Pflegebedürftige sind besonders schutzwürdig und dürfen daher nicht zwangsgeräumt werden.
Antrag: | Pflege Neu Denken. Pflege in Berlin stärken. |
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Antragsteller*in: | Taylan kurt (KV mitte) |
Status: | Geprüft |
Eingereicht: | 17.11.2018, 00:18 |
Antrag: | Pflege Neu Denken. Pflege in Berlin stärken. |
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Antragsteller*in: | Taylan kurt (KV mitte) |
Status: | Geprüft |
Eingereicht: | 17.11.2018, 00:18 |
Wir wollen, dass Berlin auch den Pflegebedürftigen gehört! Dafür wollen wir die Verdrängung von Pflegebedürftigen und Pflegeeinrichtungen verhindern, Zwangsräumungen von Pflegebedürftigen aussetzen, neue Wohnformen, wie z.B. interkulturelle und intergenerative Wohnmodelle fördern und damit eine wohnortnahe
Pflege Neu Denken. Pflege in Berlin stärken.
Pflege wird zunehmend mehr zu einer der zentralen sozialen und gesellschaftlichen Fragen in
Deutschland und auch Berlin. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht von Pflegenotstand,
Fachkräftemangel und der Not pflegender Angehöriger berichtet wird. Die Pflege geht am
Stock. Die (Bundes)Regierungen der letzten Jahrzehnte haben die anstehenden Aufgaben und
Probleme in der Pflege nicht angepackt.
In Folge des demographischen und sozialen Wandels wird Pflege für uns alle, sei es als
Pflegebedürftige, professionell Pflegende oder Angehörige auch die nächsten Jahre als eine
große Aufgabe erhalten bleiben.
Die Zahl der Pflegebedürftigen wird deutlich ansteigen, der Pflege- und Unterstützungsbedarf
wird komplexer aufgrund der höheren Lebenserwartung, und der ohnehin bestehende Mangel an
Fachkräften wird nicht so schnell aufzulösen sein.
Die zentrale Frage ist, wie wir eine menschenwürdige Versorgung von Pflegebedürftigen als
Gesellschaft gewährleisten können.
Es wird sich in den kommenden Jahren viel ändern, weil wir das Alter anders gestalten werden
müssen. Das wird nicht von alleine passieren, es muss und wird eingefordert werden. Eine
neue Generation der Alten, die ihr Leben in weiten Teilen selbstbestimmt führen konnte, wird
uns deutlich machen, wie sie sich ihr Leben im Alter aber auch im Pflegebedarf vorstellt.
Die gegenwärtigen Entwürfe Pflegeheim oder ambulante Pflegedienste werden nicht mehr
funktionieren, da sie andere Wohnformen, wie Wohn- und Hausgemeinschaften, wie zuvor in
ihrer aktiven Lebensphase präferieren. Diese Generation wird sich selbstbestimmt
gesellschaftlich einbringen und auch weiterhin aktiv am gesellschaftlichen Leben in ihren
Kiezen teilhaben und mitbestimmen.
Bereits jetzt sind wir auf diese sich abzeichnenden Veränderungen nicht gut aufgestellt.
Die Bürger*innen sind verunsichert, da nachhaltige Lösungen von der Politik nicht formuliert
werden. Hier besteht dringender politischer Handlungsbedarf. Die bevorstehenden Aufgaben
werden mit Pflegepolitik allein nicht nachhaltig gelöst werden. Wir wollen deshalb Pflege
neu denken und fordern eine Pflege Offensive für alle Pflegebereiche mit einer
Gesamtstrategie für Berlin unter Einbindung aller Ressorts.
