Antrag: | Ein grünes Gesundheitsnetzwerk für Berlin - von Prävention bis zur Versorgung und von der Geburt bis ins hohe Alter |
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Antragsteller*in: | Lilly Aepfelbach (KV Berlin-Reinickendorf) |
Status: | Modifiziert übernommen |
Verfahrensvorschlag: | Modifizierte Übernahme |
Eingereicht: | 21.03.2022, 19:29 |
L-01-113 zu L-01NEU: Ein grünes Gesundheitsnetzwerk für Berlin - von Prävention bis zur Versorgung und von der Geburt bis ins hohe Alter
Verfahrensvorschlag: Antragstext
Von Zeile 113 bis 116 (L-01: Ein grünes Gesundheitsnetzwerk für Berlin - von Prävention bis zur Versorgung und von der Geburt bis ins hohe Alter):
Dem Anspruch auf ein Leben in Würde folgt der Anspruch auf ein Sterben in Würde. Um einen würdevollen Umgang mit sterbenden Patient*innen und eine empathische Trauerbegleitung der Angehörigen sicherzustellen, setzen wir uns dem Bund gegenüber für mehr (Kinder-) Hospize, (Teil-) Palliativstationen, die Stärkung der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) und einen höheren Personalschlüssel ein. Die Palliativ- und Hospizversorgung müssen weiter ausgebaut und diversifiziert werden. Und nicht nur im hohen Alter sterben Menschen. Gerade wenn Kinder lebensverkürzend erkrankt sind, ist die Begleitung des Kindes sowie der gesamten Familie in einem Kinderhospiz oder durch ambulante spezialisierte Kinder-Palliativversorgung von unschätzbaren Wert. Hier gilt es, die Kapazitäten auszbauen und möglichst wohnortnah zu ermöglichen. Die Kompetenzen in den Bereiiechen der PalliativPalliatativ- und Hospizversoosrgung werden bereits in der Ausbildung vermittelt. DieZusätzliche Schulungsangebote zum Umgang mit Betäubungsmitteln, sowie zu den eigenen Rechten bezüglich deren Verabreichung, schützen Patient*innen und Personal. Pflegepersonal der Palliativ- und Hospizversorgung braucht Zugang zu psychologischer Beratung und Seelsorge, sowie regelmäßige Reflexionsmöglichkeiten, um langfristig die eigene psychische Gesundheit zu schützen. Patient*innen und deren Angehörige müssen weiter ausgebautausführlich über Krankheit und diversifiziert werdenBehandlungsoptionen aufgeklärt werden, so dass Entscheidungen getroffen werden können, mit denen sie sich wohl fühlen. Hierfür wollen wir Aufklärungsprogrammen zu Patient*innenverfügungen und Vorsorgevollmachten anstoßen.
Gesundheit ist weit mehr als die reine Abwesenheit von Erkrankung. Gesundheit befähigt uns,
uns sozialen, emotionalen und physischen Herausforderungen zu stellen. Gesundheit hängt ab
von Vorsorge, um Erkrankungen vorzubeugen. Und Gesundheit braucht auch gesunde
Lebensbedingungen: von der Luft, die wir atmen bis zur Nahrung, die wir essen. Gesundheit
ist ein Querschnittsthema, das alle Politikfelder betrifft.
Die Pandemie hat dazu geführt, dass wir uns in den vergangenen Jahren intensiv mit dem Thema
Gesundheit auseinandergesetzt haben und deren individuellen und gesellschaftlichen
Stellenwert unter die Lupe genommen haben. Die Pandemie zeigt uns noch einmal deutlich, wo
die größten Lücken in unserem Gesundheitswesen sind. Denn ein für alle zugängliches und gut
ausgestattetes Gesundheitswesen ist die Grundlage für eine soziale und chancengerechte
Gesellschaft und sichert die Menschenwürde. Gesundheitsschutz und Pflege brauchen einen
größeren Stellenwert und müssen solidarisch finanziert werden. Alle Menschen müssen sich
darauf verlassen können, überall in der Stadt Zugang zu einer qualitativ hochwertigen und
bedarfsgerechten Versorgung zu haben. Dabei haben die Belange der Patient*innen und der
Angestellten Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen. Für Gesundheitsschutz braucht es aber
auch Armutsbekämpfung, Verbraucher*innenschutz, bessere Lebensbedingungen und eine wirksame
Umweltpolitik.
Unser Ziel ist ein Höchstmaß an Gesundheitschancen, Lebensqualität und Wohlbefinden der
Berliner*innen – egal welchen Alters oder Geschlechts, welcher sexuellen Identität und
Orientierung; unabhängig von der Herkunft, dem sozialen Status und der religiösen
Zugehörigkeit, ob chronisch erkrankt oder nicht, ob mit oder ohne Behinderung oder anderen
Voraussetzungen – vom Lebensanfang bis zum Lebensende. Wir wollen Gesundheitsgerechtigkeit,
Chancengleichheit und die Rahmenbedingungen herstellen, damit jede*r Berliner*in ein
selbstbestimmtes Leben in Würde führen kann. Die gesundheitliche Versorgung Berlins soll
allen bekannt sein und von allen in Anspruch genommen werden können.
Für eine gute Versorgung der Berliner*innen haben wir bereits in der letzten Wahlperiode
viel getan. Wir haben die Investitionen in die Krankenhäuser auf den Bundesschnitt angehoben
und werden unseren Beitrag sukzessive weiter erhöhen. Wir haben zudem dafür gesorgt, dass
Babylots*innen auf allen Geburtsstationen der Berliner Krankenhäuser Eltern beraten und
begleiten. Wir wollen, dass das Essen im Krankenhaus besser und gesünder wird, wir setzen
auf regionale, saisonale und nachhaltige Ernährung– am Bett wie in der Kantine.
Besonders wichtig war für uns, allen Berliner*innen Zugang zur gesundheitlichen Versorgung
zu ermöglichen. Daher unterstützen wir Menschen ohne Krankenversicherung dabei sich zu
versichern. Zudem können sich durch unseren Einsatz endlich auch Menschen ohne gültigen
Aufenthaltstitel mit einem anonymen Krankenschein behandeln lassen. Damit ist Berlin das
einzige Bundesland, in dem der Zugang zur hausärztlichen Versorgung so umfassend möglich
ist. Diesen Weg möchten wir weitergehen, die Finanzierung der Clearing-Stelle durch das Land
Berlin langfristig sichern und den Fonds, der die Behandlung von nicht versicherten Menschen
ermöglicht, ausbauen. Gleiches gilt für die Sicherstellung niedrigschwelliger Angebote der
sexuellen Gesundheitsversorgung wie etwa den Checkpoint BLN am Hermannplatz. Dieser bietet
unter einem Dach Beratung, Tests sowie Präventions- und Behandlungsangebote zu sexuell
übertragbaren Krankheiten.
Gesundheit in allen Lebenslagen
Wir arbeiten an einer gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung, die diversitäts-, und
kultursensibel ist und offen mit den unterschiedlichen Bedürfnissen der erkrankten und
pflegebedürftigen Menschen umgeht.
Diskriminierungsfreie Gesundheit
Der Zugang zur Gesundheitsversorgung ist ein Menschenrecht. Doch noch immer erfahren viel zu
viele Berliner*innen Diskriminierung im Gesundheitssektor. Wir werden medizinische
Einrichtungen dabei unterstützen, bestehende Diskriminierungen abzubauen. Unser Ziel ist
eine diversitätssensible Gesundheitsversorgung und Pflege in Berlin. Bisher haben Menschen
mit einer Behinderung noch nicht überall die Wahlfreiheit, weil Barrieren sie am Zugang
hindern. Menschen mit fehlenden deutschen Sprachkenntnissen haben
Verständigungsschwierigkeiten. Häufig erleben Patient*innen aufgrund ihrer Herkunft, ihrer
sexuellen Orientierung, ihrer geschlechtlichen Identität oder körperlicher Merkmale verbale
Übergriffe, abwertende Bemerkungen und mangelnde medizinische Versorgung. So führt etwa der
Zeit- und Effizienzdruck des Gesundheitspersonals häufig zur Ungleichbehandlung von älteren
Patient*innen und Menschen mit Behinderungen, oft mit dem Ergebnis, dass ihnen der Zugang zu
medizinischen Leistungen verweigert wird. Auch Gewichtsdiskriminierung führt zu schlechterer
Versorgung. Oder aber die Offenlegung der sexuellen Identität wirkt sich nachteilig auf die
Interaktion von Ärzt*innen und Patient*innen aus. Wir werden uns daher für die Einrichtung
einer Fachstelle gegen Diskriminierung im Gesundheitswesen einsetzen, um strukturelle
Diskriminierungen abzubauen.
Berlin ist eine weltoffene Metropole mit Menschen aus unterschiedlichen Sprach- und
Kulturräumen. Sie alle sollen im Gesundheitswesen gut versorgt werden. Dazu bedarf es
fachlich qualifizierter Sprachmittler*innen in allen Sektoren der Behandlung. Wir werden
darauf dringen, dass die im Bundeskoalitionsvertrag vereinbarte Sprachmittlung auch mit
Hilfe digitaler Anwendungen im Kontext notwendiger medizinischer Behandlungen Bestandteil
des Krankenversicherungsrechts nach SGB V wird und bald umgesetzt wird.
In Berlin haben sich überdies spezifische Beratungsangebote wie die „Interkulturellen
Brückenbauer*innen in der Pflege – IBIP“ bewährt, um den Zugang zu Leistungen der Pflege zu
gewährleisten, indem sie in unterschiedlichen Sprachen die Pflegebedürftigen und deren
Angehörige in Pflegestützpunkten über die Stadt verteilt beraten. Diese Leistungen werden
wir, finanziert aus Mitteln der Sozialen Pflegeversicherung und aus Landesmitteln, weiterhin
garantieren. Um eine diversitätssensible und diskriminierungskritische Pflege nachhaltig
anzubieten, setzen wir uns dafür ein, dass entsprechende Schulungsangebote fester
Bestandteil der Ausbildungscurricula und von Weiterbildungen werden.
Im Rahmen der Fast Track City-Initiative „95-95-95-0“ wollen wir die HIV-Beratungs- und
Versorgungsstrukturen weiter stärken, die bestehenden Präventionsangebote und -kampagnen
zielgruppenorientiert ausbauen, allen Berliner*innen unabhängig vom Geldbeutel Zugang zu
Tests und Versorgung ermöglichen und Aufklärungskampagnen zur Entstigmatisierung
durchführen. Zudem werden wir uns für eine diskriminierungsfreie Pflegeversorgung älterer
queerer Menschen einsetzen.
Geschlechtergerechte Gesundheit
Auf die spezifischen Bedürfnisse von Frauen und deren Ausprägung von Krankheitsmerkmalen
muss das Gesundheitswesen mehr als bisher eingehen. Sie müssen Bestandteil der Ausbildung
von Mediziner*innen und anderen Gesundheitsberufen werden. Wir werden prüfen, ob das
Institut für „Gender in Medicine“ an der Berliner Charité genügend Kapazitäten vorhält oder
weiter ausgebaut werden muss, um in ausreichender Form den Bedarf von geschlechtergerechter
Forschung und Lehre in Berlin abzudecken. Die Gesundheitsversorgung von Frauen und inter,
nichtbinären sowie trans Personen werden wir verbessern. Sie muss vor allem
diskriminierungsfrei sein. Wir setzen uns für intersektionale reproduktive Rechte ein. Dazu
gehört, dass das Angebot an Gynäkolog*innen in allen Bezirken und der Zugang zur
Geburtsvorbereitung gesichert ist. Gefahrlose Schwangerschaftsabbrüche sowie eine Schutzzone
vor Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen werden wir ermöglichen. Die Bedingungen für
sichere und gute Geburten sowie für eine bedarfsgerechte Nachsorge wollen wir verbessern,
mit einer bedarfsgerechten Ausstattung, einer Erhöhung der Ausbildungskapazitäten sowie
besseren Arbeitsbedingungen für Hebammen und einer digitalen Plattform, die die Suche nach
Hebammen erleichtert.
Gesund in jedem Alter
Die Gesundheitschancen von Kindern gilt es im besonderen Maße zu fördern und zu schützen.
Dafür muss geprüft werden, wie die Inanspruchnahme der U-Untersuchungen für Kinder noch
weiter gesteigert und kranke und schwerkranke Kinder wohnortnah versorgt werden können. Die
pädiatrische und intensivpädiatrische Versorgung in Kliniken muss bedarfsgerecht ausgebaut
werden; im Bund setzen wir uns für die Finanzierung ausreichender Vorhaltekapazitäten ein.
Niedrigschwellige Beratungs- und Unterstützungsangebote für Kinder und Jugendliche müssen
ausgebaut und vernetzt werden. Kinder sucht- und psychisch kranker Eltern sollen sich
eigenständig Hilfe suchen können. Dafür werden niedrigschwellige Angebote bekannter gemacht.
Unser Ziel ist zudem, dass die Berliner*innen auch im hohen Alter ihr Leben möglichst gut
und selbstbestimmt führen und dabei so lange wie möglich in ihrem eigenen Zuhause bleiben
können. Daher werden wir Modellprojekte zur Prävention von Einsamkeit sowie Hilfs- und
Kontaktangebote in den Bezirken fördern.
Dem Anspruch auf ein Leben in Würde folgt der Anspruch auf ein Sterben in Würde. Um einen würdevollen Umgang mit sterbenden Patient*innen und eine empathische Trauerbegleitung der Angehörigen sicherzustellen, setzen wir uns dem Bund gegenüber für mehr (Kinder-) Hospize, (Teil-) Palliativstationen, die Stärkung der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) und einen höheren Personalschlüssel ein. Die Palliativ- und Hospizversorgung müssen weiter ausgebaut und diversifiziert werden. Und nicht nur im hohen Alter sterben Menschen. Gerade wenn Kinder lebensverkürzend erkrankt sind, ist die Begleitung des Kindes sowie der gesamten Familie in einem Kinderhospiz oder durch ambulante spezialisierte Kinder-Palliativversorgung von unschätzbaren Wert. Hier gilt es, die Kapazitäten auszbauen und möglichst wohnortnah zu ermöglichen. Die
Kompetenzen in den Bereiiechen der PalliativPalliatativ- und Hospizversoosrgung werden bereits in der
Ausbildung vermittelt. DieZusätzliche Schulungsangebote zum Umgang mit Betäubungsmitteln, sowie zu den eigenen Rechten bezüglich deren Verabreichung, schützen Patient*innen und Personal. Pflegepersonal der Palliativ- und Hospizversorgung braucht Zugang zu psychologischer Beratung und Seelsorge, sowie regelmäßige Reflexionsmöglichkeiten, um langfristig die eigene psychische Gesundheit zu schützen. Patient*innen und deren Angehörige müssen weiter ausgebautausführlich über Krankheit und
diversifiziert werdenBehandlungsoptionen aufgeklärt werden, so dass Entscheidungen getroffen werden können, mit denen sie sich wohl fühlen. Hierfür wollen wir Aufklärungsprogrammen zu Patient*innenverfügungen und Vorsorgevollmachten anstoßen.
Zur Entlastung von pflegenden Angehörigen gehört der Ausbau von Tages-, Kurzzeit-, Nacht-
und Verhinderungspflege. Wir folgen damit dem Ansatz ambulant vor stationär. Die Anzahl von
Pflege-Wohngemeinschaften wollen wir beibehalten und bei Bedarf ausbauen. Die Pflege-
Wohngemeinschaften sollen nach überprüfbaren Qualitätsindikatoren arbeiten.
Zu einer guten Pflegepolitik gehört auch eine Ansprechperson in der Verwaltung, an die sich
pflegende Angehörige, Pflegebedürftige oder Dienstleistungsanbieter wenden können, wenn
Fragen oder Beschwerden zur Pflege bestehen. Wir haben uns daher im Koalitionsvertrag für
eine*n Landespflegebeauftragte*n massiv eingesetzt. Eine wichtige Aufgabe der*des
Landesbeauftragten besteht auch in der Aktivierung des Landespflegeausschusses. Damit wird
die Chance genutzt, alle wichtigen Akteur*innen der Stadt zusammenzubringen.
Psychische Gesundheit
Fast alle Menschen haben durch eigene Betroffenheit oder als Angehörige im Laufe ihres
Lebens Erfahrungen mit psychischen Erkrankungen wie Depressionen. Viele Menschen haben in
Berlin nicht erst seit der Pandemie große Schwierigkeiten, einen passenden Therapieplatz zu
finden. Wir müssen daher das psychotherapeutische, psychosoziale und psychiatrische
Versorgungssystem stärken und weiterentwickeln. Ein zentraler Bestandteil ist das Prinzip
der lebensweltnahen, sozialraumorientierten Versorgung auf der Bezirksebene. Es müssen mehr
Angebote zur Förderung psychischer Gesundheit und Prävention psychischer Erkrankungen
geschaffen und die niedrigschwelligen Beratungs- und Begleitungsangebote des
Psychiatrieentwicklungsprogramms gestärkt und zukunftsfest gemacht werden. Aufbauend auf
einer durchzuführenden gesamtstädtischen Evaluation des Psychiatrieentwicklungsprogramms
möchten wir einen Landespsychiatrieplan entwickeln, der zusammen mit dem „Landeskonzept
Sucht“ unter dem Dach eines Landesprogramms psychische Gesundheit vereint wird. Die
sozialpsychiatrischen und kinder- und jugendpsychiatrischen Dienste wie auch die
Psychiatriekoordination müssen in Ihren Aufgaben gestärkt werden. In der außerklinischen
psychiatrischen Versorgung möchten wir für entgelt- und zuwendungsfinanzierte Angebote
gemeinsam ein neues Finanzierungs- und Steuerungsmodell entwickeln und nach erfolgreicher
Erprobung flächendeckend einführen. In der klinischen Versorgung soll das Prinzip „ambulant
vor teilstationär vor stationär“ beachtet und der begonnene Trend zur Ambulantisierung mit
vorrangig teilstationären und/oder aufsuchenden Versorgungsangeboten konsequent fortgeführt
werden. Der Trialog zwischen Psychiatrieerfahrenen, Angehörigen und Professionellen sowie
der vermehrte Einbezug von Peers möchten wir fördern.
Das Krankenhaus des Maßregelvollzuges soll vermehrt in die gemeindepsychiatrischen
Versorgungsstrukturen eingebunden und in der Ausstattung modernisiert werden. Eine enge
Kooperation mit der Charité und der Versorgungsforschung wird angestrebt. Zwangsmaßnahmen
sollen transparent dargestellt und weiter konsequent minimiert werden. Hierzu werden
förderliche Bedingungen in allen Versorgungsbereichen geschaffen. Dazu gehört auch die
Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen. Auch die Suizidprävention wollen wir stärken.
Psychische Gesundheit steht paradigmatisch für Netzwerkarbeit aller Bereiche der
medizinischen und nicht-medizinischen Versorgung. Hierfür müssen alle noch besser
zusammenarbeiten, insbesondere die Akteur*innen des ambulanten, klinischen und
außerklinischen Bereichs.
Gesund und selbstbestimmt Leben
Gesundheitspolitik muss da wirken, wo Menschen leben, wo sie arbeiten, ihre Freizeit
verbringen, zur Kita, in die Schule oder in andere Bildungseinrichtungen gehen. Studien
haben in den vergangenen Jahren nachgewiesen, dass Grünflächen einen unmittelbaren Effekt
auf das Wohlbefinden der Menschen haben. Ein grünes Lebensumfeld wirkt sich positiv auf die
Fähigkeit zur Emotionsregulierung aus. Investitionen in eine intakte und vielfältige
Stadtnatur schützen also das Klima und haben zugleich einen gesundheitsfördernden Effekt.
Gesundheitsfördernde Lebensbedingungen stehen allen Berliner*innen zu. Dazu gehören gute
Wohnbedingungen, die Verringerung von Luftverschmutzung und Lärm, die Neuverteilung des
öffentlichen Raums mit dem Ausbau sicherer und inklusiver Fuß- und Radwege bei
gleichzeitiger Abkehr von der autogerechten Stadt, sowie der Zugang zu Parks und Grünanlagen
mit Sport- und Erholungsmöglichkeiten.
Klimaschutz = Gesundheitsschutz
Die Klimakrise bedroht nicht nur den Planeten, sondern hat auch direkte Auswirkungen auf die
Gesundheit der Menschen – und das schon heute. Hitze kann nicht nur Hitzestress und
Erschöpfung auslösen oder zum Hitzschlag führen, sondern auch Vorerkrankungen verschlimmern.
Im Hitzejahr 2018 sind allein in Berlin fast 500 Menschen mehr hitzebedingt verstorben als
in durchschnittlichen Vergleichsjahren. Besonders betroffen waren ältere Menschen; die
Mortalitätsrate stieg bis zu 50 Prozent an. Umso wichtiger ist es, neben
Klimaschutzmaßnahmen auch Klimaanpassungsmaßnahmen vorzunehmen.
Versiegelte Flächen und Fahrzeuge heizen die Stadt auf. Städte wie Berlin werden im Sommer
zu Hitzeinseln, die bis zu 8 Grad heißer sind als das Umland. Gravierend ist die Situation
in dicht besiedelten Innenstadtbereichen, in denen häufig Menschen leben, die von Armut
betroffen sind. Daher wollen wir Berlin auch besser für Hitzewellen und Starkregenereignisse
rüsten, um die Gesundheit der Bürger*innen zu schützen.
Das gelingt uns mit klugen Investitionen in die Stadtinfrastruktur und einer grundsätzlichen
Prüfung der Klimaresilienz aller Infrastrukturmaßnahmen. Neue Vorgaben für Dach- und
Fassadenbegrünung sowie eine höhere Förderung sollen für mehr Grün an den Gebäuden und damit
für eine angenehme Kühlung durch Verdunstung sorgen. Wir wollen das Stadtgrün stärken und
die Bewässerung und die Pflanzung von Straßenbäumen verbessern, um die Stadt zu kühlen und
die Gesundheit der Menschen zu fördern. Wir wollen öffentlich zugängliche Brunnen an allen
zentralen Haltestellen und stark frequentierten Orten aufstellen. Gerade an heißen Tagen
muss jeder Mensch einfach und schnell Zugang zu Trinkwasser haben – unabhängig vom
Geldbeutel. Um ein übermäßiges Aufheizen der Stadt zu vermeiden, wollen dafür sorgen, dass
Berlin eine Schwammstadt wird: Bei allen neuen Bauvorhaben soll möglichst viel Regenwasser
vor Ort im Boden versickern können, das speichert Wasser für trockene Zeiten. Bessere
Versickerung, lebendiges Stadtgrün und kühlere Straßen gibt es allerdings nur, wenn wir
endlich mehr Flächen entsiegeln. Wir wollen Berlins Verkehrsinfrastruktur in den nächsten
Jahren durch Entsiegelung und Umwidmung neu gestalten und überall in der Stadt grüne Oasen
mit Wasserbecken, Pocket Parks, Trink- und Spielbrunnen entstehen lassen, die Mensch und
Flora und Fauna vor Hitze schützen. Bis 2030 soll eine Netto-Null-Versiegelung erreicht
werden. Als Pilotprojekte und zur Veranschaulichung wollen wir nach dem Vorbild Wiens in
Berlin mehrere „Kühle Meilen“ etablieren. In diesen wird mit mehr Bäumen, Rank- und
Kletterpflanzen, mit Trinkwasserbrunnen, Wasserspielen, Erfrischungsmöglichkeiten für Jung
und Alt sowie entsiegelten Stellen und ausreichend Sitzgelegenheiten im Kiez eine Oase
geschaffen. Sie sollen verkehrsberuhigt sein und eine hohe Aufenthaltsqualität haben.
Wichtig ist, dass ein Aufenthalt nicht an einen Konsum gebunden ist und allen Menschen
gleichsam zugutekommt.
Die Klimakrise bringt darüber hinaus noch viele weitere gesundheitliche Folgen mit sich.
Krankheitsträger wie Zecken, Mücken und Sandfliegen werden sich durch die Erhöhung der
durchschnittlichen Temperatur zunehmend in Deutschland ausbreiten und somit dazu führen,
dass Krankheiten wie Malaria auch in Berlin auftreten. Zudem wird ein Anstieg an Allergien
und allergischen Symptomen erwartet, weil sich Blütephasen verlängern und Überschwemmungen
zu vermehrten Schimmelbildungen führen. Zudem werden vermehrt auftretende Naturkatastrophen
als „Trigger-Ereignisse“ zu Posttraumatischen Belastungsstörungen führen. Das hat besonders
für Kinder Folgen, deren Immunsystem noch nicht vollständig ausgebildet ist. Die Einhaltung
der 1,5 Grad Grenze des Pariser Klimaabkommens ist also auch aus gesundheitspolitischer
Sicht von zentraler Bedeutung.
Lärm- und Luftbelastung
Menschen, die an besonders vom Verkehr belasteten Straßen wohnen, leiden häufiger an Lungen-
und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie an Diabetes. Dazu trägt neben der schlechten Luft auch
die hohe Lärmbelastung bei. Deshalb ist die Verkehrswende nicht nur für den Klimaschutz
wichtig, sondern auch für die Gesundheit der Menschen.
Schlechte Luft gehört weltweit zu den bedeutendsten Gesundheitsrisiken. Dabei sind vor allem
Kinder von Luftverschmutzung betroffen. Zum einen, weil sie pro Kilo Körpergewicht mehr
Feinstaub einatmen als Erwachsene und eine höhere Atemfrequenz haben. Zum anderen, weil sie
mehr Zeit draußen verbringen und sich ihre Nasen näher an den Auspuffrohren von Fahrzeugen
befinden.
Drei Viertel der Deutschen fühlen sich zudem durch Straßenverkehrslärm belästigt. Lärm kann
zu Schlafstörungen, Herzinsuffizienz, Schlaganfällen und Herzinfarkten sowie psychischen
Erkrankungen führen, Kinder können Lernschwächen entwickeln. Besonders stark leiden dabei
Menschen, die dauerhaft mehr als einer Lärmquelle ausgesetzt sind, wie zum Beispiel einer
viel befahrenden Straße und einer Bahnschiene. Und das sind vornehmlich Menschen mit
geringem Einkommen. In Berlin leiden rund 250.000 Menschen unter gesundheitsgefährdendem
Straßenlärm. Zu ihrem Schutz brauchen wir dringend eine Verkehrswende in der ganzen Stadt.
Eine Verringerung der Lärm- und Luftbelastungen schafft mehr Lebensqualität und
Umweltgerechtigkeit in unseren Städten. Tempo 30 an so vielen Straßen wie möglich steigert
nicht nur die Verkehrssicherheit, sondern reduziert auch die Abgas- und Lärmbelastung
erheblich. Zudem brauchen wir mehr Radverkehr, mehr Elektromobilität und eine Stärkung des
öffentlichen Nahverkehrs. Allein die Einrichtung einiger Pop-Up-Radwege im Frühling 2020 hat
bereits zu einer spürbaren Verringerung der Lärmbelastung geführt. Es gilt dringend weitere
Maßnahmen zu ergreifen, die die Belastung minimieren. Deshalb wollen wir auch Fluglärm
nachhaltig mindern, indem wir dafür sorgen, dass die Menschen in der Nacht in Ruhe schlafen
können. Deshalb muss am BER ein striktes Nachtflugverbot zwischen 22 und 6 Uhr gelten.
Helfen können aber auch alle Maßnahmen, die das Verkehrsaufkommen insgesamt verringern, wie
eine Stadt der kurzen Wege oder flexible Homeoffice-Regelungen.
Gesunde Ernährung
Mit der Berliner Ernährungsstrategie treiben wir die Ernährungs- und Agrarwende aktiv voran.
Denn gesundes Essen für die gesamte Bevölkerung trägt dazu bei, Klima-, Biodiversitäts-,
Bildungs-, Gesundheits- und soziale Ziele zu erreichen.
Wir wollen, dass gutes Essen für alle Berliner*innen unabhängig von der finanziellen
Situation erschwinglich ist. Dafür werden wir in den ersten bis sechsten Klassen das
Schulessen, das derzeit aus 50 % Bioanteil besteht, im Laufe der Legislatur auf 100 %
Bioanteil ausweiten und auch die weiterführenden Schulen einbeziehen. Auch in Kitas,
Krankenhäusern, Senioreneinrichtungen und öffentlichen Kantinen wird Berlin bis 2026
weitestgehend auf biologische, regionale und saisonale Lebensmittel umsteigen. Zudem wollen
wir pflanzliche Ernährung fördern.
In Zusammenarbeit mit Wirtschaft, Zivilgesellschaft und dem Land Brandenburg werden wir die
Ernährungsstrategie fortführen und ausbauen. Das in Brandenburg entwickelte Qualitäts-Regio-
Siegel für Produkte aus dem Umkreis wird Berlin verbindlich in seinen Vergaben für die
öffentliche Gemeinschaftsverpflegung verwenden.
