Veranstaltung: | LA am 1. Oktober 2025 |
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Tagesordnungspunkt: | 4. Verschiedenes |
Status: | Beschluss (vorläufig) |
Beschluss durch: | Landesausschuss |
Beschlossen am: | 01.10.2025 |
Antragshistorie: | Version 3 |
Die Lage in Israel und Palästina und die Auswirkungen auf unser Zusammenleben in Berlin
Beschlusstext
Die Situation in Gaza spitzt sich immer weiter zu, wir blicken mit großer Sorge
auf die aktuellen Ereignisse. Während israelische Geiseln immer noch in
grausamer Gefangenschaft der Hamas sind, ist die humanitäre Lage im
Gazastreifen, in dem täglich Zivilist*innen bei den Angriffen des israelischen
Militärs sterben, katastrophal. Beides muss so schnell wie möglich ein Ende
haben.
Als Völkerrechtspartei war und ist es unsere Pflicht, entschieden für die
Betroffenen dieses Krieges einzutreten. Wir werden uns dafür einsetzen, dass
unser Engagement für die Betroffenen noch größer und unsere dazugehörigen
Forderungen laut und sichtbar nach außen vertreten werden. Wir unterstützen
explizit die Forderungen der Europäischen Kommission nach einem sofortigen
Waffenstillstand, ungehindertem Zugang humanitärer Hilfe, der unverzüglichen
Freilassung aller von der Hamas festgehaltenen Geiseln sowie gezielten
Sanktionen gegen extremistische israelische Minister*innen und gewalttätige
Siedler*innen und fordern, dass sich die Bundesregierung diesen anschließt.
Weit über 60.000 Menschen wurden nach offiziellen Angaben in diesem Krieg
bereits getötet oder sind aufgrund der dramatischen Lage gestorben. Die
anhaltende massive Militäroffensive Israels auf den Gazastreifen verschärft die
ohnehin katastrophale humanitäre Situation weiter und fordert immer mehr zivile
Opfer. Als weitere deutliche Intensivierung der Kriegshandlungen hat Israel am
16. September 2025 eine Bodenoffensive in Gaza-Stadt begonnen; offiziell mit dem
Ziel, die Kontrolle in der Stadt zu übernehmen, Infrastruktur der
Terrororganisation Hamas zu zerstören und verbleibende Geiseln zu befreien,
wobei die israelische Armeeführung selbst erhebliche Bedenken hinsichtlich der
Erreichbarkeit dieser Ziele und der Risiken für die Geiseln äußerte. Dies wird
die humanitäre Lage weiter verschärfen und die Situation für die Menschen in
Gaza weiter verschlimmern.
Die Blockade humanitärer Güter durch die israelische Regierung hat maßgeblich zu
der aktuellen schrecklichen Situation geführt. Seit März 2025 wird die
Verteilung humanitärer Hilfe im Gazastreifen über die von Israel und den USA
unterstützte Gaza Humanitarian Foundation (GHF) organisiert, deren restriktiver
und militarisierter Verteilmechanismus jedoch nicht nur viele Menschen vom
Zugang zu lebenswichtiger Hilfe ausschließt, sondern von zahlreichen
Hilfsorganisationen und UN-Experten als völkerrechtswidrig kritisiert wird, da
er unter Kontrolle und Einfluss der Konfliktparteien steht und die Neutralität
humanitärer Hilfe verletzt. Die Folgen sind verheerend: Menschen werden bei der
Suche nach Lebensmitteln getötet, sie hungern und verhungern, sie werden immer
wieder vertrieben. Helfer*innen, Ärzt*innen und Pflegekräfte geraten unter
Beschuss und an die Grenzen ihrer Kräfte, Journalist*innen werden angegriffen
und getötet, was einen klaren Angriff auf das Völkerrecht, die Pressefreiheit
und das Recht auf unabhängige Berichterstattung darstellt. Nur noch ein Drittel
des Territoriums des Gazastreifens ist für die palästinensische Bevölkerung
zugänglich. Gebäude und Infrastruktur sind weitgehend zerstört, das
Gesundheitssystem ist kollabiert. Eine öffentliche Ordnung gibt es in Gaza nicht
mehr. Die unabhängige Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrats kam am
16. September 2025 zu dem Schluss, dass Israel im Gazastreifen einen Völkermord
an Palästinenser*innen begeht.