Für Pflegebedürftige die erforderlichen Rahmenbedingungen für die Teilhabe an einem
selbstbestimmten Leben vor Ort in den Quartieren zu schaffen, obliegt der Politik und der
Gesellschaft. Wir Grünen sehen es als unsere Aufgabe, für eine gute Pflege auf Landes- wie
Bundesebene im Schulterschluss mit den Pflegebedürftigen, Pflegefachkräften und pflegenden
Angehörigen zu kämpfen. Wir wollen, dass alle Menschen selbstbestimmt und in Würde ihr
eigenes Leben gestalten können, gleich woher sie kommen, wie dick ihr Portemonnaie ist bzw.
wie pflegebedürftig sie sind. Menschenwürdige Pflege muss als Teil der öffentlichen
Daseinsvorsorge gesichert werden und darf kein Spekulationsobjekt sein, denn menschenwürdige
Pflege ist zuallererst eine gemeinnützige und gesellschaftliche Aufgabe.
Pflege braucht Selbstbestimmung
Die bestmögliche Pflegepolitik ist die, die Pflegebedürftigkeit erst gar nicht entstehen
lässt bzw. diese hinauszögert. Wir wollen die Lebensbedingungen Älterer in Berlin so
gestalten, dass sie so lange wie möglich in ihren eigenen vier Wänden leben und am
gesellschaftlichen Leben im Kiez teilhaben können. Durch den Ausbau von intergenerativen
Angeboten in Stadtteilzentren und Senior*inneneinrichtungen und einer stärkeren Förderung
des Ehrenamts in Bezirken beugen wir der Vereinsamung älterer Menschen vor und sorgen dafür,
dass die Berliner*innen auch fit im Alter bleiben. Auch wollen wir innovative Projekte unter
Einbeziehung der Betroffenen fördern, die Pflegebedürftigkeit vermeiden bzw. verzögern,
indem sie ältere Menschen so lange wie möglich am gesellschaftlichen Leben teilhaben lassen.
Hierfür setzen wir an den physischen und psychischen Ressourcen älterer Menschen an.
Mit zunehmendem Alter wird der Wirkungskreis von Menschen kleiner, umso mehr kommt es in
diesem Lebensabschnitt auf die wohnortnahe, gut erreichbare und passgenaue Infrastruktur,
solidarische Nachbarschaften und verlässliche, interkulturell und inklusiv ausgerichtete
Unterstützungs- und Hilfestrukturen an, damit wir weitgehend selbständig und selbstbestimmt
im vertrauten Umfeld wohnen und am gesellschaftlichen Leben teilhaben können.
Ein wesentlicher Aspekt hierbei ist die Sicherstellung der Versorgung und Unterstützung
hilfebedürftiger Menschen, denn der Anteil der über 65- und über 80-Jährigen an der
Bevölkerung nimmt infolge der besseren medizinischen Versorgung und einer insgesamt längeren
Lebenserwartung zu, damit auch die Anzahl der Pflegebedürftigen, gerade auch der demenziell
Erkrankten.
Pflege ist inklusiv
Die vielfältige Gesellschaft bildet sich in den Strukturen des Hilfesystems nicht ab, trifft
noch zu wenig auf passgenaue Angebote. Betroffene finden Zugänge nicht und können somit an
den vorhandenen Möglichkeiten nicht partizipieren. Das wollen wir ändern!
In Berlin sind rund 120.000 Menschen pflegebedürftig. Prognosen gehen von bis zu 170.000
Pflegebedürftigen bis 2030 aus. Pflege betrifft immer mehr die am schnellsten wachsende
Bevölkerungsgruppe der älteren Migrant*innen, aber auch Kinder und Jugendliche bspw. mit
chronischen Erkrankungen, Illegalisierte, Obdachlose und Geflüchtete. Wir erwarten, dass das
Pflegesystem und die Angebote inklusiver werden und sich für diese Gruppen öffnen. Die
Unterstützungsstrukturen für Familien mit chronisch erkrankten und pflegebedürftigen Kindern
müssen verbessert werden, um diese ohnehin belasteten Familien zu entlasten.