Damit die Umstellung der Gemeinschaftsverpflegung gelingt, wird die Fortbildungseinrichtung
„Kantine Zukunft“ weitergeführt und ihre Arbeit so verstetigt, dass sie regelmäßig neue
Küchen in ihr Umstellungsprogramm aufnehmen kann.
Die Wochen- und Großmärkte wird Berlin zu Zentren für regionale und biologisch angebaute
Lebensmittel ausbauen. Mit der Einrichtung von wenigstens einem „LebensMittelpunkt“ vor Ort
in jedem Berliner Bezirk wird in enger Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen
Akteur*innen den Menschen vor Ort Zugang zu gutem, gesundem und erschwinglichen Essen
ermöglicht und ein Ort des nachbarschaftlichen Zusammenlebens geschaffen.
An möglichst allen Schulen sollen Schulgärten etabliert und den Schulen Zugang zu Lehrküchen
ermöglicht werden. Möglichst viele Schulen sollen zu „Ernährungsschulen“ („Food Schools“)
gemacht werden, in denen das Essen frisch gekocht wird und die Schüler*innen an der
Zubereitung beteiligt werden. Mit einem zentral gelegenen „Food-Campus“ wird in der Stadt
ein Ort geschaffen, an dem Wissenschaft, Praxis, Bildung und fachpolitische Diskussionen von
und mit der Zivilgesellschaft die Ernährungswende in Berlin vorantreiben.
Wir werden aktiv gegen Lebensmittelverschwendung vorgehen, Projekte und Initiativen
unterstützen, die Lebensmittel retten und verteilen. Auf Bundesebene werden wir uns dafür
einsetzen, dass abgelaufene Lebensmittel nicht mehr weggeworfen werden dürfen, sondern an
Initiativen wie die Berliner Tafel oder Foodsharing abgegeben werden müssen und das
„Containern“ (Rettung entsorgter Lebensmittel aus den Mülltonnen von Supermärkten) zu
entkriminalisieren.
Sport und Bewegung
Sport und Bewegung machen Spaß, ermöglichen Gemeinschaft und tragen maßgeblich zum
Wohlbefinden bei. Wir wollen allen Berliner*innen ermöglichen, sich sportlich zu betätigen.
Egal in welchem Alter, egal ob organisiert und regelmäßig oder nur ab und zu, das
Sportangebot in Berlin soll alle Bedürfnisse abdecken und deshalb auch inklusive und
barrierefreie Sportanlagen und Sportstätten beinhalten. Dabei ist unsere Vision für Berlin,
dass Sport und Bewegung selbstverständlich in allen Bereichen mitgedacht werden: Sei es das
Laufen im Park, eine Runde Tischtennis im Hof, Bouldern an der Einkaufscenter-Fassade oder
Kicken in der Spielstraße. Dafür denken wir Sport und Bewegung auch in der Stadtplanung mit.
Denn die Förderung von körperlicher Aktivität im Alltag ist ein sehr wichtiger Baustein, um
die Bewegung insgesamt zu fördern. Dafür braucht es ausgebaute Sportstätten, sichere Fuß-
und Radwege, die Möglichkeit zur Bewegung in Parks und Grünflächen und eine
bewegungsfreundliche Stadtumgebung.
Drogenpolitik
Beispielhaft für einen selbstbestimmten Umgang mit Gesundheit steht auch unser Ansatz für
die Drogenpolitik. Der Konsum von Drogen gehört zur Lebensrealität in unserer Stadt. Dies
gilt es anzuerkennen. Allein der jahrzehntelang erzwungene prohibitive Umgang mit
gesellschaftlich weit verbreitetem und akzeptiertem Cannabiskonsum hat die Probleme auch in
Berlin nicht entschärft, sondern verschärft. Wir Bündnisgrüne stehen für eine Neuausrichtung
der Drogenpolitik: Statt Kriminalisierung und Stigmatisierung braucht es einen fakten- und
evidenzbasierten Ansatz, der Menschen durch Prävention und Aufklärung schützt und damit
Verbraucherschutz überhaupt erst möglich macht, Abhängigen unkompliziert Hilfe zukommen
lässt und die Selbstbestimmung aller respektiert. Es braucht Aufklärung durch Bildungs- und
Jugendeinrichtungen wie auch durch zielgruppenspezifische Projekte und Angebote. Jugend- und
Gesundheitsschutz haben klar Vorrang vor Gewinninteressen. Die tödlichsten Drogen bleiben
Tabak und Alkohol. Wir beurteilen Drogen nach ihrer Gefährlichkeit, deshalb gilt es nach dem
Prinzip der harm reduction gefährlichen Konsum zu vermeiden und Konsumrisiken zu minimieren.
Mit einem Pilotprojekt zum Drug-Checking, das 2022 in die Umsetzung geht, machen wir einen
wichtigen Schritt, um Konsument*innen vor gefährlichen und gepanschten Drogen zu schützen.
Dieses wollen wir in einem zweiten Schritt mit mobilen Point-of-Care-Stellen weiter
ausbauen. Auch den Zugang zu Drogenkonsumräumen wollen wir weiter verbessern. Die Suchthilfe
muss stärker mit den Angeboten der Sozialarbeit verzahnt werden, um Menschen, die in
Abhängigkeit geraten sind, auch wirksam und langfristig zu helfen. Substitutionsprogramme,
auch in Haftanstalten, sollen verstetigt und ausgebaut werden.
Wir sehen die angekündigte Legalisierung von Cannabis durch ein Cannabiskontrollgesetz durch
den Bund als Chance und werden diese in Berlin zügig und umfassend umsetzen. Wir streben an,
dass das erste lizensierte Fachgeschäft für Cannabis in Berlin eröffnet wird, sobald dafür
die rechtliche Grundlage auf Bundesebene geschaffen wurde. Zudem befürworten wir die
Möglichkeit des Eigenanbaus für den Selbstgebrauch. Außerdem treten wir für einen Amnestie
aller wegen Cannabis gefällten Verurteilungen ein. Darüber hinaus wollen wir die
Entkriminalisierung vorantreiben. Dazu gehört, die Regelung zum Besitz geringer Mengen auf
weitere Betäubungsmittel zu erweitern, wie dies bereits in mehreren anderen Bundesländern
erfolgt ist. Auch wollen wir die Forschung auf dem Gebiet der psychoaktiven Substanzen
stärken und damit der generellen Tabuisierung mit wissenschaftlichen Erkenntnissen und
evidenzbasierten Antworten entgegenwirken.
Gesunde Gesundheitsinfrastruktur
Die Pandemie hat unseren Blick auf bereits länger bestehende Herausforderungen im
Gesundheitssystem gerichtet. Aber auch ohne Pandemie ist eine funktionierende und gut
ausgestattete Gesundheitsinfrastruktur von elementarer Bedeutung für eine gesunde
Gesellschaft und ein lebenswertes Berlin.
Öffentlicher Gesundheitsdienst (ÖGD) als „Networker“ der Versorgung
Der ÖGD ist mehr als die dritte (statische) Säule des Gesundheitswesens. Er verbindet
individualmedizische mit gesellschaftsmedizinischen Ansätzen in den Bereichen des
Gesundheitsschutzes, der Gesundheitshilfen, der Gesundheitsförderung und der
Gesundheitskoordination unter Einbezug des Sozialraumes. Wir stehen für einen modernen
Öffentlichen Gesundheitsdienst, der als gleichberechtigter Partner und Netzwerker im
Gesundheitssystem wahrgenommen wird und eine wichtige Rolle als Garant für gesundheitliche
Chancengleichheit einnimmt.
Der Öffentliche Gesundheitsdienst in den Bezirken muss als wichtiger Bestandteil der
Daseinsvorsorge personell und in Bezug auf die IT-Ausstattung gestärkt und inhaltlich in den
Bereichen Gesundheitshilfen, Gesundheitsschutz, Gesundheitsförderung und
Gesundheitskoordination weiterentwickelt werden. Das ist eine der zentralen Lehren der
Pandemie. Wir brauchen einen gut ausgestatteten ÖGD um besser auf zukünftige Pandemien
vorbereitet zu sein.
Gesundheit spielt sich im Sozialraum ab
Wir stehen für eine niedrigschwellige, vernetzte Gesundheitsversorgung vor Ort und eine
bessere Verteilung der Angebote über die Stadt. Daher werden wir das Prinzip des Stadtteil-
Gesundheitszentrums, wie das Gesundheitskollektiv in Neukölln, in die verschiedenen Kieze
Berlins exportieren. Ziel eines integrierten Stadtteil-Gesundheitszentrums ist, die
Gesundheitsversorgung nicht nur medizinisch, sondern vor allem auch gesellschaftlich und
sozialpolitischzugestalten. Denn die Lebensverhältnisse der Menschen haben einen großen
Einfluss auf ihre Gesundheit. Stadtteil-Gesundheitszentren arbeiten in ausgewählten
Sozialräumen, wirken integrativ in multiprofessionellen Teams und haben so die soziale
Lebenssituation der Patient*innen fest im Blick. Behandlungen erfolgen dabei auf Augenhöhe
mit den Patient*innen, aber auch zwischen den Beschäftigten. Ärzt*innen,
Sozialarbeiter*innen, Therapeut*innen, Stadtteilmütter, Streetworker und Sprachmittlung
gehen dabei Hand in Hand und auf die unterschiedlichen Bedürfnisse ein. So wird für jeden
und jede ein niedrigschwelliger Zugang zum Hilfesystem erreicht. Wir wollen damit die
Chancen von Kranken und Pflegebedürftigen verbessern und Zugangshindernisse abbauen.
Krankenhausfinanzierung und faire Bezahlung
Im Bereich der Krankenhausinvestitionen gilt, was für den Gesundheitssektor insgesamt gilt:
Mit guten Kooperationen und nur gemeinsam kommen wir weiter.
Das Land Berlin verfügt dabei mit Charité und Vivantes in Landesbesitz über zwei zentrale
Grundpfeiler der Krankenhauslandschaft, die einen erheblichen Teil der Gesundheitsversorgung
der Berliner*innen leisten. Mit diesen beiden Unternehmen hat das Land die Möglichkeit
starke gemeinwohlorientierte Akzente bei der Weiterentwicklung der Berliner
Gesundheitslandschaft zu setzen. Die gute Zusammenarbeit beider Unternehmen ist für ihren
wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und medizinischen Erfolg von entscheidender Bedeutung.
Wir bekennen uns deshalb zum Konzept Gesundheitsstadt 2030, insbesondere die Umsetzung der
gemeinsamen Standortentwicklung, eine Portfolioabstimmung und die Investitionsplanungen der
Gesundheitsstadt bieten jetzt die Chance die Weichen für die stationäre Krankenversorgung
auf europäischem Spitzenniveau und eine internationale Führungsrolle in medizinischer
Innovation zu sichern und auszubauen. Besonders in Sachen Krankenhäusern werden wir Grüne
die begonnene Trendwende bei den Krankenhausinvestitionen fortsetzen und setzen uns für ein
schrittweises Aufwachsen der Investitionsmittel ein. Wir setzen auf Investition und
Transformation: Die Folgen von unterlassenen Investitionen der Vergangenheit begleiten uns
noch an vielen Stellen im Gesundheitswesen – hier gibt es noch viel zu reparieren!
Transformation bedeutet für uns deshalb Investitionen an der richtigen Stelle. Nicht bloß
neu, sondern auch nachhaltig, müssen wir die Gelder für die Krankenhäuser priorisieren:
Klimagerechtes Bauen, verbesserte Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten und bessere
Aufenthaltsqualität sind Maßstäbe für eine Grüne Krankenhausinvestitionsplanung. Weiteres
Outsourcing oder (Teil-)Privatisierung im Krankenhausbereich lehnen wir ab.
Für eine zukunftsfähige Finanzierung des Krankenhausbereiches braucht es aber auch Reformen
auf Bundesebene, die die Fokussierung auf die Ökonomisierung des Krankenhausbetriebs und die
ertragsreichste Behandlung beenden. Klinken müssen in einem neuen Finanzierungssystem mit
einer starken Säule der Strukturfinanzierung sowie Vorgaben zur Personalbemessung und
Versorgungsqualität entsprechend ihrem gesellschaftlichen Auftrag finanziert werden.
Dabei machen wir uns auch stark für eine gute tarifliche Entlohnung aller Beschäftigten in
den Krankenhäusern und haben daher die Berliner Krankenhausbewegung in ihren Forderungen
unterstützt. Daher begrüßen wir die erfolgreichen Tarifabschlüsse. Eine besondere
Verantwortung der Ampelkoalition im Bund liegt in der Einführung einer gemeinsam
Bürgerversicherung für alle Versicherten.
Qualifizierung und Wertschätzung der Beschäftigten
Eine gute und engagierte Gesundheitsversorgung der Berliner Bevölkerung ist nur mit
motivierten und qualifizierten Beschäftigten möglich, die wertgeschätzt und für ihre
Tätigkeit angemessen bezahlt werden. Zur guten Gesundheitsversorgung gehören auch
Ärzt*innen, die bereit sind, Patient*innen und Pflegebedürftigen auf Augenhöhe zu begegnen.
Beschäftigte aller Gesundheitsberufe leisten einen unschätzbaren Beitrag für unsere
Gesellschaft. Menschen, die bei Krankheit oder im Alter Unterstützung benötigen, wünschen
sich zu Recht Ärzt*innen und Pflegekräfte, die sich mit Sorgfalt um sie kümmern. Dafür
brauchen Pflegekräfte ausreichend Zeit, gute Arbeitsbedingungen und eine faire Bezahlung
nach Tarif. Daher wollen wir die Arbeits- und Ausbildungsbedingungen für die Beschäftigten
im Gesundheitswesen weiter verbessern.
Um dem Pflegenotstand und Fachkräftemangel entgegenzuwirken, braucht es ebenso attraktivere
Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen in der Pflege und den Gesundheitsberufen. Berlin muss
auch für eine angemessene Vergütung für den Praxisanteil während des Pflegestudiums sorgen.
Wir setzen uns für Schulgeldfreiheit bei der Ausbildung der anerkannten Gesundheitsberufe
(Logopädie, Physio- und Ergotherapie) ein.
Lehren der Pandemie
Die Pandemie ist mehr als ein einmaliges Ereignis, sie hat Folgen, gesellschaftlich und
gesundheitlich. Insbesondere die Zunahme der Long-Covid-Fälle, als auch psychische
Belastungen durch alle Alters- und Gesellschaftsgruppen, geben Anlass zur Sorge und fordern
zum Handeln auf.
Die Einschränkungen in Folge der Corona-Pandemie haben zu erheblichen Belastungen von großen
Teilen der Gesellschaft geführt. Viele Familien mussten zeitweise das Arbeiten im Homeoffice
und die schulische Unterstützung und Betreuung ihrer Kinder in viel zu kleinen Wohnungen
unter einen Hut bringen. Etliche Selbstständige gerieten in Existenzsorgen, weil ihre
Einnahmen infolge von Einschränkungen erheblich eingebrochen sind. Aus vielen Studien wissen
wir aber, dass die Pandemie und Infektionsschutzmaßnahmen für Kinder und Jugendliche
besonders starke Belastungen und Einschränkung bedeuten. Die Kontaktbeschränkungen engen in
diesen Altersgruppen wichtige Bedürfnisse nach unmittelbarem Kontakt, Austausch und
Freundschaft ein. Die Schulsituation ist belastender und führt dazu, dass Kinder aus von
Armut betroffenen Familien in der Gefahr sind, abgehängt zu werden. Daher sind insbesondere
soziale Projekte unverzichtbar, die auch Kinder aus sozial benachteiligten Familien
erreichen. Zur Prävention psychischer Erkrankungen von Kindern und Jugendlichen müssen
vorhandene Angebote wie z.B. das „Schulpsychologische und Inklusionspädagogische Beratungs-
und Unterstützungszentren (SIBUZ)“ besser bekannt gemacht und genutzt werden.
Ein besonderes Augenmerk der Bewältigung der psychischen Belastung sollte zudem auf die
Gesundheits- und Pflegeberufe gelegt werden. Diese betreffen überproportional Frauen. Die
Pandemie verstärkt ihre Belastungen um ein Vielfaches und steigert das Risiko der
Entwicklung von psychischen Erkrankungen. Psychische Erkrankungen können mit
Arbeitsunfähigkeit und Frühverrentung einhergehen. Prävention am Arbeitsplatz und
Frühintervention sind essentiell, um einer Chronifizierung vorzubeugen.
Auch die Folgen von Long-Covid werden uns noch lange beschäftigen. Die Folgesymptome sind
vielfältig und können alle Organe betreffen. Die Betroffenen leiden unter körperlichen,
mentalen und psychischen Symptomen. Besonders ausgeprägt ist das Fatigue-Syndrom. Dabei sind
Frauen stärker von Long-Covid betroffen als Männer. Betroffene sind teilweise in ihren
Handlungsmöglichkeiten in hohem Maße eingeschränkt und auf Unterstützung angewiesen.
Es bedarf einer Stärkung und besseren Vernetzung bestehender Beratungs- und
Behandlungsangebote, wie auch der Schaffung von neuen Angeboten, die sich in die bereits
bestehende Angebotslandschaft einfügen. Durch die Pandemie wurden intensivierte
Versorgungsangebote (wie z. B. Testzentren und Impfzentren) parallel zum bestehenden
Versorgungssystem geschaffen. Wir brauchen einen Plan, wie wir die dort gemachten
Erfahrungen analysieren und damit in Zukunft umgehen wollen. Denkbar wäre die Einrichtung
einer Enquete-Kommission für Lehren aus der Pandemie, wie gerade in Baden-Württemberg auf
den Weg gebracht, um für künftige Krisen besser gerüstet zu sein.
Lehren aus der Pandemie richten sich dabei an alle Politikfelder. Das Pandemiemanagement
sensibilisiert besonders für das Konzept von Health in all policies. Diese Sensibilisierung
sollte verstärkt in den nach-pandemischen Diskurs mitgenommen und verankert werden.
Eine Pandemie ist nie ein isoliertes Ereignis. Pandemie bedarf mehr als Gesundheitsschutz,
sondern auch den frühzeitigen Einbezug einer multiprofessionellen Begleitung (sozial-,
wirtschafts-, gesundheitswissenschaftlich, Kommunikationswissenschaften, ethisch und
psychologisch). Durch die Klimakrise ist die Wahrscheinlichkeit deutlich erhöht, dass
weitere Pandemien folgen werden. Daher ist es dringend notwendig, für zukünftige Ereignisse
unter Berücksichtigung der Lessons learned frühzeitig und umfassend Vorsorge zu treffen.
Antragstext
Von Zeile 115 bis 118 einfügen:
Dem Anspruch auf ein Leben in Würde folgt der Anspruch auf ein Sterben in Würde. Um einen würdevollen Umgang mit sterbenden Patienten und eine empathische Trauerbegleitung der Angehörigen sicherzustellen, brauchen nicht nur Hospize, sondern auch (Teil-)Palliativstationen einen höheren Personalschlüssel. Die Kompetenzen in den Bereichen der Palliativ- und Hospizversorgung werden bereits in der Ausbildung vermittelt. Zusätzliche Schulungsangebote zum Umgang mit Betäubungsmitteln, sowie zu den eigenen Rechten bezüglich deren Verabreichung schützen Patienten und Personal. Die Palliativ- und Hospizversorgung müssen weiter ausgebaut und diversifiziert werden.
Pflegepersonal der Palliativ- und Hospizversorgung braucht Zugang zu psychologischer Beratung und Seelsorge, sowie regelmäßige Reflexionsmöglichkeiten, um langfristig die eigene psychische Gesundheit zu schützen.
Gesundheit ist weit mehr als die reine Abwesenheit von Erkrankung. Gesundheit befähigt uns,
uns sozialen, emotionalen und physischen Herausforderungen zu stellen. Gesundheit hängt ab
von Vorsorge, um Erkrankungen vorzubeugen. Und Gesundheit braucht auch gesunde
Lebensbedingungen: von der Luft, die wir atmen bis zur Nahrung, die wir essen. Gesundheit
ist ein Querschnittsthema, das alle Politikfelder betrifft. Für Gesundheitsschutz braucht es
deshalb auch Armutsbekämpfung, Verbraucher*innenschutz, bessere Lebensbedingungen und eine
wirksame Umweltpolitik.
Die Pandemie hat dazu geführt, dass wir uns in den vergangenen Jahren intensiv mit dem Thema
Gesundheit auseinandergesetzt haben und deren individuellen und gesellschaftlichen
Stellenwert unter die Lupe genommen haben. Die Pandemie zeigt uns noch einmal deutlich, wo
die größten Lücken in unserem Gesundheitswesen sind. Denn ein für alle zugängliches und gut
ausgestattetes Gesundheitswesen ist die Grundlage für eine soziale und chancengerechte
Gesellschaft und sichert die Menschenwürde. Gesundheitsschutz und Pflege brauchen einen
größeren Stellenwert und müssen solidarisch finanziert werden. Alle Menschen müssen sich
darauf verlassen können, überall in der Stadt Zugang zu einer qualitativ hochwertigen und
bedarfsgerechten Versorgung zu haben. Dabei haben die Belange der Patient*innen und der
Angestellten Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen. Für Gesundheitsschutz braucht es aber
auch Armutsbekämpfung, Verbraucher*innenschutz, bessere Lebensbedingungen und eine wirksame
Umweltpolitik.
Unser Ziel ist ein Höchstmaß an Gesundheitschancen, Lebensqualität und Wohlbefinden der
Berliner*innen – egal welchen Alters oder Geschlechts, welcher sexuellen Identität und
Orientierung; unabhängig von der Herkunft, dem sozialen Status und der religiösen
Zugehörigkeit, ob chronisch erkrankt oder nicht, ob mit oder ohne Behinderung oder anderen
Voraussetzungen – vom Lebensanfang bis zum Lebensende. Wir wollen Gesundheitsgerechtigkeit,
Chancengleichheit und die Rahmenbedingungen herstellen, damit jede*r Berliner*in ein
selbstbestimmtes Leben in Würde führen kann. Die gesundheitliche Versorgung Berlins soll
allen bekannt sein und von allen in Anspruch genommen werden können.
Für eine gute Versorgung der Berliner*innen haben wir bereits in der letzten Wahlperiode
viel getan. Wir haben die Investitionen in die Krankenhäuser auf den Bundesschnitt angehoben
und werden unseren Beitrag sukzessive weiter erhöhen. Wir haben zudem dafür gesorgt, dass
Babylots*innen auf allen Geburtsstationen der Berliner Krankenhäuser Eltern beraten und
begleiten. Wir wollen, dass das Essen im Krankenhaus besser und gesünder wird, wir setzen
auf regionale, saisonale und nachhaltige Ernährung– am Bett wie in der Kantine.
Besonders wichtig war für uns, allen Berliner*innen Zugang zur gesundheitlichen Versorgung
zu ermöglichen. Daher unterstützen wir Menschen ohne Krankenversicherung dabei sich zu
versichern. Zudem können sich durch unseren Einsatz endlich auch Menschen ohne gültigen
Aufenthaltstitel mit einem anonymen Krankenschein behandeln lassen. Damit ist Berlin das
einzige Bundesland, in dem der Zugang zur hausärztlichen Versorgung so umfassend möglich
ist. Diesen Weg möchten wir weitergehen, die Finanzierung der Clearing-Stelle durch das Land
Berlin langfristig sichern und den Fonds, der die Behandlung von nicht versicherten Menschen
ermöglicht, ausbauen. Gleiches gilt für die Sicherstellung niedrigschwelliger Angebote der
sexuellen Gesundheitsversorgung wie etwa den Checkpoint BLN am Hermannplatz. Dieser bietet
unter einem Dach Beratung, Tests sowie Präventions- und Behandlungsangebote zu sexuell
übertragbaren Krankheiten.
Gesundheit in allen Lebenslagen
Wir arbeiten an einer gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung, die diversitäts-, und
kultursensibel ist und offen mit den unterschiedlichen Bedürfnissen der erkrankten und
pflegebedürftigen Menschen umgeht.
Diskriminierungsfreie Gesundheit
Der Zugang zur Gesundheitsversorgung ist ein Menschenrecht. Doch noch immer erfahren viel zu
viele Berliner*innen Diskriminierung im Gesundheitssektor. Wir werden medizinische
Einrichtungen dabei unterstützen, bestehende Diskriminierungen abzubauen. Unser Ziel ist
eine diversitätssensible Gesundheitsversorgung und Pflege in Berlin. Bisher haben Menschen
mit einer Behinderung noch nicht überall die Wahlfreiheit, weil Barrieren sie am Zugang
hindern. Menschen mit fehlenden deutschen Sprachkenntnissen haben
Verständigungsschwierigkeiten. Häufig erleben Patient*innen aufgrund ihrer Herkunft, ihrer
sexuellen Orientierung, ihrer geschlechtlichen Identität oder körperlicher Merkmale verbale
Übergriffe, abwertende Bemerkungen und mangelnde medizinische Versorgung. So führt etwa der
Zeit- und Effizienzdruck des Gesundheitspersonals häufig zur Ungleichbehandlung von älteren
Patient*innen und Menschen mit Behinderungen, oft mit dem Ergebnis, dass ihnen der Zugang zu
medizinischen Leistungen verweigert wird. Auch Gewichtsdiskriminierung führt zu schlechterer
Versorgung. Oder aber die Offenlegung der sexuellen Identität wirkt sich nachteilig auf die
Interaktion von Ärzt*innen und Patient*innen aus. Wir werden uns daher für die Einrichtung
einer Fachstelle gegen Diskriminierung im Gesundheitswesen einsetzen, um strukturelle
Diskriminierungen abzubauen.
Berlin ist eine weltoffene Metropole mit Menschen aus unterschiedlichen Sprach- und
Kulturräumen. Sie alle sollen im Gesundheitswesen gut versorgt werden. Dazu bedarf es
fachlich qualifizierter Sprachmittler*innen in allen Sektoren der Behandlung. Wir werden
darauf dringen, dass die im Bundeskoalitionsvertrag vereinbarte Sprachmittlung auch mit
Hilfe digitaler Anwendungen im Kontext notwendiger medizinischer Behandlungen Bestandteil
des Krankenversicherungsrechts nach SGB V wird und bald umgesetzt wird.
In Berlin haben sich überdies spezifische Beratungsangebote wie die „Interkulturellen
Brückenbauer*innen in der Pflege – IBIP“ bewährt, um den Zugang zu Leistungen der Pflege zu
gewährleisten, indem sie in unterschiedlichen Sprachen die Pflegebedürftigen und deren
Angehörige in Pflegestützpunkten über die Stadt verteilt beraten. Diese Leistungen werden
wir, finanziert aus Mitteln der Sozialen Pflegeversicherung und aus Landesmitteln, weiterhin
garantieren. Um eine diversitätssensible und diskriminierungskritische Pflege nachhaltig
anzubieten, setzen wir uns dafür ein, dass entsprechende Schulungsangebote fester
Bestandteil der Ausbildungscurricula und von Weiterbildungen werden.
Im Rahmen der Fast Track City-Initiative „95-95-95-0“ wollen wir die HIV-Beratungs- und
Versorgungsstrukturen weiter stärken, die bestehenden Präventionsangebote und -kampagnen
zielgruppenorientiert ausbauen, allen Berliner*innen unabhängig vom Geldbeutel Zugang zu
Tests und Versorgung ermöglichen und Aufklärungskampagnen zur Entstigmatisierung
durchführen. Zudem werden wir uns für eine diskriminierungsfreie Pflegeversorgung älterer
queerer Menschen einsetzen.
Geschlechtergerechte Gesundheit
Auf die spezifischen Bedürfnisse von Frauen und deren Ausprägung von Krankheitsmerkmalen
muss das Gesundheitswesen mehr als bisher eingehen. Sie müssen Bestandteil der Ausbildung
von Mediziner*innen und anderen Gesundheitsberufen werden. Wir werden prüfen, ob das
Institut für „Gender in Medicine“ an der Berliner Charité genügend Kapazitäten vorhält oder
weiter ausgebaut werden muss, um in ausreichender Form den Bedarf von geschlechtergerechter
Forschung und Lehre in Berlin abzudecken. Die Gesundheitsversorgung von Frauen und inter,
nichtbinären sowie trans Personen werden wir verbessern. Sie muss vor allem
diskriminierungsfrei sein. Wir setzen uns für intersektionale reproduktive Rechte ein. Dazu
gehört, dass das Angebot an Gynäkolog*innen in allen Bezirken und der Zugang zur
Geburtsvorbereitung gesichert ist. Gefahrlose Schwangerschaftsabbrüche sowie eine Schutzzone
vor Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen werden wir ermöglichen. Die Bedingungen für
sichere und gute Geburten sowie für eine bedarfsgerechte Nachsorge wollen wir verbessern,
mit einer bedarfsgerechten Ausstattung, einer Erhöhung der Ausbildungskapazitäten sowie
besseren Arbeitsbedingungen für Hebammen und einer digitalen Plattform, die die Suche nach
Hebammen erleichtert.
