Veranstaltung: | Landesdelegiertenkonferenz am 7. Dezember 2019 |
---|---|
Tagesordnungspunkt: | TOP 6 Weitere Anträge |
Antragsteller*in: | Sebastian Walter u.a. (KV Tempelhof-Schöneberg) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 04.11.2019, 11:09 |
V-19: Verlässliche Bundesförderpolitik für eine starke und plurale Zivilgesellschaft!
Antragstext
Verlässliche Bundesförderpolitik für eine starke und plurale Zivilgesellschaft!
Unser demokratisches Zusammenleben funktioniert nicht ohne eine starke Zivilgesellschaft,
die sich aktiv für Demokratie einsetzt und engagiert den Kampf gegen Antisemitismus,
Rassismus, Antifeminismus und alle Formen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit führt.
Dieses Engagement wird maßgeblich von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Projekten
betrieben, die sich gegen Rechte Gewalt und für die gleichberechtigte Teilhabe aller
Menschen am gesellschaftlichen Leben einsetzen. Und das oftmals unter erschwerten
Rahmenbedingungen, mit limitierter finanzieller Ausstattung und unter großem persönlichem
Einsatz. Und immer häufiger sind sie massiven Attacken und Einschüchterungsversuchen vom
Rechten Rand ausgesetzt.
Es ist die Aufgabe der Politik – egal ob auf Landes- oder Bundesebene – diesen Einsatz zu
würdigen, abzusichern und auf eine solide und verlässliche Grundlage zu stellen. In Berlin
übernehmen wir dazu mit dem „Landesprogramm gegen Rechtsextremismus, Rassismus und
Antisemitismus“, mit der „Initiative Geschlechtliche und Sexuelle Vielfalt“ und vielen
weiteren Maßnahmen Verantwortung, die durch unseren grünen Antidiskriminierungssenator und
durch unsere Parlamentsinitiativen kontinuierlich weiterentwickelt und gestärkt wurden und
werden.
Komplementär dazu hat auf Bundesebene das Förderprogramm „Demokratie Leben“ in den
vergangenen Jahren einen essentiellen Beitrag dabei geleistet, diese zivilgesellschaftlichen
Strukturen zu unterstützen. Umso unverständlicher ist der aktuelle Kurswechsel des
Bundesfamilienministeriums unter Bundesministerin Giffey. Denn durch diesen droht eine
Rückabwicklung der Strukturen, die in den letzten Jahren mühevoll aufgebaut und gestärkt
wurden. Organisationen und Einrichtungen werden massiv geschwächt und zum Teil sogar
zerschlagen.
Von dieser Entwicklung sind auch viele erfolgreiche Träger mit Sitz in Berlin betroffen:
Beispielsweise Amaro Foro, TransInterQueer (TrIQ), das Frauenforschungs-, -bildungs, und -
informationszentrum (FFBIZ), die Regionalen Arbeitsstellen für Bildung, Integration und
Demokratie Berlin (RAA Berlin), Each One Teach One, das Violence Prevention Netwerk, Ufuq,
die Fachstelle Kinderwelten/ISTA, das Kompetenzzentrum Prävention & Empowerment der
Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland, Amaro Drom, die Register- und
Informationsstelle Antisemitismus (RIAS), die Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus
(KIgA), die Amadeu-Antonio-Stiftung, RomaniPhen, die Initiative Schwarze Menschen in
Deutschland (ISD), Citizens for Europe und viele weitere Projekte mehr.
Das Vorgehen der Bundesfamilienministerin hat das Vertrauen zivilgesellschaftlicher
Akteur*innen – gerade auch derjenigen, die sich in der Fläche und in für sie gefährlichen
Kontexten für das demokratische Gemeinwesen einsetzen – nachhaltig erschüttert. Die, in
Reaktion auf öffentlichen Druck vorgenommene, teilweise Rücknahme der Mittelkürzungen bei
„Demokratie Leben“ reicht bei weitem nicht aus, um den angerichteten Schaden zu beheben. Wir
fordern die rasche Umsetzung folgender Punkte:
- die dauerhafte Aufstockung der Mittel auf mindestens 200 Millionen Euro pro Jahr
- die vorläufige Rückkehr zu den alten Förderrichtlinien, mit denen die
zivilgesellschaftlichen Projekte im Mittelpunkt stehen
- die Rücknahme der schwerpunktmäßigen Verlagerung auf die Kommunen
Diese Maßnahmen können aber nur ein erster Schritt sein. Zur strukturellen Unterstützung und
dauerhaften Absicherung des zivilgesellschaftlichen Engagements über den Bundeshaushalt –
unabhängig von politischen Mehrheiten und ohne bürokratischen Mehraufwand – braucht es
endlich eine rechtliche Grundlage. Die andauernden Ankündigungen von Giffey, ein
„Demokratiefördergesetz“ einzuführen, stellen sich als haltlose Versprechen heraus.