In Berlin werden rd. ein Viertel der Pflegebedürftigen in stationären Einrichtungen
versorgt. Die Pflege in der eigenen Wohnung ist der Wunsch der meisten Menschen, denn so
leben 76% der Pflegebedürftigen auch zu Hause und werden von ambulanten Pflegediensten
und/oder Angehörigen gepflegt.
Die öffentliche Debatte beschäftigt sich fast ausschließlich mit den Problemen der
stationären Einrichtungen. Dabei hat bei vielen europäischen Nachbar*innen längst ein Wandel
stattgefunden. Heime werden aufgegeben und es wird auf Versorgungsformen im Kiez gesetzt.
Wir fordern auch für Berlin dem sozialen Wandel Rechnung zu tragen und die Angebote und
Infrastruktur den Bedürfnissen der vielfältigen Pflegebedürftigen anzupassen, alternative
Wohn- und Pflegeformen auszubauen und die Versorgung im Gemeinwesen unter Beteiligung aller
im Sozialraum voranzutreiben. Hierzu gehört insbesondere auch die deutliche Verbesserung der
Rahmenbedingungen für die Arbeit der ambulanten Pflege, denn diese sichert die pflegerische
Versorgung in Berlin.
Wir fordern für Menschen mit demenziellen Erkrankungen die Förderung von Wohngemeinschaften
und die Schaffung zusätzlichen Wohnraums. Berlin ist die Hauptstadt der Pflege-
Wohngemeinschaften, jedoch kann die Nachfrage für neue WG’s nicht mehr gedeckt werden, weil
es an ausreichendem Wohnraum fehlt. Daher sollen beim Wohnungsneubau städtische als auch
private Wohnungsbauunternehmen dazu angehalten werden, mehr geeigneten Wohnraum für
Wohngemeinschaften zu schaffen.
Pflege braucht Raum
Der Mietenwahnsinn auf dem Berliner Wohnungs- und Büromarkt fegt pflegebedürftige Menschen
aus unserer Stadt: Die Verdrängung von Pflegeeinrichtungen, um aus diesen rentable
Bürogebäude zu machen, wird leider kein Einzelfall bleiben, sondern ist erst der Anfang.
Gleiches gilt für Pflegebedürftige, die in nicht barrierefreien Wohnanlagen faktisch
gefangen sind, da Vermieter auf ihren Auszug spekulieren. Ebenso Senior*innen, die
verzweifelt WG-geeignete und bezahlbare Wohnungen suchen, sind alle Vorboten einer
Entwicklung Berlins, durch die sich die Frage stellt, welchen Platz Pflegebedürftige in
Berlin zukünftig haben werden.
Wir wollen, dass Berlin auch den Pflegebedürftigen gehört! Dafür wollen wir die Verdrängung
von Pflegebedürftigen und Pflegeeinrichtungen verhindern, Zwangsräumungen von Pflegebedürftigen aussetzen, neue Wohnformen, wie z.B.
interkulturelle und intergenerative Wohnmodelle fördern und damit eine wohnortnahe
Infrastruktur für Pflegebedürftige gewährleisten. Wir wollen die Etablierung innovativer
Wohnformen für Pflege-, Wohn- und Betreuungskonzepte sowie einheitliche Qualitätsstandards
für eine gute Pflege. Wir setzen uns für den Erhalt, die Sicherung und den Ausbau der Pflege
Infrastruktur in der Stadt ein, der bspw. durch die Vergabe von Grundstücken in Erbbaupacht
an die Freie Wohlfahrt und der Zweckbindung in der Nutzung erfolgen soll.
