Nachdem im Januar 2021 die Urteilsbegründung des Urteils des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 27.08.2020 (Az.:8 AZR 62/19) veröffentlicht wurde, bleiben entscheidende Rechtsfragen zu dieser Thematik weiterhin offen. Insbesondere ist die Ansicht des Bundesarbeitsgerichts strittig, ob das BAG in diesem Verfahren tatsächlich nicht vorlagepflichtig zum EuGH gewesen ist. Die angekündigte Verfassungsbeschwerde der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie wird dem Bundesverfassungsgericht die Möglichkeit geben, diese und weitere Rechtsfragen in Bezug auf das Berliner Neutralitätsgesetz zu entscheiden. Hierdurch wird Rechtssicherheit geschaffen, die gerade in diesem besonders grundrechtssensiblen Bereich absolut notwendig ist.
Die innerparteiliche Absprache, die politische Diskussion erst nach der juristischen Diskussion zu führen, sollte daher zu einem Abwarten der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts führen.
Selbst wenn das BVerfG in seiner Entscheidung das Urteil des BAG bestätigen sollte, wäre eine Abschaffung des Neutralitätsgesetzes nicht notwendig. Auch das Bundesarbeitsgericht hält das Neutralitätsgesetz für verfassungskonform auslegbar und hat die Möglichkeit einer religiösen Beeinflussung der Schüler*innen durch Lehrpersonal nicht ausgeschlossen. Eine Gefahr für die Einschränkung der negativen Religionsfreiheit der Schüler*innen wird aller Voraussicht nach auch durch das Bundesverfassungsgericht nicht bestritten werden.
Somit bleibt nur noch die Frage, unter welchen Umständen einer solchen Gefahr verfassungskonform begegnet werden kann. Hierzu wird das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber wie zuvor das Bundesarbeitsgericht voraussichtlich Hinweise und Kriterien an die Hand geben. Diese aber umzusetzen und dabei die eigene Einschätzungsprärogative anzuwenden, bleibt Aufgabe des Parlaments.
In dessen Vorfeld sollte Bündnis 90/Die Grünen einen stadtweiten Konsens suchen, weil dieses Thema für eine multikulturelle Gesellschaft wie Berlin besonders wichtig ist. Für eine Konsenssuche braucht es Zeit. Der zu streichende Textpassus aber gibt diese notwendige Zeit gerade nicht. Er formuliert nur eine maximale Position zu Gunsten der Grundrechte des Lehrpersonals, ohne die Grundrechtsgefährdung der Schüler*innen auch nur ansatzweise zu beachten. Daher ist der Textpassus zu streichen und eine gesellschaftlich befriedende Lösung zu suchen.