Veranstaltung: | LDK am 04. Mai 2024 |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 3 Leitantrag zum Thema Demokratie stärken |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landesdelegiertenkonferenz |
Beschlossen am: | 04.05.2024 |
Antragshistorie: | Version 2 |
Demokratie sichern, Diskriminierung bekämpfen
Beschlusstext
Berlin: für viele die Stadt der Freiheit. Weltoffenheit, Vielfalt, Selbstbestimmung – das
sind Versprechen unserer Stadt, wegen derer viele Menschen gerne herkommen, wegen derer
Menschen gerne hier leben.
Es ist unser aller Aufgabe, dieses Versprechen zu schützen und einzulösen. Denn zu Berliner
Realität gehört auch, dass viele Menschen sich in unserer Stadt nicht sicher fühlen – weil
sie aufgrund ihrer (zugeschriebenen) Herkunft oder ihrer Religion, aufgrund äußerlicher
Merkmale oder einer Behinderung, aufgrund von sexueller Orientierung oder geschlechtlicher
Identität diskriminiert, beleidigt und körperlich angegriffen werden. Rassismus,
Antisemitismus, Antifeminismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit nehmen zu; immer
mehr rechtsextreme Gewalttaten verunsichern und bedrohen die Menschen in unserer Stadt. Die
Polizei Berlin registriert in den erfassten Straftaten bei der politisch motivierten
Kriminalität im Bereich der PMK-rechts einen anhaltenden Anstieg. Mit 2.294 erfassten Fällen
ergibt sich ein Plus von 5,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Mit 70 offenen Haftbefehlen
stellt auch die Zahl der Rechtsextremist*innen auf der Flucht vor dem Staat die größte
Gruppe im Bereich des Staatsschutzes dar. Hinzu kommen Gruppierungen die rechtsextreme
Narrative und Strategien verfolgen und von den Sicherheitsbehörden in der seit der Corona-
Pandemie stark angewachsenen Kategorie „nicht zuzuordnen“ geführt werden. Fest steht damit
zweifellos: Rechtsextremist*innen, Verschwörungsideolog*innen und die Reichsbürgerszene sind
aufgrund ihrer Gewaltbereitschaft gegen Leib und Leben die größte Gefahr für die
Sicherheitslage in Deutschland und auch in Berlin. Die Opferberatungsstelle ReachOut
dokumentierte für dasselbe Jahr 336 rechtsextreme, rassistische und antisemitische tätliche
Angriffe in Berlin. Es ist ganz deutlich: die größte Bedrohung unserer Demokratie kommt von
der extremen Rechten. Und das ist insbesondere für betroffene Menschen nicht neu. In unserer
Gesellschaft ist rassistisches, antisemitisches, antimuslimisches und antifeministisches
Gedankengut schon sehr lange weit verbreitet und für viele Menschen eine reale und große
Bedrohung.
Multiple Krisen in der Welt und in Europa verstärken die Verunsicherung bei vielen Menschen:
die Folgen der Coronazeit waren noch nicht ausgestanden, als Russland über seine seit zehn
Jahren andauernden völkerrechtswidrigen Kriegshandlungen hinaus seinen vollumfänglichen
völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf die Ukraine startete. Der brutale russische Terror
bringt täglich unfassbares Leid über die ukrainische Bevölkerung. Auswirkungen dieses
Krieges sind auch in Deutschland und Berlin zu spüren. Insbesondere die gestiegenen
Lebenshaltungskosten waren und sind für viele Berliner*innen eine Herausforderung. Diese
ohnehin angespannte Situation wird weiter erschwert durch die Notlage der ukrainischen
Geflüchteten, die in Berlin Zuflucht vor dem völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die
Ukraine suchen. Viele von ihnen stehen vor großen Herausforderungen, wie dem Zugang zu
angemessenem Wohnraum und der Integration in den Arbeitsmarkt. Gleichzeitig erleben Jüdinnen
und Juden in Berlin und weltweit eine Zunahme antisemitischer Vorfälle, verstärkt durch die
jüngsten grausamen Terrorangriffe der Hamas auf Israel. Es besteht seitdem eine erhöhte
Gefährdungslage extremistischer Terroranschläge. Auch die muslimische Gemeinschaft,
insbesondere Palästinenser*innen, sind zunehmend von antimuslimischem Rassismus betroffen,
welcher in politischen und sozialen Diskursen oft übergangen wird. Und über all dem schwebt
gleichzeitig die Klimakrise, die unser aller Lebensgrundlagen bedroht. Von alldem sind
vulnerable Menschen und Gruppen besonders betroffen. Und dennoch liefern sich manche
Parteien einen populistischen Überbietungswettbewerb und versuchen, die verletzlichsten
Gruppen gegeneinander auszuspielen, im Glauben, mit einfachen Versprechungen und Parolen
Wähler*innen zu gewinnen.
Das hilft den Rechtsextremist*innen, die versuchen, diese krisenbehaftete Zeit zu nutzen, um
ihre Ideologie weiter zu verbreiten, gegen Minderheiten zu hetzen und die Demokratie zu
destabilisieren. Doch komplexe Probleme können nicht mit einfachen Antworten gelöst werden.
Es ist Aufgabe aller demokratischen Parteien, diesem Angriff auf unsere freiheitlich-
demokratische Grundordnung etwas entgegenzusetzen. Unsere Demokratie ist wehrhaft und kann
und muss sich gegen Verfassungsfeinde verteidigen. Hierfür geben uns die Mütter und Väter
des Grundgesetzes einen vollen Werkzeugkasten in die Hand: Die Möglichkeit,
verfassungswidrige Vereine zu verbieten, die Regelungen zur Verwirkung von Grundrechten, die
beamtenrechtlichen Treuepflichten und die Möglichkeit zum nachrichtendienstlichen
Verfassungsschutz gehören ebenso zum Arsenal der wehrhaften Demokratie wie die Möglichkeit,
verfassungswidrige Parteien von der staatlichen Finanzierung auszuschließen und das scharfe
Schwert des Parteiverbots; zu eindrücklich hatten sie noch das Ende der Weimarer Republik
vor Augen.
Wir suchen den Schulterschluss mit der engagierten Stadt- und Zivilgesellschaft, die in
Initiativen, Vereinen und auf der Straße Haltung zeigt. Wir stehen an der Seite von
Unternehmen, die unter den Eingewanderten Arbeits-, Fachkräfte und Auszubildende suchen und
sich um ihre Integration bemühen. Die breite Reaktion auf die Veröffentlichung der
Correctiv-Recherche, die vielen Demonstrationen der letzten Wochen und Monate mit Millionen
von Menschen haben gezeigt: dieses Land und diese Stadt wollen nichts von den
Deportationsplänen der AfD und anderer Rechtsextremist*innen wissen und zeigt deutlich: Nie
wieder ist jetzt! Viele Vereine, NGOs, zivilgesellschaftliche Bündnisse, Unternehmen,
Gewerkschaften und Migrant*innenselbstorganisationen leisten hier seit Jahren eine wichtige
und hervorragende Arbeit; sie weiter zu unterstützen ist essenziell und muss im Berliner
Landeshaushalt eine Selbstverständlichkeit sein! Und unsere wehrhafte Demokratie ist nur
dann wirklich wehrhaft, wenn diejenigen, die sie schützen, gut arbeiten können. Statt nur
laut Law and Order zu schreien, muss der schwarz-rote Senat endlich Konzepte entwickeln, wie
Prävention und Bekämpfung von Rechtsextremismus in unserer Stadt besser funktionieren kann!
Der Schutz der Demokratie darf gerade in Zeiten wie diesen nicht finanziell unter die Räder
geraten. Auch wenn Einsparungen im Landeshaushalt nötig werden, darf hier nicht der Rotstift
angesetzt werden.
Zivilgesellschaft: wichtiges Standbein der Demokratie
Eine engagierte Zivilgesellschaft ist eine wichtige Partnerin beim Schutz der Demokratie. Es
ist unsere Aufgabe, sie in ihrer Arbeit zu stärken. Ein Demokratiefördergesetz auf
Bundesebene wurde bereits unter der Vorgängerregierung von der ehemaligen Bundesministerin
Giffey mehrfach angekündigt und immer wieder verschleppt. Deshalb begrüßen wir, dass
Bundesministerin Lisa Paus ein Demokratiefördergesetz vorgelegt hat. Mit diesem Gesetz zur
Stärkung von Maßnahmen zur Demokratieförderung, Vielfaltgestaltung, Extremismusprävention
und politischen Bildung soll der Bund den gesetzlichen Auftrag zur Förderung von Demokratie
und zur Extremismusprävention bekommen und sich dem Kampf gegen Rassismus, Extremismus und
Menschenfeindlichkeit verpflichten. Ziel des Demokratiefördergesetzes ist eine verlässliche
und bedarfsorientierte Förderung von Projekten zur Stärkung von Demokratie und
gesellschaftlicher Vielfalt. Zivilgesellschaftliche Initiativen erhalten damit für ihre
Arbeit mehr Planungssicherheit und eine langfristige Perspektive. Ein wirksames
Demokratiefördergesetz ist ein überfälliges Vorhaben und darf nicht weiter durch die FDP
blockiert werden. Wenn die Demokratie unter Druck gerät, braucht es ein klares Signal an
diejenigen, die zivilgesellschaftlich für eine wehrhafte Demokratie einstehen.
