Änderungen von V-33 zu V-33
Ursprüngliche Version: | V-33 (Version 1) |
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Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 30.03.2024, 10:56 |
Neue Version: | V-33 (Version 2) |
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Status: | Beschluss |
Eingereicht: | 04.05.2024, 19:29 |
Titel
Antragstext
Von Zeile 1 bis 69:
Der 7. Oktober veränderte die Lebensrealität von Jüdinnen*Juden weltweit unwiderruflich. Zwar war Antisemitismus in der Gesellschaft und an Hochschulen schon vorher präsent, doch das Ausmaß, in dem er seit Anfang Oktober aufgeflammt ist und öffentlich wurde, ist erschütternd. Insbesondere nach dem brutalen Angriff auf den jüdischen FU-Studenten Lahav Shapira ist das Ausmaß des Antisemitismus an deutschen Universitäten landesweit bekannt geworden. Für jüdische Studierende hat es das aber nicht gebraucht, um den Ernst der Lage zu sehen. Jüdische Studierende haben sich noch im Oktober Urlaubssemester genommen und viele jüdische Menschen haben sich nicht mehr an die Universitäten getraut, weil bereits in der ersten Woche klar wurde, wie fatal die Situation an Hochschulen ist und sein wird, lange bevor die militärische operation der IDF begann. Eins ist klar: Der schwellende Antisemitismus wurde mit dem Pogromm an Juden*Jüdinnen und Israelis am 7. Oktober entfesselt.Das Aufflammen von antisemitischen Vorfällen seit Oktober ist besorgniserregend und erschütternd. Nach dem brutalen Angriff auf einen jüdischen FU-Studenten ist diese Situation präsenter denn je. Für jüdische Studierende hat es das aber nicht gebraucht, um den Ernst der Lage zu sehen. Jüdische Studierende haben sich noch im Oktober Urlaubssemester genommen und viele jüdische Menschen haben sich nicht mehr an die Hochschulen getraut.
Nach dem schrecklichen Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober kam es an vielen deutschen Hochschulen zu antiisraelischen bzw. zu in Form und Wesen klar antisemitischen Vorfällen. Diese begannen bereits am 7. Oktober, lange bevor Israel sein Recht auf Selbstverteidigung gegen den Terror der Hamas wahrnahm. Die humanitäre Situation in Gaza ist unsagbar und 134 Geiseln sind immer noch in unmenschlichen Verhältnissen gefangen gehalten. Wichtig ist aber, dass dies eine außenpolitische Situation ist. Parallel dazu haben wir innenpolitische Probleme, die zwar durch den 7. Oktober angestoßen wurden aber eine ganz eigene Dynamik entwickelt haben und die unser politisches Handeln verlangen.
Jüdische Studierende und Mitarbeitende geben sich, wenn sie sich auf dem Campus bewegen, oft nicht als Jüdinnen*Juden bzw. als israelische Staatsbürger*innen zu erkennen, da sie sich bedroht fühlen und es sind. Dies begleitet den Hochschulalltag seit Monaten und nimmt bloß zu. Drohungen, das Anbringen von antisemitischen Plakaten oder Graffiti, Gewaltakte sowie öffentliche Unterstützung für den Terrorismus der Hamas sind inakzeptabel und dürfen niemals toleriert werden. Hochschulen sollen Zentren demokratischer Kultur, Orte des Dialogs und Stätten der Vielfalt sein. Sie müssen gewaltfreie und rationale Diskursräume bieten. Es darf keinerlei Gewalt, sei es verbal oder physisch, geduldet werden, keine Form der Diskriminierung, das bedeutet: Keinen Antisemitismus und keine Form der Ausgrenzung – auch nicht gegen Studierende und Mitarbeiter*innen palästinensischer Herkunft.
