt werden.
- Islamistische Akteure handeln nicht zwingend isoliert, sondern können auch in andere Kriminalitätsbereiche wie in den Handel mit Betäubungsmitteln, Waffen oder Menschenhandel involviert sein. Deren Verfolgung darf nicht an Ermittlungsgrenzen einzelner Zuständigkeiten scheitern. In solchen Fallkonstellationen ist zur effektiven Bekämpfung der Ausbau interdisziplinärer Ermittlungsgruppen zielführend.
- Polizeiliche Stellen müssen zu migrationsgesellschaftlicher Kompetenz, Muslimfeindlichkeit und Islamismus in einer Weise sensibilisiert und weitergebildet werden, die geeignet ist, kulturalistische Vorurteile abzubauen und Hinweise und Bedrohungen von als Muslimen wahrgenommenen besser einzuordnen und ernst zu nehmen.
- Im Bereich Strafverfolgung:
- Es braucht in länderübergreifender Anstrengung eine Vollstreckungsoffensive von Haftbefehlen mit Schwerpunkt auf Islamist*innen und anderen Extremist*innen. Es ist nicht hinnehmbar, dass in Berlin und anderswo Schwerkriminelle und terroristische Gefährder*innen, gegen die ein Haftbefehl vorliegt, frei herumlaufen. Diese Gefahr für die innere Sicherheit muss mit Priorität beseitigt werden.
- Strafbare islamistische Propaganda- und Hassdelikte müssen konsequent strafrechtlich verfolgt werden, auch im Internet. Ermittlungsbeamte sind im Umgang mit entsprechenden Sachverhalten zu sensibilisieren und zu schulen. Eine Einstellung der Verfahren wegen mangelndem öffentlichen Interesse oder aufgrund von fehlenden Kapazitäten darf nicht erfolgen. Wenn notwendig, sind entsprechende Weisungen zu erlassen.
- Nicht zu unterschätzen sind Radikalisierungsprozesse in der Zeit, die Menschen in Gefängnissen verbringen. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Radikalisierung durch den Gefängnisaufenhtalt und Straftätern, bei denen die Radikalisierung bzw. die extremistische Einstellung (mit-)ursächlich für das Begehen der Tat war. Dies muss in Präventionskonzepten der Justizvollzugsanstalten angemessen berücksichtigt werden, genauso in Aus- und Fortbildungen in der Justiz. Im Umgang mit konkreten Fällen muss weiterhin die Arbeit durch professionelle Präventions- bzw. Deradikalisierungsprojekte gewährleistet bleiben.