Gesund in jedem Alter
Die Gesundheitschancen von Kindern gilt es im besonderen Maße zu fördern und zu schützen.
Dafür muss geprüft werden, wie die Inanspruchnahme der U-Untersuchungen für Kinder noch
weiter gesteigert und kranke und schwerkranke Kinder wohnortnah versorgt werden können. Die
pädiatrische und intensivpädiatrische Versorgung in Kliniken muss bedarfsgerecht ausgebaut
werden; im Bund setzen wir uns für die Finanzierung ausreichender Vorhaltekapazitäten ein.
Niedrigschwellige Beratungs- und Unterstützungsangebote für Kinder und Jugendliche müssen
ausgebaut und vernetzt werden. Kinder sucht- und psychisch kranker Eltern sollen sich
eigenständig Hilfe suchen können. Dafür werden niedrigschwellige Angebote bekannter gemacht.
Unser Ziel ist zudem, dass die Berliner*innen auch im hohen Alter ihr Leben möglichst gut
und selbstbestimmt führen und dabei so lange wie möglich in ihrem eigenen Zuhause bleiben
können. Daher werden wir Modellprojekte zur Prävention von Einsamkeit sowie Hilfs- und
Kontaktangebote in den Bezirken fördern.
Dem Anspruch auf ein Leben in Würde folgt der Anspruch auf ein Sterben in Würde. Um einen würdevollen Umgang mit sterbenden Patienten und eine empathische Trauerbegleitung der Angehörigen sicherzustellen, brauchen nicht nur Hospize, sondern auch (Teil-)Palliativstationen einen höheren Personalschlüssel. Die
Kompetenzen in den Bereichen der Palliativ- und Hospizversorgung werden bereits in der
Ausbildung vermittelt. Zusätzliche Schulungsangebote zum Umgang mit Betäubungsmitteln, sowie zu den eigenen Rechten bezüglich deren Verabreichung schützen Patienten und Personal. Die Palliativ- und Hospizversorgung müssen weiter ausgebaut und
diversifiziert werden.
Pflegepersonal der Palliativ- und Hospizversorgung braucht Zugang zu psychologischer Beratung und Seelsorge, sowie regelmäßige Reflexionsmöglichkeiten, um langfristig die eigene psychische Gesundheit zu schützen.
Zur Entlastung von pflegenden Angehörigen gehört der Ausbau von Tages-, Kurzzeit-, Nacht-
und Verhinderungspflege. Wir folgen damit dem Ansatz ambulant vor stationär. Die Anzahl von
Pflege-Wohngemeinschaften wollen wir beibehalten und bei Bedarf ausbauen. Die Pflege-
Wohngemeinschaften sollen nach überprüfbaren Qualitätsindikatoren arbeiten.
Zu einer guten Pflegepolitik gehört auch eine Ansprechperson in der Verwaltung, an die sich
pflegende Angehörige, Pflegebedürftige oder Dienstleistungsanbieter wenden können, wenn
Fragen oder Beschwerden zur Pflege bestehen. Wir haben uns daher im Koalitionsvertrag für
eine*n Landespflegebeauftragte*n massiv eingesetzt. Eine wichtige Aufgabe der*des
Landesbeauftragten besteht auch in der Aktivierung des Landespflegeausschusses. Damit wird
die Chance genutzt, alle wichtigen Akteur*innen der Stadt zusammenzubringen.
Psychische Gesundheit
Fast alle Menschen haben durch eigene Betroffenheit oder als Angehörige im Laufe ihres
Lebens Erfahrungen mit psychischen Erkrankungen wie Depressionen. Viele Menschen haben in
Berlin nicht erst seit der Pandemie große Schwierigkeiten, einen passenden Therapieplatz zu
finden. Wir müssen daher das psychotherapeutische, psychosoziale und psychiatrische
Versorgungssystem stärken und weiterentwickeln. Ein zentraler Bestandteil ist das Prinzip
der lebensweltnahen, sozialraumorientierten Versorgung auf der Bezirksebene. Es müssen mehr
Angebote zur Förderung psychischer Gesundheit und Prävention psychischer Erkrankungen
geschaffen und die niedrigschwelligen Beratungs- und Begleitungsangebote des
Psychiatrieentwicklungsprogramms gestärkt und zukunftsfest gemacht werden. Aufbauend auf
einer durchzuführenden gesamtstädtischen Evaluation des Psychiatrieentwicklungsprogramms
möchten wir einen Landespsychiatrieplan entwickeln, der zusammen mit dem „Landeskonzept
Sucht“ unter dem Dach eines Landesprogramms psychische Gesundheit vereint wird. Die
sozialpsychiatrischen und kinder- und jugendpsychiatrischen Dienste wie auch die
Psychiatriekoordination müssen in Ihren Aufgaben gestärkt werden. In der außerklinischen
psychiatrischen Versorgung möchten wir für entgelt- und zuwendungsfinanzierte Angebote
gemeinsam ein neues Finanzierungs- und Steuerungsmodell entwickeln und nach erfolgreicher
Erprobung flächendeckend einführen. In der klinischen Versorgung soll das Prinzip „ambulant
vor teilstationär vor stationär“ beachtet und der begonnene Trend zur Ambulantisierung mit
vorrangig teilstationären und/oder aufsuchenden Versorgungsangeboten konsequent fortgeführt
werden. Der Trialog zwischen Psychiatrieerfahrenen, Angehörigen und Professionellen sowie
der vermehrte Einbezug von Peers möchten wir fördern.
Das Krankenhaus des Maßregelvollzuges soll vermehrt in die gemeindepsychiatrischen
Versorgungsstrukturen eingebunden und in der Ausstattung modernisiert werden. Eine enge
Kooperation mit der Charité und der Versorgungsforschung wird angestrebt. Zwangsmaßnahmen
sollen transparent dargestellt und weiter konsequent minimiert werden. Hierzu werden
förderliche Bedingungen in allen Versorgungsbereichen geschaffen. Dazu gehört auch die
Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen. Auch die Suizidprävention wollen wir stärken.
Psychische Gesundheit steht paradigmatisch für Netzwerkarbeit aller Bereiche der
medizinischen und nicht-medizinischen Versorgung. Hierfür müssen alle noch besser
zusammenarbeiten, insbesondere die Akteur*innen des ambulanten, klinischen und
außerklinischen Bereichs.
Gesund und selbstbestimmt Leben
Gesundheitspolitik muss da wirken, wo Menschen leben, wo sie arbeiten, ihre Freizeit
verbringen, zur Kita, in die Schule oder in andere Bildungseinrichtungen gehen. Studien
haben in den vergangenen Jahren nachgewiesen, dass Grünflächen einen unmittelbaren Effekt
auf das Wohlbefinden der Menschen haben. Ein grünes Lebensumfeld wirkt sich positiv auf die
Fähigkeit zur Emotionsregulierung aus. Investitionen in eine intakte und vielfältige
Stadtnatur schützen also das Klima und haben zugleich einen gesundheitsfördernden Effekt.
Gesundheitsfördernde Lebensbedingungen stehen allen Berliner*innen zu. Dazu gehören gute
Wohnbedingungen, die Verringerung von Luftverschmutzung und Lärm, die Neuverteilung des
öffentlichen Raums mit dem Ausbau sicherer und inklusiver Fuß- und Radwege bei
gleichzeitiger Abkehr von der autogerechten Stadt, sowie der Zugang zu Parks und Grünanlagen
mit Sport- und Erholungsmöglichkeiten.
Klimaschutz = Gesundheitsschutz
Die Klimakrise bedroht nicht nur den Planeten, sondern hat auch direkte Auswirkungen auf die
Gesundheit der Menschen – und das schon heute. Hitze kann nicht nur Hitzestress und
Erschöpfung auslösen oder zum Hitzschlag führen, sondern auch Vorerkrankungen verschlimmern.
Im Hitzejahr 2018 sind allein in Berlin fast 500 Menschen mehr hitzebedingt verstorben als
in durchschnittlichen Vergleichsjahren. Besonders betroffen waren ältere Menschen; die
Mortalitätsrate stieg bis zu 50 Prozent an. Umso wichtiger ist es, neben
Klimaschutzmaßnahmen auch Klimaanpassungsmaßnahmen vorzunehmen.
Versiegelte Flächen und Fahrzeuge heizen die Stadt auf. Städte wie Berlin werden im Sommer
zu Hitzeinseln, die bis zu 8 Grad heißer sind als das Umland. Gravierend ist die Situation
in dicht besiedelten Innenstadtbereichen, in denen häufig Menschen leben, die von Armut
betroffen sind. Daher wollen wir Berlin auch besser für Hitzewellen und Starkregenereignisse
rüsten, um die Gesundheit der Bürger*innen zu schützen.
Das gelingt uns mit klugen Investitionen in die Stadtinfrastruktur und einer grundsätzlichen
Prüfung der Klimaresilienz aller Infrastrukturmaßnahmen. Neue Vorgaben für Dach- und
Fassadenbegrünung sowie eine höhere Förderung sollen für mehr Grün an den Gebäuden und damit
für eine angenehme Kühlung durch Verdunstung sorgen. Wir wollen das Stadtgrün stärken und
die Bewässerung und die Pflanzung von Straßenbäumen verbessern, um die Stadt zu kühlen und
die Gesundheit der Menschen zu fördern. Wir wollen öffentlich zugängliche Brunnen an allen
zentralen Haltestellen und stark frequentierten Orten aufstellen. Gerade an heißen Tagen
muss jeder Mensch einfach und schnell Zugang zu Trinkwasser haben – unabhängig vom
Geldbeutel. Um ein übermäßiges Aufheizen der Stadt zu vermeiden, wollen dafür sorgen, dass
Berlin eine Schwammstadt wird: Bei allen neuen Bauvorhaben soll möglichst viel Regenwasser
vor Ort im Boden versickern können, das speichert Wasser für trockene Zeiten. Bessere
Versickerung, lebendiges Stadtgrün und kühlere Straßen gibt es allerdings nur, wenn wir
endlich mehr Flächen entsiegeln. Wir wollen Berlins Verkehrsinfrastruktur in den nächsten
Jahren durch Entsiegelung und Umwidmung neu gestalten und überall in der Stadt grüne Oasen
mit Wasserbecken, Pocket Parks, Trink- und Spielbrunnen entstehen lassen, die Mensch und
Flora und Fauna vor Hitze schützen. Bis 2030 soll eine Netto-Null-Versiegelung erreicht
werden. Als Pilotprojekte und zur Veranschaulichung wollen wir nach dem Vorbild Wiens in
Berlin mehrere „Kühle Meilen“ etablieren. In diesen wird mit mehr Bäumen, Rank- und
Kletterpflanzen, mit Trinkwasserbrunnen, Wasserspielen, Erfrischungsmöglichkeiten für Jung
und Alt sowie entsiegelten Stellen und ausreichend Sitzgelegenheiten im Kiez eine Oase
geschaffen. Sie sollen verkehrsberuhigt sein und eine hohe Aufenthaltsqualität haben.
Wichtig ist, dass ein Aufenthalt nicht an einen Konsum gebunden ist und allen Menschen
gleichsam zugutekommt.
Die Klimakrise bringt darüber hinaus noch viele weitere gesundheitliche Folgen mit sich.
Krankheitsträger wie Zecken, Mücken und Sandfliegen werden sich durch die Erhöhung der
durchschnittlichen Temperatur zunehmend in Deutschland ausbreiten und somit dazu führen,
dass Krankheiten wie Malaria auch in Berlin auftreten. Zudem wird ein Anstieg an Allergien
und allergischen Symptomen erwartet, weil sich Blütephasen verlängern und Überschwemmungen
zu vermehrten Schimmelbildungen führen. Zudem werden vermehrt auftretende Naturkatastrophen
als „Trigger-Ereignisse“ zu Posttraumatischen Belastungsstörungen führen. Das hat besonders
für Kinder Folgen, deren Immunsystem noch nicht vollständig ausgebildet ist. Die Einhaltung
der 1,5 Grad Grenze des Pariser Klimaabkommens ist also auch aus gesundheitspolitischer
Sicht von zentraler Bedeutung.
Lärm- und Luftbelastung
Menschen, die an besonders vom Verkehr belasteten Straßen wohnen, leiden häufiger an Lungen-
und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie an Diabetes. Dazu trägt neben der schlechten Luft auch
die hohe Lärmbelastung bei. Deshalb ist die Verkehrswende nicht nur für den Klimaschutz
wichtig, sondern auch für die Gesundheit der Menschen.
Schlechte Luft gehört weltweit zu den bedeutendsten Gesundheitsrisiken. Dabei sind vor allem
Kinder von Luftverschmutzung betroffen. Zum einen, weil sie pro Kilo Körpergewicht mehr
Feinstaub einatmen als Erwachsene und eine höhere Atemfrequenz haben. Zum anderen, weil sie
mehr Zeit draußen verbringen und sich ihre Nasen näher an den Auspuffrohren von Fahrzeugen
befinden.
Drei Viertel der Deutschen fühlen sich zudem durch Straßenverkehrslärm belästigt. Lärm kann
zu Schlafstörungen, Herzinsuffizienz, Schlaganfällen und Herzinfarkten sowie psychischen
Erkrankungen führen, Kinder können Lernschwächen entwickeln. Besonders stark leiden dabei
Menschen, die dauerhaft mehr als einer Lärmquelle ausgesetzt sind, wie zum Beispiel einer
viel befahrenden Straße und einer Bahnschiene. Und das sind vornehmlich Menschen mit
geringem Einkommen. In Berlin leiden rund 250.000 Menschen unter gesundheitsgefährdendem
Straßenlärm. Zu ihrem Schutz brauchen wir dringend eine Verkehrswende in der ganzen Stadt.
Eine Verringerung der Lärm- und Luftbelastungen schafft mehr Lebensqualität und
Umweltgerechtigkeit in unseren Städten. Tempo 30 an so vielen Straßen wie möglich steigert
nicht nur die Verkehrssicherheit, sondern reduziert auch die Abgas- und Lärmbelastung
erheblich. Zudem brauchen wir mehr Radverkehr, mehr Elektromobilität und eine Stärkung des
öffentlichen Nahverkehrs. Allein die Einrichtung einiger Pop-Up-Radwege im Frühling 2020 hat
bereits zu einer spürbaren Verringerung der Lärmbelastung geführt. Es gilt dringend weitere
Maßnahmen zu ergreifen, die die Belastung minimieren. Deshalb wollen wir auch Fluglärm
nachhaltig mindern, indem wir dafür sorgen, dass die Menschen in der Nacht in Ruhe schlafen
können. Deshalb muss am BER ein striktes Nachtflugverbot zwischen 22 und 6 Uhr gelten.
Helfen können aber auch alle Maßnahmen, die das Verkehrsaufkommen insgesamt verringern, wie
eine Stadt der kurzen Wege oder flexible Homeoffice-Regelungen.
Gesunde Ernährung
Mit der Berliner Ernährungsstrategie treiben wir die Ernährungs- und Agrarwende aktiv voran.
Denn gesundes Essen für die gesamte Bevölkerung trägt dazu bei, Klima-, Biodiversitäts-,
Bildungs-, Gesundheits- und soziale Ziele zu erreichen.
Wir wollen, dass gutes Essen für alle Berliner*innen unabhängig von der finanziellen
Situation erschwinglich ist. Dafür werden wir in den ersten bis sechsten Klassen das
Schulessen, das derzeit aus 50 % Bioanteil besteht, im Laufe der Legislatur auf 100 %
Bioanteil ausweiten und auch die weiterführenden Schulen einbeziehen. Auch in Kitas,
Krankenhäusern, Senioreneinrichtungen und öffentlichen Kantinen wird Berlin bis 2026
weitestgehend auf biologische, regionale und saisonale Lebensmittel umsteigen. Zudem wollen
wir pflanzliche Ernährung fördern.
In Zusammenarbeit mit Wirtschaft, Zivilgesellschaft und dem Land Brandenburg werden wir die
Ernährungsstrategie fortführen und ausbauen. Das in Brandenburg entwickelte Qualitäts-Regio-
Siegel für Produkte aus dem Umkreis wird Berlin verbindlich in seinen Vergaben für die
öffentliche Gemeinschaftsverpflegung verwenden.
Damit die Umstellung der Gemeinschaftsverpflegung gelingt, wird die Fortbildungseinrichtung
„Kantine Zukunft“ weitergeführt und ihre Arbeit so verstetigt, dass sie regelmäßig neue
Küchen in ihr Umstellungsprogramm aufnehmen kann.
Die Wochen- und Großmärkte wird Berlin zu Zentren für regionale und biologisch angebaute
Lebensmittel ausbauen. Mit der Einrichtung von wenigstens einem „LebensMittelpunkt“ vor Ort
in jedem Berliner Bezirk wird in enger Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen
Akteur*innen den Menschen vor Ort Zugang zu gutem, gesundem und erschwinglichen Essen
ermöglicht und ein Ort des nachbarschaftlichen Zusammenlebens geschaffen.
An möglichst allen Schulen sollen Schulgärten etabliert und den Schulen Zugang zu Lehrküchen
ermöglicht werden. Möglichst viele Schulen sollen zu „Ernährungsschulen“ („Food Schools“)
gemacht werden, in denen das Essen frisch gekocht wird und die Schüler*innen an der
Zubereitung beteiligt werden. Mit einem zentral gelegenen „Food-Campus“ wird in der Stadt
ein Ort geschaffen, an dem Wissenschaft, Praxis, Bildung und fachpolitische Diskussionen von
und mit der Zivilgesellschaft die Ernährungswende in Berlin vorantreiben.
Wir werden aktiv gegen Lebensmittelverschwendung vorgehen, Projekte und Initiativen
unterstützen, die Lebensmittel retten und verteilen. Auf Bundesebene werden wir uns dafür
einsetzen, dass abgelaufene Lebensmittel nicht mehr weggeworfen werden dürfen, sondern an
Initiativen wie die Berliner Tafel oder Foodsharing abgegeben werden müssen und das
„Containern“ (Rettung entsorgter Lebensmittel aus den Mülltonnen von Supermärkten) zu
entkriminalisieren.
Sport und Bewegung
Sport und Bewegung machen Spaß, ermöglichen Gemeinschaft und tragen maßgeblich zum
Wohlbefinden bei. Wir wollen allen Berliner*innen ermöglichen, sich sportlich zu betätigen.
Egal in welchem Alter, egal ob organisiert und regelmäßig oder nur ab und zu, das
Sportangebot in Berlin soll alle Bedürfnisse abdecken und deshalb auch inklusive und
barrierefreie Sportanlagen und Sportstätten beinhalten. Dabei ist unsere Vision für Berlin,
dass Sport und Bewegung selbstverständlich in allen Bereichen mitgedacht werden: Sei es das
Laufen im Park, eine Runde Tischtennis im Hof, Bouldern an der Einkaufscenter-Fassade oder
Kicken in der Spielstraße. Dafür denken wir Sport und Bewegung auch in der Stadtplanung mit.
Denn die Förderung von körperlicher Aktivität im Alltag ist ein sehr wichtiger Baustein, um
die Bewegung insgesamt zu fördern. Dafür braucht es ausgebaute Sportstätten, sichere Fuß-
und Radwege, die Möglichkeit zur Bewegung in Parks und Grünflächen und eine
bewegungsfreundliche Stadtumgebung.
Drogenpolitik
Beispielhaft für einen selbstbestimmten Umgang mit Gesundheit steht auch unser Ansatz für
die Drogenpolitik. Der Konsum von Drogen gehört zur Lebensrealität in unserer Stadt. Dies
gilt es anzuerkennen. Allein der jahrzehntelang erzwungene prohibitive Umgang mit
gesellschaftlich weit verbreitetem und akzeptiertem Cannabiskonsum hat die Probleme auch in
Berlin nicht entschärft, sondern verschärft. Wir Bündnisgrüne stehen für eine Neuausrichtung
der Drogenpolitik: Statt Kriminalisierung und Stigmatisierung braucht es einen fakten- und
evidenzbasierten Ansatz, der Menschen durch Prävention und Aufklärung schützt und damit
Verbraucherschutz überhaupt erst möglich macht, Abhängigen unkompliziert Hilfe zukommen
lässt und die Selbstbestimmung aller respektiert. Es braucht Aufklärung durch Bildungs- und
Jugendeinrichtungen wie auch durch zielgruppenspezifische Projekte und Angebote. Jugend- und
Gesundheitsschutz haben klar Vorrang vor Gewinninteressen. Die tödlichsten Drogen bleiben
Tabak und Alkohol. Wir beurteilen Drogen nach ihrer Gefährlichkeit, deshalb gilt es nach dem
Prinzip der harm reduction gefährlichen Konsum zu vermeiden und Konsumrisiken zu minimieren.
Mit einem Pilotprojekt zum Drug-Checking, das 2022 in die Umsetzung geht, machen wir einen
wichtigen Schritt, um Konsument*innen vor gefährlichen und gepanschten Drogen zu schützen.
Dieses wollen wir in einem zweiten Schritt mit mobilen Point-of-Care-Stellen weiter
ausbauen. Auch den Zugang zu Drogenkonsumräumen wollen wir weiter verbessern. Die Suchthilfe
muss stärker mit den Angeboten der Sozialarbeit verzahnt werden, um Menschen, die in
Abhängigkeit geraten sind, auch wirksam und langfristig zu helfen. Substitutionsprogramme,
auch in Haftanstalten, sollen verstetigt und ausgebaut werden.
Wir sehen die angekündigte Legalisierung von Cannabis durch ein Cannabiskontrollgesetz durch
den Bund als Chance und werden diese in Berlin zügig und umfassend umsetzen. Wir streben an,
dass das erste lizensierte Fachgeschäft für Cannabis in Berlin eröffnet wird, sobald dafür
die rechtliche Grundlage auf Bundesebene geschaffen wurde. Zudem befürworten wir die
Möglichkeit des Eigenanbaus für den Selbstgebrauch. Außerdem treten wir für einen Amnestie
aller wegen Cannabis gefällten Verurteilungen ein. Darüber hinaus wollen wir die
Entkriminalisierung vorantreiben. Dazu gehört, die Regelung zum Besitz geringer Mengen auf
weitere Betäubungsmittel zu erweitern, wie dies bereits in mehreren anderen Bundesländern
erfolgt ist. Auch wollen wir die Forschung auf dem Gebiet der psychoaktiven Substanzen
stärken und damit der generellen Tabuisierung mit wissenschaftlichen Erkenntnissen und
evidenzbasierten Antworten entgegenwirken.
Gesunde Gesundheitsinfrastruktur
Die Pandemie hat unseren Blick auf bereits länger bestehende Herausforderungen im
Gesundheitssystem gerichtet. Aber auch ohne Pandemie ist eine funktionierende und gut
ausgestattete Gesundheitsinfrastruktur von elementarer Bedeutung für eine gesunde
Gesellschaft und ein lebenswertes Berlin.
Öffentlicher Gesundheitsdienst (ÖGD) als „Networker“ der Versorgung
Der ÖGD ist mehr als die dritte (statische) Säule des Gesundheitswesens. Er verbindet
individualmedizische mit gesellschaftsmedizinischen Ansätzen in den Bereichen des
Gesundheitsschutzes, der Gesundheitshilfen, der Gesundheitsförderung und der
Gesundheitskoordination unter Einbezug des Sozialraumes. Wir stehen für einen modernen
Öffentlichen Gesundheitsdienst, der als gleichberechtigter Partner und Netzwerker im
Gesundheitssystem wahrgenommen wird und eine wichtige Rolle als Garant für gesundheitliche
Chancengleichheit einnimmt.
Der Öffentliche Gesundheitsdienst in den Bezirken muss als wichtiger Bestandteil der
Daseinsvorsorge personell und in Bezug auf die IT-Ausstattung gestärkt und inhaltlich in den
Bereichen Gesundheitshilfen, Gesundheitsschutz, Gesundheitsförderung und
Gesundheitskoordination weiterentwickelt werden. Das ist eine der zentralen Lehren der
Pandemie. Wir brauchen einen gut ausgestatteten ÖGD um besser auf zukünftige Pandemien
vorbereitet zu sein.
Gesundheit spielt sich im Sozialraum ab
Wir stehen für eine niedrigschwellige, vernetzte Gesundheitsversorgung vor Ort und eine
bessere Verteilung der Angebote über die Stadt. Daher werden wir das Prinzip des Stadtteil-
Gesundheitszentrums, wie das Gesundheitskollektiv in Neukölln, in die verschiedenen Kieze
Berlins exportieren. Ziel eines integrierten Stadtteil-Gesundheitszentrums ist, die
Gesundheitsversorgung nicht nur medizinisch, sondern vor allem auch gesellschaftlich und
sozialpolitischzugestalten. Denn die Lebensverhältnisse der Menschen haben einen großen
Einfluss auf ihre Gesundheit. Stadtteil-Gesundheitszentren arbeiten in ausgewählten
Sozialräumen, wirken integrativ in multiprofessionellen Teams und haben so die soziale
Lebenssituation der Patient*innen fest im Blick. Behandlungen erfolgen dabei auf Augenhöhe
mit den Patient*innen, aber auch zwischen den Beschäftigten. Ärzt*innen,
Sozialarbeiter*innen, Therapeut*innen, Stadtteilmütter, Streetworker und Sprachmittlung
gehen dabei Hand in Hand und auf die unterschiedlichen Bedürfnisse ein. So wird für jeden
und jede ein niedrigschwelliger Zugang zum Hilfesystem erreicht. Wir wollen damit die
Chancen von Kranken und Pflegebedürftigen verbessern und Zugangshindernisse abbauen.
Krankenhausfinanzierung und faire Bezahlung
Im Bereich der Krankenhausinvestitionen gilt, was für den Gesundheitssektor insgesamt gilt:
Mit guten Kooperationen und nur gemeinsam kommen wir weiter.
Das Land Berlin verfügt dabei mit Charité und Vivantes in Landesbesitz über zwei zentrale
Grundpfeiler der Krankenhauslandschaft, die einen erheblichen Teil der Gesundheitsversorgung
der Berliner*innen leisten. Mit diesen beiden Unternehmen hat das Land die Möglichkeit
starke gemeinwohlorientierte Akzente bei der Weiterentwicklung der Berliner
Gesundheitslandschaft zu setzen. Die gute Zusammenarbeit beider Unternehmen ist für ihren
wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und medizinischen Erfolg von entscheidender Bedeutung.
Wir bekennen uns deshalb zum Konzept Gesundheitsstadt 2030, insbesondere die Umsetzung der
gemeinsamen Standortentwicklung, eine Portfolioabstimmung und die Investitionsplanungen der
Gesundheitsstadt bieten jetzt die Chance die Weichen für die stationäre Krankenversorgung
auf europäischem Spitzenniveau und eine internationale Führungsrolle in medizinischer
Innovation zu sichern und auszubauen. Besonders in Sachen Krankenhäusern werden wir Grüne
die begonnene Trendwende bei den Krankenhausinvestitionen fortsetzen und setzen uns für ein
schrittweises Aufwachsen der Investitionsmittel ein. Wir setzen auf Investition und
Transformation: Die Folgen von unterlassenen Investitionen der Vergangenheit begleiten uns
noch an vielen Stellen im Gesundheitswesen – hier gibt es noch viel zu reparieren!
Transformation bedeutet für uns deshalb Investitionen an der richtigen Stelle. Nicht bloß
neu, sondern auch nachhaltig, müssen wir die Gelder für die Krankenhäuser priorisieren:
Klimagerechtes Bauen, verbesserte Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten und bessere
Aufenthaltsqualität sind Maßstäbe für eine Grüne Krankenhausinvestitionsplanung. Weiteres
Outsourcing oder (Teil-)Privatisierung im Krankenhausbereich lehnen wir ab.
Für eine zukunftsfähige Finanzierung des Krankenhausbereiches braucht es aber auch Reformen
auf Bundesebene, die die Fokussierung auf die Ökonomisierung des Krankenhausbetriebs und die
ertragsreichste Behandlung beenden. Klinken müssen in einem neuen Finanzierungssystem mit
einer starken Säule der Strukturfinanzierung sowie Vorgaben zur Personalbemessung und
Versorgungsqualität entsprechend ihrem gesellschaftlichen Auftrag finanziert werden.
Dabei machen wir uns auch stark für eine gute tarifliche Entlohnung aller Beschäftigten in
den Krankenhäusern und haben daher die Berliner Krankenhausbewegung in ihren Forderungen
unterstützt. Daher begrüßen wir die erfolgreichen Tarifabschlüsse. Eine besondere
Verantwortung der Ampelkoalition im Bund liegt in der Einführung einer gemeinsam
Bürgerversicherung für alle Versicherten.