Das Miteinander an Hochschulen, auf und neben dem Campus beruht auf gegenseitigem Respekt, der Einhaltung wissenschaftlicher Grundsätze, der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und der Gesetze. Die momentane Tendenz von Hochschulen, die Freiheit der Lehre mit einer gebotenen Neutralität, im Sinne eines „Sich-raus-Haltens“ zu begegnen, ist besorgniserregend. Neutralität ist nie Selbstzweck und bedarf eines guten Grundes. Wenn jüdische Studierende sich nicht an den Campus trauen, in den Bibliotheken Angst haben und um ihre Sicherheit fürchten müssen - dann kann es nicht sein, dass man sich raus hält. Dann ist neutral sein unmöglich da die Entscheidung sich rauszuhalten bereits ein im Stich lassen jüdischer Studierender ist. Demokratie heißt vor allem auch Minderheitenschutz. Insbesondere wir Bündinsgrüne stehen dafür ein, dass Demokratie nicht zum Übertönen einer lauten Menge über eine schutzbedürftige kleinere Gruppe verkommt.
Der Beschluss der Kulutusministerkonferenz (KMK) gegen Antisemitismus und Israelfeindlichkeit vom7. Oktober ist begrüßenswert aber zeigt gleichzeitig, dass ein Top-Down Ansatz nicht reicht. Nur weil die KMK sich gegen Antisemitismus ausspricht, kommt dies leider nicht in der breiten Gesellschaft an, wo das Problem liegt. Es braucht politisches Handeln aller politischen Ebenen, um gesellschaftliche Strukturen umzukrempeln und akuten Situationen zu begegnen.
Es wurde klar, was jüdische Akteur*innen schon lange anmahnten: Es fehlt ein Verständniss von Antisemitismus und ein Bewusstsein für aktuelles jüdisches Leben. In ganz Deutschland gab es im Winter 2023 bloß 3. Beauftragte gegen Antisemitismus an Hochschulen. Und es wurde ersichtlich, dass Antidiskriminierungsbeauftragte hier die Situation alleine nicht bewältigen konnten. Antisemitismus ist dezidiert nicht bloß eine Unterform von Rassismus. Es hätte langfristig Prävention gebraucht und braucht sie immer noch. Zugleich sind wir nun in einer Krise, in der es auch kurzfristige reaktive Schritte braucht.
Die Anzahl der Vorfälle an Berliner Hochschule ist besorgniserregend. Auch im Gespräch mit jüdischen Studierenden zeigt sich: Sie ist weit höher als das, was medial berichtet wird. Eine Abnahme der Eskalation ist leider nicht absehbar.
Deshalb fordert BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Berlin den Berliner Senat auf, folgende Maßnahmen zum Schutz jüdischen Lebens, insbesondere an Hochschulen, schnellstmöglich zu leisten:
Das Einrichten einer Enquet-Kommission, um aktuelle antisemitische Missstände an Berliner Hochschulen und der Stadtgesellschaft ausgiebig zu untersuchen und in einem zweiten Schritt festzustellen, welche Handlungsmaßnahmen ergriffen werden müssen, um ein sicheres Studieren und Leben für alle zu gewährleisten. Eine solche Kommission muss neben den politischen Vertretungen auch akademisch-jüdische Organisationen, mindestens Expert*innen des Feldes Antisemitismus in Bildungsstätten sowie die demokratischen Vertretungen, insbesondere von jungen Jüdinne*Juden in Deutschland, einbeziehen und beachten.
Das ist nicht akzeptabel. Hochschulen müssen Orte sein an denen sich alle frei von Angst bewegen können. Antisemitismus ist eine Bedrohung für Jüdinnen*Juden, aber auch für unsere Gesellschaft und den akademischen Raum.
Jüdische Studierende, Mitarbeitende und Lehrende geben sich, wenn sie sich auf dem Campus bewegen, oft nicht als Jüdinnen*Juden bzw. als israelische Staatsbürger*innen zu erkennen.Auch wenn Antisemitismus seit dem 7. Oktober neu erstarkt war dieser auch vor dem 7. Oktober existent und tief in unserer Gesellschaft und so auch in unserer Wissenschafts- und Hochschullandschaft verwurzelt. Es braucht jetzt strukturelle Antworten, sowie eine kontinuierliche und proaktive Auseinandersetzung mit Antisemitismus an Hochschulen. Zum einen mit Antisemitismus, der in Institutionen verankert ist durch Einstellungen und Praktiken, subtil und offen die Diskriminierung von Jüdinnen*Juden stärkt, aber auch mit Antisemitismus der nicht immer offensichtlich direkt gegen Jüdinnen*Juden ausgeübt wird, jedoch aber Ressentiments in z.B. Sprache auch unbewusst stärkt.