Um zivilgesellschaftliche Strukturen und Bündnisse in Berlin nachhaltig zu stärken, braucht
es auch auf Landesebene ein Demokratiefördergesetz. Die bündnisgrüne Fraktion im
Abgeordnetenhaus hat mit der Vorlage ihres Demokratiestärkungspakets gezeigt, wo der Fokus
liegen muss: Mit 16 Millionen Euro sollten damit in den Jahren 2024 und 2025 Maßnahmen im
Kampf gegen Antisemitismus, Rassismus, Antifeminismus und Queerfeindlichkeit gebündelt
werden; der schwarz-rote Senat setzt im Rahmen des Doppelhaushalts allerdings die falschen
Prioritäten. Die anhaltende Unsicherheit bei allen Initiativen, ob die im Haushalt
ausgewiesenen finanziellen Mittel wirklich gezahlt werden oder doch wegen des Sparzwangs
noch gestrichen werden, ist eine nicht hinnehmbare Situation und gefährdet auch zunehmend
den Kampf für unsere Demokratie. Demokratiefördernde Projekte müssen gerade jetzt
ausreichend finanziert werden. Der Senat muss endlich Klarheit schaffen, wo er sein
Milliardendefizit einsparen wird, und darf nicht länger die Initiativen dieser Stadt am
ausgestreckten Arm verhungern lassen.
Viele Ehrenamtliche fühlen sich deshalb – nicht überraschend – von Schwarz-Rot im Stich
gelassen. Gerade in einer Zeit, in der die Angriffe auf zivilgesellschaftliche Projekte
zunehmen, in der Ehrenamtliche ihr Engagement nicht mehr angstfrei ausüben können, ist das
genau das falsche Signal. Ehrenamtliches Engagement ist gelebte Demokratie. Sie stärkt den
Zusammenhalt unserer Stadtgesellschaft. Wir sind dankbar für die tagtägliche Arbeit der
Ehrenamtlichen unserer Stadt. Doch der Druck auf Ehrenamtliche steigt, auch in der
Kommunalpolitk und den Bezirksverordnetenversammlungen. Journalist*innen und Künstler*innen
sind genauso im Visier der Rechtsextremen wie demokratische Mandatsträger*innen. Hier sind
alle demokratischen Parteien gefordert, geschlossen zueinander zu stehen. Und der Berliner
Senat ist in der Pflicht, dass niemand allein gelassen wird, der*die einem rechtsextremen
Angriff zum Opfer gefallen ist oder von Rechtsextremen unter Druck gesetzt wird. Die
Anlaufstellen für Opfer rechtsextremer Gewalt müssen deshalb dringend abgesichert und besser
ausgestattet werden. Außerdem braucht es eine Stärkung der Aussteigerprogramme für Menschen,
die dem rechtsextremen Milieu den Rücken kehren wollen.
Die wehrhafte Demokratie verteidigen
Das vor 75 Jahren, am 23. Mai 1949 in Kraft getretene Grundgesetz mit seiner Verankerung von
Grundrechten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, gilt es mit allen Kräften zu verteidigen.
Das Grundgesetz gibt uns aus der Erfahrung der Nazi-Diktatur heraus die Mittel dafür. Es ist
unsere Verantwortung, sie im Kampf gegen Verfassungsfeinde auch zu nutzen .Wir fordern
deshalb die Innen-und Justizressorts von Bund und Ländern auf auf, die Voraussetzungen für
ein AfD-Verbot unverzüglich transparent und unterstützt durch externen Sachverstand
abzuschließen, und fordern Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat auf, ein
Verbotsverfahren sodann beim Bundesverfassungsgericht auf den Weg zu bringen. Der Berliner
Senat sollte dies beim Bund und im Bundesrat anstoßen. Das vom Grundgesetz ermöglichte
Parteiverbot ist ein entscheidendes Puzzlestück, um unsere Demokratie zu retten. Uns ist
jedoch auch bewusst, dass sich rechtsextremes Gedankengut nicht auf Knopfdruck verbieten
lässt. Es braucht ein Bündel von Maßnahmen, die kurz-, mittel- und langfristig wirken
müssen. Neben einer resilienten Zivilgesellschaft und guter Bildung und Prävention braucht
es deshalb auch deutliche Schritte in der Justiz, der Polizei und beim Verfassungsschutz.
Rechtsextremismus im öffentlichen Dienst muss konsequent geahndet werden und in allen
Verwaltungen muss die Entfernung rechtsextremer Beamt*innen aus dem Staatsdienst konsequent
verfolgt werden. Wir wollen prüfen, ob eine Verschärfung des Disziplinarrechts nach dem
Vorbild des „Gesetzes zur Beschleunigung von Disziplinarverfahren in der Bundesverwaltung“
auch für das Land Berlin geboten ist, sowie die Fristen verlängern für das
Disziplinarmaßnahmenverbot und Verwertungsgebot bei Verstößen gegen die beamtenrechtliche
Verfassungstreuepflicht und gegen das politische Mäßigungsgebot.
Wir fordern, dass die jeweils obersten Dienstbehörden in diesen Fällen von der Möglichkeit
Gebrauch machen, die Verfahren an sich zu ziehen, um eine einheitliche Anwendung des
Disziplinarrechts zu gewährleisten.
Keine Demokratiefeind*innen in der Berliner Justiz!
Das Beispiel der rechtsextremen AfD-Politikerin Malsack-Winkemann, die als ehemalige
Bundestagsabgeordnete einen gewalttätigen Umsturz plante, ist wohl das bekannteste Beispiel
für Rechtsextreme im Richter*innenamt. Dass Menschen mit klar rechtsextremer Grundhaltung in
Berlin Recht sprechen dürfen, wäre nicht hinnehmbar und insbesondere für Menschen, die nicht
ins Weltbild der AfD passen, eine echte Bedrohung.
Zu einer starken, unabhängigen Justiz gehört, dass Richter*innen sich zur freiheitlich
demokratischen Grundordnung bekennen. Die Neutralität und Unvoreingenommenheit von
Richter*innen ist ein zentrales Prinzip unseres Rechtsstaats. In Berlin haben wir uns
erfolgreich dafür eingesetzt das Instrument der Richteranklage einzuführen. Dieses
Instrument eröffnet dem Parlament die Möglichkeit, mit einem Antrag an das
Bundesverfassungsgericht die Integrität eines Richters oder einer Richterin überprüfen zu
lassen, wenn offensichtlich wird, dass er oder sie den Boden des Grundgesetzes verlassen hat
und sich offen demokratiefeindlich verhält. Verfassungsfeind*innen haben an Berliner
Gerichten nichts zu suchen! Darüber hinaus fordern wir den Senat dazu auf, sich im Bundesrat
für eine Anpassung von § 58 Abs. 2 BVerfGG einzusetzen. Statt eines „Verstoßes im Amt“
sollte Voraussetzung für die Richteranklage die Person selbst und ihr gesamtes Verhalten zur
freiheitlichen demokratischen Grundordnung sein.
Rechtsextreme haben in ihren Netzwerken offensiv aufgerufen, sich für das Schöffenamt zu
bewerben und so das Justizsystem zu unterwandern. Auch hier braucht es klare Regelungen, um
zu verhindern, dass Demokratiefeind*innen Recht sprechen.
Eine demokratisch aufgestellte Polizei schützt den Rechtsstaat - auch in den eigenen Reihen
Die Sicherheitsbehörden sind ein unverzichtbarer Teil der Sicherheitsarchitektur. Wenn die
Demokratie systematisch durch Bedrohung und Gewalt unter Druck gesetzt wird, sind wir auf
handlungsfähige Behörden angewiesen, die die Gesellschaft, den Rechtsstaat und seine
Institutionen schützen. Dabei stellen die politisch motivierte Gewalt im Bereich
Rechtsextremismus, die zunehmende Hasskriminalität, der erhöhte Sicherheitsbedarf von
Politiker*innen und weiteren öffentlichen Personen auch für sie eine große Herausforderung
dar. Als am 29. August 2020 Reichsbürger*innen und andere Rechtsextreme zusammen mit einer
Mischung aus Querdenker*innen und Coronaleugner*innen den Reichstag stürmen wollten, standen
ihnen im letzten Moment nur noch drei Polizisten gegenüber, die die Herzkammer der
Demokratie verteidigten. Wenn Spitzenpolitiker*innen bedroht werden, so sind es die
Personenschützer*innen von LKA und BKA, die dafür sorgen, dass die Betroffenen dennoch
öffentliche Auftritte wahrnehmen können. Jeden Tag schützen Polizist*innen so – und auf
vielfältige andere Art und Weise – unsere Demokratie. Für uns ist klar: Polizist*innen sind
kein Einsatzmittel, sondern in erster Linie Menschen, die sich neben Gefahrenabwehr und
Kriminalitätsbekämpfung der Verteidigung der Demokratie verpflichtet haben - und oft genug
setzen sie dabei ihr eigenes Leben aufs Spiel. Wir stärken all jenen den Rücken, die
innerhalb und außerhalb der Behörde für Rechtsstaatlichkeit und Demokratie eintreten.
