| Veranstaltung: | LDK am 22. November 2025 |
|---|---|
| Tagesordnungspunkt: | 11. Verschiedenes |
| Antragsteller*in: | LAG Migration & Flucht (dort beschlossen am: 19.11.2025) |
| Status: | Eingereicht |
| Angelegt: | 19.11.2025, 22:52 |
D-2: Dringlichkeitsantrag: „Listen to the Science!“ Gemeinsam in Berlin für eine Migrations- und Asylpolitik der humanitären Vernunft
Antragstext
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stehen für eine Politik, die der Wissenschaft zuhört: „Listen to the
Science!“
Unsere Migrations- und Asylpolitik der humanitären Vernunft setzt auf Aufklärung. Dabei
lassen wir uns von Wissenschaftler*innen beraten.
Gesetzesvorhaben prüfen wir dahingehend, ob sie mit Grund- und Europarecht in Einklang
stehen. Das gilt auch für die beiden Gesetzentwürfe der schwarz-roten Bundesregierung zur
Anpassung des nationalen Rechts an die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems
(GEAS).
Am 3. November 2025 hat sich der Sachverständigenrat für Integration und Migration zu den
Gesetzentwürfen der Bundesregierung für ein GEAS-Anpassungsgesetz sowie ein GEAS-
Anpassungsfolgegesetz zu Wort gemeldet. Der Sachverständigenrat äußert dabei scharfe Kritik
an den geplanten gesetzlichen Neuregelungen im Bereich „freiheitsbeschränkender und
freiheitsentziehender Maßnahmen, die aus unserer Sicht für eine wirksame Umsetzung der GEAS-
Reform weder zwingend erforderlich noch förderlich“ seien (Prof. Dr. Birgit Glorius,
Stellvertretende Vorsitzende).
Darüber hinaus legt der Sachverständigenrat besonderes Augenmerk auf die wirksame Umsetzung
des unabhängigen Menschenrechts-Monitorings gemäß Artikel 10 der neuen Screening-Verordnung:
„Ein flächendeckender und unabhängiger Monitoring-Mechanismus, also ein systematisches
Kontrollsystem, das die Einhaltung der Grundrechte überwacht, ist besonders wichtig,
insbesondere da Rechtsschutz gegen Entscheidungen im Screening-Verfahren ausgeschlossen ist.
Hier sollte der Gesetzgeber im parlamentarischen Verfahren dringend nachsteuern“ (Prof. Dr.
Winfried Kluth, Vorsitzender).
Als Landesverband Berlin von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schließen wir uns diesen Forderungen des
Sachverständigenrats vorbehaltlos an. Dies gilt auch mit Blick auf die neuen
europarechtlichen Verpflichtungen der Länder, in ihren Aufnahmeeinrichtungen künftig
geeignete Vorkehrungen zu treffen, um die besonderen Bedürfnisse vulnerabler Gruppen besser
berücksichtigen zu können: „Einrichtungen für entsprechende Fallzahlen müssen auch gebaut
oder bestehende ertüchtigt und mit mehr Personal betrieben werden. Es liegt jetzt bei den
Ländern, das umzusetzen“ (Prof. Dr. Kluth).
Für uns ist klar: Menschen dürfen nicht inhaftiert werden, nur weil sie Asyl beantragen. Das
GEAS-Anpassungsgesetz muss so ausgestaltet werden, dass jede Form der Inhaftierung von
Kindern ausgeschlossen wird. Kinder müssen kindgerecht untergebracht und versorgt werden.
Haft ist mit dem Kindeswohl grundsätzlich nicht vereinbar.
Wir wollen, dass die Überwachung der Einhaltung der Grundrechte in der Bundesrepublik
Deutschland den Leitlinien der Agentur für Grundrechte der Europäischen Union (FRA)
entsprechend gesetzlich geregelt wird. Der unabhängigen Nationalen Menschenrechtsinstitution
Deutschlands müssen in diesem Zusammenhang dauerhaft zusätzliche Mittel zur Verfügung
gestellt werden.
Die besonderen Bedürfnisse vulnerabler Gruppen wie beispielsweise Kinder, queerer Menschen
oder Menschen mit Behinderung müssen im Aufnahme- und Asylverfahren berücksichtigt werden.
Bei der Durchführung der neuen Screening-Verfahren ist sicherzustellen, dass die
entscheidende Bewertung der Vulnerabilität von entsprechend qualifiziertem Fachpersonal
außerhalb der Sicherheitsbehörden durchgeführt wird.
Begründung
Die Migrations- und Asylpolitik von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN basiert – analog zur Klimapolitik von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – auf dem Prinzip: „Listen to the Science!“. Vgl. dazu im Einzelnen den BDK-Beschluss „Für eine Migrations- und Asylpolitik der humanitären Vernunft“ vom 16. November 2024: https://gruene.berlin/nachrichten-lag-migration-flucht/bdk-beschluss-fuer-eine-migrations-und-asylpolitik-der-humanitaeren-vernunft_3476, „1. Säule: listen to the science“.
Die in diesem Antrag erhobenen Forderungen zu den Themenkomplexen Haft, Menschenrechts-Monitoring und Vulnerabilitätsprüfungen entsprechen 1:1 der Beschlusslage von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Der Sachverständigenrat für Integration und Migration ist ein unabhängiges und interdisziplinär besetztes Gremium der wissenschaftlichen Politikberatung. Er wird vollständig institutionell vom Bund gefördert. Das Bundesministerium des Innern hat die Finanzierung übernommen. Weitere Informationen unter: www.svr-migration.de
Begründung der Dringlichkeit
Der unabhängige und interdisziplinär besetzte Sachverständigenrat für Integration und Migration hat seine Positionen zum sogenannten GEAS-Anpassungsgesetz-Entwurf und GEAS-Anpassungsfolgegesetz-Entwurf der Bundesregierung erst am 3. November 2025, d.h. nach Ablauf der Antragsfrist, veröffentlicht: https://www.svr-migration.de/presse/geas-anpassung/ Die im Antrag dargelegten Positionen des Sachverständigenrats sind außerordentlich wichtig und sollten – gemäß Beschlusslage von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – unbedingt berücksichtigt werden.
Die Regierungsentwürfe zum GEAS-Anpassungsgesetz und GEAS-Anpassungsfolgegesetz stellen die bedeutendsten und mit Abstand härtesten Reformen im Bereich Asyl seit über 30 Jahren dar. Trotz erheblicher Bedenken und Vorbehalte gegenüber den von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwürfen soll die Anpassung des nationalen Rechts an die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems nach dem Willen von CDU, CSU und SPD „noch in diesem Jahr“ vollzogen werden (Koalitionsvertrag 2025 von CDU, CSU und SPD, S. 94).