Qualifizierung und Wertschätzung der Beschäftigten
Eine gute und engagierte Gesundheitsversorgung der Berliner Bevölkerung ist nur mit
motivierten und qualifizierten Beschäftigten möglich, die wertgeschätzt und für ihre
Tätigkeit angemessen bezahlt werden. Zur guten Gesundheitsversorgung gehören auch
Ärzt*innen, die bereit sind, Patient*innen und Pflegebedürftigen auf Augenhöhe zu begegnen.
Beschäftigte aller Gesundheitsberufe leisten einen unschätzbaren Beitrag für unsere
Gesellschaft. Menschen, die bei Krankheit oder im Alter Unterstützung benötigen, wünschen
sich zu Recht Ärzt*innen und Pflegekräfte, die sich mit Sorgfalt um sie kümmern. Dafür
brauchen Pflegekräfte ausreichend Zeit, gute Arbeitsbedingungen und eine faire Bezahlung
nach Tarif. Daher wollen wir die Arbeits- und Ausbildungsbedingungen für die Beschäftigten
im Gesundheitswesen weiter verbessern.
Um dem Pflegenotstand und Fachkräftemangel entgegenzuwirken, braucht es ebenso attraktivere
Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen in der Pflege und den Gesundheitsberufen. Berlin muss
auch für eine angemessene Vergütung für den Praxisanteil während des Pflegestudiums sorgen.
Wir setzen uns für Schulgeldfreiheit bei der Ausbildung der anerkannten Gesundheitsberufe
(Logopädie, Physio- und Ergotherapie) ein.
Lehren der Pandemie
Die Pandemie ist mehr als ein einmaliges Ereignis, sie hat Folgen, gesellschaftlich und
gesundheitlich. Insbesondere die Zunahme der Long-Covid-Fälle, als auch psychische
Belastungen durch alle Alters- und Gesellschaftsgruppen, geben Anlass zur Sorge und fordern
zum Handeln auf.
Die Einschränkungen in Folge der Corona-Pandemie haben zu erheblichen Belastungen von großen
Teilen der Gesellschaft geführt. Viele Familien mussten zeitweise das Arbeiten im Homeoffice
und die schulische Unterstützung und Betreuung ihrer Kinder in viel zu kleinen Wohnungen
unter einen Hut bringen. Etliche Selbstständige gerieten in Existenzsorgen, weil ihre
Einnahmen infolge von Einschränkungen erheblich eingebrochen sind. Aus vielen Studien wissen
wir aber, dass die Pandemie und Infektionsschutzmaßnahmen für Kinder und Jugendliche
besonders starke Belastungen und Einschränkung bedeuten. Die Kontaktbeschränkungen engen in
diesen Altersgruppen wichtige Bedürfnisse nach unmittelbarem Kontakt, Austausch und
Freundschaft ein. Die Schulsituation ist belastender und führt dazu, dass Kinder aus von
Armut betroffenen Familien in der Gefahr sind, abgehängt zu werden. Daher sind insbesondere
soziale Projekte unverzichtbar, die auch Kinder aus sozial benachteiligten Familien
erreichen. Zur Prävention psychischer Erkrankungen von Kindern und Jugendlichen müssen
vorhandene Angebote wie z.B. das „Schulpsychologische und Inklusionspädagogische Beratungs-
und Unterstützungszentren (SIBUZ)“ besser bekannt gemacht und genutzt werden.
Ein besonderes Augenmerk der Bewältigung der psychischen Belastung sollte zudem auf die
Gesundheits- und Pflegeberufe gelegt werden. Diese betreffen überproportional Frauen. Die
Pandemie verstärkt ihre Belastungen um ein Vielfaches und steigert das Risiko der
Entwicklung von psychischen Erkrankungen. Psychische Erkrankungen können mit
Arbeitsunfähigkeit und Frühverrentung einhergehen. Prävention am Arbeitsplatz und
Frühintervention sind essentiell, um einer Chronifizierung vorzubeugen.
Auch die Folgen von Long-Covid werden uns noch lange beschäftigen. Die Folgesymptome sind
vielfältig und können alle Organe betreffen. Die Betroffenen leiden unter körperlichen,
mentalen und psychischen Symptomen. Besonders ausgeprägt ist das Fatigue-Syndrom. Dabei sind
Frauen stärker von Long-Covid betroffen als Männer. Betroffene sind teilweise in ihren
Handlungsmöglichkeiten in hohem Maße eingeschränkt und auf Unterstützung angewiesen.
Es bedarf einer Stärkung und besseren Vernetzung bestehender Beratungs- und
Behandlungsangebote, wie auch der Schaffung von neuen Angeboten, die sich in die bereits
bestehende Angebotslandschaft einfügen. Durch die Pandemie wurden intensivierte
Versorgungsangebote (wie z. B. Testzentren und Impfzentren) parallel zum bestehenden
Versorgungssystem geschaffen. Wir brauchen einen Plan, wie wir die dort gemachten
Erfahrungen analysieren und damit in Zukunft umgehen wollen. Denkbar wäre die Einrichtung
einer Enquete-Kommission für Lehren aus der Pandemie, wie gerade in Baden-Württemberg auf
den Weg gebracht, um für künftige Krisen besser gerüstet zu sein.
Lehren aus der Pandemie richten sich dabei an alle Politikfelder. Das Pandemiemanagement
sensibilisiert besonders für das Konzept von Health in all policies. Diese Sensibilisierung
sollte verstärkt in den nach-pandemischen Diskurs mitgenommen und verankert werden.
Eine Pandemie ist nie ein isoliertes Ereignis. Pandemie bedarf mehr als Gesundheitsschutz,
sondern auch den frühzeitigen Einbezug einer multiprofessionellen Begleitung (sozial-,
wirtschafts-, gesundheitswissenschaftlich, Kommunikationswissenschaften, ethisch und
psychologisch). Durch die Klimakrise ist die Wahrscheinlichkeit deutlich erhöht, dass
weitere Pandemien folgen werden. Daher ist es dringend notwendig, für zukünftige Ereignisse
unter Berücksichtigung der Lessons learned frühzeitig und umfassend Vorsorge zu treffen.
Unterstützer*innen
- Shirin Kreße (KV Berlin-Mitte)
- Günes Jülide Keskin (KV Berlin-Reinickendorf)
- Aron Hävernick (KV Berlin-Pankow)
- Nina Stahr (KV Berlin-Steglitz/Zehlendorf)
Von Zeile 113 bis 116 (L-01: Ein grünes Gesundheitsnetzwerk für Berlin - von Prävention bis zur Versorgung und von der Geburt bis ins hohe Alter):
Dem Anspruch auf ein Leben in Würde folgt der Anspruch auf ein Sterben in Würde. Um einen würdevollen Umgang mit sterbenden Patient*innen und eine empathische Trauerbegleitung der Angehörigen sicherzustellen, setzen wir uns dem Bund gegenüber für mehr (Kinder-) Hospize, (Teil-) Palliativstationen, die Stärkung der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) und einen höheren Personalschlüssel ein. Die Palliativ- und Hospizversorgung müssen weiter ausgebaut und diversifiziert werden. Und nicht nur im hohen Alter sterben Menschen. Gerade wenn Kinder lebensverkürzend erkrankt sind, ist die Begleitung des Kindes sowie der gesamten Familie in einem Kinderhospiz oder durch ambulante spezialisierte Kinder-Palliativversorgung von unschätzbaren Wert. Hier gilt es, die Kapazitäten auszbauen und möglichst wohnortnah zu ermöglichen. Die Kompetenzen in den Bereiiechen der PalliativPalliatativ- und Hospizversoosrgung werden bereits in der Ausbildung vermittelt. DieZusätzliche Schulungsangebote zum Umgang mit Betäubungsmitteln, sowie zu den eigenen Rechten bezüglich deren Verabreichung, schützen Patient*innen und Personal. Pflegepersonal der Palliativ- und Hospizversorgung braucht Zugang zu psychologischer Beratung und Seelsorge, sowie regelmäßige Reflexionsmöglichkeiten, um langfristig die eigene psychische Gesundheit zu schützen. Patient*innen und deren Angehörige müssen weiter ausgebautausführlich über Krankheit und diversifiziert werdenBehandlungsoptionen aufgeklärt werden, so dass Entscheidungen getroffen werden können, mit denen sie sich wohl fühlen. Hierfür wollen wir Aufklärungsprogrammen zu Patient*innenverfügungen und Vorsorgevollmachten anstoßen.
Gesundheit ist weit mehr als die reine Abwesenheit von Erkrankung. Gesundheit befähigt uns,
uns sozialen, emotionalen und physischen Herausforderungen zu stellen. Gesundheit hängt ab
von Vorsorge, um Erkrankungen vorzubeugen. Und Gesundheit braucht auch gesunde
Lebensbedingungen: von der Luft, die wir atmen bis zur Nahrung, die wir essen. Gesundheit
ist ein Querschnittsthema, das alle Politikfelder betrifft.
Die Pandemie hat dazu geführt, dass wir uns in den vergangenen Jahren intensiv mit dem Thema
Gesundheit auseinandergesetzt haben und deren individuellen und gesellschaftlichen
Stellenwert unter die Lupe genommen haben. Die Pandemie zeigt uns noch einmal deutlich, wo
die größten Lücken in unserem Gesundheitswesen sind. Denn ein für alle zugängliches und gut
ausgestattetes Gesundheitswesen ist die Grundlage für eine soziale und chancengerechte
Gesellschaft und sichert die Menschenwürde. Gesundheitsschutz und Pflege brauchen einen
größeren Stellenwert und müssen solidarisch finanziert werden. Alle Menschen müssen sich
darauf verlassen können, überall in der Stadt Zugang zu einer qualitativ hochwertigen und
bedarfsgerechten Versorgung zu haben. Dabei haben die Belange der Patient*innen und der
Angestellten Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen. Für Gesundheitsschutz braucht es aber
auch Armutsbekämpfung, Verbraucher*innenschutz, bessere Lebensbedingungen und eine wirksame
Umweltpolitik.
Unser Ziel ist ein Höchstmaß an Gesundheitschancen, Lebensqualität und Wohlbefinden der
Berliner*innen – egal welchen Alters oder Geschlechts, welcher sexuellen Identität und
Orientierung; unabhängig von der Herkunft, dem sozialen Status und der religiösen
Zugehörigkeit, ob chronisch erkrankt oder nicht, ob mit oder ohne Behinderung oder anderen
Voraussetzungen – vom Lebensanfang bis zum Lebensende. Wir wollen Gesundheitsgerechtigkeit,
Chancengleichheit und die Rahmenbedingungen herstellen, damit jede*r Berliner*in ein
selbstbestimmtes Leben in Würde führen kann. Die gesundheitliche Versorgung Berlins soll
allen bekannt sein und von allen in Anspruch genommen werden können.
Für eine gute Versorgung der Berliner*innen haben wir bereits in der letzten Wahlperiode
viel getan. Wir haben die Investitionen in die Krankenhäuser auf den Bundesschnitt angehoben
und werden unseren Beitrag sukzessive weiter erhöhen. Wir haben zudem dafür gesorgt, dass
Babylots*innen auf allen Geburtsstationen der Berliner Krankenhäuser Eltern beraten und
begleiten. Wir wollen, dass das Essen im Krankenhaus besser und gesünder wird, wir setzen
auf regionale, saisonale und nachhaltige Ernährung– am Bett wie in der Kantine.
Besonders wichtig war für uns, allen Berliner*innen Zugang zur gesundheitlichen Versorgung
zu ermöglichen. Daher unterstützen wir Menschen ohne Krankenversicherung dabei sich zu
versichern. Zudem können sich durch unseren Einsatz endlich auch Menschen ohne gültigen
Aufenthaltstitel mit einem anonymen Krankenschein behandeln lassen. Damit ist Berlin das
einzige Bundesland, in dem der Zugang zur hausärztlichen Versorgung so umfassend möglich
ist. Diesen Weg möchten wir weitergehen, die Finanzierung der Clearing-Stelle durch das Land
Berlin langfristig sichern und den Fonds, der die Behandlung von nicht versicherten Menschen
ermöglicht, ausbauen. Gleiches gilt für die Sicherstellung niedrigschwelliger Angebote der
sexuellen Gesundheitsversorgung wie etwa den Checkpoint BLN am Hermannplatz. Dieser bietet
unter einem Dach Beratung, Tests sowie Präventions- und Behandlungsangebote zu sexuell
übertragbaren Krankheiten.
Gesundheit in allen Lebenslagen
Wir arbeiten an einer gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung, die diversitäts-, und
kultursensibel ist und offen mit den unterschiedlichen Bedürfnissen der erkrankten und
pflegebedürftigen Menschen umgeht.
Diskriminierungsfreie Gesundheit
Der Zugang zur Gesundheitsversorgung ist ein Menschenrecht. Doch noch immer erfahren viel zu
viele Berliner*innen Diskriminierung im Gesundheitssektor. Wir werden medizinische
Einrichtungen dabei unterstützen, bestehende Diskriminierungen abzubauen. Unser Ziel ist
eine diversitätssensible Gesundheitsversorgung und Pflege in Berlin. Bisher haben Menschen
mit einer Behinderung noch nicht überall die Wahlfreiheit, weil Barrieren sie am Zugang
hindern. Menschen mit fehlenden deutschen Sprachkenntnissen haben
Verständigungsschwierigkeiten. Häufig erleben Patient*innen aufgrund ihrer Herkunft, ihrer
sexuellen Orientierung, ihrer geschlechtlichen Identität oder körperlicher Merkmale verbale
Übergriffe, abwertende Bemerkungen und mangelnde medizinische Versorgung. So führt etwa der
Zeit- und Effizienzdruck des Gesundheitspersonals häufig zur Ungleichbehandlung von älteren
Patient*innen und Menschen mit Behinderungen, oft mit dem Ergebnis, dass ihnen der Zugang zu
medizinischen Leistungen verweigert wird. Auch Gewichtsdiskriminierung führt zu schlechterer
Versorgung. Oder aber die Offenlegung der sexuellen Identität wirkt sich nachteilig auf die
Interaktion von Ärzt*innen und Patient*innen aus. Wir werden uns daher für die Einrichtung
einer Fachstelle gegen Diskriminierung im Gesundheitswesen einsetzen, um strukturelle
Diskriminierungen abzubauen.
Berlin ist eine weltoffene Metropole mit Menschen aus unterschiedlichen Sprach- und
Kulturräumen. Sie alle sollen im Gesundheitswesen gut versorgt werden. Dazu bedarf es
fachlich qualifizierter Sprachmittler*innen in allen Sektoren der Behandlung. Wir werden
darauf dringen, dass die im Bundeskoalitionsvertrag vereinbarte Sprachmittlung auch mit
Hilfe digitaler Anwendungen im Kontext notwendiger medizinischer Behandlungen Bestandteil
des Krankenversicherungsrechts nach SGB V wird und bald umgesetzt wird.
In Berlin haben sich überdies spezifische Beratungsangebote wie die „Interkulturellen
Brückenbauer*innen in der Pflege – IBIP“ bewährt, um den Zugang zu Leistungen der Pflege zu
gewährleisten, indem sie in unterschiedlichen Sprachen die Pflegebedürftigen und deren
Angehörige in Pflegestützpunkten über die Stadt verteilt beraten. Diese Leistungen werden
wir, finanziert aus Mitteln der Sozialen Pflegeversicherung und aus Landesmitteln, weiterhin
garantieren. Um eine diversitätssensible und diskriminierungskritische Pflege nachhaltig
anzubieten, setzen wir uns dafür ein, dass entsprechende Schulungsangebote fester
Bestandteil der Ausbildungscurricula und von Weiterbildungen werden.
Im Rahmen der Fast Track City-Initiative „95-95-95-0“ wollen wir die HIV-Beratungs- und
Versorgungsstrukturen weiter stärken, die bestehenden Präventionsangebote und -kampagnen
zielgruppenorientiert ausbauen, allen Berliner*innen unabhängig vom Geldbeutel Zugang zu
Tests und Versorgung ermöglichen und Aufklärungskampagnen zur Entstigmatisierung
durchführen. Zudem werden wir uns für eine diskriminierungsfreie Pflegeversorgung älterer
queerer Menschen einsetzen.
Geschlechtergerechte Gesundheit
Auf die spezifischen Bedürfnisse von Frauen und deren Ausprägung von Krankheitsmerkmalen
muss das Gesundheitswesen mehr als bisher eingehen. Sie müssen Bestandteil der Ausbildung
von Mediziner*innen und anderen Gesundheitsberufen werden. Wir werden prüfen, ob das
Institut für „Gender in Medicine“ an der Berliner Charité genügend Kapazitäten vorhält oder
weiter ausgebaut werden muss, um in ausreichender Form den Bedarf von geschlechtergerechter
Forschung und Lehre in Berlin abzudecken. Die Gesundheitsversorgung von Frauen und inter,
nichtbinären sowie trans Personen werden wir verbessern. Sie muss vor allem
diskriminierungsfrei sein. Wir setzen uns für intersektionale reproduktive Rechte ein. Dazu
gehört, dass das Angebot an Gynäkolog*innen in allen Bezirken und der Zugang zur
Geburtsvorbereitung gesichert ist. Gefahrlose Schwangerschaftsabbrüche sowie eine Schutzzone
vor Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen werden wir ermöglichen. Die Bedingungen für
sichere und gute Geburten sowie für eine bedarfsgerechte Nachsorge wollen wir verbessern,
mit einer bedarfsgerechten Ausstattung, einer Erhöhung der Ausbildungskapazitäten sowie
besseren Arbeitsbedingungen für Hebammen und einer digitalen Plattform, die die Suche nach
Hebammen erleichtert.
Gesund in jedem Alter
Die Gesundheitschancen von Kindern gilt es im besonderen Maße zu fördern und zu schützen.
Dafür muss geprüft werden, wie die Inanspruchnahme der U-Untersuchungen für Kinder noch
weiter gesteigert und kranke und schwerkranke Kinder wohnortnah versorgt werden können. Die
pädiatrische und intensivpädiatrische Versorgung in Kliniken muss bedarfsgerecht ausgebaut
werden; im Bund setzen wir uns für die Finanzierung ausreichender Vorhaltekapazitäten ein.
Niedrigschwellige Beratungs- und Unterstützungsangebote für Kinder und Jugendliche müssen
ausgebaut und vernetzt werden. Kinder sucht- und psychisch kranker Eltern sollen sich
eigenständig Hilfe suchen können. Dafür werden niedrigschwellige Angebote bekannter gemacht.
Unser Ziel ist zudem, dass die Berliner*innen auch im hohen Alter ihr Leben möglichst gut
und selbstbestimmt führen und dabei so lange wie möglich in ihrem eigenen Zuhause bleiben
können. Daher werden wir Modellprojekte zur Prävention von Einsamkeit sowie Hilfs- und
Kontaktangebote in den Bezirken fördern.
Dem Anspruch auf ein Leben in Würde folgt der Anspruch auf ein Sterben in Würde. Um einen würdevollen Umgang mit sterbenden Patient*innen und eine empathische Trauerbegleitung der Angehörigen sicherzustellen, setzen wir uns dem Bund gegenüber für mehr (Kinder-) Hospize, (Teil-) Palliativstationen, die Stärkung der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) und einen höheren Personalschlüssel ein. Die Palliativ- und Hospizversorgung müssen weiter ausgebaut und diversifiziert werden. Und nicht nur im hohen Alter sterben Menschen. Gerade wenn Kinder lebensverkürzend erkrankt sind, ist die Begleitung des Kindes sowie der gesamten Familie in einem Kinderhospiz oder durch ambulante spezialisierte Kinder-Palliativversorgung von unschätzbaren Wert. Hier gilt es, die Kapazitäten auszbauen und möglichst wohnortnah zu ermöglichen. Die
Kompetenzen in den Bereiiechen der PalliativPalliatativ- und Hospizversoosrgung werden bereits in der
Ausbildung vermittelt. DieZusätzliche Schulungsangebote zum Umgang mit Betäubungsmitteln, sowie zu den eigenen Rechten bezüglich deren Verabreichung, schützen Patient*innen und Personal. Pflegepersonal der Palliativ- und Hospizversorgung braucht Zugang zu psychologischer Beratung und Seelsorge, sowie regelmäßige Reflexionsmöglichkeiten, um langfristig die eigene psychische Gesundheit zu schützen. Patient*innen und deren Angehörige müssen weiter ausgebautausführlich über Krankheit und diversifiziert werdenBehandlungsoptionen aufgeklärt werden, so dass Entscheidungen getroffen werden können, mit denen sie sich wohl fühlen. Hierfür wollen wir Aufklärungsprogrammen zu Patient*innenverfügungen und Vorsorgevollmachten anstoßen.
Zur Entlastung von pflegenden Angehörigen gehört der Ausbau von Tages-, Kurzzeit-, Nacht-
und Verhinderungspflege. Wir folgen damit dem Ansatz ambulant vor stationär. Die Anzahl von
Pflege-Wohngemeinschaften wollen wir beibehalten und bei Bedarf ausbauen. Die Pflege-
Wohngemeinschaften sollen nach überprüfbaren Qualitätsindikatoren arbeiten.
Zu einer guten Pflegepolitik gehört auch eine Ansprechperson in der Verwaltung, an die sich
pflegende Angehörige, Pflegebedürftige oder Dienstleistungsanbieter wenden können, wenn
Fragen oder Beschwerden zur Pflege bestehen. Wir haben uns daher im Koalitionsvertrag für
eine*n Landespflegebeauftragte*n massiv eingesetzt. Eine wichtige Aufgabe der*des
Landesbeauftragten besteht auch in der Aktivierung des Landespflegeausschusses. Damit wird
die Chance genutzt, alle wichtigen Akteur*innen der Stadt zusammenzubringen.
Psychische Gesundheit
Fast alle Menschen haben durch eigene Betroffenheit oder als Angehörige im Laufe ihres
Lebens Erfahrungen mit psychischen Erkrankungen wie Depressionen. Viele Menschen haben in
Berlin nicht erst seit der Pandemie große Schwierigkeiten, einen passenden Therapieplatz zu
finden. Wir müssen daher das psychotherapeutische, psychosoziale und psychiatrische
Versorgungssystem stärken und weiterentwickeln. Ein zentraler Bestandteil ist das Prinzip
der lebensweltnahen, sozialraumorientierten Versorgung auf der Bezirksebene. Es müssen mehr
Angebote zur Förderung psychischer Gesundheit und Prävention psychischer Erkrankungen
geschaffen und die niedrigschwelligen Beratungs- und Begleitungsangebote des
Psychiatrieentwicklungsprogramms gestärkt und zukunftsfest gemacht werden. Aufbauend auf
einer durchzuführenden gesamtstädtischen Evaluation des Psychiatrieentwicklungsprogramms
möchten wir einen Landespsychiatrieplan entwickeln, der zusammen mit dem „Landeskonzept
Sucht“ unter dem Dach eines Landesprogramms psychische Gesundheit vereint wird. Die
sozialpsychiatrischen und kinder- und jugendpsychiatrischen Dienste wie auch die
Psychiatriekoordination müssen in Ihren Aufgaben gestärkt werden. In der außerklinischen
psychiatrischen Versorgung möchten wir für entgelt- und zuwendungsfinanzierte Angebote
gemeinsam ein neues Finanzierungs- und Steuerungsmodell entwickeln und nach erfolgreicher
Erprobung flächendeckend einführen. In der klinischen Versorgung soll das Prinzip „ambulant
vor teilstationär vor stationär“ beachtet und der begonnene Trend zur Ambulantisierung mit
vorrangig teilstationären und/oder aufsuchenden Versorgungsangeboten konsequent fortgeführt
werden. Der Trialog zwischen Psychiatrieerfahrenen, Angehörigen und Professionellen sowie
der vermehrte Einbezug von Peers möchten wir fördern.
Das Krankenhaus des Maßregelvollzuges soll vermehrt in die gemeindepsychiatrischen
Versorgungsstrukturen eingebunden und in der Ausstattung modernisiert werden. Eine enge
Kooperation mit der Charité und der Versorgungsforschung wird angestrebt. Zwangsmaßnahmen
sollen transparent dargestellt und weiter konsequent minimiert werden. Hierzu werden
förderliche Bedingungen in allen Versorgungsbereichen geschaffen. Dazu gehört auch die
Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen. Auch die Suizidprävention wollen wir stärken.
Psychische Gesundheit steht paradigmatisch für Netzwerkarbeit aller Bereiche der
medizinischen und nicht-medizinischen Versorgung. Hierfür müssen alle noch besser
zusammenarbeiten, insbesondere die Akteur*innen des ambulanten, klinischen und
außerklinischen Bereichs.
Gesund und selbstbestimmt Leben
Gesundheitspolitik muss da wirken, wo Menschen leben, wo sie arbeiten, ihre Freizeit
verbringen, zur Kita, in die Schule oder in andere Bildungseinrichtungen gehen. Studien
haben in den vergangenen Jahren nachgewiesen, dass Grünflächen einen unmittelbaren Effekt
auf das Wohlbefinden der Menschen haben. Ein grünes Lebensumfeld wirkt sich positiv auf die
Fähigkeit zur Emotionsregulierung aus. Investitionen in eine intakte und vielfältige
Stadtnatur schützen also das Klima und haben zugleich einen gesundheitsfördernden Effekt.
Gesundheitsfördernde Lebensbedingungen stehen allen Berliner*innen zu. Dazu gehören gute
Wohnbedingungen, die Verringerung von Luftverschmutzung und Lärm, die Neuverteilung des
öffentlichen Raums mit dem Ausbau sicherer und inklusiver Fuß- und Radwege bei
gleichzeitiger Abkehr von der autogerechten Stadt, sowie der Zugang zu Parks und Grünanlagen
mit Sport- und Erholungsmöglichkeiten.
Klimaschutz = Gesundheitsschutz
Die Klimakrise bedroht nicht nur den Planeten, sondern hat auch direkte Auswirkungen auf die
Gesundheit der Menschen – und das schon heute. Hitze kann nicht nur Hitzestress und
Erschöpfung auslösen oder zum Hitzschlag führen, sondern auch Vorerkrankungen verschlimmern.
Im Hitzejahr 2018 sind allein in Berlin fast 500 Menschen mehr hitzebedingt verstorben als
in durchschnittlichen Vergleichsjahren. Besonders betroffen waren ältere Menschen; die
Mortalitätsrate stieg bis zu 50 Prozent an. Umso wichtiger ist es, neben
Klimaschutzmaßnahmen auch Klimaanpassungsmaßnahmen vorzunehmen.
Versiegelte Flächen und Fahrzeuge heizen die Stadt auf. Städte wie Berlin werden im Sommer
zu Hitzeinseln, die bis zu 8 Grad heißer sind als das Umland. Gravierend ist die Situation
in dicht besiedelten Innenstadtbereichen, in denen häufig Menschen leben, die von Armut
betroffen sind. Daher wollen wir Berlin auch besser für Hitzewellen und Starkregenereignisse
rüsten, um die Gesundheit der Bürger*innen zu schützen.
Das gelingt uns mit klugen Investitionen in die Stadtinfrastruktur und einer grundsätzlichen
Prüfung der Klimaresilienz aller Infrastrukturmaßnahmen. Neue Vorgaben für Dach- und
Fassadenbegrünung sowie eine höhere Förderung sollen für mehr Grün an den Gebäuden und damit
für eine angenehme Kühlung durch Verdunstung sorgen. Wir wollen das Stadtgrün stärken und
die Bewässerung und die Pflanzung von Straßenbäumen verbessern, um die Stadt zu kühlen und
die Gesundheit der Menschen zu fördern. Wir wollen öffentlich zugängliche Brunnen an allen
zentralen Haltestellen und stark frequentierten Orten aufstellen. Gerade an heißen Tagen
muss jeder Mensch einfach und schnell Zugang zu Trinkwasser haben – unabhängig vom
Geldbeutel. Um ein übermäßiges Aufheizen der Stadt zu vermeiden, wollen dafür sorgen, dass
Berlin eine Schwammstadt wird: Bei allen neuen Bauvorhaben soll möglichst viel Regenwasser
vor Ort im Boden versickern können, das speichert Wasser für trockene Zeiten. Bessere
Versickerung, lebendiges Stadtgrün und kühlere Straßen gibt es allerdings nur, wenn wir
endlich mehr Flächen entsiegeln. Wir wollen Berlins Verkehrsinfrastruktur in den nächsten
Jahren durch Entsiegelung und Umwidmung neu gestalten und überall in der Stadt grüne Oasen
mit Wasserbecken, Pocket Parks, Trink- und Spielbrunnen entstehen lassen, die Mensch und
Flora und Fauna vor Hitze schützen. Bis 2030 soll eine Netto-Null-Versiegelung erreicht
werden. Als Pilotprojekte und zur Veranschaulichung wollen wir nach dem Vorbild Wiens in
Berlin mehrere „Kühle Meilen“ etablieren. In diesen wird mit mehr Bäumen, Rank- und
Kletterpflanzen, mit Trinkwasserbrunnen, Wasserspielen, Erfrischungsmöglichkeiten für Jung
und Alt sowie entsiegelten Stellen und ausreichend Sitzgelegenheiten im Kiez eine Oase
geschaffen. Sie sollen verkehrsberuhigt sein und eine hohe Aufenthaltsqualität haben.