Wir setzen uns für gute Arbeitsbedingungen, gute Ausstattung, den Abbau des Sanierungsstaus
sowie eine moderne, diverse und diskriminierungskritische Polizei ein. Wir schützen die
Sicherheitsbehörden vor politischer Vereinnahmung und den Unterwanderungsversuchen
rechtsextremer Kräfte.
Hierzu gehört eine Einstellungspraxis, die frühzeitig Anwärter*innen mit problematischen
Einstellungen am Zugang zum Polizeidienst hindert. Sicherheitsbehörden wie die Polizei waren
historisch und international betrachtet schon immer Anziehungspunkt für Rechtsextreme u.a.
wegen dem Zugang zu Waffen und der Möglichkeit der Gewaltanwendung. Hierarchische Strukturen
und ein tradiertes Männlichkeitsbild fördern dies und müssen überwunden werden.
Der Schutz der Demokratie ist eine der wichtigsten Aufgaben, die es im Staatsdienst zu
erfüllen gilt. Wir müssen diesen Beruf so attraktiv gestalten, dass sich hochqualifizierte
Menschen weiterhin dafür entscheiden. Dazu gehören selbstverständlich gute
Arbeitsbedingungen und ein attraktives Arbeitsumfeld. Die Instandsetzung von Polizeiwachen
ist deshalb kein nice to have, sondern elementar für die gute Arbeit der Polizei. Die vielen
Überstunden, die die Polizei jedes Jahr ansammelt, dürfen nicht zum Normalzustand werden.
Eine angemessene Work-Life-Balance und Familienfreundlichkeit machen den Beruf deutlich
attraktiver und entsprechen dem Anspruch der heutigen Arbeitswelt. Physische und psychische
Gesundheit und Stabilität stehen gerade aufgrund der Herausforderungen des Polizeiberufs
besonders im Fokus. Wir haben mit dem Gesetz über die psychosoziale Notfallversorgung für
das Land Berlin einen wichtigen Schritt zur Schaffung von Strukturen für Betroffene als auch
für Einsatzkräfte geschaffen. Darüber hinaus setzen wir uns weiterhin für eine Verstetigung
und Stärkung der Supervisionangebote bei der Berliner Polizei ein. Insgesamt braucht es mehr
Zeit und Aufmerksamkeit für die Einsatznachbereitung belastender und schwieriger Einsätze
bis hin zum Umgang mit Dienstunfällen durch traumatisierende Einsätze oder Einsatzfolgen.
Die Berliner Polizeiausbildung hat in den letzten Jahren deutlich an Qualität gewonnen.
Gerade in einer diversen Stadtgesellschaft wie der unseren, bleibt es zentral, dass sie
diskriminierungskritisch und diversitätssensibel ausgestaltet ist. Neben einem
ausdrücklichen gesetzlichen Verbot von Racial und Social Profiling fordern wir die
Einführung niedrigschwelliger und unbürokratischer Nachweis- und Aufklärungspflichten
(Kontrollquittung), so dass jede*r weiß, warum sie*er kontrolliert worden ist und die
Implementierung von Community-Policing-Konzepten. Fälle von rechtswidriger Polizeigewalt
müssen konsequent geahndet werden und neben disziplinarrechtlichen auch strafrechtliche
Folgen haben. Die Anwendung von Gewalt durch die Polizei ist im Rahmen des staatlichen
Gewaltmonopols als ultima ratio nur unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt und dann nur in
einem verhältnismäßigen Ausmaß. In Fällen von Willkür und Machtmissbrauch durch die Polizei
hat sich das System "Polizei ermittelt gegen Polizei" nicht bewährt. Berlin braucht eine
unabhängige Ermittlungsbehörde bei Fällen von Fehlverhalten durch die Polizei.
Strafverfahren gegen Polizeibeamt*innen werden durch die Justiz sehr viel häufiger
eingestellt als in anderen Verfahren. Es kommt nur äußerst selten zu einer Anklage und noch
seltener zu einer Verurteilung oder einen Strafbefehl. Die Schwelle für ernsthafte
Ermittlungen und eine Anklageerhebung ist deutlich höher als in anderen Strafverfahren.
Diese schwierige Ausgangslage ist auch einer der Hauptgründe, warum nur ein geringer Teil
der Opfer von Polizeiwillkür überhaupt Anzeige erstattet. Wir wollen Betroffene von
Polizeigewalt besser schützen und stellen uns der Bagatellisierung und Normalisierung
jeglicher Form von Gewaltanwendung durch Sicherheitsbehörden entgegen.
Für Spezialisierungen im Bereich des Staatsschutzes braucht es zudem einen organisierten
Wissenstransfer. Das gilt auch bei der Auswahl und Besetzung von Leitungsstellen im
polizeilichen Staatsschutz. Darüber hinaus muss er für den Phänomenbereich Rechtsextremismus
sowie im Bereich der Hasskriminalität gestärkt werden. Zur besseren Analysefähigkeit sollen
verstärkt Open Source Intelligence-Expert*innen zum Einsatz kommen.
Die Polizei als Behörde hat einen so hohen Stellenwert, da sie als ausführender Arm des
Gewaltmonopols des Staates besondere Verantwortung trägt. Dies ist ein hohes Privileg und
bringt große Macht mit sich. Dass in einem Rechtsstaat eine solche Übertragung immer mit
einer intensiven Kontrolle einhergehen muss, ist für uns selbstverständlich. Daher ist es
entscheidend, dass wir nicht die Augen davor verschließen, dass auch innerhalb der Berliner
Polizei Rechtsextremismus auftritt. Dies anzuerkennen ermöglicht es, verloren gegangenes
Vertrauen wiederherzustellen. Dafür braucht es auch strukturelle Änderungen. Daher ist es
gut, dass es neben internen Beschwerdestrukturen mit dem Polizei- und Bürgerbeauftragten nun
auch eine unabhängige Stelle gibt, die kontaktiert werden kann, wenn Fehlverhalten zutage
tritt. Denn gerade im Falle der Polizei als ausführendem Arm des staatlichen Gewaltmonopols
braucht es eine besondere Sensibilität für die Verantwortung und Vorbildwirkung in der
Gesellschaft. Der immer wieder erhobene Vorwurf des Generalverdachts ist fernab jeder
Realität und erweist sich auch im zweiten Berichtsjahr des Berliner Bürger- und
Polizeibeauftragten als populistische Stimmungsmache. Die Arbeit des Beauftragten stärkt
nachweislich Vertrauen und Akzeptanz bei den Beschwerdeführenden. Der diesjährige Bericht
zeugt gleichzeitig von erheblichem Verbesserungsbedarf der polizeiinternen Fehlerkultur.
Wenn die Behörde Anfragen nicht nachkommt oder Berichte schönschreibt, ist das inakzeptabel.
Perspektivisch braucht der Beauftragte mehr Kompetenzen, insbesondere um in laufenden
Verfahren, in denen bisher Akteneinsicht verweigert wird, eine Schlichtung zu ermöglichen.
Perspektivisch sollen auch Ermittlungsverfahren gegen Polizist*innen von einer unabhängigen
Ermittlungsstelle geführt werden, wie dies in anderen europäischen Ländern bereits heute
Standard ist. Die Polizei und die Innenverwaltung müssen sich mit dem Bericht gewissenhaft
auseinandersetzen und die angesprochenen Probleme konsequent angehen. Fehlverhalten muss
aufgeklärt und nachgegangen werden und Extremismus entschieden entgegengetreten werden. Die
Berliner Polizeistudie zeigt dabei strukturelle Maßnahmen auf, die dazu beitragen, einen
demokratiestärkenden Kulturwandel voranzutreiben als auch den Anspruch eine modernen
Hauptstadtpolizei in einer vielfältigen Weltmetropole zu festigen.
Dass die Verfolgung und Aufklärung von über 380 rechtsextremer Straftaten beim Berliner LKA
jahrelang unbearbeitet blieben, ist ein Skandal und darf sich nicht wiederholen. Wir dürfen
die Betroffenen nicht alleine lassen.
