Veranstaltung: | LDK am 3. Juni 2023 |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 7 Weitere Anträge |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landesdelegiertenkonferenz |
Beschlossen am: | 03.06.2023 |
Antragshistorie: | Version 3 |
Hitzehilfe für Obdachlose in Berlin
Beschlusstext
Berlin wird immer wärmer. In den Sommermonaten folgen Hitzesommer auf Hitzesommer, die
Temperaturen klettern auf ungeahnte Höhen. Auch außerhalb des Sommers steigen die
Temperaturen spürbar an. Der Klimawandel ist für alle Berliner*innen spürbar. Hitzesommer
sind nicht mehr die Ausnahme, sondern werden die Regel in Berlin sein und die Stadt wird
sich noch weiter aufheizen. Hitzewellen werden häufiger, in ihrer Intensität stärker und
auch länger anhaltend sein. Durch die bauliche Struktur der Stadtmitte werden innerhalb des
S-Bahnrings sogenannte Tropennächte zunehmen. Der menschliche Körper wird unter Dauerstress
gesetzt, Schlafstörungen nehmen zu. Die Hitze hat bereits heute dramatische Auswirkungen auf
Mensch und Natur: Austrocknende Bäume und Parks, vertrocknete Böden und dramatische
gesundheitliche Auswirkungen auf die Menschen.
Hitze tötet. Die Hitze führt zu einem hohen gesundheitlichen Risiko, besonders für Kinder,
Schwangere, Ältere und Menschen mit Vorerkrankungen. Das Herz-Kreislauf-System leidet und
damit einhergehend gibt es ein höheres Risiko für Herzinfarkte, Muskelkrämpfe,
Schwindelanfälle. Hitzeschläge nehmen zu und Erschöpfungssymptome treten auf. Der
menschliche Körper reagiert auf Hitze mit dem vermehrten Ausstoß von Schweiß, sodass wir
mindestens 2 bis 3 Liter Wasser täglich trinken müssen.
Innerhalb der Risikogruppen sind es oft Frauen, die von Hitzewellen besonders betroffen
sind. Wir brauchen, wie auch in anderen medizinischen Bereichen, Daten, die beispielsweise
untersuchen welchen Einfluss der geringere Anteil an Schweißdrüsen bei Frauen gegenüber
Männern auf den Schweregrad von hitzebedingten Erkrankungen hat.
Seit 1985 sind in Berlin über 3000 Menschen aufgrund von Hitze gestorben. 2020 starben 174
Menschen an Hitze in Berlin. Das liegt deutlich über dem Durchschnitt von 87 Hitzetoten von
1985 bis 2019. Besonders Obdachlose sind gefährdet, da sie nicht über die Ressourcen
verfügen, um sich vor Hitzewellen am Tage und tropischen Nächten zu schützen. Weder verfügen
sie über Rückzugsräume wie eigenen Wohnraum, um sich dort aufzuhalten und vor der Hitze zu
schützen, noch über die finanziellen Möglichkeiten genügend zu trinken oder nur leichte Kost
zu sich zu nehmen. Ebenso ist ihr Immunsystem durch das Leben auf der Straße oft
angeschlagen, sodass die Hitze ihnen besonders gesundheitlich zusetzt. Obdachlose sind die
Personengruppe in Berlin, die sich aus eigenen Mitteln am wenigsten vor der Hitze schützen
kann, aber für die die Hitze die dramatischsten Auswirkungen hat.
Der Hitzeschutz für Obdachlose ist daher immer häufiger eine Frage von Leben und Tod für
Obdachlose und muss deshalb in den kommenden Jahren in Berlin weiter ausgebaut werden.
Diesbezüglich setzen wir uns für folgende Forderungen ein:
1. Wir begrüßen das Modellprojekt Hitzehilfe der Senatsverwaltung für Soziales, das
gemeinsam mit dem Bezirk Tempelhof-Schöneberg im Sommer 2022 durchgeführt wurde. Hier
konnten sich Obdachlose täglich von 10.00 bis 20.00 Uhr aufhalten, duschen und ausruhen. Sie
erhielten außerdem Essen und Getränke sowie bei Bedarf Thermosflaschen, Kleidung,
Schlafsäcke und Sonnenschutzprodukte, wie der zuständige Träger mitteilte. Ergänzend gab es
vor Ort Beratungsangebote für die Obdachlosen. Wir setzen uns dafür ein Angebote der
Hitzehilfe für Obdachlose in der gesamten Stadt sukzessive auszubauen und regelhaft jedes
Jahr von den Monaten Juni bis September vorzuhalten.