Der Staat Israel hat nach dem Terroranschlag der Hamas vom 7. Oktober 2023 ein
Recht auf Selbstverteidigung im Rahmen der Vorgaben, die das Völkerrecht für
solche Ausnahmesituationen vorsieht. Das Existenzrecht Israels ist für uns
unverhandelbar und Israel hat das Recht, sich gegen den brutalen Terror von
Hamas, aber auch gegen Angriffe aus dem Jemen, von der Hizbollah in Libanon oder
aus dem Iran zu verteidigen. All das steht für uns außer Frage. Die Hamas nutzt
die Zivilbevölkerung in Gaza auf perfide Weise als Schutzschilde und Faustpfand,
hält bis heute noch dutzende Menschen als Geiseln und verstößt damit auf
eklatante Art gegen die Regeln des humanitären Völkerrechts. Die Hamas
unterdrückt seit Jahren grausam die palästinensische Zivilbevölkerung und hat
jegliche Berechtigung verloren, für die Palästinenser*innen zu sprechen oder
politische Verantwortung zu tragen. Die israelische Armee verletzt aber in Gaza
systematisch die Grenzen der Selbstverteidigung, das Völkerrecht und
grundlegende humanitäre Prinzipien. Gleichzeitig verkünden rechtsextreme
Mitglieder der israelischen Regierung ihre Ziele ganz offen, den Gazastreifen
langfristig zu besetzen und Palästinenser*innen dauerhaft zu vertreiben. Diese
Ankündigungen sind völlig inakzeptabel und kündigen einen weiteren eklatanten
Völkerrechtsbruch an. Mit Luftschlägen auf Ziele in Doha eskaliert die
israelische Regierung weiter, unterminiert jegliche diplomatische Lösung und
rückt damit auch die Befreiung der von der Hamas festgehaltenen Geiseln in weite
Ferne.
Auch im Westjordanland halten die jahrzehntelange Gewalt und völkerrechtswidrige
Besatzungspolitik und der Siedlungsbau an. Die fortschreitende Entrechtung von
Palästinenser*innen im Westjordanland erfolgt durch eine Vielzahl
diskriminierender Maßnahmen: Bewegungseinschränkungen, willkürliche
Verhaftungen, Zerstörung von Wohnhäusern und die systematische Beschränkung des
Zugangs zu Land und Wasser. Benjamin Netanjahu hat offen erklärt, dass
Siedlungsprojekte gezielt darauf abzielen, die Entstehung eines
palästinensischen Staates zu verhindern – eine Politik, die jeder
Verhandlungslösung den Boden entzieht.
Mahnende Worte und stille Diplomatie seitens der Bundesregierung sind längst
gescheitert. Es braucht ernsthaften politischen und wirtschaftlichen Druck, um
einen sofortigen Waffenstillstand zu erreichen, den Krieg zu beenden, und beide
Seiten an den Verhandlungstisch für eine dauerhafte Friedenslösung zu bringen.
Der Stopp von Waffenlieferungen, die im Krieg eingesetzt werden können, ist
dabei ein erster Schritt, den wir begrüßen. Aber dieser Schritt reicht bei
weitem nicht aus. Wir fordern einen konsequenten Stopp sämtlicher Waffen- und
Rüstungsexporte in Kriegs- und Krisengebiete. Ausnahmen dürfen – auch für Israel
– nur dort gelten, wo Völkerrecht und die Charta der Vereinten Nationen das
Recht auf Selbstverteidigung klar begründen. Dieses Prinzip muss uneingeschränkt
gelten und darf nicht wie im Fall Israels unterlaufen werden. Deutschland darf
sich nicht hinter Symbolpolitik verstecken, sondern muss gemeinsam mit den
europäischen Partner*innen Verantwortung übernehmen.
Wir begrüßen deshalb ausdrücklich die Ankündigungen der Kommissionspräsidentin
von der Leyen, die Auszahlung von Geldern an Israel auszusetzen, dabei aber
Unterstützung für die Zivilgesellschaft, insbesondere Gelder an Yad Vashem,
auszunehmen. Ebenso unterstützen wir ihre Forderungen nach weiteren gemeinsamen
europäischen Schritten gegenüber der israelischen Regierung. Wir fordern die
Bundesregierung auf, sich für gezielte, mit den europäischen Partnern
abgestimmte Sanktionen einzusetzen, insbesondere gegen die rechtsextremen
israelischen Minister Bezalel Smotrich und Itamar Ben-Gvir.