Wichtig ist, dass ein Aufenthalt nicht an einen Konsum gebunden ist und allen Menschen
gleichsam zugutekommt.
Die Klimakrise bringt darüber hinaus noch viele weitere gesundheitliche Folgen mit sich.
Krankheitsträger wie Zecken, Mücken und Sandfliegen werden sich durch die Erhöhung der
durchschnittlichen Temperatur zunehmend in Deutschland ausbreiten und somit dazu führen,
dass Krankheiten wie Malaria auch in Berlin auftreten. Zudem wird ein Anstieg an Allergien
und allergischen Symptomen erwartet, weil sich Blütephasen verlängern und Überschwemmungen
zu vermehrten Schimmelbildungen führen. Zudem werden vermehrt auftretende Naturkatastrophen
als „Trigger-Ereignisse“ zu Posttraumatischen Belastungsstörungen führen. Das hat besonders
für Kinder Folgen, deren Immunsystem noch nicht vollständig ausgebildet ist. Die Einhaltung
der 1,5 Grad Grenze des Pariser Klimaabkommens ist also auch aus gesundheitspolitischer
Sicht von zentraler Bedeutung.
Lärm- und Luftbelastung
Menschen, die an besonders vom Verkehr belasteten Straßen wohnen, leiden häufiger an Lungen-
und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie an Diabetes. Dazu trägt neben der schlechten Luft auch
die hohe Lärmbelastung bei. Deshalb ist die Verkehrswende nicht nur für den Klimaschutz
wichtig, sondern auch für die Gesundheit der Menschen.
Schlechte Luft gehört weltweit zu den bedeutendsten Gesundheitsrisiken. Dabei sind vor allem
Kinder von Luftverschmutzung betroffen. Zum einen, weil sie pro Kilo Körpergewicht mehr
Feinstaub einatmen als Erwachsene und eine höhere Atemfrequenz haben. Zum anderen, weil sie
mehr Zeit draußen verbringen und sich ihre Nasen näher an den Auspuffrohren von Fahrzeugen
befinden.
Drei Viertel der Deutschen fühlen sich zudem durch Straßenverkehrslärm belästigt. Lärm kann
zu Schlafstörungen, Herzinsuffizienz, Schlaganfällen und Herzinfarkten sowie psychischen
Erkrankungen führen, Kinder können Lernschwächen entwickeln. Besonders stark leiden dabei
Menschen, die dauerhaft mehr als einer Lärmquelle ausgesetzt sind, wie zum Beispiel einer
viel befahrenden Straße und einer Bahnschiene. Und das sind vornehmlich Menschen mit
geringem Einkommen. In Berlin leiden rund 250.000 Menschen unter gesundheitsgefährdendem
Straßenlärm. Zu ihrem Schutz brauchen wir dringend eine Verkehrswende in der ganzen Stadt.
Eine Verringerung der Lärm- und Luftbelastungen schafft mehr Lebensqualität und
Umweltgerechtigkeit in unseren Städten. Tempo 30 an so vielen Straßen wie möglich steigert
nicht nur die Verkehrssicherheit, sondern reduziert auch die Abgas- und Lärmbelastung
erheblich. Zudem brauchen wir mehr Radverkehr, mehr Elektromobilität und eine Stärkung des
öffentlichen Nahverkehrs. Allein die Einrichtung einiger Pop-Up-Radwege im Frühling 2020 hat
bereits zu einer spürbaren Verringerung der Lärmbelastung geführt. Es gilt dringend weitere
Maßnahmen zu ergreifen, die die Belastung minimieren. Deshalb wollen wir auch Fluglärm
nachhaltig mindern, indem wir dafür sorgen, dass die Menschen in der Nacht in Ruhe schlafen
können. Deshalb muss am BER ein striktes Nachtflugverbot zwischen 22 und 6 Uhr gelten.
Helfen können aber auch alle Maßnahmen, die das Verkehrsaufkommen insgesamt verringern, wie
eine Stadt der kurzen Wege oder flexible Homeoffice-Regelungen.
Gesunde Ernährung
Mit der Berliner Ernährungsstrategie treiben wir die Ernährungs- und Agrarwende aktiv voran.
Denn gesundes Essen für die gesamte Bevölkerung trägt dazu bei, Klima-, Biodiversitäts-,
Bildungs-, Gesundheits- und soziale Ziele zu erreichen.
Wir wollen, dass gutes Essen für alle Berliner*innen unabhängig von der finanziellen
Situation erschwinglich ist. Dafür werden wir in den ersten bis sechsten Klassen das
Schulessen, das derzeit aus 50 % Bioanteil besteht, im Laufe der Legislatur auf 100 %
Bioanteil ausweiten und auch die weiterführenden Schulen einbeziehen. Auch in Kitas,
Krankenhäusern, Senioreneinrichtungen und öffentlichen Kantinen wird Berlin bis 2026
weitestgehend auf biologische, regionale und saisonale Lebensmittel umsteigen. Zudem wollen
wir pflanzliche Ernährung fördern.
In Zusammenarbeit mit Wirtschaft, Zivilgesellschaft und dem Land Brandenburg werden wir die
Ernährungsstrategie fortführen und ausbauen. Das in Brandenburg entwickelte Qualitäts-Regio-
Siegel für Produkte aus dem Umkreis wird Berlin verbindlich in seinen Vergaben für die
öffentliche Gemeinschaftsverpflegung verwenden.
Damit die Umstellung der Gemeinschaftsverpflegung gelingt, wird die Fortbildungseinrichtung
„Kantine Zukunft“ weitergeführt und ihre Arbeit so verstetigt, dass sie regelmäßig neue
Küchen in ihr Umstellungsprogramm aufnehmen kann.
Die Wochen- und Großmärkte wird Berlin zu Zentren für regionale und biologisch angebaute
Lebensmittel ausbauen. Mit der Einrichtung von wenigstens einem „LebensMittelpunkt“ vor Ort
in jedem Berliner Bezirk wird in enger Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen
Akteur*innen den Menschen vor Ort Zugang zu gutem, gesundem und erschwinglichen Essen
ermöglicht und ein Ort des nachbarschaftlichen Zusammenlebens geschaffen.
An möglichst allen Schulen sollen Schulgärten etabliert und den Schulen Zugang zu Lehrküchen
ermöglicht werden. Möglichst viele Schulen sollen zu „Ernährungsschulen“ („Food Schools“)
gemacht werden, in denen das Essen frisch gekocht wird und die Schüler*innen an der
Zubereitung beteiligt werden. Mit einem zentral gelegenen „Food-Campus“ wird in der Stadt
ein Ort geschaffen, an dem Wissenschaft, Praxis, Bildung und fachpolitische Diskussionen von
und mit der Zivilgesellschaft die Ernährungswende in Berlin vorantreiben.
Wir werden aktiv gegen Lebensmittelverschwendung vorgehen, Projekte und Initiativen
unterstützen, die Lebensmittel retten und verteilen. Auf Bundesebene werden wir uns dafür
einsetzen, dass abgelaufene Lebensmittel nicht mehr weggeworfen werden dürfen, sondern an
Initiativen wie die Berliner Tafel oder Foodsharing abgegeben werden müssen und das
„Containern“ (Rettung entsorgter Lebensmittel aus den Mülltonnen von Supermärkten) zu
entkriminalisieren.
Sport und Bewegung
Sport und Bewegung machen Spaß, ermöglichen Gemeinschaft und tragen maßgeblich zum
Wohlbefinden bei. Wir wollen allen Berliner*innen ermöglichen, sich sportlich zu betätigen.
Egal in welchem Alter, egal ob organisiert und regelmäßig oder nur ab und zu, das
Sportangebot in Berlin soll alle Bedürfnisse abdecken und deshalb auch inklusive und
barrierefreie Sportanlagen und Sportstätten beinhalten. Dabei ist unsere Vision für Berlin,
dass Sport und Bewegung selbstverständlich in allen Bereichen mitgedacht werden: Sei es das
Laufen im Park, eine Runde Tischtennis im Hof, Bouldern an der Einkaufscenter-Fassade oder
Kicken in der Spielstraße. Dafür denken wir Sport und Bewegung auch in der Stadtplanung mit.
Denn die Förderung von körperlicher Aktivität im Alltag ist ein sehr wichtiger Baustein, um
die Bewegung insgesamt zu fördern. Dafür braucht es ausgebaute Sportstätten, sichere Fuß-
und Radwege, die Möglichkeit zur Bewegung in Parks und Grünflächen und eine
bewegungsfreundliche Stadtumgebung.
Drogenpolitik
Beispielhaft für einen selbstbestimmten Umgang mit Gesundheit steht auch unser Ansatz für
die Drogenpolitik. Der Konsum von Drogen gehört zur Lebensrealität in unserer Stadt. Dies
gilt es anzuerkennen. Allein der jahrzehntelang erzwungene prohibitive Umgang mit
gesellschaftlich weit verbreitetem und akzeptiertem Cannabiskonsum hat die Probleme auch in
Berlin nicht entschärft, sondern verschärft. Wir Bündnisgrüne stehen für eine Neuausrichtung
der Drogenpolitik: Statt Kriminalisierung und Stigmatisierung braucht es einen fakten- und
evidenzbasierten Ansatz, der Menschen durch Prävention und Aufklärung schützt und damit
Verbraucherschutz überhaupt erst möglich macht, Abhängigen unkompliziert Hilfe zukommen
lässt und die Selbstbestimmung aller respektiert. Es braucht Aufklärung durch Bildungs- und
Jugendeinrichtungen wie auch durch zielgruppenspezifische Projekte und Angebote. Jugend- und
Gesundheitsschutz haben klar Vorrang vor Gewinninteressen. Die tödlichsten Drogen bleiben
Tabak und Alkohol. Wir beurteilen Drogen nach ihrer Gefährlichkeit, deshalb gilt es nach dem
Prinzip der harm reduction gefährlichen Konsum zu vermeiden und Konsumrisiken zu minimieren.
Mit einem Pilotprojekt zum Drug-Checking, das 2022 in die Umsetzung geht, machen wir einen
wichtigen Schritt, um Konsument*innen vor gefährlichen und gepanschten Drogen zu schützen.
Dieses wollen wir in einem zweiten Schritt mit mobilen Point-of-Care-Stellen weiter
ausbauen. Auch den Zugang zu Drogenkonsumräumen wollen wir weiter verbessern. Die Suchthilfe
muss stärker mit den Angeboten der Sozialarbeit verzahnt werden, um Menschen, die in
Abhängigkeit geraten sind, auch wirksam und langfristig zu helfen. Substitutionsprogramme,
auch in Haftanstalten, sollen verstetigt und ausgebaut werden.
Wir sehen die angekündigte Legalisierung von Cannabis durch ein Cannabiskontrollgesetz durch
den Bund als Chance und werden diese in Berlin zügig und umfassend umsetzen. Wir streben an,
dass das erste lizensierte Fachgeschäft für Cannabis in Berlin eröffnet wird, sobald dafür
die rechtliche Grundlage auf Bundesebene geschaffen wurde. Zudem befürworten wir die
Möglichkeit des Eigenanbaus für den Selbstgebrauch. Außerdem treten wir für einen Amnestie
aller wegen Cannabis gefällten Verurteilungen ein. Darüber hinaus wollen wir die
Entkriminalisierung vorantreiben. Dazu gehört, die Regelung zum Besitz geringer Mengen auf
weitere Betäubungsmittel zu erweitern, wie dies bereits in mehreren anderen Bundesländern
erfolgt ist. Auch wollen wir die Forschung auf dem Gebiet der psychoaktiven Substanzen
stärken und damit der generellen Tabuisierung mit wissenschaftlichen Erkenntnissen und
evidenzbasierten Antworten entgegenwirken.
Gesunde Gesundheitsinfrastruktur
Die Pandemie hat unseren Blick auf bereits länger bestehende Herausforderungen im
Gesundheitssystem gerichtet. Aber auch ohne Pandemie ist eine funktionierende und gut
ausgestattete Gesundheitsinfrastruktur von elementarer Bedeutung für eine gesunde
Gesellschaft und ein lebenswertes Berlin.
Öffentlicher Gesundheitsdienst (ÖGD) als „Networker“ der Versorgung
Der ÖGD ist mehr als die dritte (statische) Säule des Gesundheitswesens. Er verbindet
individualmedizische mit gesellschaftsmedizinischen Ansätzen in den Bereichen des
Gesundheitsschutzes, der Gesundheitshilfen, der Gesundheitsförderung und der
Gesundheitskoordination unter Einbezug des Sozialraumes. Wir stehen für einen modernen
Öffentlichen Gesundheitsdienst, der als gleichberechtigter Partner und Netzwerker im
Gesundheitssystem wahrgenommen wird und eine wichtige Rolle als Garant für gesundheitliche
Chancengleichheit einnimmt.
Der Öffentliche Gesundheitsdienst in den Bezirken muss als wichtiger Bestandteil der
Daseinsvorsorge personell und in Bezug auf die IT-Ausstattung gestärkt und inhaltlich in den
Bereichen Gesundheitshilfen, Gesundheitsschutz, Gesundheitsförderung und
Gesundheitskoordination weiterentwickelt werden. Das ist eine der zentralen Lehren der
Pandemie. Wir brauchen einen gut ausgestatteten ÖGD um besser auf zukünftige Pandemien
vorbereitet zu sein.
Gesundheit spielt sich im Sozialraum ab
Wir stehen für eine niedrigschwellige, vernetzte Gesundheitsversorgung vor Ort und eine
bessere Verteilung der Angebote über die Stadt. Daher werden wir das Prinzip des Stadtteil-
Gesundheitszentrums, wie das Gesundheitskollektiv in Neukölln, in die verschiedenen Kieze
Berlins exportieren. Ziel eines integrierten Stadtteil-Gesundheitszentrums ist, die
Gesundheitsversorgung nicht nur medizinisch, sondern vor allem auch gesellschaftlich und
sozialpolitischzugestalten. Denn die Lebensverhältnisse der Menschen haben einen großen
Einfluss auf ihre Gesundheit. Stadtteil-Gesundheitszentren arbeiten in ausgewählten
Sozialräumen, wirken integrativ in multiprofessionellen Teams und haben so die soziale
Lebenssituation der Patient*innen fest im Blick. Behandlungen erfolgen dabei auf Augenhöhe
mit den Patient*innen, aber auch zwischen den Beschäftigten. Ärzt*innen,
Sozialarbeiter*innen, Therapeut*innen, Stadtteilmütter, Streetworker und Sprachmittlung
gehen dabei Hand in Hand und auf die unterschiedlichen Bedürfnisse ein. So wird für jeden
und jede ein niedrigschwelliger Zugang zum Hilfesystem erreicht. Wir wollen damit die
Chancen von Kranken und Pflegebedürftigen verbessern und Zugangshindernisse abbauen.
Krankenhausfinanzierung und faire Bezahlung
Im Bereich der Krankenhausinvestitionen gilt, was für den Gesundheitssektor insgesamt gilt:
Mit guten Kooperationen und nur gemeinsam kommen wir weiter.
Das Land Berlin verfügt dabei mit Charité und Vivantes in Landesbesitz über zwei zentrale
Grundpfeiler der Krankenhauslandschaft, die einen erheblichen Teil der Gesundheitsversorgung
der Berliner*innen leisten. Mit diesen beiden Unternehmen hat das Land die Möglichkeit
starke gemeinwohlorientierte Akzente bei der Weiterentwicklung der Berliner
Gesundheitslandschaft zu setzen. Die gute Zusammenarbeit beider Unternehmen ist für ihren
wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und medizinischen Erfolg von entscheidender Bedeutung.
Wir bekennen uns deshalb zum Konzept Gesundheitsstadt 2030, insbesondere die Umsetzung der
gemeinsamen Standortentwicklung, eine Portfolioabstimmung und die Investitionsplanungen der
Gesundheitsstadt bieten jetzt die Chance die Weichen für die stationäre Krankenversorgung
auf europäischem Spitzenniveau und eine internationale Führungsrolle in medizinischer
Innovation zu sichern und auszubauen. Besonders in Sachen Krankenhäusern werden wir Grüne
die begonnene Trendwende bei den Krankenhausinvestitionen fortsetzen und setzen uns für ein
schrittweises Aufwachsen der Investitionsmittel ein. Wir setzen auf Investition und
Transformation: Die Folgen von unterlassenen Investitionen der Vergangenheit begleiten uns
noch an vielen Stellen im Gesundheitswesen – hier gibt es noch viel zu reparieren!
Transformation bedeutet für uns deshalb Investitionen an der richtigen Stelle. Nicht bloß
neu, sondern auch nachhaltig, müssen wir die Gelder für die Krankenhäuser priorisieren:
Klimagerechtes Bauen, verbesserte Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten und bessere
Aufenthaltsqualität sind Maßstäbe für eine Grüne Krankenhausinvestitionsplanung. Weiteres
Outsourcing oder (Teil-)Privatisierung im Krankenhausbereich lehnen wir ab.
Für eine zukunftsfähige Finanzierung des Krankenhausbereiches braucht es aber auch Reformen
auf Bundesebene, die die Fokussierung auf die Ökonomisierung des Krankenhausbetriebs und die
ertragsreichste Behandlung beenden. Klinken müssen in einem neuen Finanzierungssystem mit
einer starken Säule der Strukturfinanzierung sowie Vorgaben zur Personalbemessung und
Versorgungsqualität entsprechend ihrem gesellschaftlichen Auftrag finanziert werden.
Dabei machen wir uns auch stark für eine gute tarifliche Entlohnung aller Beschäftigten in
den Krankenhäusern und haben daher die Berliner Krankenhausbewegung in ihren Forderungen
unterstützt. Daher begrüßen wir die erfolgreichen Tarifabschlüsse. Eine besondere
Verantwortung der Ampelkoalition im Bund liegt in der Einführung einer gemeinsam
Bürgerversicherung für alle Versicherten.
Qualifizierung und Wertschätzung der Beschäftigten
Eine gute und engagierte Gesundheitsversorgung der Berliner Bevölkerung ist nur mit
motivierten und qualifizierten Beschäftigten möglich, die wertgeschätzt und für ihre
Tätigkeit angemessen bezahlt werden. Zur guten Gesundheitsversorgung gehören auch
Ärzt*innen, die bereit sind, Patient*innen und Pflegebedürftigen auf Augenhöhe zu begegnen.
Beschäftigte aller Gesundheitsberufe leisten einen unschätzbaren Beitrag für unsere
Gesellschaft. Menschen, die bei Krankheit oder im Alter Unterstützung benötigen, wünschen
sich zu Recht Ärzt*innen und Pflegekräfte, die sich mit Sorgfalt um sie kümmern. Dafür
brauchen Pflegekräfte ausreichend Zeit, gute Arbeitsbedingungen und eine faire Bezahlung
nach Tarif. Daher wollen wir die Arbeits- und Ausbildungsbedingungen für die Beschäftigten
im Gesundheitswesen weiter verbessern.
Um dem Pflegenotstand und Fachkräftemangel entgegenzuwirken, braucht es ebenso attraktivere
Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen in der Pflege und den Gesundheitsberufen. Berlin muss
auch für eine angemessene Vergütung für den Praxisanteil während des Pflegestudiums sorgen.
Wir setzen uns für Schulgeldfreiheit bei der Ausbildung der anerkannten Gesundheitsberufe
(Logopädie, Physio- und Ergotherapie) ein.
Lehren der Pandemie
Die Pandemie ist mehr als ein einmaliges Ereignis, sie hat Folgen, gesellschaftlich und
gesundheitlich. Insbesondere die Zunahme der Long-Covid-Fälle, als auch psychische
Belastungen durch alle Alters- und Gesellschaftsgruppen, geben Anlass zur Sorge und fordern
zum Handeln auf.
Die Einschränkungen in Folge der Corona-Pandemie haben zu erheblichen Belastungen von großen
Teilen der Gesellschaft geführt. Viele Familien mussten zeitweise das Arbeiten im Homeoffice
und die schulische Unterstützung und Betreuung ihrer Kinder in viel zu kleinen Wohnungen
unter einen Hut bringen. Etliche Selbstständige gerieten in Existenzsorgen, weil ihre
Einnahmen infolge von Einschränkungen erheblich eingebrochen sind. Aus vielen Studien wissen
wir aber, dass die Pandemie und Infektionsschutzmaßnahmen für Kinder und Jugendliche
besonders starke Belastungen und Einschränkung bedeuten. Die Kontaktbeschränkungen engen in
diesen Altersgruppen wichtige Bedürfnisse nach unmittelbarem Kontakt, Austausch und
Freundschaft ein. Die Schulsituation ist belastender und führt dazu, dass Kinder aus von
Armut betroffenen Familien in der Gefahr sind, abgehängt zu werden. Daher sind insbesondere
soziale Projekte unverzichtbar, die auch Kinder aus sozial benachteiligten Familien
erreichen. Zur Prävention psychischer Erkrankungen von Kindern und Jugendlichen müssen
vorhandene Angebote wie z.B. das „Schulpsychologische und Inklusionspädagogische Beratungs-
und Unterstützungszentren (SIBUZ)“ besser bekannt gemacht und genutzt werden.
Ein besonderes Augenmerk der Bewältigung der psychischen Belastung sollte zudem auf die
Gesundheits- und Pflegeberufe gelegt werden. Diese betreffen überproportional Frauen. Die
Pandemie verstärkt ihre Belastungen um ein Vielfaches und steigert das Risiko der
Entwicklung von psychischen Erkrankungen. Psychische Erkrankungen können mit
Arbeitsunfähigkeit und Frühverrentung einhergehen. Prävention am Arbeitsplatz und
Frühintervention sind essentiell, um einer Chronifizierung vorzubeugen.
Auch die Folgen von Long-Covid werden uns noch lange beschäftigen. Die Folgesymptome sind
vielfältig und können alle Organe betreffen. Die Betroffenen leiden unter körperlichen,
mentalen und psychischen Symptomen. Besonders ausgeprägt ist das Fatigue-Syndrom. Dabei sind
Frauen stärker von Long-Covid betroffen als Männer. Betroffene sind teilweise in ihren
Handlungsmöglichkeiten in hohem Maße eingeschränkt und auf Unterstützung angewiesen.
Es bedarf einer Stärkung und besseren Vernetzung bestehender Beratungs- und
Behandlungsangebote, wie auch der Schaffung von neuen Angeboten, die sich in die bereits
bestehende Angebotslandschaft einfügen. Durch die Pandemie wurden intensivierte
Versorgungsangebote (wie z. B. Testzentren und Impfzentren) parallel zum bestehenden
Versorgungssystem geschaffen. Wir brauchen einen Plan, wie wir die dort gemachten
Erfahrungen analysieren und damit in Zukunft umgehen wollen. Denkbar wäre die Einrichtung
einer Enquete-Kommission für Lehren aus der Pandemie, wie gerade in Baden-Württemberg auf
den Weg gebracht, um für künftige Krisen besser gerüstet zu sein.
Lehren aus der Pandemie richten sich dabei an alle Politikfelder. Das Pandemiemanagement
sensibilisiert besonders für das Konzept von Health in all policies. Diese Sensibilisierung
sollte verstärkt in den nach-pandemischen Diskurs mitgenommen und verankert werden.
Eine Pandemie ist nie ein isoliertes Ereignis. Pandemie bedarf mehr als Gesundheitsschutz,
sondern auch den frühzeitigen Einbezug einer multiprofessionellen Begleitung (sozial-,
wirtschafts-, gesundheitswissenschaftlich, Kommunikationswissenschaften, ethisch und
psychologisch). Durch die Klimakrise ist die Wahrscheinlichkeit deutlich erhöht, dass
weitere Pandemien folgen werden. Daher ist es dringend notwendig, für zukünftige Ereignisse
unter Berücksichtigung der Lessons learned frühzeitig und umfassend Vorsorge zu treffen.
Antragstext
Von Zeile 115 bis 118 einfügen:
Dem Anspruch auf ein Leben in Würde folgt der Anspruch auf ein Sterben in Würde. Um einen würdevollen Umgang mit sterbenden Patienten und eine empathische Trauerbegleitung der Angehörigen sicherzustellen, brauchen nicht nur Hospize, sondern auch (Teil-)Palliativstationen einen höheren Personalschlüssel. Die Kompetenzen in den Bereichen der Palliativ- und Hospizversorgung werden bereits in der Ausbildung vermittelt. Zusätzliche Schulungsangebote zum Umgang mit Betäubungsmitteln, sowie zu den eigenen Rechten bezüglich deren Verabreichung schützen Patienten und Personal. Die Palliativ- und Hospizversorgung müssen weiter ausgebaut und diversifiziert werden.
Pflegepersonal der Palliativ- und Hospizversorgung braucht Zugang zu psychologischer Beratung und Seelsorge, sowie regelmäßige Reflexionsmöglichkeiten, um langfristig die eigene psychische Gesundheit zu schützen.
Gesundheit ist weit mehr als die reine Abwesenheit von Erkrankung. Gesundheit befähigt uns,
uns sozialen, emotionalen und physischen Herausforderungen zu stellen. Gesundheit hängt ab
von Vorsorge, um Erkrankungen vorzubeugen. Und Gesundheit braucht auch gesunde
Lebensbedingungen: von der Luft, die wir atmen bis zur Nahrung, die wir essen. Gesundheit
ist ein Querschnittsthema, das alle Politikfelder betrifft. Für Gesundheitsschutz braucht es
deshalb auch Armutsbekämpfung, Verbraucher*innenschutz, bessere Lebensbedingungen und eine
wirksame Umweltpolitik.
Die Pandemie hat dazu geführt, dass wir uns in den vergangenen Jahren intensiv mit dem Thema
Gesundheit auseinandergesetzt haben und deren individuellen und gesellschaftlichen
Stellenwert unter die Lupe genommen haben. Die Pandemie zeigt uns noch einmal deutlich, wo
die größten Lücken in unserem Gesundheitswesen sind. Denn ein für alle zugängliches und gut
ausgestattetes Gesundheitswesen ist die Grundlage für eine soziale und chancengerechte
Gesellschaft und sichert die Menschenwürde. Gesundheitsschutz und Pflege brauchen einen
größeren Stellenwert und müssen solidarisch finanziert werden. Alle Menschen müssen sich
darauf verlassen können, überall in der Stadt Zugang zu einer qualitativ hochwertigen und
bedarfsgerechten Versorgung zu haben. Dabei haben die Belange der Patient*innen und der
Angestellten Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen. Für Gesundheitsschutz braucht es aber
auch Armutsbekämpfung, Verbraucher*innenschutz, bessere Lebensbedingungen und eine wirksame
Umweltpolitik.
Unser Ziel ist ein Höchstmaß an Gesundheitschancen, Lebensqualität und Wohlbefinden der
Berliner*innen – egal welchen Alters oder Geschlechts, welcher sexuellen Identität und
Orientierung; unabhängig von der Herkunft, dem sozialen Status und der religiösen
Zugehörigkeit, ob chronisch erkrankt oder nicht, ob mit oder ohne Behinderung oder anderen
Voraussetzungen – vom Lebensanfang bis zum Lebensende. Wir wollen Gesundheitsgerechtigkeit,
Chancengleichheit und die Rahmenbedingungen herstellen, damit jede*r Berliner*in ein
selbstbestimmtes Leben in Würde führen kann. Die gesundheitliche Versorgung Berlins soll
allen bekannt sein und von allen in Anspruch genommen werden können.
Für eine gute Versorgung der Berliner*innen haben wir bereits in der letzten Wahlperiode
viel getan. Wir haben die Investitionen in die Krankenhäuser auf den Bundesschnitt angehoben
und werden unseren Beitrag sukzessive weiter erhöhen. Wir haben zudem dafür gesorgt, dass
Babylots*innen auf allen Geburtsstationen der Berliner Krankenhäuser Eltern beraten und
begleiten. Wir wollen, dass das Essen im Krankenhaus besser und gesünder wird, wir setzen
auf regionale, saisonale und nachhaltige Ernährung– am Bett wie in der Kantine.
