Veranstaltung: | LDK 2018 |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 9 Weitere Anträge |
Antragsteller*in: | Annika Gerold (KV Friedrichshain-Kreuzberg), Anja Schillhaneck (Abt. Wissenschaft), André Schulze (KV Neukölln), Andreas Audretsch (KV Neukölln), Daniel Wesener (KV Friedrichshain-Kreuzberg) |
Status: | Eingereicht |
Beschlossen am: | 31.03.2018 |
Eingereicht: | 03.04.2018, 11:34 |
V-09: Wahlfreiheit bei der Krankenversicherung für Berlins Beamt*innen einführen
Antragstext
Wahlfreiheit bei der Krankenversicherung für Berlins Beamt*innen einführen
Die gesetzliche Krankenversicherung ist ein solidarisches System, an dem wir GRÜNE
langfristig alle Versicherten beteiligen wollen. Die Grundidee, Beiträge nach
wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit zu staffeln und nicht nach Risikoklassen, halten wir für
eines der wichtigsten Merkmale dieses Solidarsystems. Deswegen fordern wir Grüne auch seit
längerem die solidarische Bürger*innenversicherung – von allen und für alle.
Die dazu nötigen Reformen und Gesetzesänderungen müssten auf Bundesebene geschehen. Eine
politische Mehrheit für eine echte Bürger*innenversicherung für alle ist dort aber leider
nicht in Sicht. Mit Rot-Rot-Grün regieren auf Landesebene jedoch drei Parteien, die das Ziel
einer Krankenversicherung für alle eint. Deshalb hat Berlin auch vergangenes Jahr eine
Bundesratsinitiative eingebracht, mit dem Ziel die Gesundheitsversorgung gerechter zu
machen, unter anderem durch einen besseren Zugang für Beamt*innen zur gesetzlichen
Krankenversicherung. So steht es auch im rot-rot-grünen Koalitionsvertrag.
Wahlfreiheit gewähren
Beamt*innen haben derzeit de facto keine Wahl. Bei freiwilliger gesetzlicher Versicherung
zahlen sie ihren Versicherungsbeitrag vollständig selbst – also sowohl den
Arbeitnehmer*innen- als auch den Arbeitgeber*innenanteil von zusammen mindestens 14,6% des
Bruttoeinkommens. Damit ist die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) für die meisten
Beamt*innen teurer als die Kombination aus Beihilfe und privater Krankenversicherung (PKV).
Dies führt dazu, dass ein Großteil der Beamt*innen in der privaten Krankenversicherung
versichert ist, obgleich es auch durchaus einige freiwillig gesetzliche Versicherte gibt.
Für die privaten Krankenversicherer ist das ein gutes Geschäft: Circa die Hälfte der PKV-
Versicherten sind Beamt*innen. Somit garantiert der Staat mit der bisherigen Regelung ein
Großteil des Geschäfts der PKV-Vollversicherung.
Anders als bei der gesetzlichen Krankenversicherung werden die Beiträge der PKV-
Vollversicherung im Regelfall nicht nach Einkommen, sondern nach Risiko festgelegt. Und die
beitragsfreie Mitversicherung von Kindern und gegebenenfalls Partner*in ist ebenfalls nur in
der GKV garantiert. Rechnen tut sich die freiwillige Versicherung in der GKV also nur für
einige wenige Beamt*innen derzeit: insbesondere jene Beamt*innen, die durch Vorerkrankungen
einen hohen Aufschlag in der PKV zahlen müssten oder die viele Kinder haben, die sie in der
PKV separat versichern müssten. Ausgerechnet diese beiden Gruppen werden dabei durch die
momentane Regelung sogar schlechter gestellt als wenn sie Angestellte wären, da sie den
gesamten GKV-Beitrag tragen müssen, aber es für sie keinen bezahlbaren Weg in die PKV gibt.
Wir GRÜNE wollen den Berliner Beamt*innen deshalb zukünftig Wahlfreiheit geben: Wenn sie
sich gesetzlich krankenversichern sollen sie einen Zuschuss analog des Arbeitgeberbeitrags
für Angestellte erhalten. Der Beihilfeträger, also das Land, soll künftig analog zum Modell
in Hamburg eine pauschalierte Beihilfe in Höhe des Arbeitgeberanteils an alle neuen
Beamt*innen und die ohnehin gesetzlich versicherten Beamt*innen zahlen.
Der Stadtstadt Hamburg macht es seit kurzem vor. Dort wird allen Neu-Beamt*innen sowie allen
bereits freiwillig gesetzlichen versicherten Beamt*innen eine Pauschale als GKV-
Arbeitgeberanteil gewährt. Damit ist für diese beiden Gruppen schon heute echte Wahlfreiheit
garantiert. Für eine vollständige Umsetzung für sämtliche Landes-Beamt*innen wäre eine
Änderung im 5. Sozialgesetzbuch notwendig, die nur auf Bundesebene erfolgen kann.
Für finanzielle Nachhaltigkeit sorgen
Das Beihilfesystem war einmal ein günstiges Finanzierungsmodell, das eine Beteiligung an der
Solidargemeinschaft zudem außer Acht ließ, aber mittlerweile stellen die steigenden Ausgaben
eine Belastung für die öffentlichen Haushalte dar. Das hängt auch damit zusammen, dass viele
geburtenstarken Jahrgänge nun in Pension gehen. In Bund und Ländern steigen die
Beihilfeausgaben stark an. Das bedeutet auch eine Belastung für künftige Steuerzahler*innen.
Eine Wahlfreiheit wird sich langfristig für alle Versicherten auszahlen. Verschiedene
Studien und Expert*innen rechnen bei der Einführung einer Wahlfreiheit mit kurzfristig
steigende Ausgaben, jedoch langfristig mit deutlichen Einsparungen und geringeren Beiträgen
für die Versicherten. Unmittelbare Vorteile ergeben sich auch für Beamt*innen mit geringer
Besoldung und Vorerkrankungen, für die die Private Krankenversicherung eine hohe finanzielle
Belastung darstellt. Gerade diese Gruppe ist aber im bisherigen System aber auch klar
benachteiligt und bedarf ohnehin einer Besserstellung. Durch den Wegfall der
Beihilfeabrechnungen hätte eine solche Umstellung außerdem noch den positiven Nebeneffekt,
Verwaltungsaufwand zu reduzieren.
Rot-Rot-Grün geht voran
Auch wenn es verhältnismäßig kleine Stellschrauben sind, die auf Landesebene gedreht werden
können, sollte Berlin nachziehen. Wir GRÜNE wollen eine solidarische und nachhaltige
Finanzierung unserer sozialen Sicherungssysteme, eine Haushaltspolitik mit Weitsicht und
deshalb in Berlin erste, wenn auch kleine Schritte zu einer echten Bürger*innenversicherung
gehen.
Unser langfristiges Ziel – eine solidarische Krankenversicherung für alle – lässt sich nicht
auf Landesebene lösen. Aber für Schritte in die richtige Richtung müssen wir nicht auf
Mehrheiten im Bund warten. Lasst uns in Berlin einfach mit gutem Beispiel vorangehen.