Als Teil der Staatengemeinschaft erkennen wir selbstverständlich die
Rechtsstellung des internationalen Strafgerichtshofs an und erwarten
entsprechend, dass der Haftbefehl gegen Netanjahu aufgrund des Vorwurfs der
Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit durchgesetzt wird,
sollte dieser Berlin betreten. Mögliche weitere Sanktionen gegen einzelne
gewalttätige Siedler*innen, Siedlerorganisationen und Unternehmen, die diesen
völkerrechtswidrigen Siedlungsbau unterstützen und vorantreiben, müssen geprüft
werden. Wir fordern die Bundesregierung auf, die Aussetzung von
Handelserleichterungen im Rahmen des Assoziierungsabkommens zwischen Israel und
der EU zu unterstützen und nicht mehr zu blockieren.
Wir fordern außerdem den sicheren und ungehinderten Zugang für UN, humanitäre
Organisationen und Journalist*innen sowohl in Gaza als auch im Westjordanland.
Journalist*innen leisten eine unverzichtbare Arbeit bei der Dokumentation der
Lage vor Ort und tragen zur Transparenz und Rechenschaftspflicht aller
Konfliktparteien bei. Ein umfassender, sicherer und ungehinderter Zugang aller
dieser Akteure ist Voraussetzung für eine wirksame humanitäre Hilfe und für die
Berichterstattung über die tatsächlichen Bedingungen vor Ort.
Auch als Reaktion auf die zunehmend offenen und faktischen Schritte hochrangiger
Vertreter der israelischen Regierung, die mit ihrer Politik und Rhetorik die
Entstehung eines palästinensischen Staates de facto verhindern, muss Deutschland
die Anerkennung eines Staates Palästina zügig vorantreiben. Es braucht einen
souveränen, demokratischen und sicheren palästinensischen Staat an der Seite
eines sicheren Staates Israel, um dauerhaften Frieden sicherzustellen. Jegliche
Schritte, die zur Deeskalation und Frieden in der Region beitragen, können nur
am Verhandlungstisch und nicht durch Gewalt erreicht werden. Sowohl die
Herrschaft der Hamas in Gaza als auch die Vertreibung von Palästinenser*innen,
wie Teile der israelischen Regierung und Trump sie in den letzten Wochen und
Monaten immer wieder in den Raum gestellt haben, stehen dem klar entgegen. Auch
wenn sie derzeit aussichtslos erscheint, bleibt die Zwei-Staaten-Lösung zum
jetzigen Zeitpunkt die einzige Möglichkeit, um dauerhaften Frieden für Israelis
und Palästinenser*innen und langfristige Stabilität in der Region zu erreichen.
Gleichzeitig verdeutlichen auch andere internationale Krisen – etwa in Sudan,
Äthiopien oder Syrien, die bei weitem nicht die öffentliche Aufmerksamkeit
erhalten, aber für Millionen Menschen Hunger, Vertreibung und Tod bedeuten – die
dringende Notwendigkeit, die EU als handlungsfähige Union zu stärken und das
Völkerrecht weltweit konsequent durchzusetzen. Auch deswegen ist es
unerlässlich, die Einhaltung des Völkerrechts auch gegenüber Israel
unmissverständlich und energisch einzufordern, genauso wie wir das auch in
anderen Krisen tun müssen.
Was bedeutet das für uns in Berlin?
Viele Israelis und Jüdinnen*Juden in Berlin leben seit dem 7. Oktober 2023 in
Angst – um Angehörige und Freunde in Israel und angesichts wachsender
antisemitischer Anfeindungen und der Zunahme von gewalttätigen Übergriffen hier
vor Ort. Wir verurteilen jede Form von Antisemitismus in unserer Stadt und
explizit den massiv angestiegenen israelbezogenen Antisemitismus. Der Schutz
jüdischen Lebens, der Kampf gegen Antisemitismus und für das Existenzrecht
Israels sind für uns nicht verhandelbar. Jüdinnen*Juden müssen in ganz Berlin
angstfrei und sicher sein können. Aktuell berichten viele Betroffene, dass sie
ihre jüdische Identität im Alltag verbergen, öffentliche Einrichtungen meiden
oder sich nicht mehr an Universitäten trauen. Das können und werden wir nicht
akzeptieren. Jüdische Menschen sind in Berlin sehr bedroht. Im ersten Halbjahr
2025 wurden allein in Berlin 637 antisemitische Vorfälle erfasst – ein Anstieg
um rund 70 Prozent im Vergleich zum gesamten Jahr 2022.