Wir fordern daher, dass der Berliner Senat gemeinsam mit anderen Bundesländern eine
Bundesratsinitiative für dieses Gesetz selbst auf den Weg bringt. Dieses soll nicht nur eine
rechtliche Grundlage für die dauerhafte Förderung entsprechender Einrichtungen regeln,
sondern auch den Rahmen für die inhaltlichen Schwerpunkte legen.
Darin müssen sich programmatisch Projekte gegen Rechts, gegen Antisemitismus, gegen
Rassismus und alle weitere Formen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit – im besten
Fall in einer merkmalsübergreifenden, intersektionalen Perspektive – genauso wiederfinden
wie die Förderung von Maßnahmen, die bislang unterschätzte Phänomene wie Reichsbürger,
Klassismus und die Abwertung erwerbsloser Menschen oder Hass im Netz, in den Blick nehmen.
Ein weiterer Schwerpunkt muss auf Projekten liegen, die sich für die gleichberechtigte
Teilhabe aller Menschen am gesellschaftlichen Leben einsetzen. Hierfür ist die Stärkung der
Arbeit von migrantischen Selbstorganisationen und neuen deutschen Organisationen zwingend
notwendig. Dazu gehört das communitybasierte Empowerment derjenigen Gruppen, die von
Rassismus in seinen unterschiedlichen Ausprägungen, von Antisemitismus, LSBTIQ-
Feindlichkeit, Antifeminismus und anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit
betroffen sind.
Notwendig ist auch eine Zusammenarbeit zwischen Staat und Zivilgesellschaft in Dialog und
auf Augenhöhe. Top-Down-Strukturen lehnen wir ab. Wir fordern eine Fördersystematik, die
längerfristige Strukturförderungen ebenso ermöglicht wie die Finanzierung von neuen
Ansätzen. Wir brauchen stabile zivilgesellschaftliche Netze ebenso wie die Möglichkeit,
Organisationen zu unterstützen, die auf neue Bedrohungen reagieren und neue Wege gehen.
Nach der rechtsextremistischen Terrortat in Halle konzentrieren sich die Debatten vor allem
auf sicherheitspolitische Aspekte. Dies ist unzureichend. Unsere Antwort auf Halle ist:
Es braucht mehr Solidarität, mehr Engagement, mehr Präventions- und Bildungsarbeit, mehr
Empowerment – es braucht mehr Zivilgesellschaft! Nur so können wir die plurale Demokratie
ausbauen und verteidigen!
Begründung
Weitere Antragssteller*innen: Susanna Kahlefeld (KV Neukölln), Philmon Ghirmai (KV Neukölln), Bettina Jarasch (KV Pankow), Antje Kapek (KV Friedrichshain-Kreuzberg), Silke Gebel (KV Mitte), Dirk Behrendt (KV Friedrichshain-Kreuzberg), Canan Bayram (KV Friedrichshain-Kreuzberg), Anja Kofbinger (KV Neukölln), June Tomiak (KV Kreisfrei), Daniel Wesener (KV Friedrichshain-Kreuzberg), Fatoş Topaç (KV Kreisfrei), Svenja Borgschulte (KV Pankow), Anna Hoppenau (KV Neukölln), André Schulze (KV Neukölln), Maria Meisterernst (KV Kreisfrei), Ulli Reichardt (KV Kreisfrei), Santina Wey (KV Tempelhof-Schöneberg), Taylan Kurt (KV Mitte), Stefanie Klank (KV Kreisfrei), Julie Steinen (KV Tempelhof-Schöneberg), André Stephan (KV Tempelhof-Schöneberg), Ario Mirzaie (KV Mitte), Heike Gleißner (KV Charlottenburg-Wilmersdorf), Lara Liese (KV Mitte), Johannes Mihram (KV Mitte), Pascal Striebel (KV Friedrichshain-Kreuzberg), Annka Esser (KV Tempelhof-Schöneberg), Annika Gerold (KV Friedrichshain-Kreuzberg), Jana Brix (KV Charlottenburg-Wilmersdorf), Henrik Rubner (KV Mitte), Jan Fährmann (KV Kreisfrei), Sebastian Weise (KV Charlottenburg-Wilmersdorf), Christine Gaszczyk (KV Tempelhof-Schöneberg), Nina Freund (KV Tempelhof-Schöneberg), Ina Rosenthal (KV Kreisfrei), Vivian Weitzl (KV Neukölln), Daniela Ehlers (KV Lichtenberg), Paul Meyer-Dunker (KV Lichtenberg), Christoph Wapler (KV Charlottenburg-Wilmersdorf), Tatjana Meyer (KV Kreisfrei)