Veranstaltung: | LDK am 30. November 2024 |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 9 Verschiedenes |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landesdelegiertenkonferenz |
Beschlossen am: | 30.11.2024 |
Antragshistorie: | Version 2 |
Jede getötete Frau ist eine zu viel - für ein umfassendes Gewaltschutzsystem in Berlin!
Beschlusstext
2024 gab es in Berlin schon in den ersten acht Monaten 28 Fälle von Körperverletzung mit
Todesfolge gegen Frauen, darunter Femizide. Blickt man deutschlandweit auf die letzte
Septemberwoche 2024, bleibt mit vier Femiziden
an einem einzigen Tag und zehn Femiziden in einer einzigen Woche das
strukturelle Defizit bei der effektiven Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt
gegen Frauen und Mädchen und Frauen in Deutschland eklatant.
Femizide sind die extremste Gewaltform gegen Frauen. Femizid bedeutet, dass Frauen aufgrund
ihres Geschlechts getötet werden – also weil sie Frauen sind. Der Kampf gegen Gewalt an
Frauen, aber auch der Gewaltschutz generell muss künftig Priorität in der Berliner
Landespolitik haben. Über 70 % der Betroffenen von Gewalt sind weiblich. Die Istanbul-
Konvention verpflichtet Deutschland und damit auch Berlin, wirksame Schutzmaßnahmen zu
treffen. Ein sicheres Berlin bedeutet, alle Berliner*innen vor Gewalt zu schützen.
Darüber hinaus ist Täterarbeit in Fällen von häuslicher Gewalt eine wichtige
Präventionsmaßnahme. Das entbindet jedoch nicht, dauerhaft und konsequent gegen Gewalt und
Femizide vorzugehen, da diese leider oft nicht ausreicht, um die Tötung von Frauen zu
verhindern. Im Jahr 2024 wurden in Berlin bereits 28 Frauen durch Männer tödlich verletzt,
was auf besorgniserregende und ansteigende Gewaltzahlen hinweist. Allein im August 2024
wurden zwei Frauen regelrecht hingerichtet von ihren Ex- Partnern, die den Behörden bereits
jahrelang als Täter bekannt waren. Die Täter hatten mehrfach Haftstrafen abgesessen und es
gab aktuelle Kontakt- bzw. Näherungsverbote. Beide Frauen hatten mehrfach den Wohnsitz
gewechselt und andere, massive und re-traumatisierende Eingriffe in ihre
Persönlichkeitsrechte, ihr Leben und das leben ihrer Kinder, erdulden müssen, und trotzdem
hat der Staat es nicht geschafft, sie vor den Tätern effektiv zu schützen.
Zu begrüßen ist der Entwurf des Gewalthilfegesetzes auf Bundesebene, der durch das grün
geführte Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) unter Ministerin Lisa
Paus im April 2024 vorgelegt wurde. Dieses Gesetz schafft einen individuellen Rechtsanspruch
auf Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt unabhängig vom Einkommen und schafft die
Finanzierungsgrundlage, um bundesweit Frauenhäuser und Beratungsstellen bedarfsgerecht
auszubauen.
Der schwarz-rote Senat hat seinem Sicherheitsversprechen zur Verhinderung von Femiziden und
zur Bekämpfung häuslicher Gewalt keine Taten folgen lassen. Bündnis 90/Die Grünen Berlin
stellt sich hinter die Forderungen der Abgeordnetenhausfraktion, die bereits im Sommer einen
5-Punkte-Plan zur Verbesserung des Gewaltschutzes vorgelegt hat und begrüßt den
eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Berliner Polizeigesetzes (ASOG).
Konkret fordern wir:
Die Schaffung eines Opferschutzgesetzes für Berlin, das den Betroffenen von Straftaten
einen Rechtsanspruch auf Unterstützung gibt und die dauerhafte Finanzierung der
Berliner Opferschutzeinrichtungen und Beratungsstellen absichert.
Die Verlängerung der Wegweisung von Tätern häuslicher Gewalt von jetzt zwei Wochen auf
vier Wochen im Berliner Polizeirecht, damit eine Person, die von häuslicher Gewalt
betroffen ist, länger Zeit hat, sich Hilfe zu holen und Anordnungen wie längerfristige
Näherungsverbote zu erwirken.
Die wirksame Umsetzung von Betretungsverboten und Wegweisungen. Verstöße gegen
Kontakt- und Näherungsgebote sollen zukünftig als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld
bis zu 5.000 € geahndet werden. Neben der Anordnung von Bußgeldern prüfen wir, wie in
Hochrisikofällen häuslicher Gewalt der Einsatz elektronischer Aufenthaltsüberwachung
(„Fußfessel“) als flankierende Präventionsmaßnahme eingesetzt werden kann. Dabei
sollen solche Instrumente nur in engen Einzelfällen unter Abwägung betroffener
Grundrechte, unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und für einen
begrenzten Zeitraum durch ein Gericht angeordnet werden dürften, wenn andere (mildere)
Mittel nicht in Betracht kommen, um Leib und Leben, die persönliche Freiheit und die
sexuelle Selbstbestimmung der betroffenen Frau zu schützen.
Die Einführung von interdisziplinären Fallkonferenzen, wenn Gewalt schon passiert ist
oder angedroht wird. Dabei tauschen sich die relevanten Stellen, wie Polizei,
Jugendamt oder Frauenhäuser aus, um in solchen Fällen für umfassenden Schutz der
betroffenen Frauen zu sorgen.
Die Regelung einer datenschutzkonformen Weitergabe von Daten Betroffener von
Straftaten an Beratungsstellen, damit diese pro aktiv Hilfe und Unterstützung anbieten
können.
Den Ausbau der Täterarbeit als einen wirksamen Baustein des präventiven Opferschutzes,
um langfristig die Ursachen von Gewalt zu bekämpfen nach den Standards der BAG
Täterarbeit häusliche Gewalt.
Die zugesagten Mittel für das Hilfesystem, Beratungen und Frauenhäuser müssen der
Zielsetzung der Istanbulkonvention entsprechend eingestellt und ausgegeben werden.