Besonders wichtig war für uns, allen Berliner*innen Zugang zur gesundheitlichen Versorgung
zu ermöglichen. Daher unterstützen wir Menschen ohne Krankenversicherung dabei sich zu
versichern. Zudem können sich durch unseren Einsatz endlich auch Menschen ohne gültigen
Aufenthaltstitel mit einem anonymen Krankenschein behandeln lassen. Damit ist Berlin das
einzige Bundesland, in dem der Zugang zur hausärztlichen Versorgung so umfassend möglich
ist. Diesen Weg möchten wir weitergehen, die Finanzierung der Clearing-Stelle durch das Land
Berlin langfristig sichern und den Fonds, der die Behandlung von nicht versicherten Menschen
ermöglicht, ausbauen. Gleiches gilt für die Sicherstellung niedrigschwelliger Angebote der
sexuellen Gesundheitsversorgung wie etwa den Checkpoint BLN am Hermannplatz. Dieser bietet
unter einem Dach Beratung, Tests sowie Präventions- und Behandlungsangebote zu sexuell
übertragbaren Krankheiten.
Gesundheit in allen Lebenslagen
Wir arbeiten an einer gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung, die diversitäts-, und
kultursensibel ist und offen mit den unterschiedlichen Bedürfnissen der erkrankten und
pflegebedürftigen Menschen umgeht.
Diskriminierungsfreie Gesundheit
Der Zugang zur Gesundheitsversorgung ist ein Menschenrecht. Doch noch immer erfahren viel zu
viele Berliner*innen Diskriminierung im Gesundheitssektor. Wir werden medizinische
Einrichtungen dabei unterstützen, bestehende Diskriminierungen abzubauen. Unser Ziel ist
eine diversitätssensible Gesundheitsversorgung und Pflege in Berlin. Bisher haben Menschen
mit einer Behinderung noch nicht überall die Wahlfreiheit, weil Barrieren sie am Zugang
hindern. Menschen mit fehlenden deutschen Sprachkenntnissen haben
Verständigungsschwierigkeiten. Häufig erleben Patient*innen aufgrund ihrer Herkunft, ihrer
sexuellen Orientierung, ihrer geschlechtlichen Identität oder körperlicher Merkmale verbale
Übergriffe, abwertende Bemerkungen und mangelnde medizinische Versorgung. So führt etwa der
Zeit- und Effizienzdruck des Gesundheitspersonals häufig zur Ungleichbehandlung von älteren
Patient*innen und Menschen mit Behinderungen, oft mit dem Ergebnis, dass ihnen der Zugang zu
medizinischen Leistungen verweigert wird. Auch Gewichtsdiskriminierung führt zu schlechterer
Versorgung. Oder aber die Offenlegung der sexuellen Identität wirkt sich nachteilig auf die
Interaktion von Ärzt*innen und Patient*innen aus. Wir werden uns daher für die Einrichtung
einer Fachstelle gegen Diskriminierung im Gesundheitswesen einsetzen, um strukturelle
Diskriminierungen abzubauen.
Berlin ist eine weltoffene Metropole mit Menschen aus unterschiedlichen Sprach- und
Kulturräumen. Sie alle sollen im Gesundheitswesen gut versorgt werden. Dazu bedarf es
fachlich qualifizierter Sprachmittler*innen in allen Sektoren der Behandlung. Wir werden
darauf dringen, dass die im Bundeskoalitionsvertrag vereinbarte Sprachmittlung auch mit
Hilfe digitaler Anwendungen im Kontext notwendiger medizinischer Behandlungen Bestandteil
des Krankenversicherungsrechts nach SGB V wird und bald umgesetzt wird.
In Berlin haben sich überdies spezifische Beratungsangebote wie die „Interkulturellen
Brückenbauer*innen in der Pflege – IBIP“ bewährt, um den Zugang zu Leistungen der Pflege zu
gewährleisten, indem sie in unterschiedlichen Sprachen die Pflegebedürftigen und deren
Angehörige in Pflegestützpunkten über die Stadt verteilt beraten. Diese Leistungen werden
wir, finanziert aus Mitteln der Sozialen Pflegeversicherung und aus Landesmitteln, weiterhin
garantieren. Um eine diversitätssensible und diskriminierungskritische Pflege nachhaltig
anzubieten, setzen wir uns dafür ein, dass entsprechende Schulungsangebote fester
Bestandteil der Ausbildungscurricula und von Weiterbildungen werden.
Im Rahmen der Fast Track City-Initiative „95-95-95-0“ wollen wir die HIV-Beratungs- und
Versorgungsstrukturen weiter stärken, die bestehenden Präventionsangebote und -kampagnen
zielgruppenorientiert ausbauen, allen Berliner*innen unabhängig vom Geldbeutel Zugang zu
Tests und Versorgung ermöglichen und Aufklärungskampagnen zur Entstigmatisierung
durchführen. Zudem werden wir uns für eine diskriminierungsfreie Pflegeversorgung älterer
queerer Menschen einsetzen.
Geschlechtergerechte Gesundheit
Auf die spezifischen Bedürfnisse von Frauen und deren Ausprägung von Krankheitsmerkmalen
muss das Gesundheitswesen mehr als bisher eingehen. Sie müssen Bestandteil der Ausbildung
von Mediziner*innen und anderen Gesundheitsberufen werden. Wir werden prüfen, ob das
Institut für „Gender in Medicine“ an der Berliner Charité genügend Kapazitäten vorhält oder
weiter ausgebaut werden muss, um in ausreichender Form den Bedarf von geschlechtergerechter
Forschung und Lehre in Berlin abzudecken. Die Gesundheitsversorgung von Frauen und inter,
nichtbinären sowie trans Personen werden wir verbessern. Sie muss vor allem
diskriminierungsfrei sein. Wir setzen uns für intersektionale reproduktive Rechte ein. Dazu
gehört, dass das Angebot an Gynäkolog*innen in allen Bezirken und der Zugang zur
Geburtsvorbereitung gesichert ist. Gefahrlose Schwangerschaftsabbrüche sowie eine Schutzzone
vor Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen werden wir ermöglichen. Die Bedingungen für
sichere und gute Geburten sowie für eine bedarfsgerechte Nachsorge wollen wir verbessern,
mit einer bedarfsgerechten Ausstattung, einer Erhöhung der Ausbildungskapazitäten sowie
besseren Arbeitsbedingungen für Hebammen und einer digitalen Plattform, die die Suche nach
Hebammen erleichtert.
Gesund in jedem Alter
Die Gesundheitschancen von Kindern gilt es im besonderen Maße zu fördern und zu schützen.
Dafür muss geprüft werden, wie die Inanspruchnahme der U-Untersuchungen für Kinder noch
weiter gesteigert und kranke und schwerkranke Kinder wohnortnah versorgt werden können. Die
pädiatrische und intensivpädiatrische Versorgung in Kliniken muss bedarfsgerecht ausgebaut
werden; im Bund setzen wir uns für die Finanzierung ausreichender Vorhaltekapazitäten ein.
Niedrigschwellige Beratungs- und Unterstützungsangebote für Kinder und Jugendliche müssen
ausgebaut und vernetzt werden. Kinder sucht- und psychisch kranker Eltern sollen sich
eigenständig Hilfe suchen können. Dafür werden niedrigschwellige Angebote bekannter gemacht.
Unser Ziel ist zudem, dass die Berliner*innen auch im hohen Alter ihr Leben möglichst gut
und selbstbestimmt führen und dabei so lange wie möglich in ihrem eigenen Zuhause bleiben
können. Daher werden wir Modellprojekte zur Prävention von Einsamkeit sowie Hilfs- und
Kontaktangebote in den Bezirken fördern.
Dem Anspruch auf ein Leben in Würde folgt der Anspruch auf ein Sterben in Würde. Um einen würdevollen Umgang mit sterbenden Patienten und eine empathische Trauerbegleitung der Angehörigen sicherzustellen, brauchen nicht nur Hospize, sondern auch (Teil-)Palliativstationen einen höheren Personalschlüssel. Die
Kompetenzen in den Bereichen der Palliativ- und Hospizversorgung werden bereits in der
Ausbildung vermittelt. Zusätzliche Schulungsangebote zum Umgang mit Betäubungsmitteln, sowie zu den eigenen Rechten bezüglich deren Verabreichung schützen Patienten und Personal. Die Palliativ- und Hospizversorgung müssen weiter ausgebaut und
diversifiziert werden.
Pflegepersonal der Palliativ- und Hospizversorgung braucht Zugang zu psychologischer Beratung und Seelsorge, sowie regelmäßige Reflexionsmöglichkeiten, um langfristig die eigene psychische Gesundheit zu schützen.
Zur Entlastung von pflegenden Angehörigen gehört der Ausbau von Tages-, Kurzzeit-, Nacht-
und Verhinderungspflege. Wir folgen damit dem Ansatz ambulant vor stationär. Die Anzahl von
Pflege-Wohngemeinschaften wollen wir beibehalten und bei Bedarf ausbauen. Die Pflege-
Wohngemeinschaften sollen nach überprüfbaren Qualitätsindikatoren arbeiten.
Zu einer guten Pflegepolitik gehört auch eine Ansprechperson in der Verwaltung, an die sich
pflegende Angehörige, Pflegebedürftige oder Dienstleistungsanbieter wenden können, wenn
Fragen oder Beschwerden zur Pflege bestehen. Wir haben uns daher im Koalitionsvertrag für
eine*n Landespflegebeauftragte*n massiv eingesetzt. Eine wichtige Aufgabe der*des
Landesbeauftragten besteht auch in der Aktivierung des Landespflegeausschusses. Damit wird
die Chance genutzt, alle wichtigen Akteur*innen der Stadt zusammenzubringen.
Psychische Gesundheit
Fast alle Menschen haben durch eigene Betroffenheit oder als Angehörige im Laufe ihres
Lebens Erfahrungen mit psychischen Erkrankungen wie Depressionen. Viele Menschen haben in
Berlin nicht erst seit der Pandemie große Schwierigkeiten, einen passenden Therapieplatz zu
finden. Wir müssen daher das psychotherapeutische, psychosoziale und psychiatrische
Versorgungssystem stärken und weiterentwickeln. Ein zentraler Bestandteil ist das Prinzip
der lebensweltnahen, sozialraumorientierten Versorgung auf der Bezirksebene. Es müssen mehr
Angebote zur Förderung psychischer Gesundheit und Prävention psychischer Erkrankungen
geschaffen und die niedrigschwelligen Beratungs- und Begleitungsangebote des
Psychiatrieentwicklungsprogramms gestärkt und zukunftsfest gemacht werden. Aufbauend auf
einer durchzuführenden gesamtstädtischen Evaluation des Psychiatrieentwicklungsprogramms
möchten wir einen Landespsychiatrieplan entwickeln, der zusammen mit dem „Landeskonzept
Sucht“ unter dem Dach eines Landesprogramms psychische Gesundheit vereint wird. Die
sozialpsychiatrischen und kinder- und jugendpsychiatrischen Dienste wie auch die
Psychiatriekoordination müssen in Ihren Aufgaben gestärkt werden. In der außerklinischen
psychiatrischen Versorgung möchten wir für entgelt- und zuwendungsfinanzierte Angebote
gemeinsam ein neues Finanzierungs- und Steuerungsmodell entwickeln und nach erfolgreicher
Erprobung flächendeckend einführen. In der klinischen Versorgung soll das Prinzip „ambulant
vor teilstationär vor stationär“ beachtet und der begonnene Trend zur Ambulantisierung mit
vorrangig teilstationären und/oder aufsuchenden Versorgungsangeboten konsequent fortgeführt
werden. Der Trialog zwischen Psychiatrieerfahrenen, Angehörigen und Professionellen sowie
der vermehrte Einbezug von Peers möchten wir fördern.
Das Krankenhaus des Maßregelvollzuges soll vermehrt in die gemeindepsychiatrischen
Versorgungsstrukturen eingebunden und in der Ausstattung modernisiert werden. Eine enge
Kooperation mit der Charité und der Versorgungsforschung wird angestrebt. Zwangsmaßnahmen
sollen transparent dargestellt und weiter konsequent minimiert werden. Hierzu werden
förderliche Bedingungen in allen Versorgungsbereichen geschaffen. Dazu gehört auch die
Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen. Auch die Suizidprävention wollen wir stärken.
Psychische Gesundheit steht paradigmatisch für Netzwerkarbeit aller Bereiche der
medizinischen und nicht-medizinischen Versorgung. Hierfür müssen alle noch besser
zusammenarbeiten, insbesondere die Akteur*innen des ambulanten, klinischen und
außerklinischen Bereichs.
Gesund und selbstbestimmt Leben
Gesundheitspolitik muss da wirken, wo Menschen leben, wo sie arbeiten, ihre Freizeit
verbringen, zur Kita, in die Schule oder in andere Bildungseinrichtungen gehen. Studien
haben in den vergangenen Jahren nachgewiesen, dass Grünflächen einen unmittelbaren Effekt
auf das Wohlbefinden der Menschen haben. Ein grünes Lebensumfeld wirkt sich positiv auf die
Fähigkeit zur Emotionsregulierung aus. Investitionen in eine intakte und vielfältige
Stadtnatur schützen also das Klima und haben zugleich einen gesundheitsfördernden Effekt.
Gesundheitsfördernde Lebensbedingungen stehen allen Berliner*innen zu. Dazu gehören gute
Wohnbedingungen, die Verringerung von Luftverschmutzung und Lärm, die Neuverteilung des
öffentlichen Raums mit dem Ausbau sicherer und inklusiver Fuß- und Radwege bei
gleichzeitiger Abkehr von der autogerechten Stadt, sowie der Zugang zu Parks und Grünanlagen
mit Sport- und Erholungsmöglichkeiten.
Klimaschutz = Gesundheitsschutz
Die Klimakrise bedroht nicht nur den Planeten, sondern hat auch direkte Auswirkungen auf die
Gesundheit der Menschen – und das schon heute. Hitze kann nicht nur Hitzestress und
Erschöpfung auslösen oder zum Hitzschlag führen, sondern auch Vorerkrankungen verschlimmern.
Im Hitzejahr 2018 sind allein in Berlin fast 500 Menschen mehr hitzebedingt verstorben als
in durchschnittlichen Vergleichsjahren. Besonders betroffen waren ältere Menschen; die
Mortalitätsrate stieg bis zu 50 Prozent an. Umso wichtiger ist es, neben
Klimaschutzmaßnahmen auch Klimaanpassungsmaßnahmen vorzunehmen.
Versiegelte Flächen und Fahrzeuge heizen die Stadt auf. Städte wie Berlin werden im Sommer
zu Hitzeinseln, die bis zu 8 Grad heißer sind als das Umland. Gravierend ist die Situation
in dicht besiedelten Innenstadtbereichen, in denen häufig Menschen leben, die von Armut
betroffen sind. Daher wollen wir Berlin auch besser für Hitzewellen und Starkregenereignisse
rüsten, um die Gesundheit der Bürger*innen zu schützen.
Das gelingt uns mit klugen Investitionen in die Stadtinfrastruktur und einer grundsätzlichen
Prüfung der Klimaresilienz aller Infrastrukturmaßnahmen. Neue Vorgaben für Dach- und
Fassadenbegrünung sowie eine höhere Förderung sollen für mehr Grün an den Gebäuden und damit
für eine angenehme Kühlung durch Verdunstung sorgen. Wir wollen das Stadtgrün stärken und
die Bewässerung und die Pflanzung von Straßenbäumen verbessern, um die Stadt zu kühlen und
die Gesundheit der Menschen zu fördern. Wir wollen öffentlich zugängliche Brunnen an allen
zentralen Haltestellen und stark frequentierten Orten aufstellen. Gerade an heißen Tagen
muss jeder Mensch einfach und schnell Zugang zu Trinkwasser haben – unabhängig vom
Geldbeutel. Um ein übermäßiges Aufheizen der Stadt zu vermeiden, wollen dafür sorgen, dass
Berlin eine Schwammstadt wird: Bei allen neuen Bauvorhaben soll möglichst viel Regenwasser
vor Ort im Boden versickern können, das speichert Wasser für trockene Zeiten. Bessere
Versickerung, lebendiges Stadtgrün und kühlere Straßen gibt es allerdings nur, wenn wir
endlich mehr Flächen entsiegeln. Wir wollen Berlins Verkehrsinfrastruktur in den nächsten
Jahren durch Entsiegelung und Umwidmung neu gestalten und überall in der Stadt grüne Oasen
mit Wasserbecken, Pocket Parks, Trink- und Spielbrunnen entstehen lassen, die Mensch und
Flora und Fauna vor Hitze schützen. Bis 2030 soll eine Netto-Null-Versiegelung erreicht
werden. Als Pilotprojekte und zur Veranschaulichung wollen wir nach dem Vorbild Wiens in
Berlin mehrere „Kühle Meilen“ etablieren. In diesen wird mit mehr Bäumen, Rank- und
Kletterpflanzen, mit Trinkwasserbrunnen, Wasserspielen, Erfrischungsmöglichkeiten für Jung
und Alt sowie entsiegelten Stellen und ausreichend Sitzgelegenheiten im Kiez eine Oase
geschaffen. Sie sollen verkehrsberuhigt sein und eine hohe Aufenthaltsqualität haben.
Wichtig ist, dass ein Aufenthalt nicht an einen Konsum gebunden ist und allen Menschen
gleichsam zugutekommt.
Die Klimakrise bringt darüber hinaus noch viele weitere gesundheitliche Folgen mit sich.
Krankheitsträger wie Zecken, Mücken und Sandfliegen werden sich durch die Erhöhung der
durchschnittlichen Temperatur zunehmend in Deutschland ausbreiten und somit dazu führen,
dass Krankheiten wie Malaria auch in Berlin auftreten. Zudem wird ein Anstieg an Allergien
und allergischen Symptomen erwartet, weil sich Blütephasen verlängern und Überschwemmungen
zu vermehrten Schimmelbildungen führen. Zudem werden vermehrt auftretende Naturkatastrophen
als „Trigger-Ereignisse“ zu Posttraumatischen Belastungsstörungen führen. Das hat besonders
für Kinder Folgen, deren Immunsystem noch nicht vollständig ausgebildet ist. Die Einhaltung
der 1,5 Grad Grenze des Pariser Klimaabkommens ist also auch aus gesundheitspolitischer
Sicht von zentraler Bedeutung.
Lärm- und Luftbelastung
Menschen, die an besonders vom Verkehr belasteten Straßen wohnen, leiden häufiger an Lungen-
und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie an Diabetes. Dazu trägt neben der schlechten Luft auch
die hohe Lärmbelastung bei. Deshalb ist die Verkehrswende nicht nur für den Klimaschutz
wichtig, sondern auch für die Gesundheit der Menschen.
Schlechte Luft gehört weltweit zu den bedeutendsten Gesundheitsrisiken. Dabei sind vor allem
Kinder von Luftverschmutzung betroffen. Zum einen, weil sie pro Kilo Körpergewicht mehr
Feinstaub einatmen als Erwachsene und eine höhere Atemfrequenz haben. Zum anderen, weil sie
mehr Zeit draußen verbringen und sich ihre Nasen näher an den Auspuffrohren von Fahrzeugen
befinden.
Drei Viertel der Deutschen fühlen sich zudem durch Straßenverkehrslärm belästigt. Lärm kann
zu Schlafstörungen, Herzinsuffizienz, Schlaganfällen und Herzinfarkten sowie psychischen
Erkrankungen führen, Kinder können Lernschwächen entwickeln. Besonders stark leiden dabei
Menschen, die dauerhaft mehr als einer Lärmquelle ausgesetzt sind, wie zum Beispiel einer
viel befahrenden Straße und einer Bahnschiene. Und das sind vornehmlich Menschen mit
geringem Einkommen. In Berlin leiden rund 250.000 Menschen unter gesundheitsgefährdendem
Straßenlärm. Zu ihrem Schutz brauchen wir dringend eine Verkehrswende in der ganzen Stadt.
Eine Verringerung der Lärm- und Luftbelastungen schafft mehr Lebensqualität und
Umweltgerechtigkeit in unseren Städten. Tempo 30 an so vielen Straßen wie möglich steigert
nicht nur die Verkehrssicherheit, sondern reduziert auch die Abgas- und Lärmbelastung
erheblich. Zudem brauchen wir mehr Radverkehr, mehr Elektromobilität und eine Stärkung des
öffentlichen Nahverkehrs. Allein die Einrichtung einiger Pop-Up-Radwege im Frühling 2020 hat
bereits zu einer spürbaren Verringerung der Lärmbelastung geführt. Es gilt dringend weitere
Maßnahmen zu ergreifen, die die Belastung minimieren. Deshalb wollen wir auch Fluglärm
nachhaltig mindern, indem wir dafür sorgen, dass die Menschen in der Nacht in Ruhe schlafen
können. Deshalb muss am BER ein striktes Nachtflugverbot zwischen 22 und 6 Uhr gelten.
Helfen können aber auch alle Maßnahmen, die das Verkehrsaufkommen insgesamt verringern, wie
eine Stadt der kurzen Wege oder flexible Homeoffice-Regelungen.
Gesunde Ernährung
Mit der Berliner Ernährungsstrategie treiben wir die Ernährungs- und Agrarwende aktiv voran.
Denn gesundes Essen für die gesamte Bevölkerung trägt dazu bei, Klima-, Biodiversitäts-,
Bildungs-, Gesundheits- und soziale Ziele zu erreichen.
Wir wollen, dass gutes Essen für alle Berliner*innen unabhängig von der finanziellen
Situation erschwinglich ist. Dafür werden wir in den ersten bis sechsten Klassen das
Schulessen, das derzeit aus 50 % Bioanteil besteht, im Laufe der Legislatur auf 100 %
Bioanteil ausweiten und auch die weiterführenden Schulen einbeziehen. Auch in Kitas,
Krankenhäusern, Senioreneinrichtungen und öffentlichen Kantinen wird Berlin bis 2026
weitestgehend auf biologische, regionale und saisonale Lebensmittel umsteigen. Zudem wollen
wir pflanzliche Ernährung fördern.
In Zusammenarbeit mit Wirtschaft, Zivilgesellschaft und dem Land Brandenburg werden wir die
Ernährungsstrategie fortführen und ausbauen. Das in Brandenburg entwickelte Qualitäts-Regio-
Siegel für Produkte aus dem Umkreis wird Berlin verbindlich in seinen Vergaben für die
öffentliche Gemeinschaftsverpflegung verwenden.
Damit die Umstellung der Gemeinschaftsverpflegung gelingt, wird die Fortbildungseinrichtung
„Kantine Zukunft“ weitergeführt und ihre Arbeit so verstetigt, dass sie regelmäßig neue
Küchen in ihr Umstellungsprogramm aufnehmen kann.
Die Wochen- und Großmärkte wird Berlin zu Zentren für regionale und biologisch angebaute
Lebensmittel ausbauen. Mit der Einrichtung von wenigstens einem „LebensMittelpunkt“ vor Ort
in jedem Berliner Bezirk wird in enger Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen
Akteur*innen den Menschen vor Ort Zugang zu gutem, gesundem und erschwinglichen Essen
ermöglicht und ein Ort des nachbarschaftlichen Zusammenlebens geschaffen.
An möglichst allen Schulen sollen Schulgärten etabliert und den Schulen Zugang zu Lehrküchen
ermöglicht werden. Möglichst viele Schulen sollen zu „Ernährungsschulen“ („Food Schools“)
gemacht werden, in denen das Essen frisch gekocht wird und die Schüler*innen an der
Zubereitung beteiligt werden. Mit einem zentral gelegenen „Food-Campus“ wird in der Stadt
ein Ort geschaffen, an dem Wissenschaft, Praxis, Bildung und fachpolitische Diskussionen von
und mit der Zivilgesellschaft die Ernährungswende in Berlin vorantreiben.
Wir werden aktiv gegen Lebensmittelverschwendung vorgehen, Projekte und Initiativen
unterstützen, die Lebensmittel retten und verteilen. Auf Bundesebene werden wir uns dafür
einsetzen, dass abgelaufene Lebensmittel nicht mehr weggeworfen werden dürfen, sondern an
Initiativen wie die Berliner Tafel oder Foodsharing abgegeben werden müssen und das
„Containern“ (Rettung entsorgter Lebensmittel aus den Mülltonnen von Supermärkten) zu
entkriminalisieren.
Sport und Bewegung
Sport und Bewegung machen Spaß, ermöglichen Gemeinschaft und tragen maßgeblich zum
Wohlbefinden bei. Wir wollen allen Berliner*innen ermöglichen, sich sportlich zu betätigen.
Egal in welchem Alter, egal ob organisiert und regelmäßig oder nur ab und zu, das
Sportangebot in Berlin soll alle Bedürfnisse abdecken und deshalb auch inklusive und
barrierefreie Sportanlagen und Sportstätten beinhalten. Dabei ist unsere Vision für Berlin,
dass Sport und Bewegung selbstverständlich in allen Bereichen mitgedacht werden: Sei es das
Laufen im Park, eine Runde Tischtennis im Hof, Bouldern an der Einkaufscenter-Fassade oder
Kicken in der Spielstraße. Dafür denken wir Sport und Bewegung auch in der Stadtplanung mit.
Denn die Förderung von körperlicher Aktivität im Alltag ist ein sehr wichtiger Baustein, um
die Bewegung insgesamt zu fördern. Dafür braucht es ausgebaute Sportstätten, sichere Fuß-
und Radwege, die Möglichkeit zur Bewegung in Parks und Grünflächen und eine
bewegungsfreundliche Stadtumgebung.
Drogenpolitik
Beispielhaft für einen selbstbestimmten Umgang mit Gesundheit steht auch unser Ansatz für
die Drogenpolitik. Der Konsum von Drogen gehört zur Lebensrealität in unserer Stadt. Dies
gilt es anzuerkennen. Allein der jahrzehntelang erzwungene prohibitive Umgang mit
gesellschaftlich weit verbreitetem und akzeptiertem Cannabiskonsum hat die Probleme auch in
Berlin nicht entschärft, sondern verschärft. Wir Bündnisgrüne stehen für eine Neuausrichtung
der Drogenpolitik: Statt Kriminalisierung und Stigmatisierung braucht es einen fakten- und
evidenzbasierten Ansatz, der Menschen durch Prävention und Aufklärung schützt und damit
Verbraucherschutz überhaupt erst möglich macht, Abhängigen unkompliziert Hilfe zukommen
lässt und die Selbstbestimmung aller respektiert. Es braucht Aufklärung durch Bildungs- und
Jugendeinrichtungen wie auch durch zielgruppenspezifische Projekte und Angebote. Jugend- und
Gesundheitsschutz haben klar Vorrang vor Gewinninteressen. Die tödlichsten Drogen bleiben
Tabak und Alkohol. Wir beurteilen Drogen nach ihrer Gefährlichkeit, deshalb gilt es nach dem
Prinzip der harm reduction gefährlichen Konsum zu vermeiden und Konsumrisiken zu minimieren.
Mit einem Pilotprojekt zum Drug-Checking, das 2022 in die Umsetzung geht, machen wir einen
wichtigen Schritt, um Konsument*innen vor gefährlichen und gepanschten Drogen zu schützen.
Dieses wollen wir in einem zweiten Schritt mit mobilen Point-of-Care-Stellen weiter
ausbauen. Auch den Zugang zu Drogenkonsumräumen wollen wir weiter verbessern. Die Suchthilfe
muss stärker mit den Angeboten der Sozialarbeit verzahnt werden, um Menschen, die in
Abhängigkeit geraten sind, auch wirksam und langfristig zu helfen. Substitutionsprogramme,
auch in Haftanstalten, sollen verstetigt und ausgebaut werden.
Wir sehen die angekündigte Legalisierung von Cannabis durch ein Cannabiskontrollgesetz durch
den Bund als Chance und werden diese in Berlin zügig und umfassend umsetzen. Wir streben an,
dass das erste lizensierte Fachgeschäft für Cannabis in Berlin eröffnet wird, sobald dafür
die rechtliche Grundlage auf Bundesebene geschaffen wurde. Zudem befürworten wir die
Möglichkeit des Eigenanbaus für den Selbstgebrauch. Außerdem treten wir für einen Amnestie
aller wegen Cannabis gefällten Verurteilungen ein. Darüber hinaus wollen wir die
Entkriminalisierung vorantreiben. Dazu gehört, die Regelung zum Besitz geringer Mengen auf
weitere Betäubungsmittel zu erweitern, wie dies bereits in mehreren anderen Bundesländern
erfolgt ist. Auch wollen wir die Forschung auf dem Gebiet der psychoaktiven Substanzen
stärken und damit der generellen Tabuisierung mit wissenschaftlichen Erkenntnissen und
evidenzbasierten Antworten entgegenwirken.
Gesunde Gesundheitsinfrastruktur
Die Pandemie hat unseren Blick auf bereits länger bestehende Herausforderungen im
Gesundheitssystem gerichtet. Aber auch ohne Pandemie ist eine funktionierende und gut
ausgestattete Gesundheitsinfrastruktur von elementarer Bedeutung für eine gesunde
Gesellschaft und ein lebenswertes Berlin.