2. Die Kältehilfe muss um die Hitzehilfe ergänzt werden und zu einem ganzjährigen Angebot
mit Beratungs- und Schlafmöglichkeiten weiterentwickelt werden. Die Kältehilfe hat sich in
Berlin etabliert, um Obdachlose vor dem Kältetod zu bewahren. In Zukunft muss es auch Schutz
geben vor den Todesfolgen durch Hitze. Deshalb brauchen Obdachlose in Hitzesommern besonders
die Möglichkeit sich an kühlen Orten tagsüber aufzuhalten, auszuruhen und in tropischen
Nächten an kühlen Orten zu schlafen. Ergänzend brauchen wir klimatisierte
Schlafmöglichkeiten im Rahmen der Hitzehilfe. Notunterkünfte und Übergangshäuser sollen
klimafreundlich klimatisiert werden. Diese Angebote wollen wir mit Beratungsangeboten
verbinden, um Obdachlose in Wohnungslosenunterkünfte zu vermitteln. Hierzu müssen mobile
Beratungsangebote für Obdachlose wie der “Frostschutzengel” für die Sommermonate ausgebaut
werden.
3. Anlehnend an den Kältebus braucht Berlin einen Hitzebus, der Obdachlose tagsüber und in
den Nachtstunden aufsucht, sie vor der Hitze durch die Bereitstellung von Wasserflaschen,
Regenschirme, Sonnencreme und Kopfbedeckungen schützt und sie bei Bedarf an kühle Orte
fährt, wo sie sich ausruhen können, beraten werden und die Möglichkeit haben dort zu
schlafen.
4. Der öffentliche Raum hat für Obdachlose eine weitergehende Funktion als für den Rest der
Berliner*innen. Er ist ihr (vorübergehendes) Zuhause an dem sie sich 24 Stunden aufhalten.
Der klimagerechte Umbau des öffentlichen Raums mit mehr entsiegelten Flächen und mehr grünen
Oasen ist daher nicht nur aus Klimaschutzgründen notwendig, sondern auch für das Überleben
von Obdachlosen. Obdachlose brauchen insbesondere schattige Plätze für den täglichen
Aufenthalt, Sitzgelegenheiten und mehr Möglichkeiten etwas zu trinken durch weitere
öffentliche Trinkwasserbrunnen, was beim klimagerechten Umbau der Kieze berücksichtigt
werden muss. Wir setzen uns für den Ausbau der Trinkwasserbrunnenstruktur, insbesondere auch
an durch Obdachlose stark frequentierten Orten, ein.
5. In heißen Sommern benötigen Obdachlose die Möglichkeit sanitäre Anlagen zu nutzen, um
sich dort zu erfrischen, sich abzukühlen, sich zu waschen und auf die Körperhygiene zu
achten sowie Verbrennungen der Haut zu vermeiden. Daher wollen wir die Möglichkeiten City-
Toiletten kostenlos zu nutzen weiter ausbauen. Wir fordern außerdem die Anschaffung eines
zweiten Duschbusses, analog des „Duschmobils für obdachlose Frauen“ des Sozialdienstes
Katholischer Frauen e.V. Berlin.
Die Klimakrise hat viele Auswirkungen, die bis heute zu wenig mitgedacht werden. Hitzeschutz
ist eine davon. Wir wollen mit den genannten Maßnahmen erreichen, dass auch Obdachlose, eine
der vulnerabelsten Gruppen unserer Gesellschaft, Hitzesommer überleben können. Bei der
Planung und Umsetzung aller Maßnahmen müssen intersektionale Bedarfe geprüft und
berücksichtigt werden. Zusätzlich ist es weiterhin geboten, alles Notwendige zu unternehmen,
damit kein Mensch auf der Straße leben muss.