Tritt einmal die Pflegebedürftigkeit ein, sind viele Betroffene vom „Pflegedschungel“
überfordert und fühlen sich allein gelassen. Wir wollen sie in dieser Phase bestmöglich
unterstützen, indem wir analog zu den Stadtteilmüttern aufbauend auf dem Modellprojekt
Brückenbauer*innen ein landesweites Programm Brückenbauer*innen Plus+ mit eigenem Berufsbild
in allen Kiezen Berlins angesiedelt in den Pflegestützpunkten etablieren. Pflegebedürftige
und pflegende Angehörige brauchen Unterstützung, Beratung und Begleitung für die
Orientierung und Antragsstellung etc. Hierfür wollen wir die Pflegestützpunkte zu
lebendigen, kultursensiblen und kieznahen Zentren der Beratung und Begleitung für pflegende
Angehörige und ehrenamtlich Tätige ausbauen und ausstatten.
Pflege findet in den eigenen vier Wänden statt, denn Pflegebedürftige leben zu Hause und
werden von 636 ambulanten Pflegediensten, abhängig Beschäftigten und/ oder Angehörigen
gepflegt. Der Fachkräftemangel in der Pflege trifft die ambulante Pflege umso mehr, da hier
die Pflegekräfte in der Regel schlechter entlohnt werden, ambulante Pflegedienste keine
Pflegekräfte mehr finden, die gewillt sind unter diesen Bedingungen zu arbeiten. Wir
brauchen Sofortmaßnahmen, da sonst eine gute Versorgung von Pflegebedürftigen nicht mehr
gewährleistet sein ist. Für die Pflegebedürftigen geht mit der Nicht-Versorgung die
Verschlechterung ihres Gesundheitszustands einher. Die Folgen daraus sind längere
Liegedauern in Kliniken, die mit Kostensteigerungen einhergehen und zu einer zusätzlichen
Belastung der Krankenhäuser führen.
Wir setzen uns für ein zentrales Meldesystem ein, das landesweit freie Kapazitäten der
Pflegeanbieter und Bedarfe Suchender auf der anderen Seite zusammenführt und matcht. Gerade
in den Außenbezirken treten die Versorgungsprobleme immer wieder auf, da bei den großen
Entfernungen viele Anbieter den Weg scheuen. Wir wollen ein Förderprogramm für
Elektromobilität in der Pflege und die Beschaffung und den Einsatz von Lastenrädern.
Wir setzen uns deshalb für eine Politik ein, die Lösungsansätze für die gesamte Pflege
(ambulant, stationär, Krankenhäuser) erarbeitet und verlässlich für alle Beteiligten ist.
Der Gesundheitsbereich nimmt eine zentrale Rolle für die wirtschaftliche Entwicklung Berlins
ein, wobei die größte Gruppe der Beschäftigten im Pflegesektor tätig ist.
Durch die Selbstverwaltung der Pflege kann sich der Beruf aktuellen Entwicklungen und
Innovationen im Gesundheitsbereich am Forschungsstandort Berlin anpassen.
Berlin als weltoffene, wachsende und anziehende Stadt kann mit der Pflegekammer den
Grundstein dafür legen, dass die pflegerische Versorgung in Zukunft gesichert ist und der
Standort für beruflich Pflegende attraktiv bleibt. Durch die Definition von Ausbildungs- und
Qualitätsstandards sowie durch eindeutige Regelungen zur Anerkennung von anderen Abschlüssen
wird die Ausnutzung Ausbeutung ausländischer Pflegekräfte verhindert und deren Integration
ins Berufsleben unterstützt. Durch die Kooperation aller Landespflegekammern (wie es bereits
zwischen den Bundesländern Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Sschleswig-Holstein erfolgt),
werden föderale Barrieren der beruflichen Freizügigkeit abgebaut. Wir unterstützen die
Selbstverwaltung der Pflegekräfte, damit sollen auch Mitspracherechte für Pflege- und
Gesundheitsberufe in den Gremien der Selbstverwaltung verbessert werden.
Ebenso unterstützen wir einen allgemeingültigen Tarifvertrag für gute Arbeit in der Pflege.