Öffentlicher Gesundheitsdienst (ÖGD) als „Networker“ der Versorgung
Der ÖGD ist mehr als die dritte (statische) Säule des Gesundheitswesens. Er verbindet
individualmedizische mit gesellschaftsmedizinischen Ansätzen in den Bereichen des
Gesundheitsschutzes, der Gesundheitshilfen, der Gesundheitsförderung und der
Gesundheitskoordination unter Einbezug des Sozialraumes. Wir stehen für einen modernen
Öffentlichen Gesundheitsdienst, der als gleichberechtigter Partner und Netzwerker im
Gesundheitssystem wahrgenommen wird und eine wichtige Rolle als Garant für gesundheitliche
Chancengleichheit einnimmt.
Der Öffentliche Gesundheitsdienst in den Bezirken muss als wichtiger Bestandteil der
Daseinsvorsorge personell und in Bezug auf die IT-Ausstattung gestärkt und inhaltlich in den
Bereichen Gesundheitshilfen, Gesundheitsschutz, Gesundheitsförderung und
Gesundheitskoordination weiterentwickelt werden. Das ist eine der zentralen Lehren der
Pandemie. Wir brauchen einen gut ausgestatteten ÖGD um besser auf zukünftige Pandemien
vorbereitet zu sein.
Gesundheit spielt sich im Sozialraum ab
Wir stehen für eine niedrigschwellige, vernetzte Gesundheitsversorgung vor Ort und eine
bessere Verteilung der Angebote über die Stadt. Daher werden wir das Prinzip des Stadtteil-
Gesundheitszentrums, wie das Gesundheitskollektiv in Neukölln, in die verschiedenen Kieze
Berlins exportieren. Ziel eines integrierten Stadtteil-Gesundheitszentrums ist, die
Gesundheitsversorgung nicht nur medizinisch, sondern vor allem auch gesellschaftlich und
sozialpolitischzugestalten. Denn die Lebensverhältnisse der Menschen haben einen großen
Einfluss auf ihre Gesundheit. Stadtteil-Gesundheitszentren arbeiten in ausgewählten
Sozialräumen, wirken integrativ in multiprofessionellen Teams und haben so die soziale
Lebenssituation der Patient*innen fest im Blick. Behandlungen erfolgen dabei auf Augenhöhe
mit den Patient*innen, aber auch zwischen den Beschäftigten. Ärzt*innen,
Sozialarbeiter*innen, Therapeut*innen, Stadtteilmütter, Streetworker und Sprachmittlung
gehen dabei Hand in Hand und auf die unterschiedlichen Bedürfnisse ein. So wird für jeden
und jede ein niedrigschwelliger Zugang zum Hilfesystem erreicht. Wir wollen damit die
Chancen von Kranken und Pflegebedürftigen verbessern und Zugangshindernisse abbauen.
Krankenhausfinanzierung und faire Bezahlung
Im Bereich der Krankenhausinvestitionen gilt, was für den Gesundheitssektor insgesamt gilt:
Mit guten Kooperationen und nur gemeinsam kommen wir weiter.
Das Land Berlin verfügt dabei mit Charité und Vivantes in Landesbesitz über zwei zentrale
Grundpfeiler der Krankenhauslandschaft, die einen erheblichen Teil der Gesundheitsversorgung
der Berliner*innen leisten. Mit diesen beiden Unternehmen hat das Land die Möglichkeit
starke gemeinwohlorientierte Akzente bei der Weiterentwicklung der Berliner
Gesundheitslandschaft zu setzen. Die gute Zusammenarbeit beider Unternehmen ist für ihren
wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und medizinischen Erfolg von entscheidender Bedeutung.
Wir bekennen uns deshalb zum Konzept Gesundheitsstadt 2030, insbesondere die Umsetzung der
gemeinsamen Standortentwicklung, eine Portfolioabstimmung und die Investitionsplanungen der
Gesundheitsstadt bieten jetzt die Chance die Weichen für die stationäre Krankenversorgung
auf europäischem Spitzenniveau und eine internationale Führungsrolle in medizinischer
Innovation zu sichern und auszubauen. Besonders in Sachen Krankenhäusern werden wir Grüne
die begonnene Trendwende bei den Krankenhausinvestitionen fortsetzen und setzen uns für ein
schrittweises Aufwachsen der Investitionsmittel ein. Wir setzen auf Investition und
Transformation: Die Folgen von unterlassenen Investitionen der Vergangenheit begleiten uns
noch an vielen Stellen im Gesundheitswesen – hier gibt es noch viel zu reparieren!
Transformation bedeutet für uns deshalb Investitionen an der richtigen Stelle. Nicht bloß
neu, sondern auch nachhaltig, müssen wir die Gelder für die Krankenhäuser priorisieren:
Klimagerechtes Bauen, verbesserte Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten und bessere
Aufenthaltsqualität sind Maßstäbe für eine Grüne Krankenhausinvestitionsplanung. Weiteres
Outsourcing oder (Teil-)Privatisierung im Krankenhausbereich lehnen wir ab.
Für eine zukunftsfähige Finanzierung des Krankenhausbereiches braucht es aber auch Reformen
auf Bundesebene, die die Fokussierung auf die Ökonomisierung des Krankenhausbetriebs und die
ertragsreichste Behandlung beenden. Klinken müssen in einem neuen Finanzierungssystem mit
einer starken Säule der Strukturfinanzierung sowie Vorgaben zur Personalbemessung und
Versorgungsqualität entsprechend ihrem gesellschaftlichen Auftrag finanziert werden.
Dabei machen wir uns auch stark für eine gute tarifliche Entlohnung aller Beschäftigten in
den Krankenhäusern und haben daher die Berliner Krankenhausbewegung in ihren Forderungen
unterstützt. Daher begrüßen wir die erfolgreichen Tarifabschlüsse. Eine besondere
Verantwortung der Ampelkoalition im Bund liegt in der Einführung einer gemeinsam
Bürgerversicherung für alle Versicherten.
Qualifizierung und Wertschätzung der Beschäftigten
Eine gute und engagierte Gesundheitsversorgung der Berliner Bevölkerung ist nur mit
motivierten und qualifizierten Beschäftigten möglich, die wertgeschätzt und für ihre
Tätigkeit angemessen bezahlt werden. Zur guten Gesundheitsversorgung gehören auch
Ärzt*innen, die bereit sind, Patient*innen und Pflegebedürftigen auf Augenhöhe zu begegnen.
Beschäftigte aller Gesundheitsberufe leisten einen unschätzbaren Beitrag für unsere
Gesellschaft. Menschen, die bei Krankheit oder im Alter Unterstützung benötigen, wünschen
sich zu Recht Ärzt*innen und Pflegekräfte, die sich mit Sorgfalt um sie kümmern. Dafür
brauchen Pflegekräfte ausreichend Zeit, gute Arbeitsbedingungen und eine faire Bezahlung
nach Tarif. Daher wollen wir die Arbeits- und Ausbildungsbedingungen für die Beschäftigten
im Gesundheitswesen weiter verbessern.
Um dem Pflegenotstand und Fachkräftemangel entgegenzuwirken, braucht es ebenso attraktivere
Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen in der Pflege und den Gesundheitsberufen. Berlin muss
auch für eine angemessene Vergütung für den Praxisanteil während des Pflegestudiums sorgen.
Wir setzen uns für Schulgeldfreiheit bei der Ausbildung der anerkannten Gesundheitsberufe
(Logopädie, Physio- und Ergotherapie) ein.
Lehren der Pandemie
Die Pandemie ist mehr als ein einmaliges Ereignis, sie hat Folgen, gesellschaftlich und
gesundheitlich. Insbesondere die Zunahme der Long-Covid-Fälle, als auch psychische
Belastungen durch alle Alters- und Gesellschaftsgruppen, geben Anlass zur Sorge und fordern
zum Handeln auf.
Die Einschränkungen in Folge der Corona-Pandemie haben zu erheblichen Belastungen von großen
Teilen der Gesellschaft geführt. Viele Familien mussten zeitweise das Arbeiten im Homeoffice
und die schulische Unterstützung und Betreuung ihrer Kinder in viel zu kleinen Wohnungen
unter einen Hut bringen. Etliche Selbstständige gerieten in Existenzsorgen, weil ihre
Einnahmen infolge von Einschränkungen erheblich eingebrochen sind. Aus vielen Studien wissen
wir aber, dass die Pandemie und Infektionsschutzmaßnahmen für Kinder und Jugendliche
besonders starke Belastungen und Einschränkung bedeuten. Die Kontaktbeschränkungen engen in
diesen Altersgruppen wichtige Bedürfnisse nach unmittelbarem Kontakt, Austausch und
Freundschaft ein. Die Schulsituation ist belastender und führt dazu, dass Kinder aus von
Armut betroffenen Familien in der Gefahr sind, abgehängt zu werden. Daher sind insbesondere
soziale Projekte unverzichtbar, die auch Kinder aus sozial benachteiligten Familien
erreichen. Zur Prävention psychischer Erkrankungen von Kindern und Jugendlichen müssen
vorhandene Angebote wie z.B. das „Schulpsychologische und Inklusionspädagogische Beratungs-
und Unterstützungszentren (SIBUZ)“ besser bekannt gemacht und genutzt werden.
Ein besonderes Augenmerk der Bewältigung der psychischen Belastung sollte zudem auf die
Gesundheits- und Pflegeberufe gelegt werden. Diese betreffen überproportional Frauen. Die
Pandemie verstärkt ihre Belastungen um ein Vielfaches und steigert das Risiko der
Entwicklung von psychischen Erkrankungen. Psychische Erkrankungen können mit
Arbeitsunfähigkeit und Frühverrentung einhergehen. Prävention am Arbeitsplatz und
Frühintervention sind essentiell, um einer Chronifizierung vorzubeugen.
Auch die Folgen von Long-Covid werden uns noch lange beschäftigen. Die Folgesymptome sind
vielfältig und können alle Organe betreffen. Die Betroffenen leiden unter körperlichen,
mentalen und psychischen Symptomen. Besonders ausgeprägt ist das Fatigue-Syndrom. Dabei sind
Frauen stärker von Long-Covid betroffen als Männer. Betroffene sind teilweise in ihren
Handlungsmöglichkeiten in hohem Maße eingeschränkt und auf Unterstützung angewiesen.
Es bedarf einer Stärkung und besseren Vernetzung bestehender Beratungs- und
Behandlungsangebote, wie auch der Schaffung von neuen Angeboten, die sich in die bereits
bestehende Angebotslandschaft einfügen. Durch die Pandemie wurden intensivierte
Versorgungsangebote (wie z. B. Testzentren und Impfzentren) parallel zum bestehenden
Versorgungssystem geschaffen. Wir brauchen einen Plan, wie wir die dort gemachten
Erfahrungen analysieren und damit in Zukunft umgehen wollen. Denkbar wäre die Einrichtung
einer Enquete-Kommission für Lehren aus der Pandemie, wie gerade in Baden-Württemberg auf
den Weg gebracht, um für künftige Krisen besser gerüstet zu sein.
Lehren aus der Pandemie richten sich dabei an alle Politikfelder. Das Pandemiemanagement
sensibilisiert besonders für das Konzept von Health in all policies. Diese Sensibilisierung
sollte verstärkt in den nach-pandemischen Diskurs mitgenommen und verankert werden.
Eine Pandemie ist nie ein isoliertes Ereignis. Pandemie bedarf mehr als Gesundheitsschutz,
sondern auch den frühzeitigen Einbezug einer multiprofessionellen Begleitung (sozial-,
wirtschafts-, gesundheitswissenschaftlich, Kommunikationswissenschaften, ethisch und
psychologisch). Durch die Klimakrise ist die Wahrscheinlichkeit deutlich erhöht, dass
weitere Pandemien folgen werden. Daher ist es dringend notwendig, für zukünftige Ereignisse
unter Berücksichtigung der Lessons learned frühzeitig und umfassend Vorsorge zu treffen.
Unterstützer*innen
- Shirin Kreße (KV Berlin-Mitte)
- Günes Jülide Keskin (KV Berlin-Reinickendorf)
- Aron Hävernick (KV Berlin-Pankow)
- Nina Stahr (KV Berlin-Steglitz/Zehlendorf)
Von Zeile 115 bis 118 einfügen:
Dem Anspruch auf ein Leben in Würde folgt der Anspruch auf ein Sterben in Würde. Um einen würdevollen Umgang mit sterbenden Patienten und eine empathische Trauerbegleitung der Angehörigen sicherzustellen, brauchen nicht nur Hospize, sondern auch (Teil-)Palliativstationen einen höheren Personalschlüssel. Die Kompetenzen in den Bereichen der Palliativ- und Hospizversorgung werden bereits in der Ausbildung vermittelt. Zusätzliche Schulungsangebote zum Umgang mit Betäubungsmitteln, sowie zu den eigenen Rechten bezüglich deren Verabreichung schützen Patienten und Personal. Die Palliativ- und Hospizversorgung müssen weiter ausgebaut und diversifiziert werden.
Pflegepersonal der Palliativ- und Hospizversorgung braucht Zugang zu psychologischer Beratung und Seelsorge, sowie regelmäßige Reflexionsmöglichkeiten, um langfristig die eigene psychische Gesundheit zu schützen.
Gesundheit ist weit mehr als die reine Abwesenheit von Erkrankung. Gesundheit befähigt uns,
uns sozialen, emotionalen und physischen Herausforderungen zu stellen. Gesundheit hängt ab
von Vorsorge, um Erkrankungen vorzubeugen. Und Gesundheit braucht auch gesunde
Lebensbedingungen: von der Luft, die wir atmen bis zur Nahrung, die wir essen. Gesundheit
ist ein Querschnittsthema, das alle Politikfelder betrifft. Für Gesundheitsschutz braucht es
deshalb auch Armutsbekämpfung, Verbraucher*innenschutz, bessere Lebensbedingungen und eine
wirksame Umweltpolitik.
Die Pandemie hat dazu geführt, dass wir uns in den vergangenen Jahren intensiv mit dem Thema
Gesundheit auseinandergesetzt haben und deren individuellen und gesellschaftlichen
Stellenwert unter die Lupe genommen haben. Die Pandemie zeigt uns noch einmal deutlich, wo
die größten Lücken in unserem Gesundheitswesen sind. Denn ein für alle zugängliches und gut
ausgestattetes Gesundheitswesen ist die Grundlage für eine soziale und chancengerechte
Gesellschaft und sichert die Menschenwürde. Gesundheitsschutz und Pflege brauchen einen
größeren Stellenwert und müssen solidarisch finanziert werden. Alle Menschen müssen sich
darauf verlassen können, überall in der Stadt Zugang zu einer qualitativ hochwertigen und
bedarfsgerechten Versorgung zu haben. Dabei haben die Belange der Patient*innen und der
Angestellten Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen. Für Gesundheitsschutz braucht es aber
auch Armutsbekämpfung, Verbraucher*innenschutz, bessere Lebensbedingungen und eine wirksame
Umweltpolitik.
Unser Ziel ist ein Höchstmaß an Gesundheitschancen, Lebensqualität und Wohlbefinden der
Berliner*innen – egal welchen Alters oder Geschlechts, welcher sexuellen Identität und
Orientierung; unabhängig von der Herkunft, dem sozialen Status und der religiösen
Zugehörigkeit, ob chronisch erkrankt oder nicht, ob mit oder ohne Behinderung oder anderen
Voraussetzungen – vom Lebensanfang bis zum Lebensende. Wir wollen Gesundheitsgerechtigkeit,
Chancengleichheit und die Rahmenbedingungen herstellen, damit jede*r Berliner*in ein
selbstbestimmtes Leben in Würde führen kann. Die gesundheitliche Versorgung Berlins soll
allen bekannt sein und von allen in Anspruch genommen werden können.
Für eine gute Versorgung der Berliner*innen haben wir bereits in der letzten Wahlperiode
viel getan. Wir haben die Investitionen in die Krankenhäuser auf den Bundesschnitt angehoben
und werden unseren Beitrag sukzessive weiter erhöhen. Wir haben zudem dafür gesorgt, dass
Babylots*innen auf allen Geburtsstationen der Berliner Krankenhäuser Eltern beraten und
begleiten. Wir wollen, dass das Essen im Krankenhaus besser und gesünder wird, wir setzen
auf regionale, saisonale und nachhaltige Ernährung– am Bett wie in der Kantine.
Besonders wichtig war für uns, allen Berliner*innen Zugang zur gesundheitlichen Versorgung
zu ermöglichen. Daher unterstützen wir Menschen ohne Krankenversicherung dabei sich zu
versichern. Zudem können sich durch unseren Einsatz endlich auch Menschen ohne gültigen
Aufenthaltstitel mit einem anonymen Krankenschein behandeln lassen. Damit ist Berlin das
einzige Bundesland, in dem der Zugang zur hausärztlichen Versorgung so umfassend möglich
ist. Diesen Weg möchten wir weitergehen, die Finanzierung der Clearing-Stelle durch das Land
Berlin langfristig sichern und den Fonds, der die Behandlung von nicht versicherten Menschen
ermöglicht, ausbauen. Gleiches gilt für die Sicherstellung niedrigschwelliger Angebote der
sexuellen Gesundheitsversorgung wie etwa den Checkpoint BLN am Hermannplatz. Dieser bietet
unter einem Dach Beratung, Tests sowie Präventions- und Behandlungsangebote zu sexuell
übertragbaren Krankheiten.
Gesundheit in allen Lebenslagen
Wir arbeiten an einer gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung, die diversitäts-, und
kultursensibel ist und offen mit den unterschiedlichen Bedürfnissen der erkrankten und
pflegebedürftigen Menschen umgeht.
Diskriminierungsfreie Gesundheit
Der Zugang zur Gesundheitsversorgung ist ein Menschenrecht. Doch noch immer erfahren viel zu
viele Berliner*innen Diskriminierung im Gesundheitssektor. Wir werden medizinische
Einrichtungen dabei unterstützen, bestehende Diskriminierungen abzubauen. Unser Ziel ist
eine diversitätssensible Gesundheitsversorgung und Pflege in Berlin. Bisher haben Menschen
mit einer Behinderung noch nicht überall die Wahlfreiheit, weil Barrieren sie am Zugang
hindern. Menschen mit fehlenden deutschen Sprachkenntnissen haben
Verständigungsschwierigkeiten. Häufig erleben Patient*innen aufgrund ihrer Herkunft, ihrer
sexuellen Orientierung, ihrer geschlechtlichen Identität oder körperlicher Merkmale verbale
Übergriffe, abwertende Bemerkungen und mangelnde medizinische Versorgung. So führt etwa der
Zeit- und Effizienzdruck des Gesundheitspersonals häufig zur Ungleichbehandlung von älteren
Patient*innen und Menschen mit Behinderungen, oft mit dem Ergebnis, dass ihnen der Zugang zu
medizinischen Leistungen verweigert wird. Auch Gewichtsdiskriminierung führt zu schlechterer
Versorgung. Oder aber die Offenlegung der sexuellen Identität wirkt sich nachteilig auf die
Interaktion von Ärzt*innen und Patient*innen aus. Wir werden uns daher für die Einrichtung
einer Fachstelle gegen Diskriminierung im Gesundheitswesen einsetzen, um strukturelle
Diskriminierungen abzubauen.
Berlin ist eine weltoffene Metropole mit Menschen aus unterschiedlichen Sprach- und
Kulturräumen. Sie alle sollen im Gesundheitswesen gut versorgt werden. Dazu bedarf es
fachlich qualifizierter Sprachmittler*innen in allen Sektoren der Behandlung. Wir werden
darauf dringen, dass die im Bundeskoalitionsvertrag vereinbarte Sprachmittlung auch mit
Hilfe digitaler Anwendungen im Kontext notwendiger medizinischer Behandlungen Bestandteil
des Krankenversicherungsrechts nach SGB V wird und bald umgesetzt wird.
In Berlin haben sich überdies spezifische Beratungsangebote wie die „Interkulturellen
Brückenbauer*innen in der Pflege – IBIP“ bewährt, um den Zugang zu Leistungen der Pflege zu
gewährleisten, indem sie in unterschiedlichen Sprachen die Pflegebedürftigen und deren
Angehörige in Pflegestützpunkten über die Stadt verteilt beraten. Diese Leistungen werden
wir, finanziert aus Mitteln der Sozialen Pflegeversicherung und aus Landesmitteln, weiterhin
garantieren. Um eine diversitätssensible und diskriminierungskritische Pflege nachhaltig
anzubieten, setzen wir uns dafür ein, dass entsprechende Schulungsangebote fester
Bestandteil der Ausbildungscurricula und von Weiterbildungen werden.
Im Rahmen der Fast Track City-Initiative „95-95-95-0“ wollen wir die HIV-Beratungs- und
Versorgungsstrukturen weiter stärken, die bestehenden Präventionsangebote und -kampagnen
zielgruppenorientiert ausbauen, allen Berliner*innen unabhängig vom Geldbeutel Zugang zu
Tests und Versorgung ermöglichen und Aufklärungskampagnen zur Entstigmatisierung
durchführen. Zudem werden wir uns für eine diskriminierungsfreie Pflegeversorgung älterer
queerer Menschen einsetzen.
Geschlechtergerechte Gesundheit
Auf die spezifischen Bedürfnisse von Frauen und deren Ausprägung von Krankheitsmerkmalen
muss das Gesundheitswesen mehr als bisher eingehen. Sie müssen Bestandteil der Ausbildung
von Mediziner*innen und anderen Gesundheitsberufen werden. Wir werden prüfen, ob das
Institut für „Gender in Medicine“ an der Berliner Charité genügend Kapazitäten vorhält oder
weiter ausgebaut werden muss, um in ausreichender Form den Bedarf von geschlechtergerechter
Forschung und Lehre in Berlin abzudecken. Die Gesundheitsversorgung von Frauen und inter,
nichtbinären sowie trans Personen werden wir verbessern. Sie muss vor allem
diskriminierungsfrei sein. Wir setzen uns für intersektionale reproduktive Rechte ein. Dazu
gehört, dass das Angebot an Gynäkolog*innen in allen Bezirken und der Zugang zur
Geburtsvorbereitung gesichert ist. Gefahrlose Schwangerschaftsabbrüche sowie eine Schutzzone
vor Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen werden wir ermöglichen. Die Bedingungen für
sichere und gute Geburten sowie für eine bedarfsgerechte Nachsorge wollen wir verbessern,
mit einer bedarfsgerechten Ausstattung, einer Erhöhung der Ausbildungskapazitäten sowie
besseren Arbeitsbedingungen für Hebammen und einer digitalen Plattform, die die Suche nach
Hebammen erleichtert.
Gesund in jedem Alter
Die Gesundheitschancen von Kindern gilt es im besonderen Maße zu fördern und zu schützen.
Dafür muss geprüft werden, wie die Inanspruchnahme der U-Untersuchungen für Kinder noch
weiter gesteigert und kranke und schwerkranke Kinder wohnortnah versorgt werden können. Die
pädiatrische und intensivpädiatrische Versorgung in Kliniken muss bedarfsgerecht ausgebaut
werden; im Bund setzen wir uns für die Finanzierung ausreichender Vorhaltekapazitäten ein.
Niedrigschwellige Beratungs- und Unterstützungsangebote für Kinder und Jugendliche müssen
ausgebaut und vernetzt werden. Kinder sucht- und psychisch kranker Eltern sollen sich
eigenständig Hilfe suchen können. Dafür werden niedrigschwellige Angebote bekannter gemacht.
Unser Ziel ist zudem, dass die Berliner*innen auch im hohen Alter ihr Leben möglichst gut
und selbstbestimmt führen und dabei so lange wie möglich in ihrem eigenen Zuhause bleiben
können. Daher werden wir Modellprojekte zur Prävention von Einsamkeit sowie Hilfs- und
Kontaktangebote in den Bezirken fördern.
Dem Anspruch auf ein Leben in Würde folgt der Anspruch auf ein Sterben in Würde. Um einen würdevollen Umgang mit sterbenden Patienten und eine empathische Trauerbegleitung der Angehörigen sicherzustellen, brauchen nicht nur Hospize, sondern auch (Teil-)Palliativstationen einen höheren Personalschlüssel. Die
Kompetenzen in den Bereichen der Palliativ- und Hospizversorgung werden bereits in der
Ausbildung vermittelt. Zusätzliche Schulungsangebote zum Umgang mit Betäubungsmitteln, sowie zu den eigenen Rechten bezüglich deren Verabreichung schützen Patienten und Personal. Die Palliativ- und Hospizversorgung müssen weiter ausgebaut und
diversifiziert werden.
Pflegepersonal der Palliativ- und Hospizversorgung braucht Zugang zu psychologischer Beratung und Seelsorge, sowie regelmäßige Reflexionsmöglichkeiten, um langfristig die eigene psychische Gesundheit zu schützen.
Zur Entlastung von pflegenden Angehörigen gehört der Ausbau von Tages-, Kurzzeit-, Nacht-
und Verhinderungspflege. Wir folgen damit dem Ansatz ambulant vor stationär. Die Anzahl von
Pflege-Wohngemeinschaften wollen wir beibehalten und bei Bedarf ausbauen. Die Pflege-
Wohngemeinschaften sollen nach überprüfbaren Qualitätsindikatoren arbeiten.
Zu einer guten Pflegepolitik gehört auch eine Ansprechperson in der Verwaltung, an die sich
pflegende Angehörige, Pflegebedürftige oder Dienstleistungsanbieter wenden können, wenn
Fragen oder Beschwerden zur Pflege bestehen. Wir haben uns daher im Koalitionsvertrag für
eine*n Landespflegebeauftragte*n massiv eingesetzt. Eine wichtige Aufgabe der*des
Landesbeauftragten besteht auch in der Aktivierung des Landespflegeausschusses. Damit wird
die Chance genutzt, alle wichtigen Akteur*innen der Stadt zusammenzubringen.
Psychische Gesundheit
Fast alle Menschen haben durch eigene Betroffenheit oder als Angehörige im Laufe ihres
Lebens Erfahrungen mit psychischen Erkrankungen wie Depressionen. Viele Menschen haben in
Berlin nicht erst seit der Pandemie große Schwierigkeiten, einen passenden Therapieplatz zu
finden. Wir müssen daher das psychotherapeutische, psychosoziale und psychiatrische
Versorgungssystem stärken und weiterentwickeln. Ein zentraler Bestandteil ist das Prinzip
der lebensweltnahen, sozialraumorientierten Versorgung auf der Bezirksebene. Es müssen mehr
Angebote zur Förderung psychischer Gesundheit und Prävention psychischer Erkrankungen
geschaffen und die niedrigschwelligen Beratungs- und Begleitungsangebote des
Psychiatrieentwicklungsprogramms gestärkt und zukunftsfest gemacht werden. Aufbauend auf
einer durchzuführenden gesamtstädtischen Evaluation des Psychiatrieentwicklungsprogramms
möchten wir einen Landespsychiatrieplan entwickeln, der zusammen mit dem „Landeskonzept
Sucht“ unter dem Dach eines Landesprogramms psychische Gesundheit vereint wird. Die
sozialpsychiatrischen und kinder- und jugendpsychiatrischen Dienste wie auch die
Psychiatriekoordination müssen in Ihren Aufgaben gestärkt werden. In der außerklinischen
psychiatrischen Versorgung möchten wir für entgelt- und zuwendungsfinanzierte Angebote
gemeinsam ein neues Finanzierungs- und Steuerungsmodell entwickeln und nach erfolgreicher
Erprobung flächendeckend einführen. In der klinischen Versorgung soll das Prinzip „ambulant
vor teilstationär vor stationär“ beachtet und der begonnene Trend zur Ambulantisierung mit
vorrangig teilstationären und/oder aufsuchenden Versorgungsangeboten konsequent fortgeführt
werden. Der Trialog zwischen Psychiatrieerfahrenen, Angehörigen und Professionellen sowie
der vermehrte Einbezug von Peers möchten wir fördern.
Das Krankenhaus des Maßregelvollzuges soll vermehrt in die gemeindepsychiatrischen
Versorgungsstrukturen eingebunden und in der Ausstattung modernisiert werden. Eine enge
Kooperation mit der Charité und der Versorgungsforschung wird angestrebt. Zwangsmaßnahmen
sollen transparent dargestellt und weiter konsequent minimiert werden. Hierzu werden
förderliche Bedingungen in allen Versorgungsbereichen geschaffen. Dazu gehört auch die
Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen. Auch die Suizidprävention wollen wir stärken.
Psychische Gesundheit steht paradigmatisch für Netzwerkarbeit aller Bereiche der
medizinischen und nicht-medizinischen Versorgung. Hierfür müssen alle noch besser
zusammenarbeiten, insbesondere die Akteur*innen des ambulanten, klinischen und
außerklinischen Bereichs.