Wir orientieren uns in diesem Kontext an der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA), die israelbezogenen Antisemitismus mit einschließt, als einer Arbeitsdefinition. Sie ist Grundlage für alle unsere kontinuierliche Arbeit im Bereich Antidiskriminierung zu Antisemitismus. Israel bezogener Antisemitismus ist erkennbar an Doppelstandards, Delegitimierung und Dämonisierung von Israel (z.B. die Aberkennung des Existenz- oder Selbstbestimmungsrechtes oder auch die Gleichsetzung mit dem Nationalsozialismus), aber auch wenn Jüdinnen*Juden aus aller Welt für das Regierungshandeln Israels verantwortlich gemacht werden oder Israelis mit antisemitischen Bildern, Symbolen oder Floskeln in Verbindung gesetzt werden.
Auf Grund dieser Definition verurteilen wir auch die Kampagne „Boycott, Divestment and Sanctions“ als antisemitisch, sowie deren aktive Unterstützung.
Vor diesen Hintergründen lehnen wir auch eine Verengung der Debatte auf reine Exmatrikulationsforderungen ab. Eine solche Debatte greift zu kurz. Der Fokus muss sowohl auf dem Schutz von Betroffenen liegen, aber darf einen klaren bildenden und präventiven Ansatz nicht aus dem Blick verlieren.
Der Kampf gegen Antisemitismus darf nicht missbraucht werden, um rassistische Diskurse zu schüren oder marginalisierte Gruppen gegeneinander auszuspielen.
Deshalb fordert BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Berlin , folgende Maßnahmen zum Schutz jüdischen Lebens, insbesondere an Hochschulen, schnellstmöglich zu leisten:
- Eine klare Positionierung der Hochschulen gegen jede Form von Antisemitismus und zum Existenzrechts Israels.
- Eine klare Haltung gegen antisemitische Gruppen und Organisationen. Keine Toleranz und keine Räume für Organisationen, die Hass und Diskriminierung auf dem Campus verbreiten.
- Keine Unterstützung und Gelder für Veranstaltung, Organisationen oder Menschen, die die BDS-Kampagne aktiv unterstützen oder deren Ziele stärken.
- Eine Evaluation zu Antisemitismus an Hochschulen, mit der Einbeziehung aller Statusgruppen. Diese soll Grundlage sein für die Entwicklung von Konzepten gegen Antisemitismus, sowie Schutzraumkonzepte sein. Diese müssen auch präventiv wirken und mit einem freiheitlichen Wissenschaftssystem vereinbar sein. Insbesondere sind auch Hilfs- und Meldestrukturen zu bedenken. Diese Konzepte müssen niedrigschwellig zugänglich und allen Mitgliedern der Hochschule aktiv bekannt gemacht werden.
- Eine gesetzliche Verankerung von Antisemitismusbeauftragten oder analogen Funktionen mit dieser expliziten Zuständigkeit an allen Hochschulen, welche eng mit den Gremien der Selbstverwaltung und den Hochschulleitungen zusammenarbeiten. Sie müssen für ihre effiziente Arbeit mit den entsprechenden Ressourcen ausgestattet werden.
- Das AGG muss effektiv umgesetzt werden, dazu gehören Schulungen und Sensibilisierungen der Beschäftigten, aber auch dass die AGG-Maßnahmen ihre Wirkungen entfalten können, auch bei verbeamteten Lehrpersonal. Neben Bildungsangeboten zählen hierzu auch konsequente Reaktionen von den Hochschulen selbst. Gleichzeitig müssen auch die AGG-Beschwerde- und Beratungsstellen im Umgang mit Antisemitismus weiter gebildet werden, so das sie ihre Rolle in der Beratung von Betroffenen und in der Prävention besser wahrnehmen können.
- Die Stärkung von psychotherapeutischen Angeboten an Hochschulen und den Ausbau der psychosozialen Beratung des Studierendenwerks. Diese sollen eng verzahnt werden mit den Beratungs- und Therapieangeboten außerhalb von Hochschulen, die einen Fokus auf die Bewältigung von Diskriminierung legen.