Diese Verschleppung muss detailliert aufgeklärt und es müssen entsprechende
disziplinarrechtliche Konsequenzen getroffen werden. Mögliche Zusammenhänge mit dem
sogenannten "Neukölln-Komplex" müssen untersucht werden. Es müssen außerdem Maßnahmen
ergriffen werden, um sicherzustellen, dass ein solches strukturelles Versagen sich nicht
wiederholt.
Die Verfassung schützen – Gefahren für die Demokratie und den Rechtsstaat erkennen
Der Schutz unserer Verfassung, der darin verankerten Grundrechte und unserer
Staatsorganisation gegen verfassungsfeindliche Angriffe und Bestrebungen, ist eine vom
Grundgesetz vorausgesetzte zentrale gesamtstaatliche und gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Den Herausforderungen zum Schutz der Demokratie gerade in Zeiten der Bedrohung durch
Rechtsextremismus, der Einflussnahme von außen und gezielter Desinformation muss der Staat
mit seinen Institutionen und Mitteln durch effektive Früherkennung im Gefahrenvorfeld
konsequent entgegentreten. Diese Aufgabe muss unter systematischer Einbeziehung von
Engagement und Wissen der Zivilgesellschaft und der Wissenschaft erfüllt werden.
Trotz der erfolgreichen Interventionen des Verfassungsschutzverbundes bei der Verhinderung
extremistischer Anschläge in den letzten Jahren und seiner Beiträge zur Aufdeckung
russischer und chinesischer Spionagekampagnen wird die Tätigkeit des Verfassungsschutzes
zurecht kritisch betrachtet. Die Verfassungsschutzämter des Bundes und der Länder sind ihren
Aufgaben durch ihre langjährige Blindheit auf dem rechten Auge und Stigmatisierung linken
Protestes, dem Versagen im NSU-Komplex, V-Leute-Skandalen und Fehlern im Zusammenhang des
Breitscheidplatz-Anschlages zu oft nicht gerecht geworden. Wir wären heute im Kampf gegen
Rechtsextremismus auch im Land Berlin wesentlich weiter, wenn mit Hans-Georg Maaßen nicht
jahrelang ein Rechtsextremist an der Spitze des Bundesverfassungsschutzes gestanden hätte.
Die rechtsextreme Anschlagsserie in Neukölln, der Umgang mit Feindeslisten oder illegalen
Datenweitergaben haben auch in Berlin vor allem bei Betroffenen Vertrauen gekostet. All das
belegt, dass der Verfassungsschutz in seiner jetzigen Form zu oft nicht funktioniert und die
Kernaufgabe der Früherkennung in Teilen sogar behindert hat.
Wir halten es weiterhin für richtig, durch eine strukturelle Neuordnung eine effektive
Alternative als Weiterentwicklung der bestehenden Verfassungsschutzarchitektur zu schaffen
und so die Wehrhaftigkeit von Staat und Gesellschaft zu stärken.
Es braucht zwei Säulen mit einem unabhängigen, anhand öffentlicher Quellen arbeitenden
Institut zum Schutz der Verfassung sowie einen rechtsstaatskonformen, von polizeilichen
Aufgaben klar abgegrenzten nachrichtendienstlichen Verfassungsschutz mit klarer Fokussierung
auf die Früherkennung von staatsgefährdenden Straftaten, Desinformation, Spionage und
Terrorismus. Dadurch wird die Analysefähigkeit gestärkt und der in Wissenschaft und
Zivilgesellschaft vorhandene Sachverstand über verfassungsfeindliche Bestrebungen
systematisch genutzt. Wir bedauern, dass Schwarz-Rot der von uns geforderten
wissenschaftlichen Untersuchung der Arbeitsweise des Verfassungsschutzes eine Absage erteilt
hat. Diese ist Grundvoraussetzung, um Aufgaben, Prioritäten und Ressourcen der aktuellen
Herausforderungen bewerten und neu justieren zu können.
Die überfällige Überarbeitung des Verfassungsschutzgesetzes muss neben der lückenlosen
Umsetzung der verfassungsgerichtlichen Vorgaben, den Blick auf die aktuellen Bedrohungslagen
schärfen sowie eine angemessen transparente Informationsarbeit auch zu Verdachtsfällen
ermöglichen. Die Finanzströme von Verfassungsfeinden müssen aufgeklärt und unterbrochen
werden. Es braucht darüber hinaus nachvollziehbare Berechtigungskonzepte und
Dokumentationspflichten sowie die gesetzliche Begrenzung und Präzisierung des Einsatzes
menschlicher Quellen, den wirksamen Schutz der Bürger*innenrechte, insbesondere des
Kernbereichs der persönlichen Lebensgestaltung und die Sicherstellung strafrechtlich
relevanter Informationen. Aufsichtliche Vorabkontrollen beim Einsatz nachrichtendienstlicher
Mittel, digitalisiertes Arbeiten und Diversitätsförderung müssen regelhaft implementiert
werden.
Mit einem Verfassungsschutz-Kontrollgesetz wollen wir die bestehenden Kontroll- und
Informationsrechte zur Stärkung der Nachvollziehbarkeit über Informationsgewinnung,
nachrichtendienstliche Tätigkeiten und Bewertungsmaßstäbe verbessern. Auch braucht es analog
zum Bund die Möglichkeit für Mitarbeitende des Berliner Verfassungsschutzes, sich in
dienstlichen Angelegenheiten sowie bei innerdienstlichen Missständen an den
Verfassungsschutzausschuss des Abgeordnetenhauses zu wenden.
Unbenommen dessen befinden wir uns derzeit in der herausfordernden Situation, dass die AfD
den Verfassungsschutz delegitimiert, weil er die Institution sein könnte, die entscheidende
Belege für ihre Verfassungswidrigkeit liefern könnte. Der Berliner Senat steht in der
Pflicht, die beim Verfassungsschutz vorliegenden Informationen in die Prüfung eines
Parteiverbotsverfahrens einfließen zu lassen. Dazu gehört auch sicherzustellen, dass keine
Hinderungsgründe durch V-Leute bestehen, wie es beim ersten NPD-Verbotsverfahren der Fall
war.
Rechtsextreme und kriminelle Strukturen aufdecken und austrocknen
Durch den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur rechtsextremen Anschlagsserie in
Neukölln zeigt sich: Es sind keine Einzelfälle. Rechtsextreme Netzwerke müssen bei
Ermittlungsbehörden und Staatsanwaltschaften als solche erkannt, analysiert und als
tatsächliche Gefahr anerkannt werden.
Um kurz- und mittelfristig Rechtsextremen die Möglichkeit zu nehmen, ihre
menschenverachtende Ideologie auch noch staatlich finanziert weiter zu verbreiten, müssen
wir alle Mittel nutzen, um ihre Strukturen aufzulösen. So sind parallel zur Prüfung des AfD-
Verbots Vereinsverbote beispielsweise gegen die Junge Alternative zu prüfen und
verfassungsfeindlich agierende Stiftungen und Vereine müssen von der öffentlichen
Finanzierung ausgeschlossen werden.
Bei der Finanzierung demokratiefeindlicher Bestrebungen sind Geldflüsse aus illegalen und
kriminellen Quellen stärker in den Blick zu nehmen. Gleiches gilt für ausländische Einflüsse
wie etwa Geldflüsse aus Russland, die überprüft und ausgetrocknet werden müssen; Gewerbe,
die mit Rechtsextremen und anderen Verfassungsfeinden in Zusammenhang stehen, müssen stärker
überprüft werden, auch um Geldwäsche zu verhindern.
Entscheidend ist auch die konsequente Entwaffnung von Demokratiefeind*innen. Es muss das
Ziel sein, dass weder legale noch illegale Waffen in die Hände von Rechtsextremist*innen
gelangen. Wir fordern dazu eine bundesrechtliche Verschärfung des Waffenrechts. Außerdem
muss der Senat die notwendigen Kapazitäten in der Berliner Waffenbehörde zur Durchführung
von Waffenkontrollen, Zuverlässigkeitsüberprüfungen und Erlaubniswiderrufe schaffen.
