Staatliche Diskriminierung beenden, Neutralitätsgesetz abschaffen
Seit 2005 gilt in Berlin das sogenannte Neutralitätsgesetz, verabschiedet vom damaligen Rot-Roten Senat. Es verbietet bestimmten Bediensteten in Schule, Justiz und Polizei das Tragen von religiösen Symbolen wie Kopftüchern, Kippot, Turbanen oder Kreuzen.
Während ein Kreuz unter dem Hemd getragen werden kann und viele Religionsgemeinschaften auch gänzlich ohne Symbole leben, können Angehörige von religiösen Gruppen, für die sichtbare Glaubenszeichen Teil der Religionsausübung sind, durch dieses Gesetz ihren Beruf als Lehrer*in, Richter*in oder Polizist*in nicht ausüben.
Begründet wird das Gesetz damit, dass Menschen in staatlichen Institutionen nicht religiös oder weltanschaulich beeinflusst werden dürfen (im Fachjargon geht es um die ‚negative Religionsfreiheit‘). Für uns ist klar: Staatsbedienstete sollen unsere demokratischen Grundrechte vertreten. Dazu gehört das Überwältigungs- und Missionierungsverbot, welches gesetzlich (ganz abseits des Neutralitätsgesetzes) verankert ist. Das finden wir richtig und wichtig. Wir halten es jedoch für grundlegend falsch, eine mögliche religiöse oder weltanschauliche Beeinflussung allein auf Grund des Äußeren zu unterstellen. Denn das ist diskriminierend.
In Berlin betrifft dies besonders kopftuchtragende Frauen, für die das Neutralitätsgesetz einem partiellen Berufsverbot gleichkommt. Das Neutralitätsgesetz stellt kopftuchtragende Frauen unter Generalverdacht, nicht in der Lage zu sein, ihren Beruf als Lehrer*in, Richter*in , Polizeibeamt*in professionell und im Rahmen des Grundgesetzes auszuüben. Dabei kaschiert es auch, dass auch Beschäftigte ohne sichtbar getragene Symbole extremistisches Gedankengut haben und ihr Verhalten daran ausrichten können, sogar missionarisch oder diskriminierend agieren können. Gleichzeitig dürfen Reinigungskräfte an Schulen, an Gerichten und in Polizeigebäuden Kopftücher tragen. Diese Zustände im Umgang mit kopftuchtragenden (in der Regel muslimischen) Frauen befördern Ressentiments und Vorurteile gegenüber muslimischen / als muslimisch markierten Menschen.
Unser intersektionaler Feminismus bedeutet marginalisierte und diskriminierte Gruppen zu empowern und zu unterstützen. Keinesfalls wollen wir, dass - wie in diesem Fall, Frauen - auf irgendeine Weise aus dem öffentlichen Leben oder aus ihren Berufen verbannt werden. Das bedeutet konsequenterweise, dass wir uns für die Abschaffung des Neutralitätsgesetzes einsetzen.
Wir Grüne haben uns zuletzt auf der Berliner Frauen*vollversammlung / Frauen*konferenz im September 2020 mit großer Mehrheit für die Abschaffung des Neutralitätsgesetzes ausgesprochen. Konsequenterweise sollte dies nicht nur an Schulen gelten, sondern auch für Polizei und Justiz, auch wenn Staatsbedienstete dort in einem anderen Verhältnis zu Bürger*innen stehen. Schließlich gelten unsere Argumente nicht nur für den Bereich der Schule, sondern für alle öffentlichen Institutionen. Und dazu gehört Polizei und Justiz selbstverständlich dazu.
Unsere grüne Beschlusslage: Quellen
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Beschluss der Frauen*Konferenz : https://gruene.berlin/beschluesse/selbstbestimmung-und-gelebte-vielfalt-fuer-ein-ende-der-diskriminierung-kopftuchtragender-frauen-im-berlin-oeffentlichen-dienst-und-damit-fuer-die-abschaffung-des-neutralitaetsgesetzes_10
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Beschluss der Frauen-Vollversammlung 2018: "Mehr Feminismus wagen! Mit uns wird Berlin zur Stadt der Frauen",
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Beschluss des Bundesfrauenrats vom 05.05.2019: Für einen solidarischen Feminismus für alle