Veranstaltung: | LDK am 28. Oktober 2020 |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 8 Verschiedenes |
Antragsteller*in: | Klemens Griesehop (KV Berlin-Pankow) |
Status: | Zurückgezogen |
Eingereicht: | 21.02.2020, 20:51 |
V-09: Antrag „Luftbrücke Berlin für geflüchtete Kinder auf den griechischen Inseln“ an die Landesdelegiertenkonferenz (LDK) Bündnis 90/Die Grünen Berlin am 28. März 2020
Antragstext
Bündnis 90/Die Grünen fordern den Berliner Senat auf:
- unverzüglich 4.400 unbegleitete geflüchtete Kinder vorrangig aus den griechischen
Flüchtlingslagern sowie allein reisende Mütter und ihre Kinder per Luftbrücke nach
Berlin zu holen.
- Die Landesregierung in Berlin wird aufgefordert die obigen Gruppen nach
Aufenthaltsgesetz § 23 Abs. 1 und § 23 Abs. 4 sofort aufzunehmen. Es handelt sich um
eine humanitäre Notlage!
- Aufgrund der unhaltbaren humanitären Notlage in den Lagern auf den griechischen Inseln
wird der Berliner Senat aufgefordert, alle rechtlichen Möglichkeiten des
Aufenthaltsgesetzes nach § 23 Abs. 1 und Abs. 4 auch ohne Einverständnis des
Bundesministeriums des Innern auszuschöpfen, um die Aufnahme rechtlich durchzusetzen,
indem eine Verpflichtungserklärung nach § 68 abgegeben wird.[1]
- Die Berliner Landesregierung wird aufgefordert, die Aufnahmeregelung für syrische und
irakische Flüchtlinge mit Verwandten in Berlin[2] für Drittstaatenangehörige aus
Syrien und Irak um Geflüchtete innerhalb der EU mit Angehörigen in Deutschland, die
keinen Rechtsanspruch auf Familiennachzug haben zu erweitern mit dem Ziel, möglichst
kurzfristig die Angehörigen zusammenzuführen.
- Die Berliner Landesregierung wird weiterhin aufgefordert, im Bundesrat aktiv zu
werden, minderjährige Geflüchtete und Erwachsene, die bereits Angehörige in
Deutschland haben, sofort aufzunehmen.
- Die Berliner Landesregierung unterstützt das Anliegen der mehr als 130 Kommunen, die
parteiübergreifend beschlossen haben, Geflüchtete aufzunehmen und prüft juristisch die
Durchsetzbarkeit dieses Anliegens auch gegen das Bundesinnenministerium.
- Die Berliner Landesregierung setzt sich im Bundesrat dafür ein, dass Deutschland den
von der EU-Kommission vorgeschlagenen Verteilungsschlüssel von Geflüchteten (nach
Bevölkerungsgröße und Wirtschaftskraft) umsetzt und diesbezüglich vorangeht, ohne auf
eine Koalition der Willigen zu warten, sondern Vorbild für andere europäischen Länder
abgibt.
- Die Berliner Landesregierung setzt sich im Bundesrat dafür ein, das Geflüchtete, die
sich in Arbeit bzw. in Ausbildung befinden und integriert sind, vor Abschiebungen
geschützt werden und einen sicheren Aufenthaltsstatus erhalten. Im Berliner
Abgeordnetenhaus/AGH ist eine entsprechende Beschlussfassung herbeizuführen.
Begründung
Der Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Robert Habeck, hat im Dezember 2019 als Gebot der Humanität die sofortige Aufnahme von 4.000 geflüchteten Kindern aus den überfüllten Flüchtlingslagern gefordert. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich mit der Unterschrift unter die EU-Menschenrechtskonvention und die Genfer Flüchtlingskonvention zum Schutz von Geflüchteten verpflichtet. Mittlerweile haben sich mehr als 130 Kommunen parteiübergreifend zur Aufnahme von Geflüchteten bereit erklärt. Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl begrüßte die Forderung von Robert Habeck. Geschäftsführer Günter Burkhardt nannte es "unerträglich, dass tausende Flüchtlingskinder in griechischen Elendslagern vor Kälte, Nässe und Hoffnungslosigkeit zittern ...“ Nach Angaben des UNHCR leben mehr als 4.400 unbegleitete Kinder in Lagern auf den Inseln Lesbos, Samos und Kos. Es ist eine humanitäre Katastrophe und ein Notstand in Europa![1]
Berlin hat die Möglichkeit nach Aufenthaltsgesetz § 23 Abs. 1 und § 23 Abs. 4 die obigen geflüchteten Gruppen aufzunehmen und sich somit vorbildlich solidarisch in Europa zu verhalten. Dies kann nach der Gesetzeslage auch ohne die Zustimmung des Bundesinnenministeriums erfolgen, wenn eine Verpflichtungserklärung nach § 68 abgegeben wird. Nur zur Wahrung der Bundeseinheitlichkeit bedarf es des Einvernehmens mit dem Bundesinnenministerium. Da Berlin sich diesbezüglich nach der Gesetzeslage und bundeseinheitlich verhält, kann das Land auch ohne Zustimmung des Bundesinnenministers handeln. Der Bundesinnenminister mauert diesbezüglich. Deshalb sollte das Land Berlin alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um die Aufnahme der Geflüchteten nach § 23 Abs. 1 und § 23 Abs. 4 durchzusetzen. Aufgrund der Dringlichkeit und der akuten Notlage wäre auch ein Dringlichkeitsantrag juristisch zu erwägen und zu prüfen.