Pflegende Angehörige besser unterstützen
In Berlin betreuen und versorgen rund 200 000 Berliner*innen ihre pflegebedürftigen
Angehörigen. Informell Pflegende sind auch in Berlin der größte „Pflegedienst“, der einen
gesellschaftlich beachtlichen Beitrag zur Pflege leistet, die öffentlichen Kassen finanziell
erheblich entlastet und damit vor allem aber auch den rasch wachsenden Fachkräftemangel
abfedert.
Sie leisten eine großartige Arbeit und dürfen mit der Pflege von Angehörigen nicht alleine
gelassen werden! Denn darunter leidet nicht nur die Qualität der Pflege, sondern auch die
pflegenden Angehörigen selbst. Psychische und physische Probleme sind oft Folgen einer
jahrelangen (im Schnitt zehn Jahre) Dauerbelastung. Arbeitslosigkeit und Altersarmut sind
keine seltenen Folgen – insbesondere für Frauen, die die Pflegetätigkeit zu 76% übernehmen.
Pflege ist weiblich. Pflegende Angehörige sind mit 70 % Ehefrauen, Lebensgefährtinnen,
Mütter, Töchter und Schwiegertöchter. Die Nicht-Vereinbarkeit von Pflege, Beruf und
Familienarbeit führt zu Doppel- oder Mehrfachbelastung. Viele werden vom „Pflegefall“ in
ihren Familien überrascht und müssen von heute auf morgen die Pflege von Angehörigen
übernehmen. Zu Beginn versuchen Angehörige ihre Erwerbstätigkeit noch mit einer reduzierten
Arbeitszeit aufrechtzuerhalten, da nicht abzusehen ist, von welcher Dauer die Pflege sein
wird. Die Reduktion der Arbeitszeit zu Beginn und die komplette Aufgabe des Jobs in den
nachfolgenden Jahren, - damit die Pflegearbeit in Vollzeit - haben erhebliche
Einkommensausfälle bzw. (Alters) Armut zur Folge. Die Pflegedauer ist nicht planbar und geht
oft auch mit gesundheitlichen Folgen einher, weil sie körperlich erheblich belastend ist und
pflegende Angehörige für die Pflege i.d.R. nicht qualifiziert wurden und somit z.B.
Techniken für die eigene Entlastung nicht kennen. Hinzukommen psychische Belastungen infolge
der Überforderung (familiärer und gesellschaftlicher Druck) und Einsamkeit, da sie oftmals
absorbiert durch die Rund-um -die-Uhr Pflege kaum mehr am gesellschaftlichen Leben teilhaben
und auch den eigenen Bedürfnissen nachgehen können. Wr fordern eine eine
geschlechtergerechte Aufteilung der Pflege und Sorgearbeit!
Die Vereinbarkeit von Pflege, Beruf und Privatleben muss gestärkt werden. Wir wollen die
hessische Initiative „Beruf und Pflege vereinbaren“ auf Berlin übertragen.
(http://www.berufundpflege.hessen.de/)
Gerade am Anfang brauchen pflegende Angehörige niedrigschwellige, wohnortnahe,
kultursensible und aufsuchende Beratungs- und Unterstützungsangebote im Sozialraum, die sie
Schritt für Schritt durch den Prozess lotsen. Gerade mit Blick auf die vielfältige Stadt
sehen wir die Beteiligung von Migrant*innenorganisationen als dringend erforderlich an.
Vorhandene Netzwerke und Zugänge zu Selbsthilfegruppen, aber auch Entlasstungsangebote etc.
sind für viele Migrant*innen nicht einfach auffindbar, das ist auch eine Frage der
Teilhabegerechtigkeit und das muss besser werden.
Zu pflegenden Angehörigen zählen auch Kinder und Jugendliche, die sich zu Hause der Pflege
ihrer Eltern, Geschwister oder Großeltern widmen, das sind ca. 6% aller Kinder und
Jugendlichen. Das ist gesellschaftlich absolut inakzeptabel, da Pflege immer eine erhebliche
Belastung bedeutet, der Kinder und Jugendliche nicht gewachsen sind.