Wiederholt kam es zu Brandanschlägen auf jüdische und als israelisch bzw.
israelsolidarisch gelesene Orte sowie Körperverletzungen und Sachbeschädigungen.
Offen antisemitische Hetze ist an vielen Orten im Straßenbild genauso zu finden
wie auf den Demonstrationen, die von extremistischen Akteur*innen befeuert
werden. Wir Grüne stellen uns mit aller Kraft gegen jeden Antisemitismus. Der
Schutz von jüdischen und als israelsolidarisch gelesenen Orten, und zwar auch
nichtreligiösen Einrichtungen, muss sichergestellt werden. Hierfür müssen
Finanzmittel ausreichend zur Verfügung gestellt und unter anderem auch bauliche
und personelle Schutzmaßnahmen gestärkt werden.
Zugleich leben in Berlin über 40.000 Menschen mit engen familiären Verbindungen
in die palästinensischen Gebiete und die Region. Auch sie bangen um ihre
Angehörigen und Freund*innen, trauern um die Opfer dieses Krieges, seit Jahren
schon sind sie vom wachsenden antimuslimischen und antiarabischen Rassismus in
unserer Gesellschaft betroffen. Auch der Schutz ihrer Leben und der Schutz vor
Anfeindungen und Übergriffen ist unverhandelbar. Die Berliner Politik und weite
Teile der Öffentlichkeit haben ihre Perspektive viel zu lange übersehen,
bagatellisiert und nicht vertreten wollen. Jene Menschen wurde nicht genug Raum
geben, ihre Meinung und Perspektive einzubringen, mussten dafür mit Ausgrenzung,
Anfeindung und manchmal auch arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen. Weder
Jüdinnen*Juden und Israelis, noch Muslim*innen und Palästinenser*innen dürfen in
Mithaftung für das Vergehen der Regierung Netanjahu oder der Hamas genommen
werden. Auch an der Seite dieser Berliner*innen stehen wir und kämpfen gegen
Rassismus, Stigmatisierung und gegen Versuche, Diskursräume in unserer Stadt zu
verengen.
Wir fordern deshalb neben der israelischen Flagge am Roten Rathaus auch die
palästinensische Flagge zu hissen, um so unsere Solidarität mit der
palästinensischen Zivilbevölkerung und israelischen Opfern des Terrors zum
Ausdruck zu bringen. Die derzeitige Praxis Kai Wegners, einzig die israelische
Flagge zu hissen, vernachlässigt viele betroffene Menschen in Berlin. Man darf
nicht palästinensische und israelische Opfer gegeneinander ausspielen. Neben Tel
Aviv sollte auch Ramallah eine Städtepartnerschaft angeboten werden. Außerdem
müssen Universitäten weiter ein Ort der Diskurse bleiben. Es ist nicht die
Aufgabe des Regierenden Bürgermeisters, Auftrittsverbote an Hochschulen
auszusprechen. Die Universitäten sollten möglichst frei ohne Einmischung von
außen agieren und ihre Konflikte lösen können, denn für staatenlose,
palästinensische Studierende kann die Anwesenheit der Polizei einer
existenziellen Bedrohung gleichkommen, da für sie stetig die Gefahr der
Abschiebung im Raum steht. Wenn ein Teil der Studierenden gegen Jüdinnen*Juden
oder israelsolidarisch gelesene Personen vorgeht, sind sie kein Teil eines
friedlichen Diskurses. Die Sicherheit aller und das unbeschwerte Studium von
allen, insbesondere von Jüdinnen*Juden, müssen ebenso garantiert werden wie die
gleichberechtigte Teilhabe von jüdischen und palästinensischen sowie als
israelsolidarisch und propalästinensisch gelesenen Organisationen am Diskurs.