Gesund und selbstbestimmt Leben
Gesundheitspolitik muss da wirken, wo Menschen leben, wo sie arbeiten, ihre Freizeit
verbringen, zur Kita, in die Schule oder in andere Bildungseinrichtungen gehen. Studien
haben in den vergangenen Jahren nachgewiesen, dass Grünflächen einen unmittelbaren Effekt
auf das Wohlbefinden der Menschen haben. Ein grünes Lebensumfeld wirkt sich positiv auf die
Fähigkeit zur Emotionsregulierung aus. Investitionen in eine intakte und vielfältige
Stadtnatur schützen also das Klima und haben zugleich einen gesundheitsfördernden Effekt.
Gesundheitsfördernde Lebensbedingungen stehen allen Berliner*innen zu. Dazu gehören gute
Wohnbedingungen, die Verringerung von Luftverschmutzung und Lärm, die Neuverteilung des
öffentlichen Raums mit dem Ausbau sicherer und inklusiver Fuß- und Radwege bei
gleichzeitiger Abkehr von der autogerechten Stadt, sowie der Zugang zu Parks und Grünanlagen
mit Sport- und Erholungsmöglichkeiten.
Klimaschutz = Gesundheitsschutz
Die Klimakrise bedroht nicht nur den Planeten, sondern hat auch direkte Auswirkungen auf die
Gesundheit der Menschen – und das schon heute. Hitze kann nicht nur Hitzestress und
Erschöpfung auslösen oder zum Hitzschlag führen, sondern auch Vorerkrankungen verschlimmern.
Im Hitzejahr 2018 sind allein in Berlin fast 500 Menschen mehr hitzebedingt verstorben als
in durchschnittlichen Vergleichsjahren. Besonders betroffen waren ältere Menschen; die
Mortalitätsrate stieg bis zu 50 Prozent an. Umso wichtiger ist es, neben
Klimaschutzmaßnahmen auch Klimaanpassungsmaßnahmen vorzunehmen.
Versiegelte Flächen und Fahrzeuge heizen die Stadt auf. Städte wie Berlin werden im Sommer
zu Hitzeinseln, die bis zu 8 Grad heißer sind als das Umland. Gravierend ist die Situation
in dicht besiedelten Innenstadtbereichen, in denen häufig Menschen leben, die von Armut
betroffen sind. Daher wollen wir Berlin auch besser für Hitzewellen und Starkregenereignisse
rüsten, um die Gesundheit der Bürger*innen zu schützen.
Das gelingt uns mit klugen Investitionen in die Stadtinfrastruktur und einer grundsätzlichen
Prüfung der Klimaresilienz aller Infrastrukturmaßnahmen. Neue Vorgaben für Dach- und
Fassadenbegrünung sowie eine höhere Förderung sollen für mehr Grün an den Gebäuden und damit
für eine angenehme Kühlung durch Verdunstung sorgen. Wir wollen das Stadtgrün stärken und
die Bewässerung und die Pflanzung von Straßenbäumen verbessern, um die Stadt zu kühlen und
die Gesundheit der Menschen zu fördern. Wir wollen öffentlich zugängliche Brunnen an allen
zentralen Haltestellen und stark frequentierten Orten aufstellen. Gerade an heißen Tagen
muss jeder Mensch einfach und schnell Zugang zu Trinkwasser haben – unabhängig vom
Geldbeutel. Um ein übermäßiges Aufheizen der Stadt zu vermeiden, wollen dafür sorgen, dass
Berlin eine Schwammstadt wird: Bei allen neuen Bauvorhaben soll möglichst viel Regenwasser
vor Ort im Boden versickern können, das speichert Wasser für trockene Zeiten. Bessere
Versickerung, lebendiges Stadtgrün und kühlere Straßen gibt es allerdings nur, wenn wir
endlich mehr Flächen entsiegeln. Wir wollen Berlins Verkehrsinfrastruktur in den nächsten
Jahren durch Entsiegelung und Umwidmung neu gestalten und überall in der Stadt grüne Oasen
mit Wasserbecken, Pocket Parks, Trink- und Spielbrunnen entstehen lassen, die Mensch und
Flora und Fauna vor Hitze schützen. Bis 2030 soll eine Netto-Null-Versiegelung erreicht
werden. Als Pilotprojekte und zur Veranschaulichung wollen wir nach dem Vorbild Wiens in
Berlin mehrere „Kühle Meilen“ etablieren. In diesen wird mit mehr Bäumen, Rank- und
Kletterpflanzen, mit Trinkwasserbrunnen, Wasserspielen, Erfrischungsmöglichkeiten für Jung
und Alt sowie entsiegelten Stellen und ausreichend Sitzgelegenheiten im Kiez eine Oase
geschaffen. Sie sollen verkehrsberuhigt sein und eine hohe Aufenthaltsqualität haben.
Wichtig ist, dass ein Aufenthalt nicht an einen Konsum gebunden ist und allen Menschen
gleichsam zugutekommt.
Die Klimakrise bringt darüber hinaus noch viele weitere gesundheitliche Folgen mit sich.
Krankheitsträger wie Zecken, Mücken und Sandfliegen werden sich durch die Erhöhung der
durchschnittlichen Temperatur zunehmend in Deutschland ausbreiten und somit dazu führen,
dass Krankheiten wie Malaria auch in Berlin auftreten. Zudem wird ein Anstieg an Allergien
und allergischen Symptomen erwartet, weil sich Blütephasen verlängern und Überschwemmungen
zu vermehrten Schimmelbildungen führen. Zudem werden vermehrt auftretende Naturkatastrophen
als „Trigger-Ereignisse“ zu Posttraumatischen Belastungsstörungen führen. Das hat besonders
für Kinder Folgen, deren Immunsystem noch nicht vollständig ausgebildet ist. Die Einhaltung
der 1,5 Grad Grenze des Pariser Klimaabkommens ist also auch aus gesundheitspolitischer
Sicht von zentraler Bedeutung.
Lärm- und Luftbelastung
Menschen, die an besonders vom Verkehr belasteten Straßen wohnen, leiden häufiger an Lungen-
und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie an Diabetes. Dazu trägt neben der schlechten Luft auch
die hohe Lärmbelastung bei. Deshalb ist die Verkehrswende nicht nur für den Klimaschutz
wichtig, sondern auch für die Gesundheit der Menschen.
Schlechte Luft gehört weltweit zu den bedeutendsten Gesundheitsrisiken. Dabei sind vor allem
Kinder von Luftverschmutzung betroffen. Zum einen, weil sie pro Kilo Körpergewicht mehr
Feinstaub einatmen als Erwachsene und eine höhere Atemfrequenz haben. Zum anderen, weil sie
mehr Zeit draußen verbringen und sich ihre Nasen näher an den Auspuffrohren von Fahrzeugen
befinden.
Drei Viertel der Deutschen fühlen sich zudem durch Straßenverkehrslärm belästigt. Lärm kann
zu Schlafstörungen, Herzinsuffizienz, Schlaganfällen und Herzinfarkten sowie psychischen
Erkrankungen führen, Kinder können Lernschwächen entwickeln. Besonders stark leiden dabei
Menschen, die dauerhaft mehr als einer Lärmquelle ausgesetzt sind, wie zum Beispiel einer
viel befahrenden Straße und einer Bahnschiene. Und das sind vornehmlich Menschen mit
geringem Einkommen. In Berlin leiden rund 250.000 Menschen unter gesundheitsgefährdendem
Straßenlärm. Zu ihrem Schutz brauchen wir dringend eine Verkehrswende in der ganzen Stadt.
Eine Verringerung der Lärm- und Luftbelastungen schafft mehr Lebensqualität und
Umweltgerechtigkeit in unseren Städten. Tempo 30 an so vielen Straßen wie möglich steigert
nicht nur die Verkehrssicherheit, sondern reduziert auch die Abgas- und Lärmbelastung
erheblich. Zudem brauchen wir mehr Radverkehr, mehr Elektromobilität und eine Stärkung des
öffentlichen Nahverkehrs. Allein die Einrichtung einiger Pop-Up-Radwege im Frühling 2020 hat
bereits zu einer spürbaren Verringerung der Lärmbelastung geführt. Es gilt dringend weitere
Maßnahmen zu ergreifen, die die Belastung minimieren. Deshalb wollen wir auch Fluglärm
nachhaltig mindern, indem wir dafür sorgen, dass die Menschen in der Nacht in Ruhe schlafen
können. Deshalb muss am BER ein striktes Nachtflugverbot zwischen 22 und 6 Uhr gelten.
Helfen können aber auch alle Maßnahmen, die das Verkehrsaufkommen insgesamt verringern, wie
eine Stadt der kurzen Wege oder flexible Homeoffice-Regelungen.
Gesunde Ernährung
Mit der Berliner Ernährungsstrategie treiben wir die Ernährungs- und Agrarwende aktiv voran.
Denn gesundes Essen für die gesamte Bevölkerung trägt dazu bei, Klima-, Biodiversitäts-,
Bildungs-, Gesundheits- und soziale Ziele zu erreichen.
Wir wollen, dass gutes Essen für alle Berliner*innen unabhängig von der finanziellen
Situation erschwinglich ist. Dafür werden wir in den ersten bis sechsten Klassen das
Schulessen, das derzeit aus 50 % Bioanteil besteht, im Laufe der Legislatur auf 100 %
Bioanteil ausweiten und auch die weiterführenden Schulen einbeziehen. Auch in Kitas,
Krankenhäusern, Senioreneinrichtungen und öffentlichen Kantinen wird Berlin bis 2026
weitestgehend auf biologische, regionale und saisonale Lebensmittel umsteigen. Zudem wollen
wir pflanzliche Ernährung fördern.
In Zusammenarbeit mit Wirtschaft, Zivilgesellschaft und dem Land Brandenburg werden wir die
Ernährungsstrategie fortführen und ausbauen. Das in Brandenburg entwickelte Qualitäts-Regio-
Siegel für Produkte aus dem Umkreis wird Berlin verbindlich in seinen Vergaben für die
öffentliche Gemeinschaftsverpflegung verwenden.
Damit die Umstellung der Gemeinschaftsverpflegung gelingt, wird die Fortbildungseinrichtung
„Kantine Zukunft“ weitergeführt und ihre Arbeit so verstetigt, dass sie regelmäßig neue
Küchen in ihr Umstellungsprogramm aufnehmen kann.
Die Wochen- und Großmärkte wird Berlin zu Zentren für regionale und biologisch angebaute
Lebensmittel ausbauen. Mit der Einrichtung von wenigstens einem „LebensMittelpunkt“ vor Ort
in jedem Berliner Bezirk wird in enger Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen
Akteur*innen den Menschen vor Ort Zugang zu gutem, gesundem und erschwinglichen Essen
ermöglicht und ein Ort des nachbarschaftlichen Zusammenlebens geschaffen.
An möglichst allen Schulen sollen Schulgärten etabliert und den Schulen Zugang zu Lehrküchen
ermöglicht werden. Möglichst viele Schulen sollen zu „Ernährungsschulen“ („Food Schools“)
gemacht werden, in denen das Essen frisch gekocht wird und die Schüler*innen an der
Zubereitung beteiligt werden. Mit einem zentral gelegenen „Food-Campus“ wird in der Stadt
ein Ort geschaffen, an dem Wissenschaft, Praxis, Bildung und fachpolitische Diskussionen von
und mit der Zivilgesellschaft die Ernährungswende in Berlin vorantreiben.
Wir werden aktiv gegen Lebensmittelverschwendung vorgehen, Projekte und Initiativen
unterstützen, die Lebensmittel retten und verteilen. Auf Bundesebene werden wir uns dafür
einsetzen, dass abgelaufene Lebensmittel nicht mehr weggeworfen werden dürfen, sondern an
Initiativen wie die Berliner Tafel oder Foodsharing abgegeben werden müssen und das
„Containern“ (Rettung entsorgter Lebensmittel aus den Mülltonnen von Supermärkten) zu
entkriminalisieren.
Sport und Bewegung
Sport und Bewegung machen Spaß, ermöglichen Gemeinschaft und tragen maßgeblich zum
Wohlbefinden bei. Wir wollen allen Berliner*innen ermöglichen, sich sportlich zu betätigen.
Egal in welchem Alter, egal ob organisiert und regelmäßig oder nur ab und zu, das
Sportangebot in Berlin soll alle Bedürfnisse abdecken und deshalb auch inklusive und
barrierefreie Sportanlagen und Sportstätten beinhalten. Dabei ist unsere Vision für Berlin,
dass Sport und Bewegung selbstverständlich in allen Bereichen mitgedacht werden: Sei es das
Laufen im Park, eine Runde Tischtennis im Hof, Bouldern an der Einkaufscenter-Fassade oder
Kicken in der Spielstraße. Dafür denken wir Sport und Bewegung auch in der Stadtplanung mit.
Denn die Förderung von körperlicher Aktivität im Alltag ist ein sehr wichtiger Baustein, um
die Bewegung insgesamt zu fördern. Dafür braucht es ausgebaute Sportstätten, sichere Fuß-
und Radwege, die Möglichkeit zur Bewegung in Parks und Grünflächen und eine
bewegungsfreundliche Stadtumgebung.
Drogenpolitik
Beispielhaft für einen selbstbestimmten Umgang mit Gesundheit steht auch unser Ansatz für
die Drogenpolitik. Der Konsum von Drogen gehört zur Lebensrealität in unserer Stadt. Dies
gilt es anzuerkennen. Allein der jahrzehntelang erzwungene prohibitive Umgang mit
gesellschaftlich weit verbreitetem und akzeptiertem Cannabiskonsum hat die Probleme auch in
Berlin nicht entschärft, sondern verschärft. Wir Bündnisgrüne stehen für eine Neuausrichtung
der Drogenpolitik: Statt Kriminalisierung und Stigmatisierung braucht es einen fakten- und
evidenzbasierten Ansatz, der Menschen durch Prävention und Aufklärung schützt und damit
Verbraucherschutz überhaupt erst möglich macht, Abhängigen unkompliziert Hilfe zukommen
lässt und die Selbstbestimmung aller respektiert. Es braucht Aufklärung durch Bildungs- und
Jugendeinrichtungen wie auch durch zielgruppenspezifische Projekte und Angebote. Jugend- und
Gesundheitsschutz haben klar Vorrang vor Gewinninteressen. Die tödlichsten Drogen bleiben
Tabak und Alkohol. Wir beurteilen Drogen nach ihrer Gefährlichkeit, deshalb gilt es nach dem
Prinzip der harm reduction gefährlichen Konsum zu vermeiden und Konsumrisiken zu minimieren.
Mit einem Pilotprojekt zum Drug-Checking, das 2022 in die Umsetzung geht, machen wir einen
wichtigen Schritt, um Konsument*innen vor gefährlichen und gepanschten Drogen zu schützen.
Dieses wollen wir in einem zweiten Schritt mit mobilen Point-of-Care-Stellen weiter
ausbauen. Auch den Zugang zu Drogenkonsumräumen wollen wir weiter verbessern. Die Suchthilfe
muss stärker mit den Angeboten der Sozialarbeit verzahnt werden, um Menschen, die in
Abhängigkeit geraten sind, auch wirksam und langfristig zu helfen. Substitutionsprogramme,
auch in Haftanstalten, sollen verstetigt und ausgebaut werden.
Wir sehen die angekündigte Legalisierung von Cannabis durch ein Cannabiskontrollgesetz durch
den Bund als Chance und werden diese in Berlin zügig und umfassend umsetzen. Wir streben an,
dass das erste lizensierte Fachgeschäft für Cannabis in Berlin eröffnet wird, sobald dafür
die rechtliche Grundlage auf Bundesebene geschaffen wurde. Zudem befürworten wir die
Möglichkeit des Eigenanbaus für den Selbstgebrauch. Außerdem treten wir für einen Amnestie
aller wegen Cannabis gefällten Verurteilungen ein. Darüber hinaus wollen wir die
Entkriminalisierung vorantreiben. Dazu gehört, die Regelung zum Besitz geringer Mengen auf
weitere Betäubungsmittel zu erweitern, wie dies bereits in mehreren anderen Bundesländern
erfolgt ist. Auch wollen wir die Forschung auf dem Gebiet der psychoaktiven Substanzen
stärken und damit der generellen Tabuisierung mit wissenschaftlichen Erkenntnissen und
evidenzbasierten Antworten entgegenwirken.
Gesunde Gesundheitsinfrastruktur
Die Pandemie hat unseren Blick auf bereits länger bestehende Herausforderungen im
Gesundheitssystem gerichtet. Aber auch ohne Pandemie ist eine funktionierende und gut
ausgestattete Gesundheitsinfrastruktur von elementarer Bedeutung für eine gesunde
Gesellschaft und ein lebenswertes Berlin.
Öffentlicher Gesundheitsdienst (ÖGD) als „Networker“ der Versorgung
Der ÖGD ist mehr als die dritte (statische) Säule des Gesundheitswesens. Er verbindet
individualmedizische mit gesellschaftsmedizinischen Ansätzen in den Bereichen des
Gesundheitsschutzes, der Gesundheitshilfen, der Gesundheitsförderung und der
Gesundheitskoordination unter Einbezug des Sozialraumes. Wir stehen für einen modernen
Öffentlichen Gesundheitsdienst, der als gleichberechtigter Partner und Netzwerker im
Gesundheitssystem wahrgenommen wird und eine wichtige Rolle als Garant für gesundheitliche
Chancengleichheit einnimmt.
Der Öffentliche Gesundheitsdienst in den Bezirken muss als wichtiger Bestandteil der
Daseinsvorsorge personell und in Bezug auf die IT-Ausstattung gestärkt und inhaltlich in den
Bereichen Gesundheitshilfen, Gesundheitsschutz, Gesundheitsförderung und
Gesundheitskoordination weiterentwickelt werden. Das ist eine der zentralen Lehren der
Pandemie. Wir brauchen einen gut ausgestatteten ÖGD um besser auf zukünftige Pandemien
vorbereitet zu sein.
Gesundheit spielt sich im Sozialraum ab
Wir stehen für eine niedrigschwellige, vernetzte Gesundheitsversorgung vor Ort und eine
bessere Verteilung der Angebote über die Stadt. Daher werden wir das Prinzip des Stadtteil-
Gesundheitszentrums, wie das Gesundheitskollektiv in Neukölln, in die verschiedenen Kieze
Berlins exportieren. Ziel eines integrierten Stadtteil-Gesundheitszentrums ist, die
Gesundheitsversorgung nicht nur medizinisch, sondern vor allem auch gesellschaftlich und
sozialpolitischzugestalten. Denn die Lebensverhältnisse der Menschen haben einen großen
Einfluss auf ihre Gesundheit. Stadtteil-Gesundheitszentren arbeiten in ausgewählten
Sozialräumen, wirken integrativ in multiprofessionellen Teams und haben so die soziale
Lebenssituation der Patient*innen fest im Blick. Behandlungen erfolgen dabei auf Augenhöhe
mit den Patient*innen, aber auch zwischen den Beschäftigten. Ärzt*innen,
Sozialarbeiter*innen, Therapeut*innen, Stadtteilmütter, Streetworker und Sprachmittlung
gehen dabei Hand in Hand und auf die unterschiedlichen Bedürfnisse ein. So wird für jeden
und jede ein niedrigschwelliger Zugang zum Hilfesystem erreicht. Wir wollen damit die
Chancen von Kranken und Pflegebedürftigen verbessern und Zugangshindernisse abbauen.
Krankenhausfinanzierung und faire Bezahlung
Im Bereich der Krankenhausinvestitionen gilt, was für den Gesundheitssektor insgesamt gilt:
Mit guten Kooperationen und nur gemeinsam kommen wir weiter.
Das Land Berlin verfügt dabei mit Charité und Vivantes in Landesbesitz über zwei zentrale
Grundpfeiler der Krankenhauslandschaft, die einen erheblichen Teil der Gesundheitsversorgung
der Berliner*innen leisten. Mit diesen beiden Unternehmen hat das Land die Möglichkeit
starke gemeinwohlorientierte Akzente bei der Weiterentwicklung der Berliner
Gesundheitslandschaft zu setzen. Die gute Zusammenarbeit beider Unternehmen ist für ihren
wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und medizinischen Erfolg von entscheidender Bedeutung.
Wir bekennen uns deshalb zum Konzept Gesundheitsstadt 2030, insbesondere die Umsetzung der
gemeinsamen Standortentwicklung, eine Portfolioabstimmung und die Investitionsplanungen der
Gesundheitsstadt bieten jetzt die Chance die Weichen für die stationäre Krankenversorgung
auf europäischem Spitzenniveau und eine internationale Führungsrolle in medizinischer
Innovation zu sichern und auszubauen. Besonders in Sachen Krankenhäusern werden wir Grüne
die begonnene Trendwende bei den Krankenhausinvestitionen fortsetzen und setzen uns für ein
schrittweises Aufwachsen der Investitionsmittel ein. Wir setzen auf Investition und
Transformation: Die Folgen von unterlassenen Investitionen der Vergangenheit begleiten uns
noch an vielen Stellen im Gesundheitswesen – hier gibt es noch viel zu reparieren!
Transformation bedeutet für uns deshalb Investitionen an der richtigen Stelle. Nicht bloß
neu, sondern auch nachhaltig, müssen wir die Gelder für die Krankenhäuser priorisieren:
Klimagerechtes Bauen, verbesserte Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten und bessere
Aufenthaltsqualität sind Maßstäbe für eine Grüne Krankenhausinvestitionsplanung. Weiteres
Outsourcing oder (Teil-)Privatisierung im Krankenhausbereich lehnen wir ab.
Für eine zukunftsfähige Finanzierung des Krankenhausbereiches braucht es aber auch Reformen
auf Bundesebene, die die Fokussierung auf die Ökonomisierung des Krankenhausbetriebs und die
ertragsreichste Behandlung beenden. Klinken müssen in einem neuen Finanzierungssystem mit
einer starken Säule der Strukturfinanzierung sowie Vorgaben zur Personalbemessung und
Versorgungsqualität entsprechend ihrem gesellschaftlichen Auftrag finanziert werden.
Dabei machen wir uns auch stark für eine gute tarifliche Entlohnung aller Beschäftigten in
den Krankenhäusern und haben daher die Berliner Krankenhausbewegung in ihren Forderungen
unterstützt. Daher begrüßen wir die erfolgreichen Tarifabschlüsse. Eine besondere
Verantwortung der Ampelkoalition im Bund liegt in der Einführung einer gemeinsam
Bürgerversicherung für alle Versicherten.
Qualifizierung und Wertschätzung der Beschäftigten
Eine gute und engagierte Gesundheitsversorgung der Berliner Bevölkerung ist nur mit
motivierten und qualifizierten Beschäftigten möglich, die wertgeschätzt und für ihre
Tätigkeit angemessen bezahlt werden. Zur guten Gesundheitsversorgung gehören auch
Ärzt*innen, die bereit sind, Patient*innen und Pflegebedürftigen auf Augenhöhe zu begegnen.
Beschäftigte aller Gesundheitsberufe leisten einen unschätzbaren Beitrag für unsere
Gesellschaft. Menschen, die bei Krankheit oder im Alter Unterstützung benötigen, wünschen
sich zu Recht Ärzt*innen und Pflegekräfte, die sich mit Sorgfalt um sie kümmern. Dafür
brauchen Pflegekräfte ausreichend Zeit, gute Arbeitsbedingungen und eine faire Bezahlung
nach Tarif. Daher wollen wir die Arbeits- und Ausbildungsbedingungen für die Beschäftigten
im Gesundheitswesen weiter verbessern.
Um dem Pflegenotstand und Fachkräftemangel entgegenzuwirken, braucht es ebenso attraktivere
Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen in der Pflege und den Gesundheitsberufen. Berlin muss
auch für eine angemessene Vergütung für den Praxisanteil während des Pflegestudiums sorgen.
Wir setzen uns für Schulgeldfreiheit bei der Ausbildung der anerkannten Gesundheitsberufe
(Logopädie, Physio- und Ergotherapie) ein.
Lehren der Pandemie
Die Pandemie ist mehr als ein einmaliges Ereignis, sie hat Folgen, gesellschaftlich und
gesundheitlich. Insbesondere die Zunahme der Long-Covid-Fälle, als auch psychische
Belastungen durch alle Alters- und Gesellschaftsgruppen, geben Anlass zur Sorge und fordern
zum Handeln auf.
Die Einschränkungen in Folge der Corona-Pandemie haben zu erheblichen Belastungen von großen
Teilen der Gesellschaft geführt. Viele Familien mussten zeitweise das Arbeiten im Homeoffice
und die schulische Unterstützung und Betreuung ihrer Kinder in viel zu kleinen Wohnungen
unter einen Hut bringen. Etliche Selbstständige gerieten in Existenzsorgen, weil ihre
Einnahmen infolge von Einschränkungen erheblich eingebrochen sind. Aus vielen Studien wissen
wir aber, dass die Pandemie und Infektionsschutzmaßnahmen für Kinder und Jugendliche
besonders starke Belastungen und Einschränkung bedeuten. Die Kontaktbeschränkungen engen in
diesen Altersgruppen wichtige Bedürfnisse nach unmittelbarem Kontakt, Austausch und
Freundschaft ein. Die Schulsituation ist belastender und führt dazu, dass Kinder aus von
Armut betroffenen Familien in der Gefahr sind, abgehängt zu werden. Daher sind insbesondere
soziale Projekte unverzichtbar, die auch Kinder aus sozial benachteiligten Familien
erreichen. Zur Prävention psychischer Erkrankungen von Kindern und Jugendlichen müssen
vorhandene Angebote wie z.B. das „Schulpsychologische und Inklusionspädagogische Beratungs-
und Unterstützungszentren (SIBUZ)“ besser bekannt gemacht und genutzt werden.
Ein besonderes Augenmerk der Bewältigung der psychischen Belastung sollte zudem auf die
Gesundheits- und Pflegeberufe gelegt werden. Diese betreffen überproportional Frauen. Die
Pandemie verstärkt ihre Belastungen um ein Vielfaches und steigert das Risiko der
Entwicklung von psychischen Erkrankungen. Psychische Erkrankungen können mit
Arbeitsunfähigkeit und Frühverrentung einhergehen. Prävention am Arbeitsplatz und
Frühintervention sind essentiell, um einer Chronifizierung vorzubeugen.
Auch die Folgen von Long-Covid werden uns noch lange beschäftigen. Die Folgesymptome sind
vielfältig und können alle Organe betreffen. Die Betroffenen leiden unter körperlichen,
mentalen und psychischen Symptomen. Besonders ausgeprägt ist das Fatigue-Syndrom. Dabei sind
Frauen stärker von Long-Covid betroffen als Männer. Betroffene sind teilweise in ihren
Handlungsmöglichkeiten in hohem Maße eingeschränkt und auf Unterstützung angewiesen.
Es bedarf einer Stärkung und besseren Vernetzung bestehender Beratungs- und
Behandlungsangebote, wie auch der Schaffung von neuen Angeboten, die sich in die bereits
bestehende Angebotslandschaft einfügen. Durch die Pandemie wurden intensivierte
Versorgungsangebote (wie z. B. Testzentren und Impfzentren) parallel zum bestehenden
Versorgungssystem geschaffen. Wir brauchen einen Plan, wie wir die dort gemachten
Erfahrungen analysieren und damit in Zukunft umgehen wollen. Denkbar wäre die Einrichtung
einer Enquete-Kommission für Lehren aus der Pandemie, wie gerade in Baden-Württemberg auf
den Weg gebracht, um für künftige Krisen besser gerüstet zu sein.
Lehren aus der Pandemie richten sich dabei an alle Politikfelder. Das Pandemiemanagement
sensibilisiert besonders für das Konzept von Health in all policies. Diese Sensibilisierung
sollte verstärkt in den nach-pandemischen Diskurs mitgenommen und verankert werden.
Eine Pandemie ist nie ein isoliertes Ereignis. Pandemie bedarf mehr als Gesundheitsschutz,
sondern auch den frühzeitigen Einbezug einer multiprofessionellen Begleitung (sozial-,
wirtschafts-, gesundheitswissenschaftlich, Kommunikationswissenschaften, ethisch und
psychologisch). Durch die Klimakrise ist die Wahrscheinlichkeit deutlich erhöht, dass
weitere Pandemien folgen werden. Daher ist es dringend notwendig, für zukünftige Ereignisse
unter Berücksichtigung der Lessons learned frühzeitig und umfassend Vorsorge zu treffen.
Unterstützer*innen
- Shirin Kreße (KV Berlin-Mitte)
- Günes Jülide Keskin (KV Berlin-Reinickendorf)
- Aron Hävernick (KV Berlin-Pankow)
- Nina Stahr (KV Berlin-Steglitz/Zehlendorf)