Die Bundesländer Berlin, Thüringen, Brandenburg, Baden-Württemberg und Niedersachsen haben sich bereits vor Weihnachten zur Aufnahme bereit erklärt. Insgesamt haben sich mittlerweile mehr als 130 Kommunen entschlossen zusätzliche Geflüchtete aufzunehmen.[2] Bundesinnenminister Seehofer lehnt die Aufnahme bisher ab und mauert. Eine einheitliche Lösung innerhalb der EU (Verteilung nach Bevölkerungszahl und Wirtschaftskraft) wird von einigen EU-Ländern unsolidarisch verhindert bzw. auf eine Koalition der Willigen kann angesichts der humanitären Notlage nicht gewartet werden. Deshalb sollten die Metropole Berlin sowie die Bundesrepublik Deutschland vorangehen und ein solidarisches Vorbild in der europäischen Gemeinschaft darstellen. Dann werden sich sicherlich auch weitere Länder anschließen, um die Grundwerte der EU zu verteidigen und zu vertreten.
Zahlreiche Jugendhilfeeinrichtungen haben in Berlin freie Plätze und können die schutzbedürftigen Kinder und Jugendlichen sofort betreuen. In Berlin gibt es überparteilich ein großes Netzwerk von Freiwilligen (u. a. Moabit hilft, Schöneberg hilft, Weltweit Berlin, Steglitz hilft, Willkommen im Westend hilft, Pankow hilft, Be an Angel), die mit ihrem großen Engagement bereit sind, sich in allen Fragen der Integration zu engagieren - von Begleitung zu Behörden, über Deutschunterricht, bis hin zu Patenschaften. Eine Vielzahl der festsitzenden Flüchtlingskinder hat auch Angehörige, die bereits in Deutschland leben und hier im Asylverfahren sind. Ihre Aufnahme ist kein Gnadenakt, sondern beruht auf einem Rechtsanspruch auf Familienzusammenführung über die Dublin-Verordnung. Die Verfristung der Antragstellungen in Griechenland liegt auch an den katastrophalen Zuständen, die Europa mit dem EU-Türkei-Deal bewusst herbeigeführt hat. Die Aufnahme von unbegleiteten Kindern und Jugendlichen kann nur ein Anfang sein. Die sogenannten Hotspots müssen umgehend geschlossen werden. Wenn die Menschenrechte auch an den europäischen Außengrenzen gelten sollen, braucht es den Zugang zu einem Asylverfahren innerhalb der EU, und dieser ist im Schlamm und Morast der sogenannten „Hotspots“ nicht möglich.
Berlin war in der Zeit des sog. Kalten Krieges Leuchtturm der Freiheit und wurde während der Berlin-Blockade nach dem zweiten Weltkrieg durch die Luftbrücke von Juni 1948 bis Mai 1949 am Leben erhalten. Die Geschichte der Rosinenbomber ist in Berlin legendär. Bürgermeister Ernst Reuter sagte am 9. Sept. 1948: „Ihr Völker der Welt (...) Schaut auf diese Stadt!“[3] John F. Kennedy sagte vor diesem Hintergrund: „Ich bin ein Berliner!“[4] Heute ist die Metropole Berlin Sehnsuchtsort für viele Menschen aus der ganzen Welt. Jetzt kann Berlin sich mit seiner glücklichen Geschichte dankbar und erkenntlich zeigen, indem wir den sich in einer absoluten Notlage befindlichen Kindern und weiteren Gruppen auf den griechischen Inseln zur Hilfe kommen und sie aufnehmen.
[1]https://www.uno-fluechtlingshilfe.de/hilfe-weltweit/mittelmeer/
aktueller Bericht in Die Zeit aus Moria vom 11. Febr. 2020: https://www.zeit.de/kultur/2020-
02/griechenland-fluechtlinge-fluechtlingslager-moria-kinder-lesbos/komplettansicht
https://www.tagesspiegel.de/politik/fluechtlingsaufnahme-in-staedten-und-gemeinden-wir-
brauchen-mehr-verantwortung-fuer-die-kommunen/25481520.html
Unterstützer*innen
- Clara-Sophie Schrader (KV Berlin-Pankow)
- Volkmar Nickol (KV Berlin-Kreisfrei)
- Herbert Nebel (KV Berlin-Charlottenburg/Wilmersdorf)
- Svenja Borgschulte (KV Berlin-Pankow)
- Gabriele Kutt (KV Berlin-Charlottenburg/Wilmersdorf)
- Conrad Schmidt (KV Berlin-Pankow)
- Bernd Frieboese (KV Berlin-Reinickendorf)
- Jörn Jenser (KV Mitte)
- Bernd Albani (KV Berlin-Pankow)
- Thore Hagemann (KV Berlin-Neukölln)
- Wolfgang Schmidt (KV Berlin-Kreisfrei)