Wir lehnen einen Diskurs ab, der die Sicherheit von Jüdinnen*Juden gegen
elementare Bürger- und Freiheitsrechte ausspielt. Offene Briefe, Proteste und
Hochschulbesetzungen sind grundsätzlich legitime Mittel. Antisemitische oder
diskriminierende Aussagen, Gewalt oder Vandalismus dürfen in Hochschulen keinen
Platz haben, ihnen muss mit antisemitismus- und diskriminierungskritischen
Präventionskonzepten vorgebeugt werden. Staatliche Eingriffe oder
administrativer Druck, die darauf abzielen, kritische wissenschaftliche Diskurse
unangemessen zu beschränken, schaden uns als Gesellschaft. Das kann heißen,
Meinungen aushalten zu müssen, die nicht mit der eigenen übereinstimmen. Daraus
ergibt sich für uns auch, dass wir Boykottaufrufen gegen israelische oder
jüdische Wissenschaftler*innen klar entgegentreten.
Es braucht aber stets eine klare Haltung gegen antisemitische Gruppen und
Organisationen. Es kann keine Toleranz und keine Räume für Organisationen geben,
die antisemitischen Hass und Diskriminierung auf dem Campus verbreiten.
Seit dem terroristischen Überfall der Hamas auf Israel hat sich die Zahl
antisemitischer Vorfälle in Berlin im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt.
Für uns als Grüne ist klar: Jüdinnen*Juden müssen sich in ganz Berlin sicher
fühlen, ob auf der Straße, in der Schule oder auf dem Uni-Campus. Gleichzeitig
steigen die Zahlen antimuslimischer und antiarabischer Vorfälle und Gewalt schon
seit Jahren weiter an. Der Berliner Senat muss sicherstellen, dass jüdische,
muslimische und arabische sowie als solche gelesene Menschen in Berlin sicher
sind. Ihre Sichtbarkeit darf nicht eingeschränkt, ihr Leben nicht bedroht
werden. Wir fordern eine deutlich bessere Finanzierung von Beratungs- und
Anlaufstellen, Sensibilität gegenüber Betroffenen durch die
Strafverfolgungsbehörden und eine schnelle und konsequente Strafverfolgung,
gerade bei Gewalttaten.
Verschiedene politische Gruppen, darunter radikale Islamisten und vermeintliche
Linke, schüren gezielt antisemitische Stereotype, verbreiten Falschinformation
und Hass gegen Jüdinnen*Juden und Israel und tragen diese über unsere Stadt
hinaus ins Netz. Sie zielen insbesondere auf junge Menschen mit dem Ziel,
Eskalation und Radikalisierung zu befördern. Diesen Gruppen und ihren Versuchen
stellen wir uns klar entgegen. Das konsequente Entgegentreten gegenüber
antisemitischen Narrativen ist unerlässlich, um extremistischen Akteur*innen
nicht den Protest auf der Straße zu überlassen. Wir kritisieren Demonstrationen,
deren Aufrufe Hass gegen Jüdinnen*Juden verbreiten, das Existenzrechts Israels
oder Palästinas in Frage stellen oder das Leid einer Seite ausblenden.
Die Versammlungsfreiheit ist ein hohes durch das Grundgesetz geschützte Gut.