Abgeordnetenhaus und Verfassungsgericht resilienter machen
Berlin ist eine weltoffene Stadt; die Möglichkeit, dass Verfassungsfeinde die stärkste
Fraktion stellen, scheint hier und heute undenkbar. Dennoch muss das Parlament auch bei
einem Erstarken rechtsextremer Kräfte handlungsfähig bleiben und die Wahl einer*s
demokratischen Parlamentspräsidenten*in sicherstellen. Anders als das Grundgesetz sieht die
Landesverfassung bisher vor, dass die stärkste Fraktion das Vorschlagsrecht für die*den
Präsidenten*in hat. Eine Änderung sollte dagegen das freie Mandat der Abgeordneten in den
Vordergrund stellen. Auch die Leitung der konstituierenden Sitzung des Parlaments sollte
nicht länger dem ältesten (so bisher die Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses), sondern
wie im Bundestag dem Mitglied des Parlaments zufallen, das diesem am längsten angehört. Bei
der Wahl zum Regierenden Bürgermeister vor einem Jahr ist es Kai Wegner erst im dritten
Wahlgang gelungen, die erforderliche Mehrheit zu erhalten. Gleichwohl hat sich gezeigt, dass
auch in Berlin der dritte Wahlgangs nicht eindeutig genug geregelt ist. Um einen möglichen
Missbrauch zu verhindern, wollen wir klarstellen, dass auch im dritten Wahlgang nur gewählt
ist, wer mehr Stimmen als Gegenstimmen erhält.
In den letzten Jahren konnten wir selbst bei unseren polnischen Nachbarn beobachten, wie
Gerichte von rechtspopulistischen und rechtsextremen Kräften ausgehöhlt werden. Auch nach
der Abwahl der rechtspopulistischen PiS-Regierung wird es Jahre dauern und enorme
Anstrengungen aller demokratischen und zivilgesellschaftlichen Kräfte benötigen, um Polen
wieder ein gesichert rechtsstaatliches Fundament zu geben. Mit Sorge sehen wir, wie Kräfte
der alten Regierung weiterhin mit allen Mitteln versuchen, die demokratische Entscheidung
der polnischen Wähler*innen auszuhöhlen. Wir stehen an der Seite unserer Freund*innen von
Partia Zieloni und allen Demokrat*innen in Polen. Wir wollen von ihren Erfahrungen im Umgang
mit antidemokratischen Kräften lernen. Diese Erfahrungen zeigen uns, wie angreifbar unsere
demokratischen Strukturen sind und wie wichtig deren Sicherung.
Um die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichtshofs zu sichern, sollten zentrale Regelungen in
der Landesverfassung verankert werden: In Berlin ist die Amtszeit der Richter*innen, die
Bindungskraft ihrer Entscheidungen und die Organisationshoheit des Gerichts bisher nur
einfachgesetzlich geregelt. Auch die Aufgaben des Verfassungsgerichts sind bisher nur
unvollständig in der Landesverfassung geregelt – so fehlt zum Beispiel die Wahlprüfung. Hier
streben wir Verbesserungen an, um den Berliner Verfassungsgerichtshof gegen
antidemokratische Kräfte abzusichern - dazu werden wir mit den demokratischen Parteien und
Fraktionen ins Gespräch gehen.
Straftaten auch im Netz konsequent verfolgen und Cybersecurity ernst nehmen
Online-Hetze und -Mobbing, digitales Stalking, Doxing, Einschüchterung und das Hacken von
Accounts nehmen stetig zu. Frauenhass, Sexismus, Rassismus und extremistische Ideologien
sind häufige Ursachen für diese Taten.Unsere Gesellschaft und Demokratie stehen folglich
auch online unter Druck.
Mitarbeitende in Sicherheitsbehörden benötigen die nötige Ausbildung, um unsere Sicherheit
auch im digitalen Raum gewährleisten zu können. Mitarbeitende der Strafverfolgungsbehörden
müssen entsprechend weitergebildet und sensibilisiert werden und es braucht eine Stärkung
und engere Kooperation mit Betroffenenorganisationen wie zum Beispiel HateAid. Außerdem
setzen wir uns für eine Anpassung des rechtlichen Rahmens in Bezug auf Datenschutz und
Anerkennung von Hasskriminalität ein. Bereits fehlende Sensibilität beim Erfassen von
Straftaten kann dazu führen, dass politische Motive nicht erkannt werden oder als
vermeintlich kleine Straftaten abgetan werden.
Digitale Gewalt bedroht besonders Frauen und Mädchen, LSBTIQ*, Schwarze Menschen und People
of Color. Und auch Journalist*innen, ehrenamtlich politisch Aktive und Aktivist*innen
geraten zunehmend unter Druck.
Diese digitale Gewalt muss konsequent verfolgt werden. Dafür braucht es eine Modernisierung
der Strafverfolgung zum Beispiel über den Ausbau der Möglichkeit zur digitalen Anzeige, den
Aufbau einer Anlaufstelle, die nach dem erfolgreichen hessischen Vorbild “Hessen gegen
Hetze” als Kompetenzzentrum und Koordinationsstelle dienen soll, sowie
Schwerpunktstaatsanwaltschaften.
Darüber hinaus braucht es eine Strategie gegen Desinformation. Irreführende, falsche und
manipulative Informationen, Bilder und Videos sollen Menschen mit ihrer Wahrnehmung und
Haltung und damit die öffentliche Meinung beeinflussen. Gerade mit den gewachsenen
Möglichkeiten durch Künstliche Intelligenz stellt das eine massive Gefährdung für unsere
Demokratie dar - insbesondere, wenn Wahlen so beeinflusst werden.
Fake News destabilisieren das Fundament der Demokratie. Ihnen müssen wir entgegenwirken,
denn nur, wenn Bürger*innen sich unabhängig informieren können, können sie freie
Entscheidungen zum Beispiel im Rahmen demokratischer Wahlen treffen. Algorithmen müssen
transparent sein, damit die Sichtbarkeit von Inhalten und die öffentliche Meinungsbildung
nicht künstlich manipuliert wird.
Social Media Anbieter tragen hier eine hohe Verantwortung. Sie müssen verpflichtet werden,
stärker tätig zu werden, wenn Hass und Hetze oder Falschinformationen auf ihren Plattformen
verbreitet werden. Und es muss nachvollziehbar sein, wer auf diesen Netzwerken unterwegs
ist; für jede Onlinebestellung gelten strengere Anforderungen an Integrität und
Authentizität als für Social Media Plattformen. Durch den nachdrücklichen Einsatz unserer
Grünen Europaabgeordenten haben wir die europäische Verordnung über digitale Dienste mit auf
den Weg bringen können, die ein sicheres und vertrauenswürdiges Online-Umfeld schafft, die
Grundreche von Nutzer*innen dieser Plattformen stärker schützt und für sie mehr Transparenz
herstellt. Wir werden darauf hinwirken, dass digitale Vermittlungsdienste stärker in die
Pflicht genommen werden und die nun vorhandenen Regulationsmöglichkeiten, einschließlich von
Sanktionen vollends ausgeschöpft werden.
Wir fordern vom Senat massive Investitionen in digitale Aufklärung und Medienkompetenz sowie
Verzahnung und Förderung der Zusammenarbeit zwischen Verwaltungen, Technologieunternehmen
und Zivilgesellschaft, um Missbrauch über Bots so kleinteilig zu kontrollieren, wie er
auftritt. Sowohl im schulischen als auch im außerschulischen Kontext muss Medienbildung eine
größere Rolle spielen.Wir setzen uns für die Stärkung der Bundeszentrale für politische
Bildung in den Bereichen Medienbildung und Medienkompetenz ein. Nur wenn junge Menschen früh
lernen, Fake News und Desinformation zu erkennen, können sie als mündige Bürger*innen in der
Demokratie freie Entscheidungen treffen. Für die Entwicklung und Implementierung von KI-
Systemen, die Bots erkennen und bekämpfen, ist ein gezieltes Berliner
Technologieförderprogramm notwendig. Der Senat muss eine kontinuierliche Revision und
Anpassung der Gesetze auf allen Ebenen sicherstellen, um mit Technologie und Taktik der
Manipulation Schritt zu halten und ihr besser vorbeugen zu können.
Die Bedrohung durch Cyberangriffe und Cybercrime wächst - sowohl durch Kriminelle als auch
durch ausländische staatliche Akteure wie beispielsweise Russland. Der Berliner Senat muss
die Integrität der digitalen Infrastruktur sicherstellen. Angriffe von Hackern auf
öffentliche und private IT-Systeme müssen abgewehrt werden; die Daten der Bürger*innen
müssen geschützt bleiben. Für das Worst Case Szenario eines erfolgreichen Cyberangriffs gilt
es vorbereitet zu sein. Für eine gelungene Aufstellung im Bereich der IT-Sicherheit braucht
es eine Cybersicherheitsstrategie des gesamten Senats. Diese ist unter Einbindung der
Wirtschaft und Zivilgesellschaft zu entwickeln. Nur so ist sichergestellt, dass sie den
nötigen ganzheitlichen Ansatz berücksichtigt. Die Maxime ist, mutmaßliche Angriffe so
schnell wie möglich zu erkennen, den Schaden so gering wie möglich zu halten und eine
möglichst kurze Wiederanlaufzeit der Systeme zu haben. Hierzu gehört, dass alle Berliner
Behörden entsprechende Vorbereitungsmaßnahmen treffen und gängige IT-Sicherheits-Standards
einhalten. Damit alle zuständigen Berliner Behörden bei einem Cyberangriff effektiv und
abgestimmt gemeinsam reagieren können, braucht es ein Berliner Kompetenzzentrum IT-
Sicherheit (BeKIS), das als Informations-, Kooperations- und Koordinationsplattform alle
zuständigen Landesbehörden vernetzt. Zudem sollen Cybersicherheitsübungen etabliert werden.