Aus Scham oder Loyalität ihren Familien gegenüber sprechen viele nicht darüber. Das dürfen
wir als Gesellschaft nicht hinnehmen! Wir setzen uns dafür ein, dass Lehrkräfte,
Pflegedienste und Ärzte vor Ort in den Schulen gezielt durch externe Projekte sensibilisiert
und weitergebildet werden für die „besonderen“ Lebensbedingungen dieser Kinder und
Jugendlichen. Ein besonderes Augenmerk gilt hier auch jenen, die ihre psychisch erkrankten
oder suchtkranken Eltern pflegen, ihre Geschwister versorgen und die Aufgaben der
Erwachsenen schultern.
Es ist unsere Aufgabe diese Kinder und Jugendlichen zu unterstützen und zu stärken. Wir
werden uns dafür einsetzen, dass Berlin hier mit den Familiengesundheitspfleger*innen neue
Wege geht. In ihrer Funktion als Pflegende sind sie nicht nur in der Lage die
Unterstützungs- und Pflegebedarfe des pflegebedürftigen Menschen zu erkennen, sondern haben
alle an der Versorgung des Betroffenen Beteiligten im Blick und können entsprechende
Unterstützungsangebote gezielt platzieren.
Gute Pflege braucht gute Arbeit
Der Fachkräftemangel in der Pflege ist bereits Realität und wird auch in den kommenden
Jahren eine Herausforderung bleiben. Die zentrale Frage ist, wie kann es uns in den nächsten
Jahren gelingen, den Fachkräftemangel spürbar abzubauen, um die pflegerische Versorgung von
Pflegebedürftigen in der eigenen Wohnung oder in stationären Einrichtungen zu gewährleisten
und menschenwürdige Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte zu schaffen. Der Fokus muss hierfür
darauf gelegt werden, die Pflegeausbildung wieder attraktiver zu machen, Aufstiegs- und
Weiterbildungsmöglichkeiten systematisch zu fördern und die Arbeitsbedingungen so gestalten,
dass Pflegekräfte wieder gerne und motiviert in ihrem Beruf arbeiten.
Der Bedarf an Pflegekräften für Berlin geht bis 2030 von einem Mehrbedarf an 21.400
Pflegekräften für den stationären und ambulanten Bereich und rund 2.000 zusätzlichen
Pflegefachkräften für die Altenpflege aus.
An professionell Pflegende werden zahlreiche Anforderungen in ihrem beruflichen Alltag
gestellt, d.h. sie müssen behandeln, entscheiden, zuhören und beraten, aber oftmals auch den
Alltag der zu Pflegenden koordinieren. Nicht nur pflegebedürftige Menschen leiden unter den
Entwicklungen, sondern auch die Pflegekräfte.