Friedliche Demonstrationen, die das Vorgehen der israelischen Regierung
kritisieren, der zivilen Opfer in Gaza und andernorts gedenken und für eine
friedliche Lösung des Konflikts werben, sind zulässig und dürfen nicht behindert
werden. Wer das Leid in Gaza adressiert, darf nicht pauschal als antisemitisch
diffamiert werden. Insbesondere staatenlose palästinensische Menschen müssen
ihre Trauer und ihre politischen Forderungen bei friedlichen Demonstrationen
ohne Furcht vor aufenthaltsrechtlichen Konsequenzen artikulieren können. Der
Kommissar für Menschenrechte des Europarats rügte die Bundesregierung bereits
wegen wiederholter Polizeigewalt bei Demonstrationen zu Gaza in Berlin. Die
Polizei Berlin gehe aufgrund der Gewalttaten Einzelner unverhältnismäßig hart
gegen Demonstrierende vor. Die notwendige Differenzierung muss möglich sein:
Gewalt und menschenverachtenden Äußerungen einzelner Demonstrationsteilnehmenden
und die Instrumentalisierung von Versammlungen durch extremistische Akteure sind
eindeutig zu verurteilen. Zugleich ist Kritik an unverhältnismäßigen
polizeilichen Maßnahmen und Gewalt gegen Demonstrierende legitim und darf nicht
abgetan werden. Bisher verweigern Senat und Innenverwaltung jegliche Aufklärung
und ignorieren den damit entstehenden Schaden für das Vertrauen in staatliche
Institutionen. Vor allem beschädigt es die öffentliche Wahrnehmung der Berliner
Polizei, wenn Fehlverhalten nicht ersthaft aufgearbeitet wird. Ein Kurs der
Repression wird die Eskalationsspirale nicht beenden, sondern die Stimmung in
der Stadt weiter anheizen. Eine deeskalative Herangehensweise würde zu einem
spürbaren Rückgang an Eskalation und Gewalt führen. Wir fordern den Senat daher
zu einem Kurswechsel hin zu einer Deeskalationsstrategie auf. Die Forderung des
Regierenden Bürgermeisters auf Basis der "öffentlichen Ordnung" Versammlungen
oder Protestcamps verbieten zu wollen, entbehrt jeder sachlichen Grundlage und
würde vor keinem Gericht standhalten. Die damit einhergehende Diffamierung der
Justiz, unliebsame Demonstrationen nicht zu verbieten, ist inakzeptabel. Eine
Verschärfung des Versammlungsfreiheitsgesetzes lehnen wir ab, das Grundrecht der
Versammlungsfreiheit muss gewahrt bleiben.
Wir stehen in Berlin gemeinsam vor der Aufgabe, Sorgen und Anliegen der hier
lebenden Communities anzuerkennen, Ängste abzubauen und verloren gegangenes
Vertrauen wieder aufzubauen. Dazu braucht es Räume, in denen ein offener und
konstruktiver Austausch möglich ist. Gerade diese scheinen derzeit aber immer
kleiner zu werden. Ein solcher Dialog darf keine Vorbedingungen haben – auch
wenn Vorurteile und Misstrauen bestehen, können diese nur durch ehrlichen
Austausch und Begegnung abgebaut werden. Wir stehen in Berlin gemeinsam in der
Verantwortung, solche Räume zu schaffen und bestehende Räume zu stärken und zu
schützen.
Wir erwarten vom schwarz-roten Senat zudem endlich klare Worte gegen das
Aushungern und Sterben der palästinensischen Zivilbevölkerung im Gazastreifen.
Investiert werden muss außerdem dringend in die Prävention, aber genau hier
setzt der schwarz-rote Senat im Doppelhaushalt 2026/2027 den Rotstift an: Im
Bereich der Bildung werden wichtige Präventionsprojekte an Schulen weiter
gekürzt oder sogar ganz gestrichen. Diese Kürzungen schwächen nicht nur den
Schutz jüdischen Lebens, sondern werden Berlin langfristig gesellschaftliche
Schäden zufügen. Wir fordern die schwarz-rote Koalition dringend dazu auf, im
Haushalt ihren verbalen Bekenntnissen Rechnung zu tragen und für eine offene und
vielfältige Gesellschaft auch die entsprechenden finanziellen Mittel
einzusetzen.
Um konkret den besonders vulnerablen Menschen in Gaza zu helfen, fordern wir
außerdem in Berlin ein kurzfristig einzusetzendes Aufnahmeprogramm für besonders
schutzbedürftige Menschen aus dem Gazastreifen. Es muss jetzt ein
Aufnahmeprogramm entwickelt werden, um gezielt insbesondere Kinder und deren
Angehörige zu evakuieren, die dringend medizinische, psychologische und soziale
Hilfe brauchen. Zudem müssen gefährdete Menschen durch ihre in Berlin lebenden
Angehörigen aufgenommen werden können.
Der schwarz-rote Berliner Senat muss sich gegenüber der schwarz-roten
Bundesregierung mit Nachdruck dafür einsetzen, dies dem Land Berlin zu
ermöglichen. So können wir von Berlin aus einem Beitrag leisten, um das
unerträgliche Leid in der Region zu lindern.