Dabei hat der Schutz der Bürger*innen höchste Priorität. Für die Verwaltung und besonders
die kritische Infrastruktur (KRITIS) ist die Bedrohung besonders groß: die erhebliche
Reichweite und Auswirkung eines Angriffs machen sie zu einem besonders lohnenden Ziel und
gleichzeitig sind die IT-Strukturen der Verwaltung in einem unzeitgemäßen Zustand. Es drohen
der Verlust von sensiblen, persönlichen Daten, Identitätsdiebstähle, Spionage und der
Zusammenbruch von Dienstleistungen. Damit droht nicht zuletzt auch ein massiver
Vertrauensverlust der Bürger*innen in die Verwaltung und damit in den Staat und den
staatlichen Schutz. Um IT-Sicherheit auf einem hohen Niveau in Berlin gewährleisten zu
können, braucht es daher Mindestsicherheitsanforderungen, eine klare Aufgabenverteilung und
präzise beschriebene Befugnisse der handelnden Behörden. Dies kann nur auf gesetzlicher
Basis geregelt werden - denn nur der Gesetzgeber kann solch wesentlichen Entscheidungen
demokratische Legitimation verschaffen. Ein solches Berliner IT-Sicherheitsgesetz muss der
Senat zeitnah vorlegen.
Pressefreiheit stärken und den ÖRR schützen
Nicht nur online steht die freie Presse unter Druck. Übergriffe auf Journalist*innen haben
in den vergangenen Jahren zugenommen - wer von Querdenker*innen-Demos während der Coronazeit
berichtet hat, musste damit rechnen, beleidigt oder gar körperlich attackiert zu werden.
Diese Übergriffe sind eine ernsthafte Gefahr für unabhängige Berichterstattung und insgesamt
für eine unabhängige Presse - und damit für unsere Demokratie; denn Demokratie lebt von
unterschiedlichen Meinungen und einer freien Presse, die darüber berichtet, damit
Bürger*innen eine informierte Entscheidung treffen können. Deutschland ist aufgrund dieser
Entwicklung im internationalen Pressefreiheit-Ranking von Reporter ohne Grenzen auf Platz 21
abgerutscht. Nach Sachsen war Berlin das Bundesland, das am zweitstärksten betroffen war.
Diese Entwicklung nehmen wir nicht hin. Pressevertreter*innen müssen frei und unabhängig
ihren Job machen können. Übergriffe auf Demos müssen genauso konsequent bekämpft werden wie
digitale Gewalt gegen Journalist*innen!
Zum Schutz der Unabhängigkeit des Journalismus gehört auch der Schutz des öffentlich-
rechtlichen Rundfunks. Auch dieser steht zunehmend unter Druck von rechts außen. Um ihn
besser zu schützen, sollte der Medienstaatsvertrag durch eine Zustimmungspflicht des
Abgeordnetenhauses auch bei Kündigung von Staatsverträgen zusätzlich abgesichert werden.
Vertrauen in die Demokratie stärken, Bildung und Prävention ausbauen
Bildung spielt eine essenzielle Rolle, um Heranwachsenden Partizipationsmöglichkeiten zu
eröffnen, demokratische Werte zu vermitteln und das Vertrauen in die demokratischen
Institutionen zu stärken. Dabei geht es nicht nur um Politik als eigenständiges Schulfach,
sondern auch darum, dass alle Beteiligten den Schulalltag als demokratisches Miteinander
leben und gestalten. Ein Begegnen auf Augenhöhe und echte Mitbestimmungsmöglichkeiten für
Heranwachsende, die Selbstwirksamkeit erfahren lassen, sind dabei von unschätzbarem Wert.
Lernende sollten auch über ihre Bildungsinhalte noch stärker aktiv mitentscheiden
können.Beteiligungskonzepte sollten in allen Berliner Kitas konsequent umgesetzt werden; das
hierfür notwendige Fachpersonal muss zeitnah ausgebildet, der Kind-Fachkraft-Schlüssel
entsprechend angepasst werden. Denn wenn Kinder frühzeitig lernen, dass die eigene Stimme
etwas zählt, sind sie später weniger anfällig für autokratische Strukturen und werden zu
mündigen Bürger*innen, die die Demokratie wertschätzen.
Wir fordern die Erhöhung der relevanten Haushaltsposten zur Unterstützung für Lehrkräfte und
Schüler:innen gegen Antisemitismus und antimuslimischen sowie alle anderen Formen von
Rassismus an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen sowie in Ausbildungsbetrieben. Die
derzeitige Finanzierung, wie sie im Berliner Haushalt vorgesehen ist, reicht vor dem
Hintergrund der aktuellen Lage an Berliner Schulen und außerschulischen Orten der Begegnung
von Jugendlichen für eine qualitativ nachhaltige Arbeit, die stadtweit notwendig ist, nicht
aus. Es braucht eine strukturelle Verstetigung und Erhöhung der Finanzierung für Träger, die
mit, an oder in schulischen und außerschulischen Lernorten für einen interreligiösen,
friedlichen Dialog und globalen Ideenaustausch arbeiten, Wissen über Länder weltweit
vermitteln und mit ihren Materialien und Angeboten Schulen und Betriebe unterstützen.
Hierbei soll auch die deutsche Kolonialgschichte kritisch erarbeitet werden, um Jugendliche
für Machtungleichverhältnisse zu sensibilisieren.
Wir sehen es zudem als zwingend notwendig an, dass Lehrkräfte und das Personal an den
Schulen und Betrieben berlinweit befähigt werden, durch Angebote niedrigschwelliger
Fortbildung auf Hassbotschaften im Klassenraum bzw. am Ausbildungsplatz angemessen zu
reagieren.
Jugendliche und junge Erwachsene müssen über weitere Unterstützungs- und
Partizipationsangebote die Möglichkeit erhalten, einerseits ihre Medienkompetenz zu erhöhen
und andererseits ein vertieftes Verständnis für eine vielfältige und lebendige
Stadtgesellschaft zu erhalten.
Die Landeszentrale für politische Bildung muss gestärkt werden, um ihrem Bildungsauftrag
auch weiterhin gerecht werden zu können. Besonders für den Bereich der Erwachsenen- und
außerschulischen Bildung braucht es noch mehr Materialien und Konzepte, um auch die Menschen
zu erreichen, die nicht mehr zur Schule gehen.
Demokratie bedeutet: Bürger*innen entscheiden ihre gemeinsamen Angelegenheiten selbst
Generell gilt es, alle direktdemokratischen Instrumente und den Einfluss der
Zivilgesellschaft zu stärken und so deutlich zu machen, dass jede Stimme zählt. Dabei ist
aber entscheidend, dass die richtigen Instrumente zur richtigen Zeit eingesetzt werden. Ein
Ja-Nein-Volksentscheid macht dann Sinne, wenn es in einem abgesteckten Rahmen etwas zu
entscheiden gibt.Wir wollen Bürger*innenräte stärken, denn sie können bei grundsätzlichen
Problemen komplexe Lösungen erarbeiten und so die Demokratie und Zivilgesellschaft in den
Kiezen stärken. Mit der zufälligen Auswahl verschiedener Anwohnenden, bringt der
Bürger*innenrat unterschiedliche Menschen zusammen und stärkt die Annahme von Projekten in
den Kiezen.
Menschen- und Minderheitenrechte dürfen niemals Gegenstand einer Mehrheitsabstimmung sein.
Nicht nur in Ungarn lässt sich beobachten, wie von der Regierung durchgeführte
Volksbefragungen „von oben“ die demokratische Opposition und die Zivilgesellschaft
schwächen. Auch die AfD hat dies erkannt und fordert auf Bundesebene konsultative
Volksbefragungen. Volksbefragungen und Volksabstimmungen von oben" lehnen wir ab, da sie
erfahrungsgemäß von der jeweiligen Regierung vor allem genutzt werden, um Akzeptanz für
problematische Vorhaben zu suggerieren, statt in einem fairen und ergebnisoffenen
Diskussionsverfahren die Bürger*innen zu eigener Erkenntnis und eigenen Entschlüssen
gelangen zu lassen. Wir erwarten, dass sich die regierungstragenden Parteien, wenn sie
direktdemokratische Absicherung begehren, auf eigene Kosten und mit denselben Chancen wie
oppositionelle Gruppen um Zustimmung für ihre Positionen bemühen.