Der Arbeitsmarkt für Pflegefachkräfte ist faktisch leergefegt. Deshalb wollen wir:
a. die Attraktivität der Ausbildung steigern durch ein transparentes und anknüpfendes
Ausbildungssystem innerhalb der Pflegeberufe,
b. mehr und kostenfreie Studienplätze vor allem in Pädagogik und Wissenschaft und
entsprechende Stipendien schaffen,
c. die Möglichkeit die Qualifizierung zur Praxisanleiter*in bereits in der Ausbildung zu
machen, mehr Paxisanleiter*innen in der praktischen Ausbildung einsetzen,
d. mehr Möglichkeiten der Teilzeitausbildung und Finanzierung der berufsbegleitenden
Ausbildung zur Altenpfleger*in,
e. Ausbildung von Pflegehelfer*innen zu Pflegefachkräften ausbauen und finanzieren,
f. die berufliche Orientierung und Beratung attraktiver gestalten, Programme für
Berufsrückkehrer*innen; Quereinsteiger*innen und Neuberliner*innen auflegen,
g. bessere Arbeitsbedingungen schaffen durch die Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz; die
Vereinbarkeit von Familie und Beruf ausbauen; flexible Kinderbetreuungsangebote schaffen,
mehr Mitbestimmung im Betrieb bei der Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen z.B. auch über
den Schichtplan erreichen,
h. die Einstellung von mehr Pflegekräften in Vollzeit als in Teilzeit,
i. Gleiche Vergütung für gleiche Arbeit,
j. die Möglichkeit des Spurwechsel für Geflüchtete, Ausbildung von Geflüchteten mit
niedrigschwelligem Einstieg fördern, mit Mentoring- und Coachingangeboten
Ausbildungsabbrüche verhindern,
k. begleitete Qualifizierungs- und Ausbildungsangebote schaffen, mehr
Geschlechtergerechtigkeit in der Pflege befördern, die Anerkennung der nonformalen
Kompetenzen für Pflegeberufe voranbringen,
l. mehrsprachige Ausbildungsmodelle schaffen, denn zukünftige Pflegebedürftige sind
international,
m. eine 2-jährige Fachoberschule für die Pflege schaffen und damit die Aufwertung der Pflege
und Sicherung des Nachwuchses bereits im Schulsystem erreichen,
n. anlehnend an das „Meister-Bafög“ Stipendienprogramme für Studierende in der Pflege
einführen,
o. verbindliche Personalschlüssel in der Pflege statt Personaluntergrenzen,
p. eine Ausbildungs- und Weiterbildungsoffensive auf den Weg bringen,
q. die Verbundausbildung insbesondere für kleine ambulante Pflegedienste schaffen
r. flexible Arbeitszeitmodelle und ein betriebliches Gesundheitsmanagement zur Sicherung der
gesundheitlichen Qualität am Arbeitsplatz von Pflegenden und ein Rückkehrmanagement
ausbauen,
s. die Vernetzung mit allen Playern des Gesundheitswesens ausbauen, um eine bestmögliche
Versorgungsstruktur für die Patient*innen zu etablieren,
t. die Qualifizierung von Pflegenden im Bereich der interkulturellen Öffnung und Diversität
fördern,
u. den Prozess der Etablierung einer Selbstverwaltung in der Pflege vorantreiben.
Die Volksinitiative „Pflegenotstand stoppen“ macht auf die unzumutbaren Arbeitsbedingungen
in der Pflege aufmerksam, was wir begrüßen. Jedoch und fordert sie nur bessere
Arbeitsbedingungen für die Pflege in Krankenhäusern. Ihre Forderungen decken nur einen
Aspekt der notwendigen Reformen in der Pflege ab. Tatsächlich besteht die Gefahr, dass durch
gesetzliche Vorgaben bei der Personalausstattung bei gleichbleibendem Fachkräfteangebot
lediglich das schon vorhandene aber zu knappe Personal im Betrieb umgeschichtet wird,
wodurch es wiederum zu Engpässen an anderer Stelle käme. Stattdessen brauchen wir
verbindlich anzuwendende Personalbemessungsinstrumente für die gesamte pflegerische
Versorgung.
Der größte Teil der Pflegebedürftigen wird von der ambulanten Pflege versorgt. Hier gilt für
uns ambulant vor stationär, denn hier wird vor allem auch die Langzeitpflege gewährleistet.
Das Volksbegehren Pflegenotstand sucht leider keine Lösungen für den ambulanten und
Heimbereich. Wir werden uns dafür einsetzen, dass die Bedingungen für alle Bereiche der
Pflege verbessert werden, denn nur dann werden wir menschenwürdige Bedingungen für Pflegende
und Pflegebedürftige schaffen können.
Pflegebedürftige sind besonders schutzwürdig und dürfen daher nicht zwangsgeräumt werden.