- Zugang zu Fortbildungsangeboten für alle Hochschulmitglieder, insbesondere aber für Menschen in Schlüsselpositionen, mit dem Fokus auf das Erkennen und den Umgang mit Antisemitismus, auch vor dem Hintergrund des Nahost-Konflikts.
Der Senat stellt sicherSicher zu stellen ist, dass die Finanzierung von drei Feldern die zwar verschränkt, aber niemals als eins gedacht werden müssen, langfristig finanziell durch einen
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Die Möglichkeit von Exmatrikulationen oder des Universitätsausschluss ist als ultima ratio bei Gewaltvorfällen, bei denen nachweislich eine weitere Gefährdung anderer Hochdchulmitglieder besteht zu begrüßen, um dem bundesweit bereits existierenden Schutzstandard gerecht zu werden. Besonders in Berlin als Studierenden-Metropole in Europa ist dies wichtig. Sie ist mit der expliziten Forderung nach einem Konzept für Diskriminierungsschutz und gegen Missbrauch zu verbinden.
Der Senat wird aufgefordert, in seiner politischen Ausgestaltung dafür Sorge zu tragen, dass ein Ausspielen von Minderheitengruppen gegeneinander nicht salonfähig wird. Dafür bedarf es ein Anerkennen von Antisemitismus aus allen Lebensbereichen: Egal welche politische Ausrichtung ein Mensch in Berlin hat Antisemitismus ist eine tatsächliche Gefahr die aus allen politischen Denkrichtungen, aus allen Weltanschauungen von Menschen ausgeht. Antisemitismus ist leider eben nicht bloß ein Problem des rechten Spektrums. Deshalb wird der Senat aufgefordert, die Finanzierung und Umsetzung von Forschungsprojekten zur Ermittlung, belastbarer, valider Empirie, wie Statistiken, zu antisemitischen Tendenzen der Gesellschaft zu erheben. Ein faktenbasierter Diskurs muss gefördert werden.
Die Prüfung der Möglichkeit einer Kolanzregelung für Studierende, die durch die Situation, die seit dem 7. Oktober herrscht, vom universitären Betrieb ausgegrenzt wurden. Ebenfalls die Anregung bei den Universitätsleitungen hierzu. Studierende haben Verzögerungen in ihrem Studium, die ggf. durch Zusatzsemester ausgeglichen werden müssen.
Der Senat ist aufgefordert, zusammen mit den Hochschulen und in Kooperation mit relevanten Gremien die Erarbeitung eines Konzeptes zum Umgang mit Krisen im Hochschulbetrieb zu erarbeiten. Insbesondere Hilfs- und Meldestrukturen sind zu bedenken. Zusätzlich muss ein aktives Bekanntmachen geschaffener Strukturen mit ihnen einhergehen.
Das Land Berlin bekennt und verpflichtet sich, an der IHRA Definition festzuhalten und diese im Zuge allen politischen Handelns beizubehalten und mitzudenken.
- Für die kurzfristige Schutzwirkung für Betroffenen entfaltet Ordnungsrecht nur eine bedingte Wirkung es braucht viel mehr ein effektiv nutzbares Hausrecht, das auch konsequent genutzt wird. Ein Ordnungsrechtverfahren soll nur unter dem Aspekt der Verurteilung nach einer Gewalttat möglich sein, die die körperliche Unversehrtheit von anderen Mitgliedern der Hochschule gefährdet. Die Exmatrikulation kann nur die Ultima Ratio, nach einem Verfahren mit steigenden Eskalationsstufen sein, wenn auch eine weiter bestehende Gefährdung anderer Hochschulmitglieder besteht. Diese Beurteilung kann nur durch ein volldemokratisches Gremium erfolgen. Die Exmatrikulation darf nicht bundesweit unbegrenzt und nicht für alle Studiengänge Wirkung entfalten. Eine erneute Immatrikulation an einer anderen Hochschule kann als Maßnahme der Resozialisation dienen.
- Nicht nur die Sicherheit von jüdischer Sichtbarkeit auf dem Campus ist zu gewährleisten, sondern auch religiöse Feiertage zu beachten und für Prüfungen und Urlaub entsprechende Regelungen zu schaffe.