Wir wollen, dass alle Menschen selbst erleben, wie bei den besonders wichtigen Sachfragen
ihre Meinungen gehört werden und sie ihre Wünsche und Sichtweisen zum gemeinsamen Leben in
Freiheit beitragen können. Demokratie lebt durch Engagement und Widerstandsgeist. Die aktive
Vielfalt der Berliner Zivilgesellschaft soll Missstände benennen und durch Besseres
ersetzen. Ihr Gestaltungswille soll durch alle direktdemokratischen Instrumente sichtbar und
wirksam werden. Dabei kommt es darauf an, zur rechten Zeit die richtigen Instrumente
einzusetzen und auszubauen. Den Schutz aller Grund- und Menschenrechte vor potentiell
verletzenden und diskriminierenden Volksbegehren wollen wir verstärken. Daher soll im
Abstimmungsgesetzes geregelt werden, dass auch Volksbegehren unzulässig sind, die der
Europäischen Menschenrechtskonvention widersprechen. Wir prüfen, wie die gesetzlichen
Grundlagen für Referenden ausgestaltet werden müssen, um hohen demokratischen Standards zu
genügen.
Kommunale Demokratie neu beleben
Wir wollen das „politisches Bezirksamt“. Die BVVen sollen das gesamte Bezirks-Kollegium
gemäß ihrem Mehrheitswillen frei wählen. Das ordnet die politische Verantwortung sinnvoll zu
und macht für die Bürger*innen transparent, welche Parteien und Koalitionen exekutive
Entscheidungen getroffen haben und treffen. Artikel 74 der Landesverfassung sollte schon
lange entsprechend reformiert sein.
Demokratie braucht Feminismus
Die Rechte von Frauen, inter, nicht-binären, trans* und agender Personen (FINTA) sind ein
Gradmesser der Demokratie, denn autokratische und diktatorische Regime unterdrücken FINTA-
Rechte systematisch. Intersektionaler Queerfeminismus steht für Gerechtigkeit und wo FINTA-
Rechte durchgesetzt werden, nutzt das der gesamten Gesellschaft und trägt zu mehr
Gleichberechtigung nicht nur zwischen den Geschlechtern bei. Deshalb setzen wir uns
strukturell für mehr Gleichberechtigung ein: wir unterstützen die Arbeit der
Gleichstellungsbeauftragten und der Organisationen, die sich für Gleichstellung einsetzen.
Wo FINTA selbstbestimmt leben, stärkt dies die Demokratie. Dazu gehört auch das Recht, über
den eigenen Körper frei zu entscheiden. Das Recht auf Abtreibung gehört hier genauso dazu,
wie die Entscheidung über die geschlechtliche Identität selbstbestimmt treffen zu können.
Wir begrüßen den Vorstoß der Unabhängigen Beauftragten für Antidiskriminierung des Bundes,
Ferda Ataman, zur Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) auf Bundesebene –
es ist höchste Zeit, dass sexuelle Belästigung nach dem AGG auch im Zivilrecht verboten wird
und etwa sexuelle Belästigungen im Fitness-Studio berücksichtigt werden.
Antifeminismus ist der gemeinsame Nenner und eine der tragenden Säulen des
Rechtsextremismus. Er schwächt den gesellschaftlichen Zusammenhalt und untergräbt die
Demokratie. Es ist deshalb keine Überraschung, dass rechtsextreme Gruppen Antifeminismus
gezielt verbreiten und ihn als Einflugschneise für autoritäre Ideologien nutzen. Dabei geht
es vor allem um die Vorstellung, dass in einer sogenannten 'natürlichen Ordnung' einer
binärgeschlechtlichen Welt Frauen Männern untergeordnet seien. Erschreckend ist, wie weit
inzwischen antifeministische Einstellungen verbreitet sind und auf sozialen Netzwerken wie
Tiktok an Reichweite gewinnen. Dem stellen wir uns klar entgegen – der Kampf für FINTA-
Rechte ist der Kampf für unsere Demokratie!
Aufarbeitung und Erinnerungsarbeit stärken
Wir haben in Deutschland mehrfach erlebt, was passiert, wenn rassistische Denkmuster nicht
rechtzeitig erkannt werden oder wenn Menschen sich immer weiter radikalisieren. Die Morde
des NSU, die Anschläge von Halle oder Hanau sind mit die schlimmsten, aber nicht die
einzigen Beispiele dafür. Die Erinnerung an die Menschen, die von Rassist*innen und
Antisemit*innen ermordet wurden, wach zu halten, ist unser aller Aufgabe. Wir sind als Staat
und als Bürger*innen dazu verpflichtet, diese Taten und den Umgang der Ermittlungsbehörden
und der Öffentlichkeit damit aufzuarbeiten und Konsequenzen zu ziehen. Historisches Unrecht
müssen wir überdies nachhaltig kritisch erinnern. Erinnerungs- und Gedenkstätten sowie
Museen, die sich mit den Gräueln des NS-Terrors auseinandersetzen, historische und
antifaschistische Bildungsarbeit leisten, wollen wir stärken. Erinnerungsarbeit bedeutet in
Berlin zudem, die Spuren der diversen Stadtgesellschaft in den Museen und im öffentlichen
Raum abzubilden und die Stadtgeschichte multiperspektivisch und transnational zu erzählen.
Das von uns initiierte gesamtstädtische Konzept für die Aufarbeitung und Erinnerung der
deutschen Kolonialvergangenheit ist ein Meilenstein und muss fortgeführt und verstetigt
werden. Der Prozess der Dekolonisierung ist auch ein Prozess zur Bekämpfung von Rassismus
heute. Er kann dabei nur im engen Dialog mit den postmigrantisch-diasporischen Communitys
und den Nachkommen der Menschen in den ehemaligen Kolonien gelingen.
Antidiskriminierungsstrukturen neu aufsetzen
Von 2016 bis 2023 war Berlin mit der rot-grün-roten Koalition bundesweit Vorreiterin für
eine progressive Antidiskriminierungspolitik. Das Landesantidiskriminierungsgesetz und das
Landesprogramm Diversity sind dafür die bekanntesten Beispiele, die auch deutschlandweit
eine Vorbildfunktion entwickelt haben. Diese Vorbildfunktion droht nun unter Schwarz-Rot
verspielt zu werden. Dagegen stemmen wir uns mit aller Kraft - gemeinsam mit der
Zivilgesellschaft!
Stärkung der Demokratie bedeutet nicht nur, sich gegen alltagsrassistische und rechtsextreme
Tendenzen zu stellen, sondern die offene Gesellschaft für alle Menschen zu verteidigen,
Diskriminierung aktiv zu bekämpfen und Diversität zu fördern. Wir setzen uns dafür ein, dass
Berlin eine gesamtgesellschaftliche Antidiskriminierungs- und Diversitätsstrategie
entwickelt – unter konsequenter Einbindung von Wissenschaft ,den zivilgesellschaftlichen
Akteur*innen, sowie den interessierten Unternehmen, ihrer Verbände und Gewerkschaften. Dabei
müssen alle Formen von Diskriminierung – insbesondere in ihren institutionellen und
strukturellen Dimensionen – Berücksichtigung finden. Gesellschaftliche Handlungsfelder und
Institutionen sind kritisch zu analysieren und jeweils darauf bezogene Antidiskriminierungs-
und Diversitätsmaßnahmen mit konkreten Bearbeitungs- und Umsetzungsempfehlungen (weiter) zu
entwickeln. Ausgangspunkt hierfür muss dabei das bestehende zivilgesellschaftliche Wissen
und die bestehende zivilgesellschaftliche Arbeit gegen Diskriminierung sein. Dabei ist
unsere Antidiskriminierungspolitik immer queerfeministisch und intersektional.
Für die Umsetzung der Antidiskriminierungs- und Diversitätsstrategie braucht es auf Landes-
wie Bezirksebene klare Zuständigkeiten in überfachlicher Verantwortung und Zusammenarbeit,
die Bereitstellung der notwendigen Ressourcen und Finanzmittel und in der Begleitung und
Evaluation ein unabhängiges Expert*innen-Monitoring. Auch in Zeiten knapper Kassen muss
gelten: Maßnahmen gegen Diskriminierung und Ungleichbehandlung haben hohe Priorität!
Zentral für eine Berliner Gesamtstrategie werden weiterhin das
Landesantidiskriminierungsgesetz und das Landesprogramm Diversity sein. Beides sind
Erfolgsgeschichten aus grüner Feder. Wir wollen eine Evaluation und Weiterentwicklung, damit
sie noch breiter Anwendung finden. Beim Landesantidiskriminierungsgesetz wollen wir den
Schutzkreis durch die Aufnahme weiterer Diskriminierungsmerkmale erweitern und es
verbindlicher für die landeseigenen Unternehmen zur Anwendung bringen. Maßnahmen des
Landesprogramm Diversity – wie die Einführung positiver Maßnahmen zur Bekämpfung von
Ungleichbehandlung – wollen wir eine gesetzliche Grundlage geben. Die LADG-Ombudsstelle muss
endlich personell gestärkt werden. Wir wollen, dass sie auch in der personellen Ausstattung
als eigene Behörde nach dem Vorbild der Datenschutz- oder des Polizeibeauftragten
aufgestellt wird.
Der Vorschlag für eine europäische Antidiskriminierungsrichtlinie wird seit vielen Jahren
durch Nicht-Behandlung im Rat der EU verhindert. Eine solche Richtlinie würde umfassenden
rechtlichen Schutz vor allen Diskriminierungsmerkmalen ermöglichen und kann Menschen, die
sich diskriminierenden Handlungen und Strukturen ausgesetzt sehen, ein wichtiges
Rechtsmittel an die Hand geben. Über unsere Mitwirkung im Bundesrat und im Bund wollen wir
uns dafür einsetzen, dass in der nächsten europäischen Legislatur Deutschland seine
Vorbehalte gegen eine europäische Regelung aufgibt und sich konstruktiv für eine
übergeordnete Antidiskriminierungsrichtlinie einbringt.
Wir stellen uns entschieden gegen jeden Antisemitismus, gegen alle Formen von Rassismus und
Diskriminierung. Im Kampf gegen Diskriminierung gibt es weniger ein Erkenntnis- als ein
Umsetzungsproblem. Wir wollen, dass das noch in der vergangenen Wahlperiode beschlossene
„Berliner Landeskonzept zur Weiterentwicklung der Antisemitismus-Prävention“ konsequent für
alle Bereiche angewandt wird – und wo Schutzlücken bestehen, diese konzeptionell geschlossen
werden. Dazu gehören insbesondere die Bereiche Bildung und Schule, Hochschule sowie
Opferschutz und Prävention. Hier braucht es verlässliche Strukturen gegen Diskriminierung,
die Antisemitismus besonders berücksichtigen. Die schwarz-rote Koalition verliert sich hier
in Symboldebatten, statt die grundsätzliche Arbeit gegen Antisemitismus zu stärken und
auszubauen. Trotz vollmundiger Ankündigungen hat die Koalition die zivilgesellschaftlichen
Beratungs-, Anlauf- und Präventionsprojekte gegen Antisemitismus bislang im Regen stehen
lassen. Seit dem 7. Oktober 2023 leisten sie noch einmal vermehrt Beratung und
Aufklärungsarbeit an Schulen oder beraten für von Antisemitismus Betroffene als
Anlaufstellen, oftmals mit immensen Überstunden oder sogar unbezahlt. Sie benötigen dringend
eine Aufstockung ihrer Förderung, damit die erhebliche Mehrarbeit unterstützt und gewürdigt
wird. Das Beratungs- und Empowerment-Angebot wollen wir im engen Austausch mit der
Zivilgesellschaft weiterentwickeln. Dabei nehmen wir insbesondere den Umgang mit sozialer
Ausgrenzung, Klassismus und Diskriminierung im digitalen Kontext, etwa im Zuge des Einsatzes
von Algorithmen und Künstlicher Intelligenz, in den Blick und begegnen auch den (psycho-
)sozialen und gesundheitlichen Auswirkungen von Diskriminierung systematisch.
Bestimmte Formen der Diskriminierung von gesellschaftlichen Gruppen haben bislang zu wenig
Aufmerksamkeit erfahren. Hier wollen wir Erkenntnislücken durch Studien und den Berlin
Monitor schließen – und zivilgesellschaftliche Empowerment- und Beratungsstrukturen
einrichten. Dazu gehören asiatisch gelesene Menschen oder bisexuelle Berliner*innen. Hinzu
kommen Programme, die besonders marginalisierte Gruppen stärken, wie der Aktionsplan zur
Einbeziehung ausländischer Rom*nja oder die Initiative geschlechtliche und sexuelle Vielfalt
(IGSV). Wir erwarten vom Senat auch ein stärkeres und entschiedeneres Handeln gegen
Rassismus. Dazu fordern wir die zeitnahe Einsetzung eine*r Beauftragten gegen Antiziganismus
sowie die Schaffung der Stelle einer*eines Beauftragten gegen antimuslimischen sowie gegen
anti-Schwarzen Rassismus. Außerdem fordern wir die zeitnahe und senatsübergreifend
koordinierte Umsetzung der Handlungsempfehlungen der Expert*innenkommission Antimuslimischer
Rassismus, wie z.B. die Abschaffung des Neutralitätsgesetzes.
Wir wollen die Antidiskriminierungsarbeit stärker horizontal ausrichten und intersektional
um neue gesellschaftliche Handlungsfelder erweitern. Mit der Fachstelle gegen
Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt „FairMieten – FairWohnen“ haben wir Bündnisgrüne dafür
in der letzten Wahlperiode ein Modellprojekt etabliert. Eine entsprechende Forschungs-,
Dokumentations- und Beratungsstelle fordern wir nun auch für den Gesundheits- und
Pflegebereich, für den Hochschul- und Wissenschaftsbereich und für den Bereich der KI-
Anwendungen ein. Zudem muss endlich die zivilgesellschaftliche Forderung nach Einrichtung
einer „Unabhängigen Beschwerdestelle gegen Diskriminierung an Schule“ (UBS) erfüllt werden.
Die Ziele der „UN-Dekade für Menschen afrikanischer Herkunft“ müssen auch über 2024 hinaus
verstetigt und umgesetzt werden. Wir fordern die Verlängerung des Umsetzungszeitraums dieser
Dekade, die aufgrund von coronabedingten Einschränkungen nicht vollends ausgeschöpft wurde.
Der Maßnahmenplan aus dem zivilgesellschaftlich getragenen Konsultationsprozess,
insbesondere die Einrichtung eines Studiengangs Black European Intersectional Studies, muss
umgesetzt werden.
Mit über 600.000 Berliner*innen in den Sportvereinen der Stadt kommt dem organisierten Sport
im Kampf gegen Diskriminierung eine besondere Bedeutung zu. Mit Kampagnen gegen Rassismus
und Antisemitismus, Handlungsempfehlungen für Vereine gegen Diskriminierung oder auch den
Programmen für Integration und Inklusion leisten Vereine und Verbände einen wichtigen
Beitrag. Auch das geplante "Pride House Berlin" während der gesamten Fußball-EM zeigt, was
der organisierte Sport für mehr Akzeptanz bewegen kann. Nicht erst seitdem als Folge des 7.
Oktober der jüdische Verein Makkabi Berlin in mehreren Berliner Sportarten Spieltage absagen
musste, weil Sorgen um die Sicherheit der eigenen Sportlerinnen und Sportler bestand ist
klar: Auch im Sport ist Diskriminierung jeglicher Art noch immer an der Tagesordnung.
Dass sich viele Menschen auch in einigen Sportvereinen nicht sicher und wohl fühlen können,
können wir nicht hinnehmen.
Es braucht Strukturen und geschulte Anlaufstellen in Vereinen und Verbänden, an die sich
Betroffene auf der Suche nach Unterstützung vertraulich wenden können, wie es sie bereits
für den Kinderschutz im organisierten Sport teilweise gibt. Zudem fordern wir, dass die
Berliner Sportverbände in Zusammenarbeit mit Betroffenen und Engagierten Konzepte zur
Bekämpfung von Diskriminierung in allen Bereichen beitragen. Hierzu gehören geschulte
Ansprechpartner*innen für Betroffene und Zeug*innen von diskriminierenden Vorkommnissen,
verpflichtende Schulungen und Sensibilisierung für Multiplikator*innen aus den Vereinen,
eine möglichst vielfältige Personalsuche in Führungspositionen, barrierearme Sportangebote
und Sportstätten sowie eine öffentliche und transparente Berichterstattung über den
Fortschritt der Maßnahmen.
Die Verteidigung der Demokratie: eine Aufgabe für die ganze Gesellschaft!
Wir wissen, um unser aller Demokratie zu verteidigen, braucht es ein Bündel von Maßnahmen.
Jede*r von uns steht in der Pflicht, sich für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung
einzusetzen: auf der Straße, am Arbeitsplatz, in der Schule, im Sportverein – aber auch in
der Politik und der Verwaltung. Berlin ist eine weltoffene Stadt, die von der Vielfalt der
Menschen lebt. Die Attraktivität Berlins für Menschen aus aller Welt ist zudem wesentlich
für unsere Arbeits- und Fachkräftesicherung, für Innovation, für unsere sozialen
Sicherungssysteme und damit für unseren Wohlstand.Wir bekennen sich klar zu dieser Vielfalt
und stellen uns rechtsextremen Strukturen entgegen. Nur ein sicheres Berlin für alle ist ein
gerechtes Berlin.